Im März nach Sardinien? Das ist nicht die schlechteste aller Ideen. Sie ist sogar ziemlich gut. Sardinien im März ist perfekt für alle, die etwas Bewegung nach dem Winter brauchen. Jetzt beginnt die Outdoor-Saison und eine großartige Zeit – ob nun auf eigenen Füßen oder per Bike oder auf den trittsicheren sardischen Pferden. Hardcore-Wanderer sind hier natürlich auch in den Wintermonaten unterwegs, aber jetzt, wo die Sonne wieder öfter herauskommt, wird alles ein bisschen angenehmer.
Spätestens jetzt schnallt auch das schwarze Schaf seine Wanderstiefel um und erkundet die Insel. In den Schutzgebieten und unberührten Landschaften ist die Chance, Mufflons und Hirsche zu treffen, die noch völlig unbeeindruckt von touristischen Wanderhorden sind, ziemlich groß.
Die Sonne ist meistens mit von der Partie, aber auch den Regen sollte man einplanen. In den höheren Lagen auch Schnee. Viele Pfade und Sandstraßen sind noch ausgewaschen vom Winter. Flüsse, durch die man im Sommer trockenen Fußes laufen kann, tragen jetzt Wasser und so mancher schneidet einem den Weg ab.
Sich einem ortskundigen Guide anzuvertrauen ist daher im März eine noch bessere Idee, als eh schon. Sie kennen Alternativrouten, können das Wetter einschätzen und wissen, ob und wo es im vergangenen Herbst und Winter Erdrutsche gab und wo Wege zerstört sind.
2015 wurde zum Beispiel die Treppe für den abschließenden Abstieg zur Cala Goloritzè im Golfo di Orosei nach einem Erdrutsch zerstört. Bis Ende März 2016 war die Bucht nur noch über den Seeweg erreichbar. So wurde eine eigentlich auf eigene Faust durchaus machbare Wanderung derzeit zu einer gefährlichen Unternehmung. Die Comune di Baunei hat ihn mittlerweile wieder freigegeben, trotzdem ist ein wenig Vorsicht nicht verkehrt. Es regnet ja im Frühling weiter und auch an anderen Wegstücken kann es „Wegstörungen“ geben.
Ende März ist zudem Frühlingsanfang – und mit ihm die Tag- und Nachtgleiche / equinozio di primavera. Jetzt lohnen Ausflüge zu den nuraghischen und archäologischen Stätten, wie zum Beispiel dem Brunnenheiligtum Santa Cristina oder zum Nuraghen Losa bei Abbasanta oder Santu Antine bei Terralba, um ein bisschen dem mystischen Sardinien nachzuspüren.
Die ersten Blumen kommen auch heraus – von der Kamille über Ringelblumen bis zu kleinen Orchideen – Sardinien ist jetzt definitiv was fürs Auge!
Eine der schönsten und entspanntesten Wanderungen überhaupt machte ich von der Pedra Longa auf die Punta Giradili (mit einem fantastischen Fast-Rundumblick). Wenngleich körperlich schon anstrengend, da man von Meereshöhe auf 700 Meter steigt. Es gibt eine Abkürzung – dazu musst du aber mit dem (schotterstraßentauglichen) Auto bis zum Cuile Us Piggius fahren, zur Cengia Giradili steigt man hinab (es ist auch eine tolle Kletterwand!) und zur Punta Giradili hinauf. Geh es einfach ruhig an, plane einen ganzen Tag ein, achte auf ein großes und gutes Wetterfenster – sonst lohnt es sich nicht, weil du bei tief hängenden Wolken nichts vom Ausblick hast – und nimm genug Proviant mit.
Um nicht zu sehr ins Schwitzen zu geraten (was leicht passiert, wenn die Sonne draußen ist, man sich aber wegen des Windes gut einpackt), haben wir das Ganze mit einem Picknick an der Hirtenhütte und einer kleinen meditativen Session an der Cengia Giradili garniert. Am Ende ging wirklich der gesamte Tag ins Land – nachmachen aber unbedingt empfohlen!
Die anspruchsvollen Treks zu den kleineren Buchten (Mariolu, Biriala, Portu Quau) oder gar den Selvaggio Blu (www.selvaggioblu.it) würden wir jetzt ohne Guide nicht oder nur für alpinerfahrene Sportler empfehlen.
Schwierig kann jetzt auch der Gennargentu sein, denn auf dem ist noch, bzw. jetzt erst recht Winter (Winterreifenpflicht!). Das Wetter wechselt dort oben ziemlich heftig, die Sicht kann von einem auf den anderen Moment weg sein und man steht mitten zwischen tief hängenden Wolken in gleich hügeliger Landschaft ohne große Markierungen und Orientierung.
Mindestens ein GPS wird gebraucht, am besten gehst du nur in ortskundiger Gesellschaft. In Mamoiada, Fonni oder Desulo findet ihr Guides. Ggf. eher an den Wochenenden und mit ein paar Tagen Vorlauf, da es oft Privatleute sind, die natürlich keinen Urlaub haben und sich organisieren müssen. Auch auf facebook mit der Suche nach „Sardinien“ und „Trekking“ findet man tolle Exkursionen. Schwarzschaf-Tipp: Im Agriturismo Parco Donnortei in der Nähe von Fonni findet ihr eine landestypische Unterkunft, gutes Essen und den passenden Guide gleich dazu. Auch im Hotel Cinghialetto in Fonni hat man mir spontan helfen können und ich lernte Ecken kennen, in die so schnell kein Tourist kommt.
Im März ist auch die größte Chance, auf der kleinen, hemdsärmeligen, und sehr alternativen Piste des Bruncu Spina Ski zu fahren (Aktuelle Infos auf der facebook-Seite der Skistation und auf www.bruncuspina.com). Aber gleich dazu gesagt: Wer Schneesicherheit und Alpeninfrastruktur erwartet, wird enttäuscht. Aber wer ein einzigartiges Erlebnis mitnehmen möchte, wird genau hier fündig! An klaren und wetterstabilen Tagen sind auch Schneewanderungen möglich und echt toll.
Wahre Trekkingparadiese findest Du auch im Südwesten: eine Wanderung an der Costa Verde, am Monte Arcuentu, am Capo Pecora, durch die Dünen von Scivu, auf dem Pfad der Cinque Faraglioni bei Nebida, oder in Buggerru von der Galleria Henry zur Cala Domestica und und und …
In der Gallura kannst Du jetzt am besten die Insel Caprera unsicher machen, oder die Küstenwanderung an der Costa Paradiso austesten oder druch die Felslandschaft des Capo Testa. Bei starkem Nordwestwind Maestrale (der sich über Winter oft zurückzieht und jetzt wieder häufiger wird) ist alles spektakulär.
Im Südosten locken der Sarrabus, schöne Ausblicke an den Seen bei Orroli, die Pfade auf dem Monte Genis oder gar ein Treffen mit dem sardischen Hirschen am Monte dei Sette Fratelli …
Egal, wo Du Dich rumtreibst: Du bist jetzt weitgehend ungestört und wirst oft nicht eine Menschenseele treffen.
Das bedeutet aber auch, dass im Zweifel Hilfe sehr weit weg oder gar unerreichbar sein kann. Wetterwechsel sind je nach Großwetterlage durchaus im Stundentakt zu erwarten. Und manchmal, wenn es sich so richtig einregnet, tritt auch der ein oder andere Fluss über die Ufer.
Insofern bereite Dich gut vor und sei vorsichtig.
Die meisten, die mit der Absicht, sich im Urlaub auch zu bewegen, nach Sardinien kommen, bringen eigene Trekking- und damit auch Pack-Erfahrung mit.
Aber es gibt ein paar „sardische Besonderheiten“, die wir Euch nicht vorenthalten wollen:
… muss leider sein, denn viele erwarten im Süden Europas immer Sonne. Die Sonnenwahrscheinlichkeit ist zwar höher – aber man hat sicher keine 100% Sonnengarantie. Kleinere Schauer oder Nieselregen gibt es immer. Sie sind meistens gut auszuhalten. Am Meer stecken sie oft nur in einer Bö und sind schnell durch. Bei längeren Güssen gibt es meistens eine Möglichkeit, sich unterzustellen (Felsüberhänge, alte Hütten, Grotten, Nuraghen …) und abzuwarten.
Wenn es sich einregnet, ist das in der Regel eine Großwetterlage, die sich ankündigt oder schon da ist. Dann kehren wir meistens auf dem kürzesten Weg zum Auto zurück. Oder wir gehen gar nicht erst los und suchen uns ein Alternativprogramm oder gehen in den nächsten Agriturismo – und streckt das Mittagessen bis zum Abend. Das funktioniert immer und wärmt von innen 🙂
Trick 17 ist, woanders hinzufahren (gegen Zugrichtung des Wetters). Oft findet man schon im nächsten Tal bessere Bedingungen.
Bei Dauerregen haben wirklich nur hartgesottene Friesen draußen eine Chance und die können sich gern ihr Ölzeug einpacken 😉
Mit Ostern beginnt auch die Reisesaison (sie dauert in etwa bis Oktober). Viele nutzen die Brückentage / ponte. Rechne darum mit Staus am Gotthard, Brenner, in Norditalien und sogar auf der Insel. Ist am Osterwochenende schönes Wetter, sind die neuralgischen Punkte gut besucht – wie die Thermen in Sardara, Fordongianus, die Quelle Su Gologone oder die Grotte Ispinigoli und natürlich auch Trekkingziele wie die Gola Su Gorropu oder das Valle di Lanaitto. Ostermenüs in Restaurants solltest du reservieren.
Wenn ihr im März nach Sardinien reist, ist die klare Empfehlung eine Rundreise. Ob nun mit Bus oder Auto – der beginnende Frühling ist perfekt, um die Insel ausgiebig zu erkunden. Wir haben in einer Woche mal 2.000 Kilometer auf der Insel, über Serpentinen und Schotterpisten. Mietwagen? Kann ruhig klein sein. Plane mehr Benzinkosten ein und tankt rechtzeitig.
Eine Alternative sind auch Bus und Bahn. Damit meinen wir nicht die Touribusse, sondern den Linienverkehr der arst. Der Fahrplan ist über Google Maps recherchierbar, wobei manche lokalen Verbindungen und Busgesellschaften, die es manchmal braucht, um ans Ziel zu kommen, darin nicht zu finden sind. Aber mit etwas zeitlichem Puffer und Vertrauen geht alles 🙂
Gerade in der Nebensaison fahren Busse und Bahnen sehr zuverlässig und auch Anschlussverbindungen funktionieren. Die Sarden jammern trotzdem, das liegt wohl im Blut. Wer aber sonst z. B. mit der Deutschen Bahn fährt, ist ja nicht verwöhnt und wird sich wundern, wie gut das hier funktioniert und vor allem, wie wenig es kostet.
Es hat jedenfalls überhaupt keinen Sinn, ein Ferienhaus in einer Touristenregion zu buchen und darin hocken zu bleiben – weil da wirklich alles zu ist. Dort triffst Du allerhöchstens auf Bauarbeiter, die die Schäden des Winters beseitigen, die nächste Reihe Ferienhäuser bauen und alles für die kommende Saison vorbereiten.
Das Leben findet woanders statt – in den echten sardischen Dörfern, bei und mit den Einheimischen!
Es gilt der Nebensaison-Grundsatz: Geh dahin, wo die Menschen wohnen. In den gewachsenen Dörfern und Städten Sardiniens findest du alles, was du an Infrastruktur brauchst – vom Supermarkt über die Bar bis zur Tankstelle.
Im März kommen mit der Sonne auch die Sarden wieder raus aus ihren Häusern, die alten Männer sitzen wieder vor der Kirche und das Dorfleben bewegt sich langsam aber sicher wieder nach draußen.
Die Geschwindigkeit des Dorflebens ist ganz ruhig und gemütlich. Warum plötzlich hektizieren? Läuft doch alles … Ab und zu donnert ein Halbstarker mit Auto oder Motorrad viel zu schnell durch den Ort – dann aufpassen.
Aber ansonsten … tranquillo 🙂
Wer jetzt herkommt, trifft entspannte und fröhliche Menschen, die sich über jeden freuen (und einigermaßen erstaunt sind), der den Weg auf die Insel findet.
Für Restaurants und Verpflegung gilt jetzt noch mehr als sonst: Super Qualität zu moderatesten Preisen. Jetzt etwas schlechtes zu finden oder übers Ohr gehauen zu werden, ist quasi unmöglich. Wenn Du es doch schaffst, sag uns bitte sofort, wann und wo! Wer in der Nebensaison hinter dem Herd steht und für Gäste kocht, macht das aus Überzeugung und mit Leidenschaft. Und für Einheimische – die durchaus wissen, wie gute, sardische Küche geht. Schickimicki oder Nepp setzen sich in der Nebensaison nicht durch.
Auch die spontane Unterkunftssuche unterwegs klappt im März hervorragend – wenn ihr nicht im voraus in unserer Gastgeber-Liste etwas passendes findet. Ausgebucht ist nichts (außer vielleicht genau zu Ostern). Auch airbnb hat mittlerweile auf Sardinien gut gestreut viele Adressen. Eine Hilfe in Zweifelsfällen oder wenn es schon dunkel wird (das ist im März relativ früh, so um 18/19 Uhr) ist die Umkreissuche auf booking.com.
Die Gastgeber, die das gesamte Jahr auch für Einheimische geöffnet haben und schon früh im Jahr auf Reisende vorbereitet sind, sind es auf jeden Fall von Herzen. Mit sehr viel Hingabe, einer fast familiären Atmosphäre und mit sehr moderaten Preisen sorgen sie für eine enorme Wohlfühlatmosphäre.
(Erstveröffentlichung im März 2016 – aus gegebenem Anlass nochmal hervorgekramt und reviewed!)
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