Das pecora nera schnüffelt einer alten, sardischen Tradition hinterher, der Transhumanz (sardisch: Sa tràmuda, italienisch: la transumanza). Das Wort beschreibt den Weidewechsel, speziell in der Wanderschäferei, bei denen ein Hirte mit seiner Herde mehrmals jährlich zwischen entfernten Weideplätzen wechselt.
Der traditionelle Viehtrieb und Weidewechsel im Mittelmeerraum und in den Alpen ist seit 11. Dezember 2019 Teil des immateriellen UNESCO-Kulturerbes. Eine schöne und gute Entscheidung 🙂
Auf Sardinien gibt’s die Transhumanz auch – und die Insel kann eine nicht unerhebliche Rolle in der Bewahrung dieser Tradition spielen und von dieser Anerkennung mit Blick auf einen vorsichtigen, kulturorientierten und nachhaltigen Tourismus profitieren.
Das Wort Transhumanz leitet sich (vermutlich) aus dem lateinischen ab: trans = über / hinüber / jenseits und humus = Erde. Diese Wortwahl beschreibt die jährlich wiederkehrende Wanderung der »halbsesshaften Hirten mit ihren Tieren und den saisonalen Wechsel der in verschiedenen Höhenstufen liegenden Weidegebiete, weil diese jeweils nur während einer Jahreszeit ausreichend Futter bieten« (Wikipedia).
Wenn du dem authentischen Sardinien ein gutes Stück näher kommen willst, dann ist diese Reise auf den Spuren der Transhumanz genau das Richtige für dich.
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Hier geht’s zur Tonspur vom schwarzen Schaf zum Thema Transhumanz!
Auf Sardinien lebt(e) die Transhumanz vor allem in der Inselmitte. Ausgangspunkt waren die Bergregionen im Supramonte und Gennargentu, Ziel die fruchtbaren Ebenen im Oristanese, im Medio Campidano, in der Baronia und in der Ogliastra.
Die Transhumanz ist auf Sardinien in ihrer ursprünglichen Form längst Geschichte: Seit etwa zwei Generationen sind die Hirten dauerhaft sesshaft, sie sind heute eher allevatori / Züchter und produzieren den sardischen Käse Pecorino, als dass sie klassische Wanderhirten wären. Wer heute noch Weiden in abgelegenen Regionen hat, fährt seine Tiere mit dem Lkw hin und her (hier ein Film aus dem Jahr 2016, Transhumanz in Desulo).
Nur noch in wenigen Landstrichen gibt es Schäfer auf der Transhumanz. Sie werden auf ihrem Weg von den Sarden quasi verehrt und mit allem versorgt, was sie brauchen.
Schafe trifft man auf Sardinien aber immer noch auf den Straßen, und es erinnert an die vermeintlich »gute alte Zeit«. Die wolligen Freunde rennen heute nur noch vergleichsweise kurze Strecken. Der Schäfer von heute begleitet sie mit dem Auto oder dem Moped. In abgelegenen und verkehrsarmen Regionen trifft man ihn gar nicht mehr, und kleine Herden bewegen sich auch frei, mit oder ohne Hund.
Die letzten Schäfer, die weite Strecken auf den Pfaden ihrer Ahnen zurücklegten, gab es in den 60er Jahren.
Doch die Transhumanz ist immer noch tief in der Landeskultur verankert und ein Sardinien ohne Schäfer ist undenkbar.
Immerhin gehört die Wanderschäferei seit nuraghischen Zeiten zum Lebenskonzept der Inselbewohner: Etwa ab 1.400 vor Christus begannen sie als Halbnomaden zu leben und ihr Leben nach den besten Weidegründen auszurichten.
Auch heute ist Sardinien eine der Regionen am Mittelmeer, die noch stark auf dem Hirtentum und der Landwirtschaft basiert. Fast 70% der Oberfläche der Insel werden dafür genutzt. Demgegenüber (und angesichts von 1,5 Millionen Einwohnern) klingt die Zahl der Hirten fast klein: um die 15.000 sind es noch, die das Land beweiden.
Wie sehr die Transhumanz auch heute noch zum Leben gehört, ist schon an einem Klassiker der sardischen Esskultur erkennbar: dem Pane Carasau. Das hauchdünne, knusprige Brot ist eines der ältesten Rezepte und wurde so hergestellt, dass der Schäfer es leicht mitnehmen und lange Zeit essen konnte, ohne dass es verdarb. Heute fehlt es in keinem Brotkorb in den Restaurants und Trattorien der Insel.
Deus bos parvet / Dio vi guardi / Möge Gott euch schützen. – Das sagte man wenn man in ein Haus kam, in dem Brot gebacken wurde. E nos beneicat / e ci benedica / und möge er uns segnen – antworteten die Frauen.
Auch wenn sich jedes Dorf auf Sardinien seine Eigenarten hat, antike Traditionen bewahrt und die Kultur eifersüchtig schützt: In vielen Dingen sind sie sich ähnlich – und zwar genau deshalb, weil sich Hirten auf den Weg gemacht haben und ihre Kultur in andere Regionen getragen haben.
Denken wir nur an die antiken Riten des traditionellen Maskenkarnevals, die Feste und die Reiterspiele, die fast alle einen Ursprung oder eine Verbindung zum Hirten- und Landleben haben, z. B. die von Boe und Merdule in Ottana, dem ewigen Kampf ums Überleben oder die Sartiglia in Oristano, bei der es um ein gutes Erntejahr geht.
Ganze neue Dörfer sind durch die Transhumanz entstanden. Während das Oristanese früher quasi unbesiedelt war, finden sich heute einige schöne kleine Dörfer dort. Auch, weil sich Hirten irgendwann hier niedergelassen haben – zum Beispiel rund um Oristano und Cabras. Und auch die Bergdörfer sind dadurch, dass einige wenige diesen beschwerlichen Weg gingen, im Laufe der Zeit zu einem gewissen Wohlstand gelangt. Man lebt gut und ist zufrieden, auch wenn das für Außenstehende oft nicht so aussieht.
Manch einer, der an der Costa Smeralda seinen Champagner auf seiner Superyacht schlürft, fühlt sich genötigt, das zu „benasrümpfen“ und zu bewerten.
Zitat von Flavio Briatore, der an der Costa Smeralda seine Millionengeschäfte macht: »Il problema è che i sardi vogliono fare i pastori e che il turismo non sanno cos’è.« / »Das Problem ist, dass die Sarden Schäfer sein wollen und nicht wissen, was Tourismus ist.«
»Lieber Flavio. Das ist kein Problem. Das ist Kultur. Aber davon verstehst du nichts. / Caro Flavio. Non è un problema. È cultura. Ma di questo tu non capisci un c***o. « antwortet das schwarze Schaf.
Tatsächlich wäre die sardische Kultur ohne das Hirtentum und die Transhumanz um einiges ärmer.
Sardinien ist durchzogen von Hirtenpfaden, den sentieri della transumanza. Pfade, auf denen Generationen um Generationen von Schäfern mit ihren Herden gegangen sind. Von Fonni ins Oristanese und nach Abbasanta, andere ins Medio Campidano, und von Arzana und Villagrande Strisaili bis nach Perdasdefogu und Tertenia, und im Norden von den Dörfern hinter dem Montalbo bis in die Ebenen der Baronia bei Torpè und Posada.
Das schwarze Schaf widmet sich einem der Hauptwege, und macht quasi eine Zeitreise: von Fonni, dem höchstgelegenen Dorf Sardiniens in die Ebene bei Simaxis im Oristanese.
Über die Serpentinen sind es 83 Kilometer, die wir mit dem Auto in knapp zwei Stunden zurück legen können, während der Hirte noch mehrere Tage und Nächte ging.
Aber erstmal verbringt das schwarze Schaf Zeit im Zentralgebirge der Insel.
Der Herbst kommt auf rund 1.000 Meter Höhe schnell, mit Stürmen und kaltem Wind. Der Regen lässt kaum neues Gras wachsen – denn schon steht der Winter mit unerbittlicher Kälte vor der Tür.
Im Winter Schafe und andere Tiere in Fonni halten zu wollen, war schlicht unmöglich. Die wenigen kargen Weiden wurden über das Jahr fast vollständig abgefressen und verdorrten im Sommer durch Sonne und Hitze. Die letzten Halme fraßen die frei laufenden Kühe, Ziegen und Schweine. „Zufüttern“ war ein Fremdwort. Womit auch? Das bisschen, was hier wuchs, brauchte die Familie zum Leben.
Wenn das kupferfarbene Herbstlaub also den Winter ankündigte und die karge, abgeweidete Landschaft zum Aufbruch mahnte, machte sich Schwermut im Dorf breit.
»Qua non si puo rimanere / Hier kann man nicht bleiben«, sagten die Schäfer.
Sie zögerten den Moment dennoch hinaus, um so lang wie möglich bei der Familie zu bleiben. Irgendwann mussten sie gehen. Oft wussten sie gar nicht, wohin.
Oben im Dorf war es bald sehr still, Schnee fällt. Nur Frauen, Kinder und Alte lebten im Winter hier oben, und die zogen sich in ihre vier Wände zurück.
Oder, wie es die sardische Schriftstellerin Grazia Deledda beschrieb: »Im Winter war das Dorf fast leer, weil die zahlreichen Nomadenhirten, die es bevölkerten (starke Männer wie der Wind und listige Füchse), mit den Herden herabstiegen in die warme südliche Tiefebene.«
Die Frauen der Barbagia gelten auch deshalb als besonders patent und selbstbewusst: Sie waren das Dorf. Und sie wussten sich und den Hof zu schützen. Das hat sich bis heute nicht geändert.
Die Murales in Fonni sind ein Spiegel dieser Zeit. Gekonnt und detailverliebt erzählen sie Geschichten aus dem Dorf und zeigen sowohl das tägliche und religiöse Leben, als auch lokale Besonderheiten wie die sehr aufmerksame Hütehunderasse Cane Fonnese und die Karnevalsfiguren Urthos e Buttudos.
Und natürlich sind auch ein Hirte und seine Herde auf der Transhumanz zu sehen.
Manch einer fragt sich: Warum zum Geier, wohnen die denn in den Bergen, wenn das da alles so schwierig ist?
Die Antwort ist eine ganz andere, lange und traurige Geschichte. Sie handelt von Invasionen und Besatzern. Von Kriegen und Verteidigung. Von Verlust und Tod. Von Phöniziern, Puniern, Karthagern, Römern. Um zu überleben, zogen sich die Sarden ins unzugängliche Inselinnere zurück. Diese uralte Abwehrhaltung vertiefte sich während weiterer Besatzungen, z. B. der Sarazenen (um 500 n. Chr.) und der Spanier (ab dem 14. Jh.). Das bisschen, was ihnen geblieben war, verteidigten die Sarden bis aufs Blut und verdienten sich den Ruf, Barbaren zu sein. Der Name »Barbagia“ leitet sich davon ab.
Ach so. Eine ganz kurze Antwort auf die Frage, warum man hier blieb und bleibt, gibt es natürlich auch: Zuhause. Heimat.
Und der Hirte ging sicher nicht weg, weil er Lust auf Reisen und Wanderschaft hatte. Er tat das aus Notwendigkeit.
Die Wanderung war ein notwendiges Übel. In den kargen Bergen würden er, seine Familie und seine Tiere im Winter hungern. Sie waren aber einigermaßen sicher. Auf der Reise und an den Küsten lauerte seit Jahrhunderten die Gefahr, aber die Tiere hatten genug zu fressen.
Gerade für junge Familien und Frauen mit kleinen Kindern war die Transhumanz ein schweres Los. Doch Alternativen gab es nicht.
Die Transumanza zu romantisieren, ist schlicht Quatsch. Allein die äußeren Umstände sorgten dafür, dass der Hirte und auch die im Dorf verweilenden Menschen wenig zu lachen hatten.
Und so wohnt den Sarden aus dem Inselinneren eine Melancholie inne, die tatsächlich bis heute noch in den wortkargen Menschen mit einer teils grimmigen Mentalität spürbar ist. Außenstehende werden kritisch beäugt und die Dorfgemeinschaft ist in sich geschlossen.
Der Hirte war mental gefangen – in der Vorzeit und in der Natur. Auf der Transumanza wurde die Einsamkeit konkret: Der Rest der Welt existierte nicht mehr. Es war, als passiere alles für ihn und die Schafe. Wenn es stürmte, dann nur für ihn. Wenn es regnete, dann regnete es nur für ihn. Er war ohne Trost. Allein unter Schafen.
Der Hirte ist immer allein, wie ein wild lebendes Tier. / Il pastore è sempre solo, come un animale selvatico.
Die Wanderung isolierte den Mann. Er hatte keine Familie, kein Zuhause, keine Festtage, keine Dorfgemeinschaft. Und das ja nicht nur für einen Tag, sondern ein ganzes Leben lang, immer wieder: Die Schäfer der sardischen Transhumanz begannen oft in sehr jungen Jahren, gingen nicht zur Schule, und machten diese jährliche Reise, bis die nächste Generation sie ablöste, oder der Hirte krank oder zu alt wurde.
Der sardische Hirte war sicher die Hälfte seines Lebens allein unter Tieren. In der Ebene (die damals noch quasi menschenleer und unerschlossen war) musste der Hirte monatelang auf 100 bis 200 Schafe aufpassen, Wasserquellen suchen, beim Lammen helfen, Käse machen, Käse verkaufen, etc.
Die einzige Gesellschaft waren andere Hirten. Unter ihnen entstand der Cantu a Tenore, ein melancholischer Tenorgesang, dessen Texte aber oft positiv sind und von Liebe, Familie und Freundschaft handeln.
Natürlich war die Einsamkeit nicht absolut. Gemeinsame Abende mit anderen Hirten und es haben sich natürlich auch zwischenmenschliche Verbindungen ergeben (eine Liebesgeschichte der Transhumanz dreht sich um Sa Crabarissa bei Austis). Auch das ein oder andere Fest in einem Weinkeller mag es auf der Durchreise gegeben haben. Und welch eine Freude, wenn die Hirten zurückkehrten und das ganze Dorf ein großes Fest feierte!
Tatsächlich ist der Hirte von heute oft viel einsamer, wenn auch auf eine andere Art. Denn vieles von der Kultur ist verloren gegangen – zum Beispiel die Symbiose, die ein Hirte mit seinem Pferd hatte. Heute hat er ein Auto, Melkmaschinen beschleunigen das Melken. Aber die alltäglichen Probleme bleiben und die Krise in der Landwirtschaft, speziell in der Milchproduktion, machen das Leben eines Hirten heute nicht leicht. Und so wird die Einsamkeit noch spürbarer.
Und auch die Frauen verändern sich. Ja, auch viele junge Sardinnen streben selbst nach Bildung, Unabhängigkeit und einem eigenen Einkommen. Welche moderne Frau will heute noch den Hirten aus dem Dorf heiraten? Das muss schon die ganz große Liebe sein.
In den Dörfern des Gennargentu und Supramonte war die Schäferei lange Zeit die einzige Ressource. Und so ist entlang der gesamten Strecke, die ein oder andere Perle zu finden, bei der sich viel um Schafe und Landwirtschaft – ob nach antiken oder modernen Methoden – dreht.
Ovodda zum Beispiel liegt auf dem Weg ins Oristanese, aber deutlich niedriger als Fonni und hat ein angenehmeres Klima. Die Transhumanz ist hier Tradition, aber weniger intensiv, da die Tiere länger auf dem heimischen Land gehalten werden konnten. Dafür drehen sich quasi sämtliche Spezialitäten des Dorfes ums Schaf.
Speziell fertigte man hier aus Schafwolle den Stoff, der die Hirten vor Wind und Wetter schützte: Orbace. Sieht aus wie eine Mischung aus Cord und Filz, ist ultra haltbar, wärmend und in seiner antiken Variante (die heute kaum noch gefertigt wird) extrem wind- und wasserdicht. Besser als jede Barbour-Jacke. Manch ein Hirte aus Fonni, dessen Kleidung schon verschlissen war, mag hier Halt gemacht und sich für die Wanderung und die lange Zeit in der Ebene etwas neues geholt haben.
Vielleicht war das der letzte Kontakt des Hirten aus dem Gennargentu mit anderen Menschen für sehr lange Zeit. Entlang der Straßen gab es wenige Weidegründe, also musste der Hirte querfeldein. Wenn er für die Tiere nichts zu essen und trinken fand, wurde es schwierig.
Wie man den Weg in die Ebene fand, hing auch vom Wetter ab. Der Hirte abseits aller Zivilisation brauchte zu Fuß in „Schafgeschwindigkeit“ je nach gewähltem Pfad zwei bis vier Tage. Bei Schlechtwetter und Regen auch mal fünf oder sechs Tage, wenn man einen Herbststurm in einem Hütte / cuile, pinnetta bzw. die Tiere in einem auf dem Weg befindlichen Stall / ovile oder unter Bäumen abwettern mussten.
Das waren die gefährlichsten Momente: Die Herde konnte zerstreuen, wenn der Hirte schlief, statt aufzupassen. Und so gab es immer nur ein paar Stunden Ruhe. Sie schliefen immer dicht bei den Schafen um sie zu beschützen: vor Füchsen und vor Füchsen mit zwei Pfoten /= volpi e volpi a due zampe. Damit waren Viehdiebe gemeint, die es in den ärmlichen Regionen Sardiniens immer gab.
Zwischendurch waren Pausen rar, vielleicht mal eine Stunde zum Essen. Dann gab es Käse, Schinken und Brot – keine warmen Mahlzeiten. Dann ging es so schnell wie möglich weiter. Solang die Füße und Hufe trugen.
Zwischendurch mussten mal verletzte Tiere versorgt werden, oder ein Schaf lammte vorzeitig. Aufgrund der schweren Wanderung wurden Lämmer manchmal auch unterwegs geboren. Es dauert keine zwei Minuten, dann kann es laufen. Da es aber schnell weiter gehen muss, nimmt der Hirte, wenn es ein wenig gelaufen ist und das Prinzip instinktiv begriffen hat, aber auch mal an den Vorderläufen und trägt es. Wenn er ein Pferd oder einen Esel dabei hat, legt er es in dessen Satteltaschen („Sa Bertula“).
Keine Zeit für Nostalgie. Der Hirte musste seine Herde sicher durch Tage und Nächte und unwegsames Gelände bringen. Das waren keine befestigten Schotter- oder Asphaltstraßen und markierten Wanderwege, wie wir sie vielleicht heute gehen. Das waren von Tieren zertretene Pfade. Es ging durch Wälder, dichtes Buschwerk, durch Täler, über Hügel, entlang Flussläufen und Weiden von anderen Schäfern und Bauern (es gibt bis heute ein Wegerecht für Schäfer auf der Transhumanz).
Wer einmal versucht hat, auf Sardinien „einfach so“ loszulaufen und auf irgendeinem beliebigen Hügel zu wandern, der einem gefällt, weiß, dass es ohne genaue Ortskenntnis quasi unmöglich ist.
In der Ebene angekommen, gab es wenig Zeit zum Ausruhen. Fand man keine bestehenden und verlassenen Strukturen, musste der Hirte eine Hütte und einen Stall bauen. Oder, wenn er am gleichen Platz vom letzten Winter war, und die Hütte vom Vorjahr noch stand und frei war, herrichten oder renovieren. Besitz gab es zu jener Zeit nicht. First come, first serve sozusagen.
Manchmal bildeten sich auch Wohngemeinschaften, das war aber äußerst selten, da die Herden nicht zu groß werden durften. Außerdem musste man dann häufiger den Weideplatz wechseln, wenn dieser doch nicht ergiebig genug war. Allein mit der Herde zu sein, war so gesehen auch von Vorteil.
Ist das Wichtigste – eine Heimstatt für die nächsten Monate zu finden – erledigt, ist endlich ein Moment der Einkehr ist erlaubt. Die Wintersonne scheint, die Wiesen sind grün, die Schafe weiden zufrieden und schlagen sich am Grün die Bäuche voll, ihre Glocken klingen lieblich und sacht – und nicht mehr streng vom schnellen Laufen. Alle erlauben sich ein Schläfchen in der Sonne, außer die Winterlämmer, die spielen und springen. Die Anstrengungen haben sich gelohnt. Hier konnte man ein Weilchen bleiben.
Diese Momente waren ein wahrer Glücksfall für die sardische Kultur: es entstanden viele Gedichte und Gesänge. So manches Werk aus Poesie und Literatur ist ebenfalls ein Verdienst der Hirten Sardiniens.
Mann und Tiere blieben bis Mai, wenn endlich Zeit war, zurück zur Familie wandern und seine Schafe daheim zu weiden.
Ich bin Nicole und mein alter Ego ist ein schwarzes Schaf (ital.: pecora nera). Wir bloggen und blöken aus Sardinien im ganzen Jahr über alles, was uns gefällt und bewegt :)
Das schwarze Schaf hat übrigens noch ein Buch geschrieben, über seine „alte“ Heimat:
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Klaudia Ledda
8. April 2019 at 00:20Deine Seite ist super!
Ich habe noch nie eine Seite gefunden, die so liebevoll und doch auch so ehrlich beschrieb wie Sardinien wirklich ist. Dabei schreibst du auch noch sehr unterhaltsam und humorvoll. Bitte weiter so!!! Einfach toll!
pecora nera
8. April 2019 at 09:13Lieben Dank für die Blumen 🙂 Das freut mich sehr und ja, natürlich mach ich weiter 🙂
Sigrid Hering
15. Dezember 2019 at 17:53Wir teilen ja die Liebe zur Insel und den Schafen, liebes schwarzes Schaf.
Danke für den schönen Artikel, den ich nun, nachdem wir gemeinsam bei den Schäfern von Tresnuraghes waren und auch viel darüber geredet haben, nochmal mit anderen Augen (und Ohren in deinem Hörtext) gelesen habe.
Danke. Es ist immer eine Bereicherung 🙂