Wir reisen also scheinbar wieder. Das war ja der weit verbreitete Wunsch: Alles möge bitte wieder „normal“ werden! So wie es einmal war. „Normal“ ist ja aber auch so ein komisches Wort. Als ob Reisen sich in eine DIN verfrachten ließe. Viel wichtiger aber: Wir vergessen, dass unter „normalen“ Umständen gar nicht alles gut war. Auch oder gerade nicht im Tourismus auf Sardinien. Wir brauchen wirklich ein „neues Normal“. Ich mag den Begriff nicht so wahnsinnig gern – aber für den Moment können wir es ja ruhig mal so nennen.
Erstmal ist ja aber die Aussicht auf freies Reisen gut, denn Reisen ist Balsam für die Seele und fördert ja durchaus das Verständnis für andere Kulturen und Haltungen (was in einer Zeit, in der Menschen für einen Bruchteil der eigenen Meinung sofort in Schubladen wie „Schlafschaf“ oder „Covidiot“ gesteckt werden, durchaus heilsam und wichtig sein könnte). Vielleicht beruhigen sich auch einige endlich wieder und vermeiden den Herzkasper.
Gleichzeitig wird Reisen „nach, von und zu mit Covid“ nicht so sein, wie vorher. Wie geht der also, der „neu-normale Sardinien-Urlaub“?
Die Geschichte wiederholt sich 2021 wohl leider. Das merken wir schon am ersten Tag der „zona gialla“, wenn die Bewegungsfreiheit wieder auf die gesamte Region und alle anderen gelben Zonen in Italien ausgedehnt ist. Im Tourismus scheint das gleiche Spiel wie im ersten Covid-Jahr zu beginnen: Alles konzentriert sich auf die Sommersaison. Seit den ersten Lockerungen im internationalen Reiseverkehr (hier die aktuellen Reisehinweise des Auswärtigen Amtes) hat der Run auf Fähren und Flüge begonnen. Letztere werden von den Fluggesellschaften (die ja auch nicht planen konnten) schon wieder fröhlich umgebucht. Preise für Hotels und Mietwagen steigen in den interstellaren Bereich – und sind ja schon in einer normalen Sommersaison nicht niedrig.
Der Sommerurlaub, die heilige Kuh, wird wieder einmal zum Heilsbringer für alle. Auf der Insel wollen viele reinholen, was längst verloren ist. Unter den Reisewütigen herrscht enorme Anspannung: Wer weiß, was im Herbst ist! Das einst philosophische Konzept „Carpe Diem“ wird also zum Ego-Booster: Ich will jetzt Urlaub! Unbedingt!
Man muss nicht das weise Mufflon sein, um vorherzusehen, was das auf Sardinien bedeutet: Vollgas auf die Sommersaison. Die Folge: Menschen. Viele Menschen. Überlaufene Küsten- und Touristendörfer, Häfen, Restaurants und Hotels, an den Stränden gibt es Abstandsregeln für Sonnenliegen und man kann dem Andrang an vielen Stellen nur mit Zugangsbeschränkungen beikommen.
„Viele Leute“ klingt für mich spontan nur so mittel intelligent in einer laufenden Pandemie, aber was weiß das Schaf schon.
„Jaaaaa, aber Sardiniens Wirtschaft hängt ja vom Tourismus ab!“ … Das schwarze Schaf bekommt kurz Schnappatmung – liefert aber gern ein paar Zahlen. Denn das ist so einfach nicht.
Fazit: Der Tourismus, speziell der Sommertourismus und die Urlaubsarten „Strand- und Resorturlaub“ sind auch 2021 nicht das Allheilmittel, von dem speziell Deutsche ja gern denken, dass es das ist und dass sie ja ihr ach so wichtiges gutes Geld bringen …
Und so manifestiert sich einmal mehr das stereotype Sardinien-Bild von »Sommer, Sonne und Strand«. Die Hauptsaison wird überhöht.
Dabei wäre gerade ein vorsichtiger, aktiver Nebensaison-Outdoor-Urlaub im Frühling oder Herbst mit angepassten Abstands- und Hygienekonzepten durchaus machbar (und machbar gewesen). Aber das setzte ja ein Dazulernen und ein landesweites Konzept, das die sardischen Einwohner einbezieht, voraus … Boh …
Wirklich heilsam wäre ein Umdenken. Das vielbeschworene „neue Normal“. Ein Leben, in dem Nachhaltigkeit normal und alltäglich ist. Und dieses Konzept auch ganz natürlich auch auf den Urlaub auszudehnen. Genau hinschauen, und die Folgen des Handelns auch und gerade beim Reisen mit einkalkulieren. Sich mit seinem Reiseland auseinanderzusetzen und zu überlegen: Wie sorge ich dafür, dass ich dort keinen Schaden anrichte und vielleicht die Welt sogar etwas besser mache? Damit z. B. auch die Einheimischen ihr gutes Auskommen haben und sich nicht mit Saisonjobs durchschlagen müssen. Damit „das gute Geld“ da ankommt, wo es Sinn hat und gebraucht wird.
Wer mit Meerblick und Strandzugang meint, Sardinien zu kennen und zu lieben, hat etwas ganz wichtiges vergessen. Nämlich die Landeskultur, das was die Insel im Kern ausmacht. Wenn wir die Kultur und die Natur Sardiniens in ihrer Gesamtheit kennenlernen, respektieren und schützen, hilft das letztlich allen, sogar uns selbst.
Denn natürlich geht es im Urlaub auch darum, dass wir uns selbst etwas Gutes tun. Coccole / Streicheleinheiten für die Seele sind wichtig. Dazu dürfen wir unsere Qualitätsansprüche durchaus hochschrauben. Auf Sardinien heißt Qualitätsurlaub zum Glück nicht nur „Luxusurlaub“, sondern geht auch ganz selbstverständlich und quasi automatisch durch eine naturnahe, landestypische Reise.
Die Einschränkungen des letzten Jahres haben mich noch ein bisschen bewusster und konsequenter werden lassen. Zwar ist ein schwarzes Schaf grundsätzlich abseits der Touripfade unterwegs und schaut darauf, in keine Tourifalle zu tappen. Aber es schadet ja nicht, mit der Gunst der Stunde nochmal einen draufzulegen.
Ich hab dazu mal meine persönlichen Urlaubswünsche und -ansprüche aufgeschrieben. Vielleicht findet sich ja der/die ein oder andere wieder:
Das Schöne ist: die natürlichen, nachhaltigen Alternativen sind auf Sardinien alle längst da. Die Insel hat tatsächlich auf alles richtig gute Antworten und Angebote, die nur darauf warten, von euch besucht zu werden!
Was das Reisen mit immer noch aktivem Virus betrifft, gibt es mit erhöhtem Menschenaufkommen sicher in diesem Jahr ausgedehntere Kontrollen sowie Sicherheits- und Gesundheitschecks an den Fähr- und Flughäfen. Auch sowas wie die AHA+L-Regeln werden mehr oder weniger noch ein Weilchen bestehen bleiben. Wer wie das Schaf latent autistisch ist und schon früher ungern die Griffe an Klotüren oder Einkaufswägen angefasst hat, wird sich an den Maßnahmen sicher nicht weiter stören. Ich selbst brauche auch nicht alles steril, finde es aber auch nicht schlimm. Hingegen eine Unart ist, wenn „aus Hygienegründen“ alles in Plastik verpackt wird und sich der Einwegwahn wieder bemerkbar macht. Insgesamt geht es ja einfach darum, das Virus vor allem von der unkontrollierten Vermehrung abzuhalten, um uns allen noch so ein Jahr zu ersparen.
Maske & Co. sind ja zudem nur dort notwendig, wo sich Menschen knubbeln, wo wenig Platz ist, in geschlossenen Räumen, etc. Wichtig finde ich sie tatsächlich auch dort, wo man tendenziell aufgeregt, auf Orientierungssuche und automatisch disziplinloser ist – z. B. bei An- und Abreise und in ungewohnter Umgebung. Oder dort, wo man irgendwann sorgloser wird, weil „schon nix passiert“ und „es ist ja Urlaub“.
Kleiner Rückblick auf 2020: Das Problem der vielen Fallzahlen auf Sardinien nach dem Sommer lag – grob zusammengefasst – unter anderem in zu früh geöffneten Diskotheken, in Ressorts, deren Personal vom Festland das Virus einschleppte, in Menschenansammlungen an Flug- und Fährhäfen und in den touristischen Hotspots, speziell, wenn dort Reisegruppen mit sorglos feiernden, weil asymptomatischen Jugendlichen auftauchten. In meinem entzückenden B&B in Mandas im Süden Sardiniens gab es derlei nicht. Auch auf meinem letzten Tour mit Stationen in Cabras, Cuglieri und Santu Lussurgiu und das Hinterland des Montiferru hatte ich keine Probleme, auf zuviele Menschen zu treffen. Nur eine Einladung einer Jagdgesellschaft (nicht ganz regelkonform …) musste ich ausschlagen.
Im „neu-normalen Sardinien-Urlaub“ ist generell leicht vermeidbar, während der Zeit auf der Insel auf zu viel Mensch zu treffen oder sich gar ein Virus einzufangen. Noch ein paar Ideen gefällig?
Nehmen wir mal einen der obigen Punkte: das Essen. Dass wir ein Immunsystem haben, ist ja schön und hilfreich. Nur muss es 1. auch funktionieren und 2. stimuliert werden. Hocke ich viel im Büro, treibe wenig Sport und nehme industriell verarbeitete Lebensmittel zu mir, bin ich vielleicht gar nicht so gut auf die Abwehr von Viren eingerichtet, wie ich meine. Vor allem, was ich in meinen Körper aufnehme, trägt enorm dazu bei, wie gesund ich bin. Dazu reicht zwar ein Urlaub nicht aus, vor allem nicht, wenn ich nur vom Ferienhaus zum Strand dackel und ein paar Aerosole einatme.
Aber der „neu-normale Sardinien-Urlaub“ kann ein Anfang sein: Nicht umsonst gehört Sardinien zur „Blue Zone“ – der Zonen auf dem Planeten, in der die ältesten Menschen leben. Auf Sardinien ist das die zentrale Bergregion. Dort werden die Menschen besonders alt und es gibt besonders viele Hundertjährige / Centinari. Das schreibt man größtenteils der gesunden Lebensweise und Ernährung zu. Und dem Rotwein Cannonau, die „Quasi-Geheimzutat“ für ein langes Leben.
Du könntest auf Sardinien also einen „Detox“-Urlaub machen. Die Insel hat nämlich einen riesigen Vorteil: den direkten und unkomplizierten Zugang zu guten, natürlichen und bei Kilometer Null produzierten Lebensmitteln, in Quasi-Bioqualität. Ob auf dem Wochenmarkt / mercatino settimanale, in kleinen Fleischereien / macellerie, Obst- und Gemüseläden / ortolano, Pasta-Manufakturen, aber auch in den Wagen am Straßenrand und von privat bekommst du ganz hervorragende Qualität. Fast jeder Dorf-Supermarkt hat zudem sardische Produkte im Angebot oder wird von örtlichen Produzenten beliefert, sogar in touristischen Gebieten. Du musst absolut nicht die Mastschwein-Salami oder den Massenrinder-Parmesan aus dem Discounter kaufen. Der ist nämlich auch auf Sardinien nicht nachhaltig.
Noch besser ist, eine kleine kulinarische Rundreise zu machen und dabei bevorzugt in die Dörfer im Inselinneren zu fahren – dort, wo tatsächlich nachhaltige Landwirtschaft betrieben wird.
In einem Agriturismo, einer kleinen Locanda oder einer fattoria didattica siehst du, wie Käse oder Ricotta entstehen und kannst sardische Methoden lernen. Ich war zum Beispiel mal in der Nähe von Dorgali, im Parco-Museo S’Abba Frisca. Urlaubst du vielleicht auch nur für ein paar Tage mit deiner Familie naturnah, siehst du Tiere, die frei und halb wild aufwachsen, pflückst die Orangen direkt vom Baum, lernst Kräuter kennen und verstehst, was „back to the roots“ wirklich heißt …
Eine Auszeit auf Sardinien ist geeignet, um neue Kräfte zu sammeln und verborgene Energien freizusetzen. Das geht, indem wir uns selbst begegnen, uns selbst mehr schätzen, und uns etwas Gutes zu tun.
Nun gibt es viele, die denken: Dafür brauche ich ein Resort, weil ich mich da um nichts kümmern muss. Und ich will ja auch mal wieder Leute sehen! Dann wird sich dumm und dusslig getestet und alles geimpft, was geht und sich dann zwei Wochen in klinischen Verhältnissen in ihrem hygienisch einwandfreien Hotel zwischen Strand, Pool, Restaurant und Zimmer bewege, die immer die gleichen deutschen Pappnasen sehen und die Kinder betreuen lassen. Alles übertrieben gesagt, darf ja jede/r Urlaub machen, wie er/sie möchte und es gibt auch schöne, nachhaltige Resorts. Und wie die Historie zeigt, ist Impfen auch eine wirksame und richtige Strategie und eine große Errungenschaft der Wissenschaft. Also, nicht falsch verstehen.
Aber der Gedanke ist eben ein anderer: Die Natur ist dein Freund. Das Unverfälschte, das am wenigsten Künstliche. Insofern: Du brauchst kein desinfiziertes Covid-free-Resort. Du brauchst das echte, ganz natürliche Sardinien.
Für mich ist Sardinien der optimale Platz Welt, um nach Stressphasen zur Ruhe zu kommen und den Akku voll aufzuladen:
In Krisen wie diesen ist das Zauberwort „Resilienz“. Das ist weniger Entspannung, mehr Abhärtung. Oder um im Schafbild zu bleiben: nur mit dicker Wolle kommst du durch den harten Winter. Und nach der Krise musst du vermutlich das Fell wieder pflegen. Leider reicht nicht aus, im Urlaub endlich mal nicht kochen oder Homeschooling begleiten zu müssen – da darf bezweifelt werden, ob das auch nur den leisesten Effekt auf deine Resilienz hat. Wieder: nicht falsch verstehen. Das ist wichtig und den müden Kreislauf zu unterbrechen, ist ein erster Schritt. Aber für dein wahres, inneres Wohlbefinden und neue Stärke brauchst du mehr als das.
Resilienz brauchen wir, um echte Krisen – weil sie auf so vielen Ebenen herausfordernd sind – nicht als Totalkatastrophe zu betrachten. Sondern einen Schritt weiter zu gehen: Sie als positive Chance zu begreifen und für etwas Gutes zu nutzen (Artikel auf resilienz-akademie.com – wie Resilienz und optimistischer Realismus helfen, besser durch diese Zeit zu kommen).
Ein bewusst-natürlicher Urlaub auf Sardinien kann dir dabei helfen.
Wie zuvor gesagt, hat Nachhaltigkeit viel mit Natürlichkeit, Naturschutz und ökologischem Bewusstsein zu tun. Genau genommen müssten wir gerade jetzt deshalb in unserer Heimatregion in Deutschland, der Schweiz oder in Österreich urlauben und bleiben, aber das ist ein anderes Thema. Nachhaltigkeit geht natürlich auch im Urlaub und das bedeutet keinen Schaden anzurichten, beim Geldausgeben eben darauf zu achten, dass es in den richtigen Taschen landet und vor allem dem Urlaubsziel kulturell gerecht zu werden.
So gesehen schließt sich der Kreis nach vorn: Der Tourismus kann tatsächlich ein Heilmittel sein, wenn er denn auf allen Ebenen, in allen Regionen und im ganzen Jahr stattfindet. Ich schließe diesen Artikel mit der Hoffnung, dass alle einheimischen Betriebe, B&Bs, Gasthäuser, Hotels, Restaurants, Museen, Kulturprojekte, Guides, Vermietungen, und und und … die Pandemie wirtschaftlich überlebt haben oder überleben werden.
Ich bin ehrlich gespannt auf den Tourismus 2021. Aber noch mehr auf das, was nach ihm kommen mag, ob sich das Bewusstsein der Urlauber wirklich zu einem „neuen Normal“ entwickelt und Sardinien nicht nur für schwarze Schafe zu einem natürlichen, sicheren Reiseziel im ganzen Jahr wird.
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Chitartha
18. Mai 2021 at 10:11Namaste Nicole
Schreibe aus Indien und entdecke grad Sardinien…..dein mehr Natur weniger Mensch und nachhaltig, lokal zu urlauben hat mich sehr angesprochen.das ist der urlaub fuer die Zukunft, so das die Menschen die auf der insel Leben unterstuetzt werden…. DANKE es ist ein juwel deinen blog gefunden zu haben.bin uebrigens in Stade bei HH aufgewachsen, kennst du vielleicht…..Tschüss chitartha/Dieter
pecora nera
19. Mai 2021 at 12:48Danke dir, hab noch eine schöne Zeit in Indien und dann wohl bis bald auf Sardinien 😉
sigrid hering
19. Mai 2021 at 11:42Moin, liebes Schwarzes Schaf.
ich sitze in Agrustos in der Sonne und habe gerade ersteinmal ein mir neues Wort nachgeschlagen „Resilienz“.
Gut geblökt! Ich bewundere immer wieder, wie du es schaffst auf leichte Art und Weise auch unangenehme Dinge auszusprechen, ohne dabei auf allzu viele Füße zu treten. Das kommt vielleicht durch die zarte Eleganz des Schafhufes, der ja nur wenig Auftrittsfläche benötigt ;-).
Es tut mir gut, deine Worte zu lesen, animiert mich und ich hoffe, sie finden viele Leser, offene Seelen und Herzen.
Es würde uns allen so gut tun, auch weiterhin Alles mit ein wenig mehr Ruhe und Frieden zu unternehmen. Den Trubel und hektische Aktivitäten zu umgehen und den Kontakt zur Natur wieder zu erweitern.
Schön geschrieben, sprichst mir aus der Seele.
Hatte gerade wunderbare Tage und alle haben sich gefreut, mich zu sehen ( u.A, weil ich seit Monaten die einzige Besucherin war ;-)). Das war sehr schön. Ruhig, gemütlich, persönlich. Schöne Wochen auf einer fast menschenleeeren Insel.
Morgen zurück ins kühle Bremen. Mit Abstand 😉
Alles Gute!
pecora nera
19. Mai 2021 at 12:50Määäährci! Freut mich, dass du eine gute Zeit hattest, ich wünsche dir eine gute Heimreise, wir lesen uns 🙂