Das schwarze Schaf verbringt ein paar Tage in Lanusei, einem kleinen Ort am südöstlichen Gennargentu auf rund 600 Metern über dem Meer. Und – Achtung, ich spoiler hier gleich mal das Beste an der Region – mit Meerblick! Lanusei gehört zur Ogliastra in Sardiniens Osten, die Meer und Berg auf wundervollste Weise verbindet.

Lanusei - ein Dorf zwischen Berg und Meer
Lanusei – ein Dorf zwischen Berg und Meer

Über 5.000 Einwohner machen aus dem, was viele für irgendein Bergdorf halten mögen, eine lebendige Stadt. Lanusei ist ein wuseliges und kreatives Städtchen. Neben großflächiger Wandkunst (ich komme gleich dazu) sind auch die verworrene Straßenführung und die daraus entstehende Stadtarchitektur durchaus einfallsreich zu nennen. Die Häuser scheinen sich zu stapeln. Es ist, als wolle man auf engem Raum so viel Leben wie möglich unterbringen.

Die Straßen winden sich in engen Kurven immer weiter hinauf. Und dann, wenn man sich an einem Abzweig falsch entscheidet, auch wieder hinunter. Ich muss an eine Freundin (im Straßenbau in Deutschland tätig) denken und grinsen. Sie hätte an dieser Verkehrsplanung (wenn man das denn so nennen mag) ihre wahre Freude. 😉

Das Zentrum von Lanusei wirkt mit seinen eng stehenden hohen Palazzi in bunten Farben sehr einladend und gemütlich.

Lanusei: Straße im Ortszentrum, eng, aber gemütlich
Lanusei: Straße im Ortszentrum, eng, aber gemütlich

Wer in Lanusei auf Anhieb den Überblick hat, ist ein Naturtalent. Ich bin keins 😅

Ich fahre und verfahre mich und lande mehr als einmal außerhalb des Ortes. Eine Verabredung in Lanuseis Rathaus verpasse ich um fast eine halbe Stunde, weil ich auf Google nicht erkenne, dass zwischen zwei nebeneinander liegenden Straßen drei Stockwerke Höhenunterschied liegen. Und weil ich dann eben keinen Parkplatz vor der Tür habe, sondern darunter.

Also fahre ich weiter und suche. Als ich einen anderen Parkplatz finde, stelle ich fest, dass ich mir das ganze Gegurke hätte sparen und einfach laufen können.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich finde Lanusei genau deswegen toll 🤩

Ein Ort, der sich so schwarzschafig gibt, ist genau meine Kragenweite. Den erstbesten vorbei schneienden Touristen, der alles vorgekaut haben möchte, sortiert man auf diese Weise gleich aus. Lanusei will bitteschön entdeckt und erlebt werden.

So soll es sein 😊

Fangen wir mit der guten Nachricht an:

Die schnelle Anreise nach Lanusei

Tatsächlich erreicht man das Örtchen erstaunlich schnell, dafür dass es mitten in den Bergen liegt. Wer an der mittleren Ostküste Sardiniens urlaubt, ist grundsätzlich fix da: Santa Maria Navarrese, Tortoli, Arbatax, Barisardo – alles einen Steinwurf entfernt. Von oben, versteht sich. Von unten schrauben sich diverse Serpentinen hinauf, aber auch die sind in ca. 20 bis 30 Minuten geschafft. Das ist auf Sardinien nichts!

Auch von weiter entfernt dauert es nicht lang. Zwar liegt Lanusei von Olbia 164 und von Cagliari 137 Kilometer entfernt und das klingt erstmal weit. In Wirklichkeit fährst du die meiste Zeit auf der Schnellstraße und in rund anderthalb, zwei Stunden ist das Ziel erreicht.

Highlight Lanusei: von Null auf 600 Meter

Lanusei - ideal für einen Urlaub zwischen Berg und Meer!
Lanusei – ideal für einen Urlaub zwischen Berg und Meer!

Lanusei sollten Urlauber in der Region definitiv nicht verpassen. Von oben über die hügelig-bergige Landschaft bis zum Meer zu schauen, löst bereits Glücksgefühle aus. Vielen reicht das ja.

Um das richtig zu zelebrieren, gibt es an manchen Tagen gibt es noch eine ganz besondere Art, sich Lanusei zu nähern: mit dem berühmten trenino verde. Die Zugstrecke von Arbatax via Lanusei und Gairo hinauf an die Flanke des Gennargentu gehört zu einer der schönsten der Insel (wenn nicht ganz Italiens).

Mit dem Zug in Lanusei
Mit dem Zug nach Lanusei

Der Zug fährt nicht immer und der Fahrplan ist eher unregelmäßig. Eine erste Orientierung und Eindrücke gibt es auf www.treninoverde.com – vor Ort aber immer nochmal aktuell über Sonderfahrten etc. informieren. Die örtlichen Touristeninformationen helfen gern weiter. Achtet auch auf Aushänge in Bars oder Ankündigungen im Internet, z. B. auf facebook. Impressionen von einer solchen Fahrt gibt es in diesem Artikel auf pecora-nera.

Trenino in der Bar Sa Caffetera in Lanusei
Trenino in der Bar Sa Caffetera in Lanusei

Ich beschließe, gleich ein paar Tage hier oben zu verweilen, den Ort und die Gegend zu erkunden, mit den Menschen in Kontakt zu kommen, gut zu essen und die Stille der Berge zu genießen, während unten an den Küsten der Ferientrubel in vollem Gang ist. Ein Festival für nachhaltigen Tourismus in der Region gibt den willkommenen Anlass.

Bleiben wir zunächst im Ort selbst.

Lanusei und seine Murales

Ich bin ein Fan dieser Kunstform: Großflächige Gemälde an Wänden lösen in mir fast immer Bewunderung und Begeisterung aus. Street Art verwechseln viele ja mit stumpfen, gesprühten Schriftzügen. Das ist es hier nicht. Auf Sardinien sind Murales die Initialform der hiesigen Streetart und gehören fest zur Inselkultur (siehe diesen Artikel „Insel der Murales“ auf pecora-nera).

In Lanusei finden sich mehrstöckige Kunstwerke wie z. B. die von Tellas und Crisa, zwei bekannten Künstlern, die zu Beginn hauptsächlich in Cagliari aktiv waren und noch sind, aber auch auf dem europäischen Kontinent arbeiten.

Nehmen wir das Werk von Tellas, der zuvor befindet sich an den Wänden zweier stehender Häuser in einer Kurve, zwischen denen das Eckhaus fehlt.

Wandkunst / murales / streetart vom Künstler Tellas in der Hauptstraße, die direkt durch das Zentrum von Lanusei führt
Wandkunst / murales / streetart vom Künstler Tellas in der Hauptstraße, die direkt durch das Zentrum von Lanusei führt

Der Künstler hat die Eigenart, die Oberfläche und die Besonderheiten des Gebäudes wo möglich unverändert zu lassen. Der für die Kunst verbleibende Raum wird mit seinen immer wiederkehrenden Formen bearbeitet. Dieses Gebäude ist ein Paradebeispiel dafür, denn es lässt einen riesigen Kreis in der Mitte, der sich aus der Struktur der Oberfläche ergeben hat. Drumherum wachsen natürliche Motive, die mit ausgeprägten Farbverläufen eine Verbindung zwischen Erde und Himmel schaffen. Natürliche und abstrakte Elemente werden verflochten. Fertig ist ein Bild, das definitiv zur Verschönerung des Ortes beiträgt.

Das ist noch nicht alles: Um die 30 kleinere und größere Murales, einige neu, andere schon ein paar Jahre am Verwittern, finden sich in Lanusei.

Wenn du dir die Mühe machen möchtest, alle Kunstwerke in Lanusei anzuschauen, hilft dir diese Karte des Künstlerkollektivs Continente Creativo (dort finden sich auch Übersichten anderer Orte auf Sardinien).

Mein zweites Highlight in Lanusei liegt oberhalb des Dorfes.

Archäologie und Natur in Lanusei: Parco Bosco Seleni

In dem Waldgebiet, nur wenige Kilometer und Serpentinenkurven oberhalb von Lanusei gelegen, befindet sich der Parco Archeologico e Naturalistico del Bosco Seleni. Einmal die richtige Ausfahrt östlich aus dem Dorf heraus gefunden, bist du in rund zehn Minuten da und in einem kleinen Paradies.

Mehrere Trekkingpfade führen von und nach Seleni, zum Beispiel der Fußweg von Lanusei. Ein langer Trek führt sogar bis hoch auf den höchsten Berg der Insel, die Punta Lamarmora (wegen fehlender Markierungen auf der weiteren Strecke aber grundsätzlich mit Guide empfohlen).

Während das heutige Lanusei um 1100 das erste Mal erwähnt wurde, reichen die Wurzeln der ursprünglichen Bevölkerung bis in die Jungsteinzeit, das Neolithikum zurück. Im Archäologischen Park von Seleni gefundene Pfeilspitzen aus Obsidian wurden hier gefunden und man weiß daher, dass bereits die ersten Siedler Jäger in den hiesigen Wäldern aus Steineichen und Kastanien waren.

Aus der mittleren Bronzezeit stammt der Nuraghe, von dem nur noch der Sockel übrig ist. Aber er war umgeben von Dorf (Reste sind erkennbar), das bis an das Ende der Bronzezeit besiedelt war. Und: Er steht mitten im Wald, direkt an einem riesigen Monolithen. Ein ganz besonderer Ort.

Gigantengrab im Bosco Seleni bei Lanusei
Gigantengrab im Bosco Seleni bei Lanusei

Zwei Gigantengräber / tombe dei giganti sind die Hauptattraktionen des archäologischen Parks. Sie liegen nah beieinander und haben jedes eine über 10 Meter lange Grabkammer. Eines der Gräber hat eine an die Exedra (das ist das Halbrund vor dem Grab aus aufrecht stehenden Steinen) gelehnte Sitzbank, was darauf hindeutet, dass das Grab aktiv genutzt wurde. Sprich: Hier wurden kultige, feierliche und / oder gesellige Handlungen zu Begräbnissen und zum Gedenken an die Ahnen durchgeführt.

An Grab II ist die Besonderheit ein in der Nähe der Exedra gefundener, behauener Quader, der vermutlich über dem Eingang befand. Er weist drei Vertiefungen auf, in die kleine längliche Steine, vielleicht aber auch symbolische Figuren, gestellt werden konnten. Auch diese beiden Gräber werden in die Bronzezeit datiert.

Ich bin zu einer nächtlichen Wanderung dort. Das Rauschen der Bäume, die tiefschwarze Nacht, die eindringliche Kälte und die uralte Präsenz Gräber lassen eine etwas morbide Stimmung aufkommen. Zwar ist es Ende September und damit überall noch fast Sommer, aber hier oben kündigt sich zumindest nachts definitiv schon der Winter an.

Ich komme gern im Herbst hierher, um in den Wäldern, die langsam mit Gold- und Kupfertönen überzogen werden, spazieren zu gehen. Zwar braucht man dann oft schon eine Jacke, während unten an den Küsten noch gebadet wird. Aber ich bin gern einfach in der Natur mit ihren eindrücklichen Felsformationen, der Stille und der schlichten Erhabenheit dieses Ortes.

Spannend auch ein Spaziergang oder eine Wanderung im Bosco Seleni von Lanusei
Spannend auch ein Spaziergang oder eine Wanderung im Bosco Seleni von Lanusei

Lanusei: das ganz normale, schöne Leben

Einmal also durch Lanusei hindurch und in das Herz der Bergstadt hinein gewuselt ist hier alles in bester Ordnung. Meine Tage zwischen Meer und Berg vergehen wie im Flug – ich bin ständig unterwegs und könnte problemlos noch ein wenig länger bleiben.

Die Mühe, sich auch mit kleinen Orten und den Menschen, die in ihnen leben, anzufreunden, lohnt auf Sardinien immer. Und am Ende meiner paar Tage in Lanusei kann ich auch die Unzulänglichkeiten genau als das nehmen, was sie sind:

Das ganz normale, schöne Leben 😊

Und am Ende gibt es natürlich eine wollig-warme Empfehlung des schwarzen Schafs für einen Urlaub in Lanusei und Umgebung.

Habt viel Spaß dort!

Interessant außerdem in der Region:

Unterkünfte und Restaurants in Lanusei

Landestypische Küche im Hotel Ristorante Bosco Selene (das Buch auf dem Bild ist übrigens mein Reiseführer fürs ganze Jahr: Natürlich Sardinien)

Ich war im B&B Monti e Mare * und wirklich happy. Mein Gastgeber war ein unfassbar netter Mensch, mit dem ich mich sofort gut verstanden habe. Mein Zimmer war riesig, ich habe supergut geschlafen und mich wohlgefühlt. Danke, Roberto! Links: Booking* // facebook

Gut gegessen habe ich im Restaurant am Eingang zum Bosco Selene, das zum ebenfalls empfehlenswerten Hotel Bosco Selene* gehört und landestypische Küche bietet, alles mit regionalen Zutaten hausgemacht. Ganzjährig geöffnet und idealer Ausgangspunkt für einen kleinen Trekkingurlaub in der Region (z. B. auch rund um Osini, Ussassai und Gairo). // Webseite

» Weitere Unterkünfte in Lanusei auf booking.com

Die Bar Sa Caffetera an der Stazione in Lanusei bietet auf der Durchreise Getränke und Snacks im Ambiente der Alten Bahnstation. Sehr nette Leute, mit denen wir schnell warm wurden! Demnächst wird die Station hoffentlich auch wieder regelmäßiger vom trenino verde angefahren.

PS. – Die Restaurantdichte in Lanusei ist nicht besonders hoch, aber grundsätzlich kann man überall gut essen. Wenn ihr tatsächlich nichts findet, könnte es auch daran liegen, dass ihr zur „falschen“ Zeit hier seid 😉 Ich hatte letztens ein Gespräch dazu und es stellte sich heraus, dass diejenige gegen 15 Uhr nachmittags nach einem Platz für ein handfestes Essen für ihre Familie suchte (was in dörflichen Gefilden generell schwierig sein dürfte, nicht nur in Lanusei). Ich empfehle an dieser Stelle wärmstens meinen Artikel zur „Sardinian Culture Time“, um sich zeitlich ein wenig den Landessitten anzunähern.

(*) Dies ist ein Affiliate Link, mit dem das schwarze Schaf eine kleine Vermittlungsprovision erhält. Ihr könnt aber auch sehr gern direkt bei den Gastgebern buchen.

1 Comment

  1. Lattmann Jeannette

    23. Oktober 2022 at 17:09

    Sehr interessant. Ich kenne Lanusei seit vielen, vielen Jahren und besuche das Städtchen wenn immer möglich👍😄

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