Keine zehn Minuten hatten wir das Auto abgestellt und die Füße auf einen Trekkingpfad an der westlichen Bergflanke des Valle di Lanaitto (Lanaitto-Tal; sardisch: Badde Lanaithu) gesetzt, da haben wir das enorme Glück, das wir uns seit Jahren Sardinienreisen gewünscht haben: Rechter Hand auf einer Lichtung grast friedlich eine kleine Herde Mufflons.
Acht dieser Wildschafe und ein schöner Widder lassen sich nicht stören. Erst als wir auf dem Schotter ein Stück näher ran wollen, horchen sie auf und verschwinden schnell im Dunkel zwischen den Steineichen.
Das Highlight des Tages also ganz am Anfang, was soll da jetzt noch kommen?
Nichts anderes als pure Entspannung. Die ständige Bereitschaft der Kamera ist nicht mehr notwendig, wir gehen einfach vorwärts.
Die Orientierung ist von Beginn an klar und einfach: Das Tal gibt die Richtung vor, alle Wege sind quasi Einbahnstraßen.
Beiderseits erheben sich die Berge – rechts die Punta Sos Nidos mit 1.342 Metern, dahinter erhebt sich der höchste Punkt des Supramonte, der Monte Corrasi mit mehreren Gipfeln, der höchste davon 1463 Meter.
Zur Linken ist es niedriger mit dem Fruncu Mannu mit 695 Metern und dem Monte Gutturgios mit 889 Metern. Beim Monte Tiscali mit nur 515 Metern endet das Tal.
Eigentlich wollten wir ja nur ein bisschen durch die Dörfer nördlich des Supramonte streifen: Irgoli, Galtelli, Onifai, Loculi. Hübsche kleine Orte. Doch dann war er da – der Supramonte.
Genauer gesagt, der mit leichtem Schnee bedeckten Gipfel des Monte Corrasi. Wer kann da schon widerstehen …
Das schwarze Schaf natürlich nicht.
Der Anblick des silbrigen Gebirges zog es hinein – in das Valle di Lanaitto, einem idyllischen Platz Welt. Übrigens, auf den Corrasi führt hinter Oliena eine steile Bergstraße duch die bewaldte, schattige steile Seite hinauf – eine gute Alternative im Sommer. Schöner findet das schwarze Schaf aber den Weg durch das Tal.
Ein Trek auf den Corrasi ist allerdings nur bei richtig gutem Wetter (= mittlere Temperaturen, kein Regen oder Schnee) und mit guter Vorbereitung zu empfehlen, denn oben im letzten Abschnitt ist wenig Vegetation und der Berg hat seine Tücken. Und in der Nebensaison – im Sommer wird es in dem Tal ziemlich heiß.
Hitze ist heute kein Problem und das schwarze Schaf kennt den Weg, aber gab sein Vorhaben hinaufzugehen trotzdem auf: An diesem Sonntagnachmittag zogen von Norden dichte graue Wolken auf.
So sprang wenig mehr als eine einfache Wan auf den festen Forstwegen heraus – was in einem so traumhaften Tal aber allemal genug ist.
Aber zurück zum Anfang.
Das Tal ist von Norden aus zugänglich, via Su Gologone per Auto, gekennzeichnet durch den sich dahin schlängelnden Flusslauf des Cedrino, der die Gola di Ganagosula in rotbraunen Basalt gegraben hat.
Viele fahren an ihr vorbei, da die »Top-Ziele« im Inneren des Tals locken. Wer aber den (nicht markierten) Weg hinab findet, hat aber einen kleinen aber feinen und wilden Trek, vermutlich in völliger Einsamkeit, vor sich.
Der Weg in das Valle di Lanaitto führt oberhalb dieser Schlucht, auf dem grau-silbernen Karstgestein, entlang auf „Su Passu Malu“, dem „bösen Pass“. Eine alte verlassene Mine erinnert an Zeiten, als es hier noch keinen Tourismus gab. Allein die Anfahrt ist so schön, wir finden den Pass gar nicht böse.
Die Schotterstraße teilt sich und führt beiderseits einige Kilometer weit in das Innere und an das andere Ende des Tals, das somit quasi zwei Enden hat. Hinter einer Wegbiegung befinden sich das Nuraghenheiligtum „Sa Sedda e sos Carros“ und die Grotte »Sa Oche«.
Ein anderer Weg führt links zum Monte Tiscali und der dortigen, gleichnamigen Nuraghensiedlung. Von dort ginge es durch ein bewaldetes Tal hinüber in das Valle di Oddoene. Das allerdings nur zu Fuß, mit dem Auto kommst du hier nicht mehr durch.
Das Valle di Oddoene ist ein weiteres hübsches Tal, einige Weinbauern haben sich hier angesiedelt. Dahinter liegt Dorgali – du könntest mit einer Übernachtung in dem Ort eine hübsche Mehrtagestour aus dem Trek machen.
Zweiter „Ausgang« des Valle di Lanaitto wäre nach rechts in südlicher Richtung über einen relativ anstrengenden Pfad in das Tal »Badde Pentumas« – hier wartet die vielleicht perfekteste Kletterschlucht Sardiniens auf dich.
Dahinter erstreckt sich der Supramonte di Orgosolo. Lange Zeit kommt hier kein Dorf, keine Siedlung. Einsamkeitsgarantie auf sehr, sehr vielen bergigen Kilometern.
Das Valle di Lanaitto ist voll von natürlichen und archäologischen Sehenswürdigkeiten, links und rechts der Wege gibt es Hinweise zu Grotten, Schluchten, Nuraghen, Gigantengräbern. Manche sind quasi um die Ecke, andere erst nach langen Fußmärschen zu erreichen.
Doch jetzt im Winter endet der Tag früh und die Wolken sorgen dafür, dass die Temperaturen fallen. So fahren wir nach zwei Stunden Fußmarsch und der Mufflonsichtung mehr als zufrieden wieder nach Hause.
Die einzigen, die am späten Nachmittag noch umherstreifen, sind Wildschweine … und die Jäger, die ihnen zwischen den Wegen des Tals nachstellen …
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pecora
29. Januar 2013 at 01:46Kleiner Nachtrag, eine Leserin fragte uns, wo genau Wanderpfade im Valle beginnen. Hier unsere Antwort: Liebe Leserin,
wir sind gestern einfach spontan losgelaufen, das Tal ist ca. 8 km lang und hat diverse Pfade links und rechts die Hänge hinauf, da würde ich einfach den nehmen, der mir von der Natur her spontan zusagt.
Schön ist es schon im vorderen Teil, da ist ein Hinweisschild zur Gola di Ganagosu, dort beginnt zum Beispiel ein Pfad, der unten am Flusslauf endet und aus dem die Berge sehr eindrücklich sind. Wir sind gestern noch ein Stück weiter gefahren, etwa in die Mitte des Tals. Einfach rechts wo Platz war, Auto abgestellt und losgelaufen, wohin der Pfad am Ende führte, weiß ich nicht, auf einem Schild angezeigte Richtung war Su Suercone, das ist allerdings mehrere Stunden entfernt. Dort haben wir jedenfalls die Mufflons gesehen.
Nach einer halben Stunde etwa sind wir aber umgekehrt (weil in eine Jagdgesellschaft gestiefelt), noch tiefer ins Tal hineingefahren, durch eine lange Allee – hiernach beginnen unbefestigte Wandermöglichkeiten, durch alte Flussbetten oder die Olivenhaine. Ich persönlich mag das sehr. Alle Sehenswürdigkeiten abzuklappern schafft man eh nicht, und im Sommer sind recht viele Wanderer im Valle, da ist es hier schön friedlich.
Fährt man zu den offiziellen Rifugios, findet Ihr echte Parkplätze, z. B. bei Sa sedda e sos carros, dort beginnen weitere Wege zur Nuraghensiedlung. Wir sind auch dort noch vorbei und haben den Wagen als die Straße zu schlecht wurde, irgendwo unter Bäumen abgestellt und sind einfach losgestiefelt, die erste Abzweigung den Hang hinauf.
Im Sommer sind die Steineichenwälder im hinteren Teil des Tals angenehm schattig zu laufen, jetzt im Januar war es mir fast zu kühl. In einer früheren Wanderung sind wir den Schildern nach Tiscali gefolgt, haben auch dort das Auto irgendwann unter den Bäumen abgestellt und sind einfach los. Die Seite Richtung Monte Tiscali ist tendenziell lichter und sonniger.
Wie weit und wo lang man läuft ist letztlich eine Frage der Kondition und des Wetters. Rundwege gibt es auch, z. B. nach der in einer Höhle befindlichen Siedlung Tiscali oder zur Grotte Sa Ohe e Su Bentu, oder zum Gipfel des Corrasi – allerdings sind die zum Teil nicht befestigt oder über Stock und Stein, und auch ca. 3-4 Stunden hin und zurück und ohne Karte/Kompass nicht zu erklären.
Im Valle gibt es ne Menge Schilder, denen man einfach zu Fuß folgen kann, und ab Frühling sind auch die Rifugios geöffnet, wo man Euch weiter hilft.
Viel Spaß!
PS. Im Sommer stellen wir das Auto immer auf den ordentlichen Parkplätzen ab … da folgen wir dann doch mal der Herde, sonst gibts ein furchtbares Autogewusel im Valle … 😉