Ja, ich bin ein schwarzes Schaf. Aber ich bin auch eine alleinreisende Frau in Sardinien. Daher kann und will ich die Frage direkt aus meiner eigenen Erfahrung beantworten: Seit rund fünfzehn Jahren reise ich durch Sardinien, und fühle mich nicht unsicher auf meinen Streifzügen.
In allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen hatte ich noch nie Probleme mit der einheimischen Bevölkerung. Ist tatsächlich so. Das gilt auch und gerade für das Hinterland und die kleinen, sardischen Dörfer. Männer sind fast ausnahmslos respektvoll.
Ich behaupte: Allein durch Sardinien zu reisen, ist für praktisch veranlagte und selbstsichere Frauen kein Problem.
Selbst für alle Frauen, die erst mal gucken wollen, ob Alleinreisen denn etwas für sie ist, kann Sardinien ein gutes Umfeld sein (in jedem Fall besser als Mexiko oder Bangladesch). Angsthäsinnen und zartbesaitete Pflänzchen kommen hier vielleicht an ihre Grenzen. Doch Sardiniens Einwohner helfen eigentlich jedem dabei, sich wohl zu fühlen.
Die allgemeine Sicherheitslage auf Sardinien würde ich als gut und ungefährlich einstufen. Auch das Auswärtige Amt gibt ja keine Reisewarnung für Sardinien, Terror scheint auch kein Problem zu sein. Wenngleich wir in einer Zeit leben, in der man nie weiß, welcher Vollhonk wann und wo um die Ecke biegt.
Wissend, dass meine persönliche Erfahrung keine Allgemeingültigkeit hat, hole ich in diesem Artikel darum noch ein bisschen aus. Ich erkläre ein paar kulturelle Besonderheiten und Situationen, gebe ein paar Tipps und plaudere aus dem Nähkästchen.
Letztlich ist das Reisen immer „auf eigene Gefahr“. Dieser Artikel soll dir helfen, diese „Gefahr“ für dich einzuschätzen und zu entscheiden, ob du allein oder doch eher mit Familie, Freund/-in oder Freunden reisen magst.
Eine positive Grundhaltung dem Alleinsein, dem Alleinreisen und Sardinien gegenüber ist zumindest der inneren Sicherheit um einiges zuträglich.
Ich denke, ob jemand allein reisen mag, ist auch eine Frage, wie man als Persönlichkeit gestrickt ist. Was man vielleicht schon erlebt hat, wo und wie man schon auf Reisen war. Auch, wie man erzogen wurde. „Das kann ich alleine!“ war als Kind einer meiner Lieblingssätze, und mein Vater hat dann immer sagt: „Ok, probier’s!“ Und vieles (eigentlich fast alles) ging gut. Ich traue mir auch hier auf Sardinien viel zu, und das sicher auch deshalb, weil meine Eltern keine Helikoptereltern waren.
Ganz sicher spielt eine Rolle, wie positiv, fröhlich, abenteuerlustig und schmerzbefreit man ist. Je mehr du erwartest, dass alles gut ist und dich nicht übermäßig sorgst, desto entspannter wird deine Reise.
Okay, zugegeben, ein bisschen Schwarzschaf-Psychologie, aber tendenziell stimmt es vielleicht.
Die tatsächliche Gefahr liegt für Urlauberinnen auf Sardinien eh im Unbekannten …
Die sardische Wildnis und das Territorium zu unterschätzen, ist aus meiner Sicht das größte Risiko für die Sicherheit auf der Insel. Auch, aber nicht nur für Frauen.
Wenn du in der Wildnis oder einer unbesiedelten Gegend verloren gehst, dann hast du auf Sardinien ein echtes Problem. Vielleicht mit Dehydrierung, weil du kein Wasser mitgenommen hast. Vielleicht weil du dich verletzt, weil du nicht weißt, wo du hintrittst. Vielleicht mit streunenden Hunden, in deren Territorium du unversehens landest. Vielleicht weil dein Handy keinen Empfang hat und du keine Ahnung hast, in welcher Richtung der Rückweg ist. Vielleicht mit dunklen Gestalten. Vielleicht mit frei laufenden Tieren – und da reicht ein plötzlich vor dir stehender, schnaubender Ziegenbock …
Ich kann Alleingänge auf Sardinien absolut verstehen. Sardinien ist traumhaft, um endlich mal zur Ruhe zu kommen und in aller Stille zu grübeln. Da kann man wirklich keine Horde plappernder Italiener oder vorlauter Touristen um sich herum gebrauchen. Und wie schwer kann das schon sein, so ne Trekkingtour?!
Aber es gibt wirklich viele Touren, die du besser nicht allein machen solltest. Genauso viele Touren gibt es natürlich auf evidenten Wegen, die du als alleinreisende Frau wunderbar allein machen kannst.
Grundsätzlich ist aber keine schlechte Idee, in der Gruppe zu wandern. Und wenn du eine schwierige Wanderung allein machst (vielleicht, weil du dein eigenes Können schon hundertfach bewiesen hast und einschätzen kannst) ist trotzdem nichts verkehrt daran, sich im B&B oder Hotel abzumelden. Oder deinem Gastgeber, wenn es nur ein einfacher Trek ist, plaudernd zu erzählen, was du so vor hast. Einfach ein kleines Stück mehr Sicherheit.
Auf Sardinien habe ich gelernt: Ich KANN vielleicht, MUSS aber nicht alles alleine machen. Eine schwierige Wanderung auf Sardinien ist um Längen entspannter mit einem ortskundigen Guide, als wenn man selbst ständig Karten und Handy konsultiert und der innere Stresszustand einer Berg- und Talfahrt gleicht.
Tatsächlich ist deine eigene Angst die größte Herausforderung beim Alleinreisen. Angst hat man vor allem, was man nicht kennt. Vor dem, was man nicht einschätzen kann. Die gute Nachricht: Dagegen kannst du was tun.
Nachts ist Sardinien zum überwiegenden Teil wirklich schwarz und lichtlos. Das musste ich tatsächlich erst lernen, auszuhalten.
Schon irgendwo zwischen zwei kleinen Bergdörfern, als die Tankfüllung meines Panda zur Neige ging, und keine Tankstelle in Sicht war, waren das spannende Momente.
Um so mehr in freier Natur, abseits von asphaltierten oder befestigten Wegen. Als mal auf einer Wanderung die Dämmerung einsetzte und ich den Rückweg immer schlechter sehen konnte, kam bei mir tatsächlich sowas wie Angst auf. Zumindest Sorge, denn der Weg war zwar nicht schwer, aber es galt, noch einen Abzweig richtig zu nehmen und vor allem: nicht zu stolpern und mich auf gar keinen Fall zu verletzen.
Als es dann ganz dunkel war (und das geht fix!) war jedes Geräusch im Busch wie die Titelmusik zu einem Horrorfilm.
Wenn du allein auf Tour bist, ist das tagsüber schon interessant … Nachts kann das nicht nur für Angsthäsinnen am Rand des Erträglichen sein: Was raschelt da?! Am Ende ist es vielleicht nur eine Schildkröte, die das Herz zum Klopfen gebracht hatte … Es gibt keine Wölfe oder Bären auf Sardinien, das beruhigt vielleicht. Wildschweine und streunende Hunde hingegen schon … Mittlerweile kann ich Schildkröten-Geraschel von Schweine-Geraschel unterscheiden. Auch hilfreich.
Heute macht mir die Dunkelheit nichts mehr aus – weil ich sie kenne. Gleiches Prinzip wie oben: Angst macht nur, was man nicht einordnen kann. Mir half ganz speziell eine Nachtwanderung mit einer Gruppe auf die Punta Lamarmora in quasi „sicherem Ambiente“ für mich die letzten Ängste ad acta zu legen.
Mittlerweile finde ich dieses tiefe Schwarz sogar grandios und besonders anziehend. Erst hier habe ich kapiert, wie lichtverschmutzt Deutschland war. In einer Sommernacht ganz friedlich und glücklich im sardischen „Outback“ zu hocken und auf die nächste Sternschnuppe zu warten, gehört zu den tollsten Dingen überhaupt, die du auf der Insel machen kannst. Wobei das mit Freunden und einer Flasche Wein, oder gar nur zu zweit mit dem Herrn der Wahl, unter Umständen noch schöner sein kann 😉
Apropos Herren …
Das Thema „Sicherheit auf Reisen“ machen Frauen ja häufig am Thema „Mann“ fest. Gefühlt scheint von einheimischen Männern in fremden Ländern die größte Gefahr für Leib und Leben auszugehen.
Und weil die Frage zu 95% so gemeint ist und gestellt wird, und weil du als Alleinreisende auf Sardinien automatisch mehr mit Männern in Kontakt bist (warum, dazu gleich mehr), antworte ich auch aus diesem Blickwinkel darauf.
Grundsätzlich: Ich habe sardische Männer als respektvoll, freundlich und höflich kennengelernt.
An dieser Stelle sei auch noch ergänzt: Auch Ausländer und Migranten empfinde ich auf Sardinien nicht als Sicherheitsproblem. Ich bin ja selber einer 😉 Im Gegenteil: Als mein Auto mal liegen blieb, hat ein Einwanderer es mit mir zur nächsten Werkstatt geschoben, und keiner von den gut zehn Einheimischen in Reichweite. Am Strand sind sie nett und respektieren, wenn du nichts kaufen möchtest.
Aber egal, ob als Single-Frau oder solitär reisende Dame (die den Herrn zuhause oder im Ferienhaus gelassen hat): Du wirst auf Sardinien auf einige kulturelle Unterschiede treffen.
Mehr noch: Du bist als Alleinreisende, die prima mit sich selbst und einer fremden Umgebung klar kommt, kulturell ein echtes Alien!
Ich mag keine Stereotypen. Nicht alle Menschen sind gleich und im wirklichen Leben kommt es oft auf Zwischentöne und Fingerspitzengefühl an. Die nachfolgenden Verallgemeinerungen („Mann“, „Frau“, „Sarde“, „Sardin“ etc.) sollen helfen, die kulturellen Unterschiede zu verstehen und warum sich vielleicht ein Großteil der Bevölkerung so verhält, wie er sich verhält. Oder warum es scheint, als wäre es so. Denn Ausnahmen bestätigen immer die Regel! Und je näher du der Bevölkerung kommst, desto mehr Ausnahmen lernst du kennen.
Im Grundsatz ist Sardinien ein konservatives, traditionelles Land. Das ändert sich auch nur langsam, wenn überhaupt. Ein Großteil der Bevölkerung hängt am klassischen Rollenverständnis – wobei es hier nicht so negativ behaftet ist, wie in Deutschland. Hausfrau und Mutter zu sein, ist hier selbst für junge Frauen keine Beleidigung, sondern eine ehrwürdige und ernst genommene Beschäftigung.
Männer fühlen sich verantwortlich und zuständig für die Sicherheit der Frauen und Kinder. Sie machen das gern und die Frauen mögen das. Ich mag das ehrlich gesagt auch. Und wenn es mich nervt, sag ich es. Die junge bis mittelalte Generation ist um einiges aufgeschlossener als die ältere. So ist der Lauf der Dinge. Aber dass eine Frau sich weigert, die Wäsche ihres Freundes zu waschen, kommt auf Sardinien glaube ich nicht vor (in Hamburg kannte ich mindestens drei in meinem näheren Bekanntenkreis). Vielleicht ist das wahre Emanzipation.
Aber ich will nicht zu euphorisch sein. Denn Kulturunterschiede, die die Geschlechterrollen noch bestätigen, gibt es vor allem auf Seiten der Damen.
Grundsätzlich sind Sardinnen patente, starke und durchaus praktisch veranlagte Frauen, die wissen und die kommunizieren, was sie wollen. Ohne Zweifel. Früher, als die Männer mit den Schafen auf Wanderschaft waren, versorgten und verteidigten sie Haus und Hof. Im Zweifel würden sie das heute noch tun. Wobei Sardinnen sich auch gern in ihre Rolle zurück ziehen und speziell bei schweren und unangenehmen Aufgaben das den Mann oder Sohn machen lassen.
Im Hier und Heute ist manche junge bis mittelalte Sardin ein Stück weit verzärtelter und ängstlicher: Es wird Mädchen leider von Kindesbeinen an beigebracht, Prinzessin zu sein. Als solche lässt man sich bedienen und Probleme werden gelöst, die löst man nicht selbst.
Auch da gibt es „so ’ne und solche“, doch ich würde behaupten, die Mehrzahl der Frauen hat Angst und Bedenken, allein etwas zu unternehmen. Männlicher Beistand, oder dass der Mann in schwierigen Situationen voran geht, wird sogar explizit erwartet! Und je älter sie werden, desto mehr ziehen sie sich wieder auf das alte Rollenbild zurück.
Sardische Frauen reisen ergo auch selten allein. Und wenn, dann ist es für sie eine regelrechte Ausnahmesituation, die gefeiert werden muss! Die meisten sind tatsächlich eher besagte Angsthäsinnen und Bedenkenträgerinnen. Wobei eine meiner Bekannten hier auf der Insel wirklich mega patent ist und demnächst allein nach Patagonien reist. Vielleicht umgibt man sich auch nur mit Leuten, die ähnlich denken wie man selbst.
Wenn ich also als schwarzes Schaf auf meinen Reisen ungeniert in die nächste Dorfbar stiefele (weil das nun mal in der Regel der beste Ort ist, um mit einer Gegend und den Leuten warm zu werden und in Kontakt zu kommen) oder mich allein ins Restaurant setze – ist das unter Sardinnen komplett unüblich.
Sardische Frauen gehen quasi niemals allein in eine Bar, setzen sich fast nie „einfach so“ in ein Café und gehen schon gar nicht in die örtliche Dorfbar. Nicht im Traum würde ihnen das einfallen! Mag daran liegen, dass die Bars in der Regel keine schicken Weinbars sind. Aber auch daran, dass das früher nur die puttane / Huren in die Bars gingen, und manch kleines Dorf gedanklich tatsächlich im Annodazumal hängen geblieben ist.
Wer nicht in einer Schublade landen will, bleibt also lieber draußen. Das ficht mich als Reisende eher gar nicht an! Wenn irgendeiner meint, das sei unanständig, ist es für mich trotzdem okay. Da weigere ich mich, die kulturellen Gepflogenheiten zu übernehmen.
Ins Restaurant allein? Macht die Sardin schon dreimal nicht. Sie geht mit einer Horde Freundinnen aus. Noch lieber treffen sie sich zuhause oder bei der Familie. Wenn sie Kinder haben, ist sowieso meist alles vorbei, dann geht man zweimal im Jahr mit Freundinnen aus, das muss reichen. Wobei das kein rein sardisches Phänomen ist, das gibt’s in Hamburg auch.
Gemischte Gruppen, Freundeskreise, die ins Restaurant gehen, sich zwanglos und geschlechter-unabhängig hinsetzen und quatschen, gibt es auf Sardinien im Alltag weniger. Häufig setzen sich sogar alle Frauen am Tisch an die eine Seite, alle Männer an die andere. Klingt komisch, ist aber so.
Und das nicht, weil man das nicht dürfte – nein, die Damen wollen das so!
Der männliche Sarde ist ebenfalls hordenweise unterwegs, mit seinen Freunden, dem Fußballverein, den Arbeitskollegen. Und das auch deutlich häufiger als die Damen.
Jajaja, ich weiß. Hier ist leider oft noch alles fein säuberlich in Klischees verpackt, ich kann ja auch nichts dafür … seufz … Mein Freund (Sarde) ist zum Glück aufgeschlossen. Er findet das super, wenn ich allein durch die Gegend reise, irgendwo ein Ichnusa trinke und er nicht als „Aufpasser“ daneben stehen muss. Und meint, die sardischen Frauen machten sich da Probleme, die sie sich nicht machen müssten.
Zurück zum Thema „sicheres Reisen“ für Frauen, die allein unterwegs sind: Teilweise ist „Sicherheit“ auch abhängig von Zeit, Ort und Umständen.
In Städten wie Cagliari, Olbia, Alghero ist eine allein reisende, essende, trinkende, mit sich selbst beschäftigte Frau längst kein Fremdkörper mehr. In Porto Cervo und in San Teodoro auch nicht. In Tempio oder Iglesias vielleicht schon eher. In Urzulei ganz sicher.
Doch die gleichen Orte bergen eine andere Gefahr. Denn natürlich ist nicht alles rosarot auf Sardinien.
In den Ferienorten an den Küsten und in den großen Städten wird in der Hochsaison im Sommer tatsächlich häufiger der ein oder andere Übergriff auf Frauen gemeldet, KO-Tropfen gibt es auch auf Sardinien und so manche Party ist schon aus dem Ruder gelaufen und wenn ein Haufen testosterongesteuerter Halbstarker die Kontrolle verliert, endet das selten gut. Fast ausnahmslos handelt es sich bei diesen Fällen aber um Touristen untereinander.
Aus den lokalen Nachrichten weiß ich: Ganz selten sind Einheimische beteiligt, fast nie passiert etwas Schlimmes außerhalb der Saison.
Faustregel: Straftaten sind im Sommer und an touristischen Hotspots häufiger als im Winter. Mit den Touristen kommen auch organisierte Banden vom Festland. Einbrecher suchen sich auch eher einen Ort wie Porto Cervo oder Porto Rotondo aus. Da ist einfach mehr zu holen als in Orotelli oder Orune. Wo viele Leute sind, fällt auch der Dieb weniger auf und kann leichter verschwinden. Wo lautstark gefeiert wird, bleibt ein Hilferuf vielleicht ungehört.
Das heißt auch: Das Partyhäschen und die Nachteule haben ein latent höheres Sicherheitsrisiko als die Feld-Wald-Wiesen-Hamsterin oder ein schwarzes Schaf.
Im Unterschied dazu fließt auch auf sardischen Dorffesten viel Wein – zum Beispiel zum Karneval. Ja, auch dort ist eine alleinreisende Frau eher ein Fremdkörper und die Feste voll mit urigen, bärtigen, dunklen, mit Fell behangenen Gestalten! Und doch fühle ich mich unter rustikalen Sarden hundertmal sicherer als auf irgendeiner Beachparty mit aalglatten Touristen.
Natürlich haben auch Sarden Probleme und nicht alle vertragen den vielen Alkohol, den sie trinken.
Unter sich sind sie manchmal auch alles andere als nett. Familienfehden gibt es immer noch. Irgendwo fliegt auch mal das Auto eines Bürgermeisters / Sindaco in die Luft.
Speziell die Statistik der Männer, die ihre Frauen oder Ex-Frauen ermorden, ist leider auch nicht schön. Der femminicidio ist ein italienweit zunehmend größeres Problem. Eine Freundin sagte mal halb im Scherz: „Die größte Gefahr für eine Frau in Italien zu sterben, ist zu heiraten.“ Vermutlich eher, sich scheiden zu lassen, aber das ist an der Stelle ja wumpe. Als Reisende kann man da auch eher beruhigt sein.
Dennoch wirst du im „echten“ Sardinien mit einiger Sicherheit immer in Ruhe gelassen. Ja, vielleicht fühlst du dich in einem Restaurant, in dem am Dienstagabend nur Männer sitzen, etwas unwohl. Aber das habt ihr gemeinsam: Es ist für beide Seiten ein ungewohntes, unsicheres Bild.
Du wirst auf Sardinien wenn du allein eine Bar oder ein Restaurant betrittst, immer gemustert und beäugt werden. Das ist nicht böse gemeint, das ist einfach so. Und da gibt’s nur eins:
Ich hab mich dran gewöhnt, angestarrt und gemustert zu werden. Hat man erstmal verstanden, was da gerade in deren Köpfen abgeht, weiß man auch: Das hat erstmal ganz wenig mit dir zu tun, sondern mit den Leuten selbst, mit ihrer Erziehung, mit ihrer Kultur. Die sind damit beschäftigt, das, was sie kennen und gelernt haben, auf links zu drehen. Das fällt erstmal nicht leicht. Und das kann dauern.
Also verstecken sie das extrem gut hinter einem starren, tiefen Blick aus dunklen, fast schwarzen Augen. Der Blick ist nicht ohne. Den musst du erstmal aushalten. Und wenn da gleich fünf Männer stehen, einer obskurer aussehender als der andere, musst du fünf Augenpaare aushalten.
Das schwarze Schaf meint: Lass sie gucken. Bestell ganz selbstverständlich dein Ichnusa. Proste ihnen vielleicht mit einem leisen Kopfnicken zu und lächle. Oder wenn du dich schon beim Reinkommen unwohl fühlst, aber aus Höflichkeit nicht sofort wieder raus willst: Bestelle einen caffè / Espresso, der ist schnell getrunken und du kannst wieder gehen 😉
Aber, was auch richtig ist: Hab Vertrauen. Sarden sind nämlich sehr hilfsbereit, geben Tipps und freuen sich über die Abwechslung, die du in ihr Dorf bringst.
Manchmal, in ganz kleinen Orten, sind sie sogar richtig besorgt und wollen dich in die Obhut einer älteren Dame geben, die dir alles zeigt und die dir Sicherheit gibt. Eine wirklich coole Geste – die auch kein Affront gegen dein selbstbewusstes Frau-Sein ist. Man nimmt dich quasi in den Kreis der örtlichen Gemeinschaft auf. Je nachdem, warum du da bist, muss das nicht nur uncool sein. Wobei ältere Sardinnen auch anstrengend sein können, das gebe ich gern zu … speziell wenn man länger bleiben muss, als man eigentlich möchte und ewig lang braucht, um den Absprung zu finden …
Doch da musst du durch. Die sardische Gastfreundschaft ist der Himmel auf Erden, es steckt in ihren Genen, dich wie einen Teil ihrer Familie zu behandeln.
Aber Moment mal … musst du da wirklich durch?
Was die sardische Gastfreundschaft angeht, ist es ein bisschen tricky. Es gilt als unhöflich, eine Einladung auszuschlagen.
Männer und Familien haben es da tatsächlich leichter und können direkt alle Einladungen, und seien sie noch so privat, annehmen. Ich, so in meinem Randgruppen-Dasein als Schaf und Frau, gucke schon, mit wem ich wann wo hingehe – und wo ggf. mein Ausweg ist.
Eine Einladung zu einem Getränk darf man auf Sardinien quasi niemals ausschlagen. Häufig geben dir die Sarden aber auch gar keine Gelegenheit dazu, weil sie ganz heimlich schon das Bier bezahlt haben oder der Barista dir einen Mirto hinstellt, der Typ, der bezahlt hat, aber schon längst raus ist aus der Bar. Und dann weißt du: Das hat überhaupt gar keine unsichere Komponente, sondern ist einfach nur nett. Vielleicht hast du ihm gefallen, aber das war auch schon alles.
In einem Jahr in Mamoiada zum Karneval hatte ich das Gefühl, den dort wirklich lieb gewonnenen Einheimischen etwas zurück geben zu wollen und eine Runde zu schmeißen. Die Barista, der ich den 10-Euro-Schein für fünf kleine Ichnusa hinhielt, meinte: „Ich glaube nicht, dass du das bezahlen darfst.“ Das ist erstmal ein Kulturschock für die aufgeschlossene und emanzipierte Norddeutsche. Vielen Dank an dieser Stelle an alle, die mich je eingeladen haben! Ich hätte euch gern zurück eingeladen, aber das ist auf Sardinien (zumindest in dörflichen Strukturen) schlicht unmöglich.
Kennst du die Leute nicht und wirst eingeladen, kommt es ein bisschen auf die Situation an. Zwar ist ganz ganz oft ist der erste Eindruck der falsche. Es gibt Leute, die lächeln dich zahnlos und verrupft an, sind aber die nettesten der Welt und du kannst unbesorgt ein Ichnusa mit ihnen trinken.
Insofern, entscheide auch aus dem Bauch heraus, ob etwas gut ist oder nicht.
Ich hab auch schon öfter gelogen, dass ich ja gern würde, aber leider erwartet werde. Das ist völlig okay.
Meine Strategie ist folgende: Reise ich in eine abgelegene Gegend und weiß noch nicht, wo ich nächtigen soll, werfe ich die Umkreissuche meiner bevorzugten Hotel-Buchungs-App an. Ich speichere zwei oder drei Adressen und dann düse ich los. Manchmal folge ich spontan Schildern oder dem ersten Eindruck (wer einen Garten schön anlegt, ist vermutlich auch ein netter Gastgeber).
Oder – mein Lieblingstipp für Sardinien – ich frage die Einheimischen. Wobei das eben für die Zimmer- und Hotelsuche unter Umständen etwas zu weit gesprungen sein kann.
Natürlich kommst du so nah an Land und Leute – allerdings ist die Frage, WIE NAH man denn kommen möchte. Wenn einer der besagten verrupften Herren dir das B&B seines Bekannten empfiehlt – wie weit geht dann das Vertrauen? Manchmal ist vielleicht besser, das Zimmer auf eigene Faust zu suchen und dafür vielleicht Gefahr zu laufen, nicht ganz so authentisch zu wohnen.
Also: Wenn dir Leute allzu komisch vorkommen, frag lieber die Barfrau / den Barmann oder besagte App nach einem Zimmer – und nicht den verrupften Typen neben dir.
Und ob nun durch Fragen oder durch Recherche: Ich habe tatsächlich immer irgendwo ein Zimmer gefunden, selbst einmal in der tiefen Nebensaison, bei einbrechender Dunkelheit war die Suche nach einem Hotel oder B&B erfolgreich. Und manchmal findet man so auch echte Perlen.
Wie weit du auf Tuchfühlung mit den Sarden gehen willst, speziell auch mit den dunkleren Gestalten, musst du selbst entscheiden. Zu den dörflichen Festen gibt es Millionen Gelegenheiten, der Bevölkerung nahe zu kommen.
Da es auf Sardinien – wie überall auf der Welt – auch Vollpfosten gibt, setze dir im Voraus deine eigenen Grenzen. Mache dir jede Situation bewusst und baue das ein oder andere „Backup“ ein.
Schreib beim Check-in deine Handynummer auf den Zettel, wenn sie da nicht eh schon steht. Ich habe außerdem zwei Zettel mit den wichtigsten Telefonnummern – einen im Auto hinter der Sonnenblende (da gucken Rettungsleute als erstes), einen im Portemonnaie. Hinterlasse eine Info bei Freunden oder Bekannten.
Und ab und zu schließe auch ich noch das Auto von innen, wenn ich spät abends oder nachts durch ganz dunkle Gegenden fahre. Wenn ich irgendwo im Auto nächtige, dann versuche ich den nächsten Ort zu erreichen, verdunkle alles und stelle den Wagen wenn möglich, vor ein bewohntes Haus.
Last but not least: Mein Handy ist immer aufgeladen – eine portable Ladestation ist im Rucksack, ein USB-Ladekabel im Auto.
In diesem Sinne wünsche ich dir eine gute und sichere Reise durch Sardinien!
Deine Nicole.
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Anja Pape
28. Mai 2023 at 13:07Hallo Nicole
Vielen Dank für den wunderbaren Blog !
Am Fuße des Monte Limbara hat neben dem Wasserfall im Wald ein tolles Museum für moderne Kunst (Arte organica) / Landart aufgemacht , mit jeden Monat wechselnden Ausstellungen und Skulpturen im Wald .
Die Gründer sind voller Begeisterung dabei
Falls du mal in der Gegend bist und darüber schreiben magst .
https://www.tramedarte.org/
Liebe Grüße
Anja
pecora nera
28. Mai 2023 at 23:37Vielen Dank für die Blumen und die Info! So ein Museum gab es schon mal, war vor Covid da: Semida, an der Flanke bei Berchidda … vielleicht eine Wiedereröffnung unter anderem Namen? Schau ich mir bei nächster Gelegenheit an. Herzliche Grüße!