Sommer! Sardinien ist einer der schönsten Plätze Europas, an dem du jetzt sein kannst. Nicht nur, weil die Strände toll sind (ja, doch, sind sie), sondern weil dich der längste Tag des Jahres erwartet, der an einigen Orten auf der Insel durchaus beeehmerkenswert ist.

Zur Sonnenwende am 21. Juni erreicht die Sonne ihren Höchststand über dem Horizont. Sie kehrt ihre Bewegung um und die Tage werden wieder kürzer. Seit Menschen den Himmel beobachten, sind die Sonnenwenden im Sommer und im Winter an Feste und Riten geknüpft. Da macht auch Sardinien keine Ausnahme. Hier verspricht die Sommersonnenwende / solstizio d’estate an einigen Orten beeehmerkenswerte Erlebnisse. Einige geboren aus der nuraghischen Kultur, an antike Wasserkulte geknüpft.

(In ganz Europa ist das ein spannender Tag: von Midsommar in Schweden bis zum Spektakel in Stonehenge (das man übrigens live auf facebook verfolgen kann, vermutlich mit deutlich weniger Leuten als sonst sicher sehr sehenswert).

Das ist nicht nur was für Esoteriker und Hobbyastronomen – auch Naturfreunde und andere schwarze Schafe entdecken hier ihren Lieblingsplatz (neu).

Hier ein paar Orte, zu denen ein Ausflug lohnt:

Brunnenheiligtümer (pozzo sacro)

Die pozzi sacri sind Wasserkulten gewidmet. Dabei sind sie meistens auf die Sonne ausgerichtet, einige auch auf den Mond, einige zur Sommer- und Wintersonnenwende, andere zur Tag-Nacht-Gleiche im Frühling (20./21. März), Herbst (22./23. September). Diese Orte werden dann geradezu mystisch und die Jahrtausende alte Kultur der Insel blitzt eindrucksvoll durch.

Su Tempiesu in Orune ist zur Sommersonnenwende das Top-Ziel. In dem heiligen Brunnen oder genauer: der Quelle mit einem Tempel drumherum, wird das Wasser im Inneren des Tempels von der Sonne angestrahlt. Allerdings bereits zum Sonnenaufgang, etwa um halb sieben morgens. Du musst also früh aufstehen.

Su Tempiesu, das Brunnenheiligtum in Orune
Su Tempiesu, das Brunnenheiligtum in Orune

Die nächste gute Adresse ist das Brunnenheiligtum / pozzo sacro Santa Cristina in Paulilatino.

Etwa alle 18 Jahre und 6 Monate der Vollmond im Brunnen reflektiert, entweder zur Sommer- oder Wintersonnenwende. Ob der Zeitpunkt ausgerechnet in diesem Jahr gekommen ist? Dazu wende dich gern an den Astronomen deines Vertrauens 😉

Das beste Tipp ist aber zur Tag-Nacht-Gleiche im Herbst (September) und Frühling (März). Dann fällt ein Sonnenstrahl genau durch den Kreis im Steindach des Brunnens. Manche sagen, zur Wintersonnenwende sei da auch was zu sehen. In jedem Fall ist der Winter für Menschen, die ein bisschen Gespür für derlei Dinge haben, wirklich schön. Du bist ungestört und kannst der Energie des Ortes sehr intensiv nachspüren.

Aber auch an jedem anderen Tag ist Santa Cristina einen Besuch wert, die gesamte Anlage ist wunderschön und weitläufig.

Zufällig von der Natur so gebaut und vom Menschen für Rituale genutzt oder klug dafür erweitert, sind diese Ziele auf Sardinien:

Naturdenkmäler

Der Voragine di Tiscali. Was für ein sagenhafter Ort! Du brauchst einen guten, ortskundigen Guide, um den Eingang zu finden und hinein zu gelangen. Wenn du mit Kletter- und Abseiltechniken vertraut bist, kannst du von oben in die riesige Grotte einsteigen.

Sie trägt im lokalen Sprachgebrauch den Namen Sa conca e’ sos troccos und wird auch „Kathedrale des Supramonte“ genannt. Zur Sommersonnenwende (und bereits ein paar Tage davor) erhellt ein mehrere Meter breiter Lichtstrahl eine Art Brücke (man vermutet, hier gab es einmal einen Wasserlauf).

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Voragine di Tiscali – tolles Lichtschauspiel im Juni

Das schwarze Schaf kann sich an nichts Beeindruckenderes erinnern, das es jemals auf der Insel erlebt hat – hier sein Live-Bericht aus dem Voragine di Tiscali.

Der Bogen „S’Archittu“ südlich von Santa Caterina Pittinurri ist weniger spektakulär, und natürlich auch oberirdisch – aber ein fantastischer Platz für Romantiker.

Den besten Sonnenuntergang gibt’s hier ebenfalls im Sommer: vom richtigen Punkt aus betrachtet (der beste ist irgendwo eingangs / nördlich des oberhalb gelegenen Dorfes S’Archittu) steht die untergehende Sonne genau im Bogen; aber auch am gleichnamigen Strand gibt das im ganzen Sommer ein fantastisches Motiv. Das ist wohl mit Blick auf die Sommersonnenwende eher Zufall, aber wen stört’s?!

Auf dem Monte Sirai bei Carbonia, auf einer Hochebene gelegen, lässt sich der Lauf der Sonne von ihrem Aufgang bis zum Untergang fantastisch verfolgen.

Funde der dort befindlichen riesigen Ausgrabungsstätte sollen belegen, dass der Tempel als Himmelsobservatorium und eine Art Kalender der Jahreszeiten genutzt wurde. Das ohne Guide nachzuvollziehen wird anspruchsvoll, und eigentlich kommst du auch nur von 10-19 Uhr hinein. Um zur Sommersonnenwende die frühen Morgen- oder späten Abendstunden hier zu verbringen, musst du eine passende Exkursion finden oder Tickethäuschen und Öffnungszeiten ignorieren.

(Kleiner Schwarzschaftipp am Rande: Das Schaf ist selbst in diversen Anlagen einfach drinnen geblieben und dann in der Dämmerung über einen Zaun wieder hinaus geklettert. Ob das tatsächlich immer, bei jedem oder mit einer fünfköpfigen Familie funktioniert – dafür übernimmt es keine Garantie).

Nuraghen

Nuraghen sind üblicherweise nicht beleuchtet – nicht nur nicht elektrisch, sondern auch nicht vom Sonnenlicht. Wenn nicht größere Öffnungen durch Einstürze entstanden sind, dann ist es sehr dunkel und schattig in den meisten Bauten. Steht die Sonne an den Tagen rund um die Sonnenwende allerdings im Zenit, wird im Inneren so manches Nuraghen das Licht angeknipst.

Zum Beispiel im Nuraghen Ruju bei Torralba. Zur Sommersonnenwende fällt der Lichtstrahl oben zunächst leicht ein, wandert dann langsam die Wand hinab, etwa um 10:45 Uhr landet er genau in der Mitte einer Nische. Die vergänglichen Formen, die der Sonnenstrahl während seiner Wanderung durch den Nuraghen je nach Einfallswinkel auf die Wand zeichnet, erinnern an Stiere und lassen den Schluss zu, dass es sich hier um eine religiöse Kultstätte für einen Stiergott handelte. Der Eingangskorridor der zweiten Kammer ist übrigens auf den Sonnenlauf zur Wintersonnenwende ausgerichtet, vom Sonnenaufgang bis zum Höchststand.

Beim Nuraghen Santa Barbara bei Villanova Truschedu ist das Luce del Toro, das Licht des Stieres, sehr viel eindeutiger. Zur Sommersonnenwende steht die Sonne übrigens im Sternbild Stier.

Sonnenzimmer, stanza del sole, im Nuraghen Seruci bei Gonnesa
Sonnenzimmer, stanza del sole, im Nuraghen Seruci bei Gonnesa

Im Nuraghen Aiga bei Abbasanta fällt durch die Öffnung des Turmes ein Lichtstrahl genau in eine kleine Ecke auf einen Stein in einer Nische. Viele kommen hierher, um sich genau dorthin zu setzen und die geballte Sonnenenergie zu tanken. Zur Wintersonnenwende fällt die Sonne niedriger ein und leuchtet die Nische vom Eingang aus an. 

In vielen weiteren Nuraghen, sind ähnliche Schauspiele zu beobachten: Nuraghe Biriola di Dualchi, Is Paras di Isili, Ola di Oniferi und Nani di Tresnuraghes.

In größeren Nuraghen und solchen mit mehreren Türmen gibt es häufig Räume mit mehreren Fensteröffnungen, den »stanze del sole«, Sonnenzimmer, zum Beispiel am Nuraghen Seruci in Gonnesa oder Arrubiu in Orroli. Hierin gibt es rund um die Sommersonnenwende sehr schöne Lichtspiele der Sonne.

Nicht unerwähnt lassen will das Schaf, dass einige Wissenschaftler in manchen Fällen einen Zusammenhang zwischen Konstruktion und Astronomie anzweifeln, speziell die Phänomene der „Stierlichter“, die auch nachträglich eingearbeitet oder sogar Zufall sein können. Auch die Erkenntnis, dass die meisten Nuraghen oben auf den Öffnungen, durch die das Licht einfallen soll, einen abschließenden Stein hatten, lässt manche Beobachtung in einem anderen Licht erscheinen.

Festa di San Giovanni

Das christliche Europa (speziell im Süden) feiert zur Sommersonnenwende das Fest zu Ehren des Heiligen San Giovanni (Johannes der Täufer).

Wärmende Feuer, bald wird getanzt
Wärmende Feuer, bald wird getanzt

Das Fest ist zwar religiös motiviert, aber Musik und Tanz (ballo sardo) fehlen bei fast keinem Fest, hier und da werden auch die lokalen Spezialitäten ins Spiel gebracht, die du probieren kannst.

Bei diesen Festen werden meist große Feuer entzündet. Hinein wirft man Seile (früher waren das die, an denen zum Tode Verurteilte aufgehängt wurden) oder eine Figur, die Unreinheit und Krankheit symbolisierte. Das Feuer, hell und leuchtend wie die Sonne, sollte alles reinigen und das Böse, insbesondere Hexen, fernhalten.

Auf Sardinien gibt es mehrere Termine irgendwo zwischen dem 21. und dem 24. Juni, oder an dem nächstgelegenen Wochenende. Gefeiert wird vor allem in der Provinz Sassari, aber auch in Cagliari, im Oristanese, in Bosa, Dorgali, Escalaplano, Fonni, Gavoi, Seui, Calasetta, Isili, Oliena … (Anmerkung 2020: Vermutlich finden wegen der Corona-Maßnahmen diese Feste nicht wie üblich statt – Ansammlungen von Menschen sind aktuell noch verboten. Möglicherweise gibt es sie aber vereinzelt in kleinerem Umfang. Da hilft nur, hinzufahren und vor Ort zu fragen).

Eine Mittsommernacht auf Sardinien

Wenn du willst, ist Mittsommer auf Sardinien genauso magisch wie an anderen „Kultorten“, die dafür berühmt sind. In freier Natur ist es eine magische Nacht.

Mach eine Nachtwanderung auf einen der Gipfel des Gennargentu und bleib über Nacht (wild campen ist übrigens an Stränden nicht erlaubt). Oder stelle dich im Wohnmobil ans Capo Mannu oder Capo Pecora an der Westküste … überhaupt ist die Westküste ein mega entspannter Ort, ideal für »Social Distancing« … 😉

In manchen Jahren ist zur Sonnenwende auch gleichzeitig Vollmond. Eine gewisse exponentielle Verwirrung kann nicht ausgeschlossen werden – wie Shakespeare in seinem Sommernachtstraum sagte:

“Lovers and madmen have such seething brains
Such shaping fantasies, that apprehend
More than cool reason ever comprehends.” 

„Verliebte und Verrückte sind beide von so brausendem Gehirn,
So bildungsreicher Phantasie, die wahrnimmt,
Was nie die kühlere Vernunft begreift.“

Wer weiß, vielleicht erhellt dich die Sonne, vielleicht verliebst du dich (mindestens in die Insel), vielleicht inspiriert dich Sardinien zu einem großen Werk.

Wann, wenn nicht Mittsommer, kann das Undenkbare gedacht und das Unmögliche möglich werden!

Das schwarze Schaf wünscht dir einen genialen, inspirierten Sommer auf der Lieblingsinsel – und 2020 mehr denn je!

Ich bin Nicole, auch bekannt als »das schwarze Schaf auf Sardinien« (italienisch: pecora nera) und Gründerin dieses Blogs. Hier berichte ich von meinen Streifzügen im ganzen Jahr auf, durch und rund Sardinien. Im »richtigen Leben« bin ich Beraterin für Kommunikation und Tourismus sowie Content Creator.

2 Comments

  1. sigrid

    13. Juni 2016 at 16:00

    wieder etwas für den merkzettel, danke!
    wie immer eine wunderbare inspiration, deine berichte und erzählungen.
    es gibt nur ein problem damit: ich möchte dann immer gleich los……

    Reply
  2. Margarita Röckle-Heß

    8. September 2020 at 08:10

    Hallo Schwarzes Schaf,
    es grüßt Dich die Steinziege Agrimia. Komme gerade von der Insel zurück ins kühle deutsche Land.
    …. wieder mit neuen Eindrücken und Erkenntnissen!
    Ich bin mit einem Sarden verheiratet und habe deshalb immer wieder Gelegenheit die Gastfreundschaft zu genießen. … und zu forschen, zu suchen… auf den Spuren der Uralten unterwegs zu sein … und bin jedes Mal zutiefst beeindruckt!
    Es ist für mich umwerfend zu sehen, mit welcher Kenntnis und Motivation diese Uralten gebaut haben, wie sie mit dem Kosmos verbunden waren. Warum mich diese Pozzos, Nuraghen, Tombas,
    Domes de Janas so faszinieren, … keine Ahnung!
    Danke für Deine Infos. Sie haben mir Einiges bestätigt und Neues hinzugefügt. Spüre Deine Liebe zu diesem Land.
    Deshalb erzähle ich Dir, was ich bis jetzt in den Nuraghen, wo ich war, herausgefunden habe.
    Besser wäre es , das zu zeichnen. Ich versuche es mal in Worte zu fassen.
    Kurze Info vorweg: Ich bin seit vielen Jahren mit meinem Pendel unterwegs, um die Kräfte von Mutter Erde sichtbar zu machen. Letztes Jahr begann ich dann in Nuraghen zu pendeln und habe dies in diesem Jahr fortgesetzt. Viele Nuraghen waren das nicht, … aber! … ich fand in allen Nuraghen das gleiche Energiemuster. Ich beschreibe es Dir mal:
    Du trittst ein, 1. Pendelpunkt! Das Pendel ist in vollkommener Ruhe.
    Du gehst in den linken Außenturm: Das Pendel dreht sich links herum, also im Gegenuhrzeigersinn.
    Du gehst in den rechten Turm: Das Pendel dreht sich rechts herum, im Uhrzeigersinn.
    Die Kraft der Bewegung ist enorm , in beiden Fällen, und du bist an die Rotorblätter eines Helikopters erinnert. Wenn es die volle waagrechte, kreisende Bewegung erreicht hat, ist es so stark und schnell, dass ich es nicht mehr halten kann und abbrechen muss.
    Ich habe diese Energie-Struktur für mich in ein Bild gebracht und sie vor meinem inneren Auge verbunden. Dann hast Du die Struktur einer LEMNISKATE!
    Was das bedeutet, ist für mich ein Geheimnis. Ich kann es nicht wirklich deuten oder interpretieren.
    Dann gehe ich in den Hauptturm. Dort findest Du eine sanfte, ruhige, rechtsstehend Energie an. Manchmal auch die vollkommene Ruhe.
    Wenn 3 oder 4 Außentürme vorhanden sind, dann meine ich auch etwas erkannt zu haben. Aber da bin ich sehr vorsichtig mit einer Aussage. Vorläufig habe ich mich bei jeder Nuraghe auf den Eingangsbereich und den Hauptturm konzentriert.
    Ich hatte die Gelegenheit im Heimatdorf meines Mannes, die noch nicht ausgegrabene Nuraghe Maria Incantadu zu besuchen. Dort habe ich das Experiment gemacht die 4 Außentürme finden zu wollen, mit Hilfe des Pendels. Ich meine, es ist mir gelungen. Aber wie das so ist, wer will das glauben… und, stimmt die Realität mit meinem Pendelergebnis überein? Wer weiß? Ich werde es nicht herausfinden. Maria Incantadu schlummert tief und wird wohl vorläufig nicht ausgegraben werden. Das Geld fehlt, wie so oft. Außerdem ist die Nachbarnuraghe Nolza schon ausgegraben und das stolze Vorzeigestück der Region.
    Soweit zu meinen Erkundungen.
    Ist doch spannend, gell?
    Das mag jetzt mal genügen. Werde weiter forschen, im nächsten Jahr, sofern wir dorthin reisen dürfen. Plane gerade eine Gruppenreise Ende April bis Mitte Mai, mit meinem Mann und 7 Frauen, um auf den Spuren der Uralten zu wandeln. Wenn Du für mich noch einen Tipp hast, der Dir wichtig erscheint, bitte, sag’s mir. Danke!

    Mit sardischen Grüßen: SALVE!

    Margarita Steinziege

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