Die Insel Sardinien überrascht ihre Besucher immer wieder. Zuerst durch ihre natürliche Schönheit. Und dann direkt durch ihre schiere Größe – mit Luftlinie 300 x 180 Kilometern und extrem vielen Serpentinen und Landstraßen ist sie definitiv zu groß, um in einem einzigen Urlaub entdeckt zu werden. Dazu kommt ihre kulturelle Tiefe und Vielfalt. Und wenn du ein bisschen da bist, umfängt dich ihre Ruhe und Zufriedenheit, so dass du so lang wie möglich verweilen möchtest.

Die erste Empfehlung, die das schwarze Schaf dir gibt ist: Mach eine Rundreise! Sich an einen Ort festzusetzen ist bequem, würde dem Reiseziel Sardinien aber nicht gerecht werden. Sei neugierig, reise langsam und bewusst. Laufe viel herum. Wage dich nah an die Einheimischen.

Zwischen Meer und Berg beweist Sardinien eine unglaubliche Tiefe. Manchmal wörtlich, wie hier an der Cala Fuili mit der hinführenden Schlucht.
Zwischen Meer und Berg beweist Sardinien eine unglaubliche Tiefe. Manchmal wörtlich, wie hier an der Cala Fuili mit der hinführenden Schlucht.

Hier hat das schwarze Schaf ein paar wissenswerte Dinge über die Insel zusammengetragen:

Sardinien ist määähr als Meer.

Dieser Blog des schwarzen Schafs blökt genau davon. 1.800 Kilometer Küstenlinien sind zwar irre viel und die Strände sind auch einer schöner als der andere. Aber: Im Hinterland sind die Orte, die dir Echtheit und Authentizität versprechen und in denen du die wirklichen Überraschungen erlebst. Menschlich, landschaftlich und gastronomisch. Manchmal reichen schon fünf bis zehn Kilometer. Dort, wo sich Meer und Berg treffen, ist die Insel richtig spannend – zum Beispiel in der Ogliastra. Stöbere einfach ein bisschen oben in der Kategorie „Regionen“ und lass dich inspirieren. Da ist so viel Tolles, das auf dich wartet. Und Sardinien ist auch mehr als der Sommer. Zwischen Januar und Dezember ist so viel Spielraum und Spannendes – vor allem die echten, sardischen Feste finden nicht im Sommer (oder wenn, dann nur als halbgare Ausgabe) statt.

Wenn deine Vorstellung von Urlaub ist, ein Land wirklich zu entdecken, dann hol dir doch einfach das Reisebuch vom schwarzen Schaf.

Zum Beispiel der Sarrabus: Berg und Blumenmeer ... da kann die Küste auch mal kurz warten
Zum Beispiel der Sarrabus: Berg und Blumenmeer … da kann die Küste auch mal kurz warten

Sarden leben eher im Hinterland als an der Küste.

Eine merkwürdige Wahrheit, aber das ist so. Einige Orte wie Olbia, Cabras, Carloforte, La Maddalena … haben eine tief verankerte Fischerkultur und hier findest du auch echte Seeleute. Doch das Gros an den Küsten sind künstliche Touristenorte, allen voran Costa Smeralda, Costa Rei und wie sie alle heißen. Da ist tendenziell schwierig, etwas „echt sardisches“ zu finden.

Küsten sind hauptsächlich von Touristen oder Ausländern (= deutschen, österreichischen, französischen etc. Einwanderern) bewohnt. Falls du also an einem Ort verweilen möchtest, dann suche dir doch einen im Hinterland – wir mögen zum Beispiel Oliena, Dorgali, Baunei, Mamoiada … – um möglichst nah an Land und Leute zu kommen.

Von dort aus kannst du Sardinien dann sternförmig bis an die Küsten erkunden.

Fischer- und Esskultur in Olbia
Fisch essen an der Küste – ja, am liebsten hemdsärmelig zu lokalen Festen, wie hier in Olbia

Sardinien ist wirklich groß.

Wer das nicht glaubt, kann ja mal unsere Schwarzschaf-Inselrouten abfahren … Für unsere letzte stark serpentinenhaltige Strada Provinciale im Landesinneren mit 70 Kilometern brauchten wir über zwei Stunden. Um über die Schnellstraße SS 131 (max. 90 – 110 km/h!) von Nord nach Süd zu gelangen (Luftlinie rund 300 km), sind drei bis vier Stunden einzuplanen. Faustregel: pro Kilometer eine Minute, auf den kleinen Straßen und in den Serpentinen der Bergregionen auch mehr.

Sardinien ist sehr bergig.

Die Insel ist in ihrem Inneren so gebirgig, dass man manchmal vergisst oder gar nicht mehr glaubt, dass da ein Meer ist. Der höchste Berg der Insel ist mit 1.837 Metern die Punta La Marmora, gehörend zum „Dach der Insel“, dem Gennargentu. Im bergigen Zentrum wartet der Supramonte mit mehreren bis zu 1.400 Meter hohen Gipfeln auf. Sogar im eigentlich relativ flachen Norden erhebt sich der Punta Balistreri des Monte Limbara auf 1363 Meter.

Sonnenaufgang auf über 1.800 Metern: auch das ist Sardinien

Auf Sardinien schneit es und du kannst Skifahren.

Als logische Konsequenz von dem vorangegangenen Punkt – denn wo Berge sind, fällt oft Schnee. So auch auf Sardinien. Manchmal sogar bis in die Niederungen (hier ein paar Beweisfotos). Höchste Schneechance ist im Februar und März, wenn eigentlich Regenzeit ist, fällt es oberhalb von ca. 800 Metern oft als Schnee. Auf dem Bruncu Spina gibt es eine Skistation auf 1825 Metern und einige kleine Langlauf- und Schneewander-Gelegenheiten. Alles sehr hemdsärmelig, und die Infrastruktur ist für ein paar Wochen im Jahr etwas reduziert. Der Spaß am Draußensein und die Geselligkeit mit Freunden ist hier einfach alles und überwiegt den sportlichen Aspekt. Hier geht es zur Webseite bruncuspina.it und zur Schneevorhersage.

Sardinien im Schnee ist einfach nur wunderschön, wie hier am Arcu Correboi
Sardinien im Schnee ist einfach nur wunderschön, wie hier am Arcu Correboi

Auf der Insel leben mehr Schafe als Menschen.

Das positive Vorurteil stimmt, auch wenn die Zahl der Schäfer und ihrer Herden leider rückläufig ist. Menschliche Einwohner hat die Insel 1.674.927 (Quelle: ISTAT, 31. Dez. 2011), die gezählten Schafe auf der Insel gibt die gleiche Quelle mit 3.414.194 an. Die ARA Sardegna (Zuchtverband auf Sardinien) schätzt hingegen 4,9 Millionen Wolltiere. Das Nomadendasein der Schäfer und die Transumanza – wenn die Schäfer ihre Herden im Winter von den Bergen in die Niederungen brachten und im Frühling wieder zurück – begann mit dem „editto delle chiudende“ 1823 langsam aber sicher auszusterben. Kurz zusammengefasst: Sardinien wurde von kleinen Mäuerchen, den „Tancas“ durchzogen und die Herden so daran gehindert, zu passieren. Das Ende der Nomadenzeit, der Beginn des Banditentums.

Schafe bei Villasalto: weiß, wollig und neugierig.
Schafe bei Villasalto: die sardische Rasse ist weiß, wollig und neugierig.

Auf Sardinien ist nicht nur Strand und Sommer.

Tatsächlich, es gibt Dauerregen und richtig kalte Tage – und zwar nicht zu knapp. Sogar im bevorzugten Reisemonat Mai gibt es Wetterlagen, bei denen die Temperaturen tief fallen und starke nord-/nordwestliche Winde kalte Atlantik- und Polarluft heranschleppen. Von November bis Februar fällt im Flachland oft intensiver Regen, der Schotterstraßen ausschwemmt und unpassierbar macht.

Sardiniens Straßen sind gewöhnungsbedürftig.

Schlaglöcher. Überall. Am besten gewöhnst du dich gleich an den Gedanken, dass nicht alle Straßen so schick ausgebaut sind oder werden wie die neue SS 729 zwischen Olbia und Sassari. Schon die Lebensader der Insel, die SS 131 von Porto Torres nach Cagliari und die hinführende SS 131 dcn von Olbia via Nuoro haben einige ziemlich heftige Schäden. Außerdem sind es zu jeder Jahreszeit die Straßenrowdies, die eine einfache Ausflugstour zuweilen gefährlich machen. Würde jeder auf seiner Spur bleiben, das Tempo auf den Serpentinen und Provinzstraßen drosseln und in Kurven nicht überholen, gäbe es sicher einige Unfälle weniger. Übrigens: Einige schlimme Unfälle (auch mit Todesfolge) haben Urlauber durch U-Turns und plötzliche Bremsungen (selbst erlebt in einem Kreisverkehr…) verursacht … also … im eigenen und fremden Interesse bitte aufpassen! Und wenn du mal nicht weißt, wo es langgeht … einfach erstmal weiter fahren und einen sicheren Platz für den Blick auf die Landkarte suchen.

Küstenstraße von Alghero nach Bosa an einem Regentag. Schön, aber bitte schön langsam!
Küstenstraße von Alghero nach Bosa an einem Regentag. Schön, aber bitte schön langsam!

Auf Sardinien gibt es ausgesprochen hässliche Plätze.

Unverputzte Fassaden. Das fällt vielen Nordeuropäern, die gewohnt sind, dass alles geputzt ist, sofort aus. Das macht viele Orte auch ziemlich hässlich. Aber nur von außen. Innen – ob nun in den Häusern oder in den Gemütern der  Menschen – sind es oft echte Schönheiten. Doch die Häuser sind nicht das Hässlichste, das dir auf Sardinien begegnet: Die Insel hat ein massives Müllproblem, das nicht zu ignorieren und nicht wegzudiskutieren ist. Manch abgestelltes Schrottauto kann ja sogar ein schönes Fotomotiv sein, aber die Mentalität von „Ich werf das mal da hin“ und auch giftige Dinge in der freien Natur zu entsorgen, bringt das schwarze Schaf auf die Palme. Der Gipfel ist militärischer Uranmüll in der Quirra, siehe auch diesen Beitrag der ZDF-Mediathek.

Nicht immer haben unverputzte Fassaden so einen Charme wie diese ...
Nicht immer haben unverputzte Fassaden so einen Charme wie diese …

Auf Sardinien erzählt man sich alles.

Während der Teutone einen angeborenen Drang besitzt, alles ordentlich zu beschildern und öffentlich in Plänen für Jedermann auszuhängen, verlässt sich der Sarde auf das, was man ihm erzählt. Die gesamte sardische Kultur der Nuraghenzeit ist weitgehend ohne schriftliche Korrespondenz und Dokumentationen ausgekommen und bis heute von Mund an Ohr, von Generation zu Generation übermittelt worden. Das drückt sich im Alltag aus: Man weiß, wann und wo welcher Bus fährt – das haben einem die Eltern gesagt. Man weiß, wo der Weg durch die Berge entlangführt – da ist ja der alte Ziu schon lang gegangen. Man weiß, wo Quellen sind – da holte schon die Nonna früher das Wasser. Wenn ein Sarde etwas nicht weiß, wird es ihm irgendjemand schon erzählen. Oder es ist nicht wichtig.

Sarden sind stolz.

L’orgoglio, der Stolz, ist ihnen in das Herz eingebrannt. Nahezu jedes sardische Gesicht strahlt diese innere aufrechte Haltung aus, selbst wenn sie hundertjährig gebeugt gehen. Die Liebe zu ihrer Insel und der Stolz auf ihre Kultur ist auch in Kleinigkeiten immens. Jede Nuraghe ist „una meraviglia della nostra splendida terra!!!“ – auch wenn es 7.000 andere gibt. Der Patriotismus ist ausgeprägt – einem Volk, das jahrhundertelang von Besatzern blutig unterdrückt wurde, ist das kaum zu verübeln. Weltoffenheit ist leider kein Attribut, das den Sarden beschreibt. Ihr Landesstolz gipfelt leider zuweilen in fehlendem Horizont, Intoleranz und politisch rechten Auswüchsen. Kräftige Gegenströmungen sind gleichwohl vorhanden – zum Glück!

Mit Stolz wird zu Festen die heimische Tracht vorgeführt - auch von jungen Sarden
Mit Stolz wird zu Festen die heimische Tracht vorgeführt – auch von jungen Sarden

Sardisch ist eine Sprache.

Sie ist Teil des sardischen Stolzes. Und nein, man tauscht nicht einfach im Italienischen alle O gegen ein U und schon hat man Sardisch. Vielmehr ist Sardisch („sa limba sarda“) eine der ältesten neoromanischen Sprachen unseres Kontinents und kein Dialekt. Und sie gibt es gleich in mehreren Varianten, darunter eine korsische. Mehr dazu in unserem Artikel.

Sardinien ist nicht Italien.

Also, es gehört politisch zu Italien. Aber sonst irgendwie nicht so richtig. Die Insel ist eine autonome Region. Doch vor allem in ihrer Selbstwahrnehmung ist sie ein eigenständiges Land. Das rührt daher, dass die Insel (bis auf eine halbgare Ausnahme im Mittelalter) immer von irgendwem besetzt und die Bevölkerung unterdrückt war. Der italienische Staat reiht sich da schlicht in eine mehrere tausend Jahre alte Geschichte ein. Die sardische Aktionspartei fordert im sardischen Parlament regelmässig die Unabhänigkeit von Italien. 2013 war das Thema Freihandelszone ganz weit vorn. Mit dem „Sardex“ wird versucht, eine eigene Inselwährung zu etablieren. Wahrscheinlich wäre es keine schlechte Idee, das Land auf eigene Füße zu stellen (wobei selbst viele Sarden sagen, ihr Volk sei nicht regierbar, auch nicht von sich selbst). Die Zugehörigkeit zur EU ist für Sardinien wirtschaftlich und weltpoltisch so wichtig, dass dieser große Schritt vermutlich nie gewagt wird.

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2 Comments

  1. Markus Dennler

    4. August 2020 at 11:29

    Vielen vielen Dank für diese treffende Kurzbeschreibung Sardiniens.
    Ich habe noch nichts Besseres in dieser Kürze gelesen.
    Vieles bestätigt auch meine persönliche Erfahrung auf dieser wunderschönen Insel.

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