Zeit für eine kleine Liebeserklärung an Orosei. An einen Ort, der sich so ganz unaufdringlich in die sardische Landschaft schmiegt. Der plötzlich da ist und sich kulturell angenehm abhebt von den touristischen Orten, durch die du dich vielleicht von Norden aus näherst. Der dir Echtheit beschert.
Das macht den Ort so anziehend – neben seiner perfekten Lage, nah an Meer und Berg.
Klauen wir die ersten Liebesworte für Orosei bei D. H. Lawrence, der mit seiner Frau zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit Zug und Bus durch Sardinien reiste – natürlich in der Nebensaison (genauer: im a…kalten Januar!). Aber: Der Mann wusste, was gut ist!
„Bezauberndes Orosei, mit deinen Mandeln und deinem von Schilf, (Bäumen) und Lichtfragmenten eingefasstem Fluss, mit deiner Nähe zum Meer, und alles so einsam verlassen, wie in einer Welt, die schon seit langer Zeit vorbei ist, in der man in einer Atmosphäre aus Legenden lebt.“ (D. H. Lawrence, 1885-1930)
Während die Haupt- und Landstraße SS 125, die durch den Ort führt, noch mit bunten Souvenirläden, Bars und allerlei praktischem und unpraktischem Zeug aufwartet, ist in den engen Gassen des historischen Zentrums / centro storico die Zeit fast ein wenig stehen geblieben.
Die Spuren eines Festes liegen noch überall auf den engen Gassen von Orosei herum, Palmzweige sind an Toren befestigt: Ein religiöses Fest fand statt, eine Prozession. Das Ganze schien eher feierlich unter einheimischen Gläubigen stattzufinden – und so findet sich auf der Straße auch niemand, der das genauer erklären kann. Auch das Internet schweigt sich aus.
Macht nichts. Dem Schaf reicht in diesem Fall gucken aus. Ein kleiner antiker Bau aus Lehm an der Via Roma hat es ihm angetan. Scheinbar eine Art Konvent oder ehemalige Kirche. Ob auch D. H. Lawrence hier vorbei kam?
Es ist kurz vor eins – Mittagszeit. Bald wird Orosei schlafen. Noch spielen Kinder in den kleinen Höfen, eine Vespa donnert durch die verwinkelten Gassen, Autos klemmen sich durch die engen Straßenschluchten, um zum Mittagessen / pranzo zuhause zu sein, Katzen streunen, Hunde bellen, aus den offenen Fenstern klingt das Geklirr von Töpfen und Geschirr …
Schnell wird klar: In Orosei ist Leben. Im ganzen Jahr, nicht nur dann, wenn Touristen vorbeischneien.
In Orosei bekommst du ein Stück echter sardischer Kultur. Natürlich lohnt es sich wie immer, genau hinzusehen, aber tendenziell kannst sicher sein, keinem großen Touristen-Nepp aufzusitzen.
Das Schaf nistet sich für ein paar Tage in seinem Lieblingshotel im Ort ein, dem Albergo Diffuso Mannois. Sardischer Landhaus-Stil im reduzierten Design, nichts ist übertrieben, alles ist irgendwie ökologisch sinnvoll. Und: Kein Wunsch bleibt offen. Wohlfühlort.
In der Nebensaison, erinnert sich das Schaf, gab’s an einem etwas öddeligen Tag im Ristorante La Taverna gekochtes Wildschwein mit Kartoffeln / cinghiale in umido e patate. Eine wunderbar heimelige Erinnerung an diesen Ort.
Beim Rundgang durch die Stadt fallen hier und da Skulpturen und künstlerische Kleinigkeiten ins Auge – das ist Programm. Orosei versteht sich als kulturelles Zentrum der Region.
Empfehlenswert der Kunsthandwerk-Markt am Freitag vormittag auf der Piazza San Francesco, der ist an manchen Tagen eine kleine Fundgrube.
Der fünftlängste Fluss Sardiniens, der Cedrino (lokal: Tzedrinu) ist See und Fluss / Lago e Fiume gleichzeitig. Er entspringt am Fuß des Monte Fumai (1316 Meter) im Supramonte di Orgosolo, dort nennt man ihn noch Rio Boloriga und schlängelt sich auf etwa 80 Kilometern.
Zwischendurch wird er als Wasserreserve und zum Schutz vor Überschwemmungen gestaut, nämlich am Lago di Cedrino.
Top-Schaftipp: Suche dir vor Ort (die findest du auch in Dorgali oder Oliena) einen Guide und ein Kanu, und fahre zum Beispiel ab der Quelle Su Gologone durch die großartige Landschaft, erlebe die steilen Wände, die sich links und rechts von dir erheben. Das ist zu jeder Jahreszeit ein feines Erlebnis.
Der Fluss trägt durch seine Nähe zum Supramonte (in dem Regenwasser versickert und die Flüsse und Quellen unterirdisch speist) ungewöhnlich viel Wasser und war in der Vergangenheit immer wieder ein Risiko bei starken Regenfällen im Herbst und Frühling.
Bei Orosei breitet er sich erst aus und bietet einer reichen Fauna Lebensraum. Dann fließt er durch einen Pinienwald und in einer geschlossenen Mündung (an der sich auch eine Fischfangeinrichtung befindet) bei Osalla ins Tyrrhenische Meer.
Zeit für einen Ausflug in die Umgebung!
Die Nachbardörfer im Tal – Galtellì, Irgoli, Loculi und Onifai – sind allesamt einen Abstecher wert. Auch wenn – oder gerade weil – in ihnen nicht der Bär steppt, sie haben alle etwas unheimlich Beruhigendes.
Irgoli ist stolz auf seine Wandmalereien und das Archäologische Museum, und in Galtellì kann der Reisende einem Rundgang zur Literatur-Nobelpreisträgerin Grazia Deledda folgen. Sie schrieb auch über den Monte Tuttavista – ein Sehnsuchtsort ihrer Protagonisten, weil er einen Hauch von Freiheit vermittelt. Hhier oben hat man eben das: Tuttavista / einen Blick überall hin.
Von Galtelli aus führt eine enge Nebenstraße hinauf zu einer Christusstatue oder zum Naturmonument Sa Preda Istampada.
Spektakulär ist das zwanzig Meter hohe Loch im Fels und besonders schön an klaren Tagen. Aber auch bei Mistwetter hat das Ganze seinen Reiz. Einige Klettersteige gibt es ebenfalls am Monte Tuttavista.
Du erreichst den Berg auch direkt von Orosei, an einem Abzweig in den Marmorsteinbrüchen, für die Orosei ebenfalls berühmt ist. Falls du dir also einen Quader mitnehmen willst, bist du hier an der richtigen Adresse. Dann räum schonmal den Kofferraum frei … 😉
An der Marina di Orosei direkt an der Küste sind Richtung Süden die ersten hohen Berge des Supramonte sichtbar, die steil ins Meer abfallen. Eine grandiose Kombination aus Meer und Berg.
Soviel steht fest: Wer den Supramonte nicht gesehen hat, und wer die Buchten des Golfo di Orosei nicht kennt – der hat Sardinien nicht gesehen!
Im Golfo di Orosei ist eine Seereise quasi Pflicht. Die Buchten des Supramonte sind mit gemietetem Schlauchboot, Ausflugs- oder Charterboot erreichbar. Ausflugsangebote gibt es in Cala Gonone (dort musst du nur ein wenig aufpassen, nicht in eine Massenveranstaltung zu geraten). Gute Alternativen findest du südlich des Supramonte, ab dem Hafen Santa Maria Navarrese.
Alternativ erreichst du die beiden zu Orosei nächstgelegenen Buchten, die Cala Fuili und die Cala Luna, auch zu Fuß auf dem Landweg (Küstenwanderung zur Cala Luna via Cala Gonone). Die anderen Buchten sind besser ab Baunei zu „erwandern“.
Im Supramonte kannst du einen Aktivurlaub vom Feinsten verbringen! Trekking, Klettern, Kanufahren – alles kann, nichts muss. Natur satt!
Außerdem ist die Küste ein Unterwasser-Paradies. Wenn du tauchen lernen magst oder schon kannst, verbringst du hier tolle Stunden zwischen Riffs und Wracks. Das schwarze Schaf empfiehlt unheimlich gern die Basis von Sardinia Divers in Marina di Orosei.
Der Golfo di Orosei wunderbar für eine Segeltour – auch, weil etwas weiter abseits von der Küste die Chance hoch ist, Wale und Delfine zu treffen. Hier findest du einen Segelbericht des schwarzen Schafs. Und im Artikel über Häfen und Ankerbuchten gibt’s noch mehr praktische Infos, wenn du mit dem Boot unterwegs bist.
Der nördliche Golfo di Orosei wartet mit langen und weiten Stränden auf – die durch eine starke Brandung gekennzeichnet sind, speziell bei Südostwind kann es hier ungemütlich werden. Das macht sie aber auch fast immer menschenarm, was ja manchmal sehr erwünscht ist.
Sie liegen alle an der Flussmündung des Cedrino / Foce del Cedrino und sind daher sehr abwechslungsreich. Vom Tiefgrün des Flusses bis zum Türkis des Meeres findest du hier alle Farben, die Wasser haben kann.
Das Wasser von Su Barone bei Marina di Orosei ist außergewöhnlich klar. Ein kleiner See, der stagno Su Pedrosu liegt in seinem Rücken und bietet Lebensraum für Enten, Reiher, Fische, Libellen und und und …
Die Cala Osalla ist am südlichsten gelegen, hat Flachwasser und ist damit der gemütlichste Strand bei Orosei. Und wenn du schonmal da bist, dann mach doch auch noch einen Abstecher zur Grotte Ispinigoli – an heißen Tagen ist die Führung (jeweils zur vollen Stunde) echt wohltuend. Mehr Tipps für diese Region findest du in unserem Artikel über Dorgali.
Das schwarze Schaf legt sich nach so viel Aktivität erstmal wieder hin – die Sommerhitze macht schläfrig – und träumt von der Nebensaison … 😉
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