Du willst im Urlaub vor allem richtig gut und landestypisch essen? Du magst guten Wein? Dann ist Sardinien kulinarisch gesehen das richtige Reiseziel für dich!
Wenn Du dann auch noch ein Fan von solider Hausmannskost bist und die ehrliche Gastfreundschaft der Einheimischen erleben magst, umso mehr.
Vielen Reisenden ist erstaunlicherweise gar nicht so geläufig, wie einzigartig Sardinien kulinarisch ist. Piemont, ja. Toskana, auch. Aber Sardinien? Sie tappen zudem in die gleiche Falle, die schon kulturell gilt: Sie verwechseln Sardinien mit Italien.
Aber was ist denn „sardisch“, im kulinarischen Sinn?
Kommt der Besucher aus nordeuropäischen Gefilden, ist alles, was „mediterran“ und „Pasta“ heißt, erstmal eine gute Sache.
Weil es Urlaubsfeeling mitbringt und weil natürlich jede Pasta in Italien um Längen besser ist als die verkochte Lasagne zum Mittagstisch beim Italiener in der City (der sowieso eigentlich Albaner ist).
Im Urlaub sind die Erwartungen leicht erfüllt: Nehmen wir das typische Highlight eines Urlauber-Pärchens im Nordosten Sardiniens. Bevor es wieder nach Hause geht, gibt es das volle Futter-Programm: ein 4-Gänge-Menü in dem etwas besseren Restaurant des Ferienortes. Natürlich mit Meerblick und es klingt italienische Musik aus dem Lautsprecher. So muss das.
Da gibt’s ein Antipasto di mare oder Tartar vom Thunfisch, danach vielleicht Spaghetti mit Meeresfrüchten oder gar Astice / Hummer oder die Malloreddus mit frischer Salsiccia als ersten Gang, eine gegrillte Dorade oder eine Tagliata di Manzo / vom Rind und zum Schluss Tiramisu oder Seadas, und statt des Landweins heute mal eine schöne Flasche Cannonau aus der Weinkarte. Die Rechnung ist etwas happig, aber man gönnt sich ja sonst nix. Man ist happy und es war auch echt alles gut.
Ja und nun? Ist doch super?
Eigentlich ja. Wäre da nicht das, was sie verpasst haben.
Denn die Armen wissen in ihrem Glück nicht, dass sie gar nicht so richtig sardisch gegessen haben. Ja, es gab sardische Malloreddu und auch Cannonau, der ist ja auch von hier.
Und doch ist da ist noch reichlich Luft nach oben.
Nach vielen Jahren des Herumreisens und vor allem Herumessens wagt das schwarze Schaf als Faustregel festzustellen: Überall auf Sardinien isst du wesentlich bessser und kreativer, als in allen ausgesprochen touristischen Regionen. Zudem häufig günstiger und bei viel entspannteren Gastgebern.
Und am allerbesten immer noch bei familiär geführten Betrieben mit eigener Prodution im Hinterland. Ein paar Kilometer weg von der Küste reichen oft schon aus.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Wenn sich ein talentierter Koch aus der Barbagia an die Küste verirrt, ist das durchaus mit erstaunlicher Qualität verbunden. Gehe mal ins 5 sensi in Porto Ottiolu. Aber das nur am Rande.
Luxusproblem? Ja. Und nein. Natürlich kannst du essen was und wo du willst. Und wenn du das gut findest, ist das prima.
Doch auch Essen und Trinken ist ein Weg, sich der Kultur eines Landes zu nähern. Wenn du in deinem Urlaubsort in Strandnähe verweilst, werden dir immer wieder die gleichen Gerichte begegnen. Dann besteht Sardinien kulinarisch eben aus den drei Unvermeidlichen: Malloreddu, Maialino und Seadas.
Doch das ist erst der Anfang!
Die Vielseitigkeit der Küche Sardiniens erlebst du erst, wenn du dich an die Orte begibst, an denen Rezepte und gastronomische Traditionen entstanden sind. An denen Lebensmittel mit Liebe, Wissen und Hingabe produziert und zubereitet werden.
Dort folge den Empfehlungen der Einheimischen. Dort, wo sie essen und trinken, kannst du in der Regel Qualität erwarten. Auch bei geführten Exkursionen wird eigentlich immer auf ein gutes Essen geachtet (es sei denn, es steht „pranzo a sacco“ dabei, dann musst du dich selbst für ein gemeinsames Picknick organisieren).
Der Hit ist aber, wenn Einheimische dich so nett finden, dass sie dich zu sich nach Hause einladen. Dann erlebst du nicht nur das kulinarisch authentische Sardinien z. B. mit einer Merenda, einer Art Brotzeit, sondern auch die ehrliche, sardische Gastfreundschaft.
Authentisch heißt auf Sardinien fast ausnahmslos: rigoros hausgemacht. Keine Nonna / Oma kommt auf die Idee, Pasta in der Tüte zu kaufen, wenn sie die auch in Nullkommanix aus ein paar Zutaten selbst machen kann. Das gilt bis heute auch in vielen Familienbetrieben.
Oft nach antiken Rezepten – wie die Culurgiones in der Ogliastra. Die gibt es zwar inselweit, schmecken aber irgendwie genau dort, in der südöstlichen Inselmitte am besten.
Die Nonna hat das Rezept schon von ihrer Mutter gelernt und macht die Pasta mit Liebe und Traditionsbewusstsein. Die Zutaten stammen aus dem heimischen Garten der Familie – das gilt auch für viele Restaurants der Region.
Authentisch kann auch bedeuten, dass ein Gericht mit einer speziellen Zutat verbunden ist, die für einen Ort typisch ist.
Wie zum Beispiel der Thunfisch für Carloforte, weil er eben dort in einer Sorte in Schwärmen vorbei schwimmt, aus denen auch noch gefischt werden darf. Und weil die Carlofortiner dazu einen Gurkensalat aus facussa servieren, einer Gurke, die nur auf der Insel San Pietro und nirgends sonst auf Sardinien angebaut wird. Die interessanten afrikanischen Einflüsse in der Küche findet man auch eher im Süden der Insel als im Norden.
Oder anders: Ein Thunfischsteak in Porto Cervo, egal wie handwerklich gut zubereitet, ist einfach nicht dasselbe.
In guten sardischen Restaurants und Agriturismi arbeitet der Koch außerdem hauptsächlich mit dem, was ihm saisonal in seiner Region zur Verfügung steht. Das ist in den Flüssen am Monte Acuto und am Lago del Coghinas dann auch mal Aal.
Eine schöne Überraschung für den Reisenden, der in Tula und Oschiri ins Dorffest stolpert und gegrillten Fisch in die Hand gedrückt bekommt. Genial auch mit Aal gefüllte Panadas. (die auch mit Fleisch oder Gemüse gefüllt aus dem örtlichen Markt oder bei Festen super sind). Das wirst du so an der Costa Rei nicht erleben.
Damit du die wirklich wahren Perlen der sardischen Küche kennenlernst, schickt das schwarze Schaf dich auf eine …
Nachfolgend findest du eine Reihe von Orten mit einer kurzen Beschreibung ihrer jeweiligen kulinarischen Highlights. Tiefer einsteigen kannst du vor Ort.
Es lohnt sich, überall mal ein paar Tage zu bleiben, um auch die Gastfreundschaft der Sarden zu erleben, für die sie berühmt sind.
Und lass dich von der Vielfalt inspirieren! Wenn die Gallura andere Rezepte hat als das Nuorese, so antik überliefert sie auch sein mögen, bedeutet das einfach, dass sie kein Gesetz sind. Es ist durchaus legitim und erlaubt, auf Sardinien kreativ zu kochen und zu essen.
Auch wenn sich viele Sarden damit sehr schwer tun. Wer würde wagen, etwas, das schon perfekt ist, verbessern zu wollen? Eben, è già buono / es ist schon gut.
Doch nun zur Reiseroute. Wir hangeln uns für diese Route an einer Reihe von Events entlang, die die Region Sardinien in diesem Sommer mit öffentlichen Probierständen der lokalen Anbieter auf die Beine gestellt hat. An jedem Ort gab es ein mehrgängiges Menü eines Gastkochs, der mit den lokalen/regionalen Zutaten kreativ umging. Als experimentierfreudiger Hobby-Koch fand das schwarze Schaf darin eine Menge Inspiration.
Für alle, die gern ganz viel kreuz und quer reisen und nicht den klassischen Routen folgen möchten, ordnen wir die Orte einfach mal alphabetisch 🙂
Viele Gerichte der galluresischen Küche entstanden in einer Zeit, in der die Gallura sehr arm war. Die Männer des Ortes führten Raubfeldzüge in die reiche Anglona und nahmen sich – oft auch mit Gewalt – was für ihr Dorf zum Leben notwendig war. In das Thema kannst du im Museo del Banditismo in Aggius tiefer einsteigen oder in unserem Artikel über das Banditentum auf der Insel.
Auch die Landschaft hat die Küche geprägt: In der felsigen, ruppigen Gallura war Ackerbau eine schwierige Sache. Nur wenig wuchs auf den mit Steineichen bewachsenen Hängen. Aber sein Vieh konnte man dort gut weiden lassen. Bevorzugt Kühe, Schweine und Ziegen. Am Haus hielt man Hühner (der Hahn / gallo ist auch das Wappentier der Gallura) und wo möglich, Schafe.
Von einem Tier wurde außerdem immer alles verwendet, daher findest du auch oft Innereien. Erst in neuerer Zeit sind an den Küsten Gerichte rund um Fisch und Spezialitäten wie Meeresschnecken oder Muscheln entstanden.
Zwei berühmte Gerichte sind typische „Arme-Leute-Essen“: Die Zuppa Gallurese und das Pane Frattau sind uralt. Man nahm, was da war und fertig waren zwei Sattmacher, die heute nur noch in echt galluresichen Restaurants oder im privatem Umfeld zu bekommen sind. Die Rezepte können von einem Ende zum anderen Ende der Gallura daher auch variieren.
Ein umfangreiches, landestypisches Menü bekommst du im Agriturismo Il Muto di Gallura (der Stumme der Gallura). Benannt ist der Hof nach einem berüchtigten Banditen der Region aus dem 19. Jahrhundert. Er fühlt sich der lokalen Kultur und Tradition verpflichtet und veranstaltet auch in der Nebensaison Feste und organisiert Exkursionen für seine Gäste.
Der Küche des Ortes kannst du dich im Wine & Food Il Mosto im Zentrum von Aggius nähern. In und um Aggius findest du neben bizarrer Natur auch gemütliche B&B, um die Region zu entdecken.
Die typischen Weine, wie den frischen weißen Vermentino di Gallura (der einzige DOCG der Insel) oder einen Rotwein von den Hängen des Monte Limbara, bekommst du in der Enoteca der Cantina Gallura in Tempio Pausania. Im Sommer lohnt ein Ausflug zum Weingut Mancini in Luogosanto, die Degustationen auf ihrem schönen Gut veranstalten.
Direkt in Aggius bekommst du einen guten Wein auch in einer der Bars auf der kleinen Piazza des Dorfes. An einem Sonnentag zwischen den Häusern aus Granit zu sitzen hat etwas ungemein Friedliches.
Mittendrin statt nur dabei. Das könnte das Motto des Mandrolisai sein. Die Landschaft am Fuß der hohen Berge des Gennargentu (die man so gar nicht als solche wahrnimmt) ist speziell im Frühherbst ein einziger Traum. Weinhänge so weit das Auge reicht, gesäumt von den Fichi d’India / Kaktusfeigen mit seinen hellroten leuchtenden Früchten.
Die Barbagia Mandrolisai ist aber nicht nur schön, sondern auch ziemlich alt. Sie liegt so ziemlich genau in der Mitte Sardiniens und ist eine der fruchtbaren und mit Wasser gesegneten Regionen der Insel. Ergo gibt es auch Spuren früher menschlicher Besiedelung. Es ist auch kein Zufall, dass hier eine der wichtigsten archäologischen Stätten, Biru ‚e Concas, mit rund 100 Menhiren zu finden ist.
Und so findest du hier auch einige wirklich uralte, nur oder ursprünglich auf Sardinien heimische Trauben, wie den Bovale und den sehr reinen Ur-Cannonau. Die meisten Weine sind mit Monica verschnitten, die den alten Trauben die nötige Modernität und „Trinkbarkeit“ verleiht. Außer an den Hängen wachsen einige Weinpflanzen auch direkt an Flussläufen die Büsche und Bäume hinauf, seit Urzeiten, so wie die Natur es gewollt hat. Junge Weingüter, wie die Cantina Bingiateris in Ortueri experimentieren mit dem, was sie auf ihrem Land vorfinden. Das ist naturgemäß eine kleine feine Angelegenheit.
Zu gutem Wein gehört gutes Essen: Fregola gehören hier zum Hauptnahrungsmittel, das ist runde, geröstete Pasta aus Hartweizengrieß – und natürlich wieder hausgemacht.
Sa Fregula Istuffada (weiter nördlich in Neoneli z. B. auch: sa fregula istuvada) ist ein typisches Gericht für diese Region und in fast jedem Agriturismo zu finden (hier kannst du einfach den Schildern am Straßenrand folgen und bist mit Sicherheit gut aufgehoben).
Da das Gericht unglaublich einfach zuzubereiten ist (grob gesagt: Fregola + Pecorino + Tomatensauce + ab in den Ofen), kannst du auch danach fragen, wenn es mal nicht auf der Karte steht. Beim Nachkochen zuhause wirst du aber vermutlich feststellen: Das Geheimnis liegt in der Sauce und in den heimischen Zutaten. Aber eine Näherung dürfte machbar sein.
Sardiniens derzeit einziger Sternekoch, Roberto Petza (sein Restaurant S’Apposentu ist etwas weiter südlich, in Siddi), ließ sich zu einer Variante der Fregula in einer Zwiebelbrühe mit Pecorini-Gnocchi hinreißen.
Ansonsten ist die Küche des Mandrolisai schaf-lastig (ja, das macht dem pecora nera ein wenig Mühe) und auch hier wird von Hirn bis Leber alles verwendet, was das Tier zu bieten hat. Was ja wenigstens fair gegenüber dem Tier ist, das da für die Genießer dieser Welt das Leben ließ.
Jährlich zu Beginn des Sommers, etwa Ende Juni, feiert Baunei seine Sagra della Carne di Capra. Also das Fest der Ziege, bzw. des Ziegenfleischs. Immerhin ein ehrlicher Titel. Für zart besaitete Gemüter und Menschen, die ihr Fleisch sonst ordentlich abgepackt aus der Tiefkühltruhe nehmen, ist das Fest durchaus eine optische Herausforderung. Hunderte Zicklein werden geschlachtet, vor dem offenen Feuer aufgespießt und quasi herdenweise gegrillt.
Die Küche des Supramonte, an dessen südlichen Ende Baunei liegt, ist fleischlastig – weil fruchtbares Land fehlt. Frei laufende, halbwilde Ziegen, Schafe, Kühe und Schweine begegnen dir hingegen überall, auch auf dem abgelegensten Trekkingpfad.
Baunei ist aber auch das Eingangstor zur Ogliastra, und damit einer Region die Berg und Meer zu verbinden weiß. Das bedeutet: Du bekommst hier richtig gute Fischküche – von Ostriche /Austern aus dem Meer bei Arbatax oder Zahnbrasse / Dentice aus dem See bei Tortoli und sogar Bottarga von der Muggine/Meeräsche (zu beidem gleich mehr in Cabras). Auch Muschelgerichte aller Art findest du hier, allen voran Cozze / Miesmuscheln.
Den besten Fisch bekommst du in der Sommersaison im Ittiturismo Cooperativa Pescatori di Tortoli (durch das Industriegebiet etwas schwer zu finden und ab vom Schuss, die Fahrt lohnt sich aber).
Ein hemdsärmeliges Abendessen (und ggf. auch eines von sechs Zimmern) bekommst du im Rifugio Goloritzè, oberhalb von Baunei am Altopiano del Golgo. Am besten schmeckt das alles vor oder nach einer Wanderung im Supramonte, für die hier der ideale Ausgangspunkt ist. Wir haben außerdem sehr gut in Baunei, in dem Restaurant oberhalb der Bar Centrale mitten im Dorf gegessen.
Das Fleisch der auf Sardinien heimischen und halb-wild lebenden Tiere hat quasi Bio-Qualität, darf EU-bedingt nur nicht dranstehen.
Aber eine Kuh, die nicht nur im Stall gemästet wird, sondern auch mal Steigungen und Wetter überstehen muss, die hat neben einem schönen Leben auch eine Top-Fleischqualität.
Im tiefsten Winter versorgt dich das ganzjährig geöffnete Hotel Sant’Efisio, das die traditionelle hausgemachte Küche der Region serviert. Wenn du die Region in einem Paket erleben möchtest, empfehlen wir dir gern die Locanda d’Ogliastra, die dir eine Woche Schlemmer- und Aktivurlaub organisiert.
Für Weinfreunde: Weiter südlich wird wieder der gute Cannonau angebaut; die Cooperative bei Jerzu ist eine sichere Bank für den roten Klassiker.
Die schöne Stadt am See hat es uns seit jeher angetan. Und kulinarisch hat sie uns die Augen geöffnet. Schon landschaftlich bedingt ist sie mit ihrer Lage im Oristanese gesegnet, was sich in der Vielfalt der Küche spiegelt.
Da ist der riesige See Stagno di Cabras, der mit dem Meer verbunden ist, die weiten Felder bis Arborea, auf denen alles angebaut und geweidet wird, was nicht niet- und nagelfest ist. Auch die sardische Milchproduktion ist hier zuhause. Dazu die Reisfelder rund um Oristano, nur hier gedeiht Reis auf Sardinien.
Auf den fetten Wiesen in Richtung Hinterland grasen große Schafherden, deren Tiere hier irgendwie deutlich rundlicher scheinen, als anderswo …
Berühmt aber ist Cabras für die Muggine/Meeräsche. Nirgends, absolut nirgends haben wir den Meeräsche-Rogen Bottarga, die geräucherten Filets der Muggine bisher so gut gegessen wie hier. Das ist einfach so.
Auch hier – wie so oft auf Sardinien – sind Puristen am Werk: Man nimmt wenig mehr als die Grundzutat, wie die Bottarga, dazu zart aufgeschnittene frische Sellerie / Sedano oder Artischocken / Carciofi, ein richtig gutes und nach Heu duftendes Olivenöl. Fertig ist das Gericht. Maximal noch Malloreddus und Petersilie drunter, aber warum eigentlich?
Übrigens: In der Region wachsen die Artischocken nur im Herbst und Winter. Das bedeutet: Ein gutes Restaurant erkennst du in dem Fall auch mal daran, dass es dir im August eher kein Globalisierungs-Gemüse von irgendwo anders serviert, sondern die von Oma im Winter eingelegten Artischocken bevorzugt. Weil die natürlich immer noch besser sind als die aus irgendeinem Gewächshaus.
Zurück zur Muggine: Den ganzen gegrillten Fisch bekommst du ab und zu im Straßenverkauf in Richtung Tharros oder Is Arutas – und natürlich beim jährlichen Fest zur Corsa degli Scalzi in San Salvatore Anfang September.
Wir hatten das Glück, dem Koch Pierluigi Fais über die Schulter sehen zu dürfen, wie er fast liebevoll eine Muggine aus dem See von Cabras zerlegte, uns ihren Bottarga präsentierte und die er uns hinterher als Ravioli und gegrillt auf einer Vernaccia-Sauce servierte. Sein Restaurant ist lustigerweise eine Gourmet-Pizzeria, das Framento in Cagliari. Sie hat nur wenige Pizzen auf der Karte, und die sind nicht einfach nur belegt, sondern nach einem kreativen Rezept zubereitet.
Um dich in und um Cabras so richtig ein- und auszuleben, empfehlen wir als Unterkunft das Hotel Residence Sa Pintadera ruhig am Ortseingang von Cabras (hier wird vor allem das üppige Frühstück von der Gastgebern zelebriert) oder den Agriturismo Sa Ruda etwas außerhalb.
Zum Essen darfst du den Ittiturismo Sa Pischera ‚e Mar ‚e Pontis etwas außerhalb von Cabras nicht verpassen – hier gibt es Bottarga und Muggine in herausragender Qualität. Gut und traditionell essen in Wohlfühlatmosphäre kannst du auch in der Trattoria Sa Bell’e Crabasa oder – falls du grad auf der Sinis-Halbinsel unterwegs bist – ein paar Dörfer weiter, im Ristorante SOMU in San Vero Milis.
Die Stadt der sardischen Dichter und Denker ist bereits sprachlich eine Herausforderung für den Reisenden, der aus den gemäßigten Küstenregionen herangefahren kommt.
Hier, am Tor zur Barbagia, heißen die Rezepte Sos Cravaos, Sa Pudda prena, Pane cun ou oder Su Filindeu. Dahinter verbergen sich die nuoresische Variante der Malloreddu / Gnocchetti sardi, ein gefülltes Huhn, Ei im Brotmantel und die komplizierteste Pasta Italiens (wenn nicht der Welt), an deren Herstellung auch Jamie Oliver bravourös gescheitert ist.
Die Stadt wirkt auf viele im ersten Moment abweisend und unschön. Doch sie ist quasi das warme Herz Sardiniens und eine Hüterin der Traditionen – was besonders Ende August zur Sagra del Redentore offensichtlich wird. Aber speziell auch im Winter und an regnerischen Tagen findest du in der Stadt immer ein warmes, gemütliches Plätzchen.
Nuoro ist zudem bekennend weltoffen, nennt sich auch gern das Athen Sardiniens. Was dem ein oder anderen Rezept gut tut. Und so haben wir denn in den Trattorien Nuoros (zum Beispiel Trattoria La Locanda in der Via Brofferio oder dem Il Rifugio) schon so manche Überraschung erlebt.
Da traut sich ein Koch auch mal, ein Schwein sehr lang in sehr gutem Bier zu garen (Stracotto di maiale a birra), oder – weil grad Saison ist – liegen plötzlich gegrillter, wilder Spargel (den nur das geübte, wissende Auge auf den Wiesen und an Straßenrändern entdeckt) oder frisch gesammelte Porcini / Steinpilze auf dem exzellenten Kalbsfilet. Oder ein Raviolo wird mal nicht gekocht, sondern gebacken.
Ach, und das ist noch so ein Erkennungsmermal der authentischen sardischen Küche: strikt saisonal.
Kein Sarde wird dir außerhalb der Saison ein Steinpilz- oder Spargelgericht anbieten, weil das hieße, Tiefkühlware oder von weit heran gekarrte und im Zweifel minderwertigere Produkte zu verwenden. Das ist schlicht eine Frage der Ehre. Wenn du dich im Agriturismo Camisadu einnistest, erlebst du zudem die ganze Bandbreite dessen, was ein heimischer, traditionell geführter Betrieb hier saisonal produziert.
Komplett un-saisonal (weil Schweine einfach immer werfen und viele Ferkel bekommen …) ist das vor dem offenen Feuer am Spieß gegrillte Schweinchen / maialino. Im Nuorese auch als Porcetto allo spiedo / Schweinchen am Spieß bekannt. Kein Einheimischer sagt hingegen „porceddu“ – das ist ein eher touristischer Begriff.
Sehr sehr lang und sehr vorsichtig, slow-cooking sozusagen, gart das Milchferkel in seiner Haut – die hier nicht eingeschnitten wird, weil das Fett früher ein wichtiger Energielieferant für die arbeitende Landbevölkerung war.
Das heutzutage anzusehen, ist eine Überwindung für manche – die aber nicht zwingend ist. Du darfst auch ohne maialino gegessen zu haben, nach Hause fliegen. Es schmeckt leider aber auch sehr gut.
Reden wir noch über die Weine der Region, denn die bringen dich über die „Strada del Vino Cannonau„, eine der Weinstraßen der Insel zum nächsten Reiseziel.
Von Nuoro fahre zunächst einen Schlenker Richtung Süden. Oliena ist berühmt für seinen Nepente, das ist DER klassische Cannonau, der nur auf den Hängen bis Orgosolo wächst (Du bekommst z. B. in der Enoteca del Nepente aber auch modern interpretierte Weine).
Die Cantina Gostolai verbindet moderne Technien des Weinanbaus mit antiken Traditionen. Eine serpentinenreiche Rundfahrt bringt dich weiter nach Orgosolo (die Cantina di Orgosolo widmet sich nahezu ausschließlich dem Cannonau) und Mamoiada (die kreativen Weine des Familenbetriebs Cantina Giuseppe Sedilesu heimsen regelmäßig Preise ein). Dann fahre zurück Richtung Norden, via Dorgali – auch in der Cantina Sociale Dorgali lohnt ein Stopp zum (W)Einkauf.
Und dann über die Landstraße bis nach … Halt! Pärchen biegen hinter Oliena nochmal ab: Für ein richtig schönes kulinarisches Wochenende zu zweit ist das Hotel Su Gologone perfekt, das eines der besten traditionellen Restaurants der Insel hat. Hat das Restaurant in der Hauptsaison mal keinen Platz, it das Ristorantino Masiloghi in Oliena eine hervorragende und interessante Alternative.
Das letzte Etappenziel ist ein richtig schönes Städtchen an der sardischen Ostküste. Der Fluss Cedrino, an dem Orosei liegt, entwässert den Supramonte und die Region ist daher sehr fruchtbar. Fisch kommt aus eben diesem Fluss, aber auch aus dem Meer – dessen lange und kristallklare Strände berühmt sind.
Im Golfo di Orosei leben zudem viele Fischarten und die frischen Garnelen / gamberi haben hier eine so gute Qualität, dass sie roh ein wahrer Genuss sind.
Die Region rund um Orosei ist zudem eine kleine Offenbarung, was Pasta betrifft – und so schließt sich ein wenig der Kreis zum eingangs erwähnten Pärchen-Urlaubs-Abendessen.
Denn wenn, dann findest du hier die perfekte Nudel. Weil Orosei nämlich durch seine Lage in der Baronie auch eine Art „Bindeglied“ zwischen dem echten und dem etwas, na sagen wir, moderneren Sardinien ist. Zwischen der Barbagia und Küste – und damit auch zwischen Sardinien und Italien.
Und so triffst du hier zwar auf viel Tradition, aber auch auf die ganze Vielfalt, immer mit sardischen Einflüssen: Ravioli sind hier verbreitet und mit Ricotta und Mangold ein echtes Highlight. Die Fregola gibt es sowohl mit Muscheln als auch mit Wildschwein. Das Rindsfilet badet brav in Cannonau, der Fisch schwimmt in Vermentino. Alles kann, nichts muss. Hier kennt man nix, ein Rezept ist dem einen ein Gesetz, dem anderen eine Empfehlung.
In Orosei will das schwarze Schaf verweilen, es ist einfach zu schön hier. Der Ort der Wahl: das Albergo Diffuso Mannois, ein ökologisch wirtschaftendes 3-Sterne-Hotel. Der Weinkeller ist stets gut gefüllt, auch für eine entspanntes Glas im Innenhof. Ergänzt durch ein ganz wunderbares kleines Restaurant, die Antica Locanda Sa Turre – dessen Küche schon seit über fünfzig Jahren nach einfachen und guten Rezepten kocht und eben allen sardischen Prinzipien folgt, die du vielleicht jetzt schätzen gelernt hast.
Und dann denkt sich das Schaf: Das kann doch nicht alles gewesen sein? Na los! Einer geht noch!
Der vielleicht spannendste Ausflug in Sachen „Sardinien kulinarisch“ führt dich noch einmal quer durch die Insel.
Sardinien ist näher an Afrika als am italienischen Festland. Wär ja ein Wunder, wenn das keine Einflüsse auf die lokale Küche gehabt hätte. Gewürze spielen hier im Südwesten denn auch eine größere Rolle. Die Insel Sant’Antioco mit der gleichnamigen Hauptstadt war lange Zeit auch für das schwarze Schaf eine kulinarische Unbekannte.
Der größte Einfluss stammt von der Nachbarinsel San Pietro mit der Stadt Carloforte, deren ursprünglich aus Genua stammenden Einwohner erst über einen Umweg nach Tunesien auf der Insel vor Sardinien landeten. Im Norden von Sant’Antioco, in Calasetta spürt man die ligurischen Einflüsse deutlich. Der Süden isst eher klassisch-sardisch.
Der berühmte Thunfisch, der von den Carlofortinern gefischt wird, schwimmt natürlich genauso an der Isola Sant’Antioco vorbei und wird von lokalen Fischern gefangen. Und ist genauso gut.
Der Speiseplan ist fischig: besagter Thunfisch, Barsche in allen Farben und Formen, Gamberi, Schwertfisch. Und so frisch, wie der gefangen und gemacht ist, hält er der obligatorischen Dorade in Porto Cervo oder San Teodoro einiges entgegen. Sorry, aber es schmeckt einfach hundertmal besser, wenn der Fischer abends mit einem Lied auf den Lippen sein Netz flickt.
Was Sant’Antioco wirklich drauf hat, merkst du, wenn du die lokalen Cassuli probierst. Optisch sind sie den Malloreddu sehr ähnlich – mit Safran und Fisch und/oder Kichererbsen aber eine ganz andere Hausnummer. Wenn das Brot mit der Tinte vom Tintenfisch gefärbt wird, ist das ein Hingucker.
Und: Auf Sant’Antioco hat das schwarze Schaf das erste und einzige Mal Fregola mit Kaninchen gegessen. Den Agriturismo gibt es leider nicht mehr, aber kulinarisch war das schlicht der Hit.
Das Highlight der Region hier im Südwesten ist aber definitiv flüssig: Der Carignano del Sulcis ist einer der Lieblingsweine des schwarzen Schafs, besonders die vom Weingut Cantina Mesa – Buio, Buio Buio und Opale sind langjährige Freunde geworden. Den Carignano gibt es auch als Rarität, als Superiore von der Cantina Sardus Pater, ausschließlich aus Trauben, die seit antiker Zeit auf einem bestimmten Hang in Sant’Antioco wachsen: Piede Franco ist auch der Name des Weines.
Für heute ist die Reise „Sardinien kulinarisch“ wirklich zuende. Es sei denn, du futterst dich durch all meine anderen Restaurant-Tipps …
Das schwarze Schaf freut sich, wenn es hier und da Inspiration für einen feinen Schlemmer-Urlaub geben konnte. Und wenn noch viel mehr Leute aus den Ferienregionen zugunsten der Vielfalt in andere Landstriche Sardiniens reisen!
Happy Schlemming!
PS. – Appetit bekommen? Viele der vorgestellen sardischen Leckereien gibt’s in Deutschland bei www.tiposarda.de und in Österreich bei sardinienprodukte.at.
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TravELE
30. September 2017 at 16:40Hallo Nicole!
Wir waren vor zwei Jahren für fünf Tage auf Sardinien und hatten definitiv nicht genug Zeit, um alles zu probieren, was wir gerne gegessen hätten. 😉 Kulinarisch, aber auch sonst definitiv eine Reise wert! Und ich bin mir sicher, dass wir zurückkehren werden. 🙂
Liebe Grüße
Eleonora
von http://www.traveleontour.com