Diesen Sardinien-Blog gibt es nun schon seit Oktober 2010. Das schwarze Schaf beeehrichtet unermüdlich von all den schönen Seiten der Insel, vorzugsweise in der Nebensaison und als Individual-, Natur- und Kulturreisende abseits des Mainstream-Tourismus.
Ich schreibe über das, was ich erlebe und sehe – weil ich die ganzen schönen Eindrücke einfach nicht für mich behalten kann und will. Oder vielmehr, mein Alter Ego, das schwarze Schaf, schreibt es.
Wie so oft hat alles ganz harmlos angefangen und weil ich so oft gefragt werde, wie, gibt es hier die Entstehungsgeschichte.
Ich reiste glaube ich im Mai 2000 das erste Mal auf die Insel, mit meinem damaligen Freund, ganz klassisch mit dem Auto durch die Schweiz und Norditalien, als »Normalurlauber«.
Und war überwältigt von der morgendlichen Einfahrt der Fähre in den Golfo di Olbia, von den Felsen, von der Sonne, die hinter der Isola Tavolara aufging. Als wir die Landstraße hinter Olbia Richtung Palau hinaufkletterten und der Duft von Macchia und Rosmarin durchs offene Autofenster strömte … da hat’s mich schon irgendwie gepackt. Irgendwas war hier anders als woanders … Ich hatte den italienischen Vergleich mit dem Tessin, der Toskana und Sizilien, und nichts kam auch nur ansatzweise an dieses Gefühl ran.
Zaghaft wie alle Neulinge, blieben wir an der Costa Smeralda, genossen den Sommer-Badeurlaub in den Buchten zwischen Cala di Volpe und Porto Pollo. Hier ne Strandparty, da ein tolles Abendessen, dort ein Bootsausflug, da auf einen Hügel klettern.
Das schwarze Schaf zog auch seine High Heels an und wackelte durch Porto Cervo. Muss man ja mal gesehen haben und auch das Erlebnis, für 25 Euro Cocktail zu schlürfen (und dabei noch billig weggekommen zu sein) gehörte dazu.
Am nächsten Tag ging’s zum Ausgleich in die mitgebrachten Bike-Klamotten. Auf gemieteten Rädern erkundeten wir La Maddalena und Caprera. Und schwupp waren die zwei Wochen Urlaub auch schon vorbei.
Im Jahr drauf war es ziemlich klar, wo der Urlaub uns hinführen sollte: wieder Sardinien, wieder in den Norden, diesmal drei Wochen. Da hatte man Zeit für weitere Ausflüge: Tempio Pausania, Alghero, Bosa, Castelsardo. Am Ende beschlich uns wieder das Gefühl, trotzdem eigentlich gar nichts gesehen zu haben. Waren da echt noch drei Viertel Insel übrig? Wir mussten wiederkommen.
Dann kam die Zeit, in der arbeits- und projektbedingt nur Kurz- und Wochenendurlaube drin waren. Mit dem Auto nach Sardinien fiel aus und da stellte sich die Frage: Ging nicht auch mal wieder Nordsee oder das Tessin?
Fast wollten wir zum ersten Mal nicht nach Sardinien reisen, da entdeckten wir die Billigflieger für uns. Klimatisch unkorrekt, aber so weit reichte unser Verantwortungsbewusstsein für den Planeten damals noch nicht. Wir wollten Urlaub, also planten wir unsere magere Freizeit entsprechend der Flugpläne und flogen ein paar Mal für ein extralanges Wochenende nach Sardinien.
Freunde hielten uns langsam aber sicher für bekloppt, man könne doch auch mal nach Barcelona oder Prag oder Oslo fliegen. Warum bloß immer Sardinien?
Ich wusste warum: Die Insel holte mich immer sofort aus dem Arbeitsstress. Hier waren wir glücklich und konnten in kürzester Zeit auftanken. Mein damaliger Freund machte Nägel mit Köpfen und nahm ein günstiges Angebot für den Kauf eines kleinen Ferienhauses an. So hatten wir einen festen Anlaufpunkt und nach und nach wurde es unser zweites Zuhause.
Entschleunigung pur. Nach Arbeitswochen mit 50 und mehr Stunden nahm ich mir wieder Zeit für Kleinigkeiten. Ich entdeckte, dass ich Eidechsen unheimlich gern hatte. Ich lernte, GAR NICHTS zu tun.
Schon bald aber reichte der Strand nicht mehr. Auch nicht für ein Wochenende. Mich packte die Neugier. Immer häufiger fragte ich mich: Was gibt es denn noch alles auf dieser Insel, von dem man nichts wusste? Was lässt der Reiseführer alles aus? Schon hier in der nähe sieht jeder Landstrich anders aus – was würde mich weiter südlich erwarten?
Ein extrem heißer Sommer brachte eine weitere Zündstufe für mich und den Sardinien-Blog: 35 Grad Luft, 30 Grad Wasser, Sonnenallergie, der Job holte mich sogar im Urlaub ein …
Ich musste raus, wollte etwas anderes sehen und hören, machte das Handy aus. Während alle anderen sich nicht einen einzigen Meter vom Strand entfernten, nahm ich den Mietwagen, schaltete die Klimaanlage an und brauste los. Und das ist bis heute eines meiner besten Rezepte für die Hauptsaison!
Kilometerfressen ohne Ziel ist eh meine liebste Anti-Stressmaßnahme. Und was in Schleswig-Holstein funktioniert, kann auf Sardinien ja auch mal probiert werden.
Welch Offenbarung! Nuoro, Orgosolo, Fonni, Lanusei, Arbatax, Baunei, Dorgali, Orosei – auf ewig vielen Serpentinen!!!
Ich stieg aus, mitten im Supramonte um die Höhe, Weite, Stille der Landschaft zu bewundern. Mir lief das Herz über vor soviel Schönheit und Vielfalt.
Völlig unbeabsichtigt war ich der Nase nach hier gelandet und zwischen Berg und Meer von der Insel ein zweites Mal gefangen genommen worden. Zwei der schönsten Treks meines Lebens ging ich in diesem Jahr noch: zur Schlucht Gola Su Gorropu und zur Cala Goloritzè.
Dann weiter: Ich entdeckte die Museen in Nuoro und Cagliari. Natur pur in der Giara di Gesturi, Archäologie schnuppern in Barumini. Und wieder die Gewissheit: Das war immer noch nur der Anfang!
Ich hatte eine Ahnung, wie groß und wie weit diese Insel ist und wollte das irgendwie festhalten. So beschloss ich mit meinem Notebook rundzureisen und überall anzuhalten, wo es mir gefiel und alles aufschreiben. Das tat ich, wenn auch erst noch „offline“.
Ich brauchte außerdem mehr Zeit für mich. Eine echte Auszeit: Kommunikation mitten in der Finanzkrise 2008/2009 war kein Zuckerschlecken. Ich wollte erstmal nichts tun. Und dann eh nur noch als Freiberufler arbeiten, um im Zweifel auch die Freiheit zu haben, spontan „Nein“ zu sagen. Der Job wurde kurze Zeit später gekündigt. Soweit, so leicht.
Ich trug mich ernsthaft mit dem Gedanken, auch auf Sardinien zu leben und von hier aus zu arbeiten. Zwei Dinge musste ich vorher noch tun:
Nützte nix: Dazu musste ich im Februar wiederkommen. Aber allein und ohne doppelten Boden – das Ferienhaus hatte sich inklusive Freund zu dem Zeitpunkt auch eine Auszeit genommen … 😉
Und damit ist die private Urlaubs- und Vorgeschichte ausreichend erzählt.
Die geistigen Geburtsstunden des schwarzen Schafs sind genau genommen zwei. Beide fallen in den Februar des Jahres 2008.
Denn acht Jahre, nachdem ich das erste Mal auf sardischem Boden war, hatte ich einen der schönsten Urlaube meines Lebens – in der Nebensaison, bei Dauerregen und nasser Kälte, weit weit weg von Sommer, Sonne und Strand.
Da, wo andere Depressionen bekommen, war ich überglücklich!
Ich fuhr zunächst wie geplant von Olbia in die Inselmitte. Die Sartiglia in Oristano am Sonntag war und ist ein schönes Spektakel, und auch der Regen war mir egal: tolle Pferde, tolles Tempo, tolle Kostüme, tolle Stimmung, alles toll! Nur das Hotel war eher mittelprächtig und kalt, aber es war das letzte Zimmer, das in der ganzen Stadt zu kriegen war.
Am Montag fuhr ich weiter nach Ottana. Die urigen Masken der Boes e Merdules sah ich in Miniausführung: Am Karnevalsmontag verkleiden sich die Kinder – ein süßer bunter Haufen.
Am Dienstag mittag, dem Martedi Grasso, landete ich dann in Mamoiada.
Es regnete immer noch und mir war richtig, richtig kalt. Also stiefelte ich auf das nächstbeste Hotel zu. Zum Karneval war alles ausgebucht, aber hier traf mich die sprichwörtliche sardische Gastfreundschaft. Ein Zimmer für ein alleinreisende Signora habe man auf jeden Fall, ich solle mich auf keinen Fall sorgen.
Ich wurde einfach aber gut und warm untergebracht. Und dann für zwei Tage nicht losgelassen. Jede Kleinigkeit des Dorfes und seiner Traditionen sollte ich kennenlernen.
Es waren dort die schwarzen Masken und die dunklen Felle der Mamuthones, die mich zum schwarzen Schaf inspiriert haben.
Aber noch mehr dieser Zauber der Ursprünglichkeit, die Ernsthaftigkeit mit denen Traditionen gepflegt werden, die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der großartigen Menschen und all die intensiven Gerüche, Einblicke und Geräusche, die es nur in der Nebensaison und im Hinterland gibt.
Und noch viel wichtiger: Ich fand Freunde, die es bis heute sind.
Das war die Initialzündung für das schwarze Schaf. Der zweite „colpo“, wie eine Art Aussetzer für das Herz, traf mich in der südwestlichen Hälfte der Insel.
Ich befand mich in meinem Mietwagen auf der Provinzstraße von Guspini nach Arbus, wühlte mich die Serpentinen bergauf. Vom Pass Genna´e Frongia ging der Blick zurück ins regnerische Grau über der weiten Ebene des Medio Campidano. Dort, wo die Landwirtschaft zuhause ist und die Schnellstraße SS 131 sich geradewegs von und zur Inselhauptstadt Cagliari zieht.
Postkartenhaft war die Insel zu dieser Jahreszeit nicht. Ein Foto? Lohnte nicht. Ich spähte zum Titelbild meines Reiseführers, der auf dem Beifahrersitz lag. Türkisfarbenes Wasser, traumhafter Strand.
Als wäre ich auf einer komplett anderen Insel. Ich wollte fast wetten, dass ich hier in der tiefsten Nebensaison, in einem Landstrich abseits von Tourismus und VIP-Service, der einzige Reisende war.
Denn wer bitte kommt im Winter nach Sardinien, wo man weder baden noch braun werden kann? Wer quält sich durch die extrem dünnen Flugpläne? Wer schluckt diverse Kröten bei der Hotelsuche anhand eines Reiseführers, der offensichtlich nur für die Hauptsaison gilt (eine Alternative findest du hier)? Wer fährt Kilometer um Kilometer, ohne eine Menschenseele zu treffen? Und wer findet das auch noch schön?
Ich! Ich fand und finde es ausnahmslos fantastisch!
Das Beste: Ich bin tiefenentspannt und denke keine Sekunde mehr an den Job oder privates Zeug. Der Entschluss, hierher zu ziehen ist schon gefasst.
In Arbus angekommen, erfahre ich bei einem Cappuccino in der Dorfbar von den schwarzen Schafen.
Sardinien ist voller Schafe, das steht ja in jedem Buch, das man über die Insel lesen kann. Die meisten von ihnen sind weiß. Aber hier in Arbus sind sie fast ausnahmslos schwarz. Ein paar braune und gefleckte gibt es noch, aber die schwarzen sind in der Überzahl und einzigartig. Eine genetische Besonderheit, die es nur hier im Südwesten in den Tälern bei Ingurtosu gibt.
Ich — quasi aus Überzeugung das schwarze Schaf der Familie und Wolltierfanatiker — war restlos begeistert. Als die Sonne rauskommt, fahre ich sofort Richtung Ingurtosu und finde sie tatsächlich. Wer einmal eine Herde nur mit schwarzen Schafen gesehen hat, der wird das Gefühl des Staunens lang nicht mehr los. Man glaubt, das sei nicht ganz real.
Mein künftiger Sardinien-Blog hatte bereits den Arbeitstitel pecora nera / Schwarzes Schaf – und ich beschloss, dabei zu bleiben. Das passte zu Sardinien wie die Faust aufs Auge.
Heute blicke ich nicht nur auf viele Jahre Bloggen und einen Haufen toller Reisen zurück, sondern es liegt auch ein schwarzschafiger Sardinien-Reiseführer vor mir. Einer, wie ich ihn zu meinen ersten Reisen auf Sardinien gern gehabt hätte. Und wieder ein kleines Puzzlestück. Ich wollte immer ein Buch schreiben. Und werde es wieder tun.
Nach dem Karneval fuhr ich noch ein paar Tage auf die Inseln im Südwesten und entdeckte Sant’Antioco.
Abends fuhr ich – weil ich auf der Insel vor der Insel partout kein Hotel finden konnte – nach Cagliari.
In einer kleinen Trattoria begann ich meinen allerersten Artikel über den sardischen Karneval, zu schreiben. Nur, um die Eindrücke festzuhalten. Und als der fertig war (nachzulesen na wo? – hier auf pecora-nera!), kam ich auf hundert neue Ideen für Artikel und legte eine Liste mit Themen und Orten an (die ich bis heute nicht vollständig abgearbeitet habe – im Gegenteil – sie wächst noch!).
Dann viel Hirnschmalz, vom Logodesign über die klare Positionierung (Sardinien in der Nebensaison und im ganzen Jahr) bis zur Programmierung … tja … und im Oktober 2010 traute ich mich, auf den berühmten Knopf zu drücken. Da war es geboren, das schwarze Schaf!
Erst noch ein Lamm, bahnte es sich neugierig seinen Weg durch die Nebensaison. Schon bald ging es als ausgewachsenes schwarzes Schaf seinen eigenen Weg, lernte dazu, verfeinerte seine Gedanken, bezog Stellung.
Ich habe seither viel Zuspruch gefunden – wofür ich mich herzlich bedanke! Toll, wenn das, was einem selbst wichtig ist, bei anderen Anklang findet.
Das Gefühl, eine sehr feine Leserschaft zu haben, die versteht, warum Sardinien so großartig ist ist ziemlich toll. Leute, die mit Sinn und Herz die Insel bereisen. Die Menschen, Kultur und Natur wertschätzen, respektieren und die Schönheiten bewahren möchten.
Das schwarze Schaf wird weiter erzählen und will die Inselwelt und ihre verborgenen Perlen erkunden. Will dahin, wo es noch nicht war. Will bekannte Plätze neu entdecken und will andere Entdecker einladen, die unbekannten Ecken der Insel zu erforschen.
Eh, beeeh – nun ist wirklich genug erzählt.
Herzlichst,
Eure Nicole
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Ulrike Scheuermann
15. Mai 2019 at 13:06Liebes Schaf,
nur eine kurze Rückmeldung zu deinem Blog: Er ist einzigartig und wunderbar!!! Wir sind seit 10 Tagen hier auf Sardinien… zum ersten, aber ganz sicher nicht zum letzten Mal!
Gestartet in Alghero, 6 Tage im Valkarana in Sant Antonio de Gallura, jetzt Orosei… konnte ich viele deiner Tipps sehr gut verwerten!
Besonders begeistert war ich gestern… von deiner Empfehlung Sa Preta Istampata… es war ein herrlicher Tag!
Ganz herzlichen Dank und viele liebe Grüße!
Johannes und Ulrike
pecora nera
15. Mai 2019 at 15:19Vielen Dank für die Blumen – und noch ganz viel Spaß!