Die roten Felsen von Arbatax … eine Faszination liegt in ihrem Namen. Für mich als Urlauberin sowieso. Aber auch für jedes Kind in Arbatax. Auch Giannino und Luca stehen auf den „rocce rosse“ und wollen, einer alten Tradition in Arbatax folgend, einen Sprung in das kristallklare Wasser wagen. Das hat hier jeder Junge schon getan. Und auch das ein oder andere Mädchen, das geben die beiden Halbstarken aber nur ungern zu.

Der alte Mann, neben dem ich sitze, und dessen Enkel da gerade auf den Felsen stehen, sagt, er könne seine „tuffi“, die Sprünge, nicht mehr zählen. „Sono bravi. Uno un po‘ di più“. Sie sind mutig. Einer ein bisschen mehr.

Aber die Felsen seien ja klein. „Die, die wirklich keine Angst haben, gehen zu dem höheren Felsen da hinten“, sagt er, ohne einen Zweifel daran zu lassen, dass er einer von denen war.

Springe ich? Habe ich Angst? Und wenn ja, zeige ich meine Angst? Das Wasser ist klar, ich kann alles sehen. Kann ich wirklich alles sehen? Vor mir sind viele gesprungen. Kann ich es?

Der eine, Giannino, ist schon oft gesprungen, das sieht man ihm an. Luca hat noch Vorbehalte – es scheint sein erster „tuffo“ zu sein. Obwohl er hinterher, als wir ihn fragen, natürlich etwas anderes behauptet. Er sucht lang nach einer geeigneten Stelle und klettert erst auf halbe Höhe. Und ja, irgendwann springt auch er.

Schafe springen nicht. Erst recht nicht ins Wasser. Sie schauen nur neugierig.

Ich muss zugeben, dass ich beim ersten Mal von Arbatax nicht ganz so angetan war. Viel mehr als ein Fährhafen mit einem schönen Felsen und ein paar Ferienresorts schien hier nicht zu sein. Die Erinnerung an Autoverkehr in wenigen, engen Straßen, eher „normale“ Häuser und am Ortsausgang ein paar Industriekräne. Nicht besonders reizvoll. Oder doch?

Ich fand, jeder hat eine zweite Chance verdient, und kehrte zurück.

Arbatax: ein klarer Fall für die Liebe auf den zweiten Blick

Arbatax liegt an der Ostküste quasi auf dem Weg von einem Ausflug im Süden an der SS 125, der Landstraße Richtung Norden (oder umgekehrt) und ist eben berühmt für die roten Felsen, die „rocce rosse“. Sie ziehen soviel Aufmerksamkeit auf sich, dass alles andere fast unsichtbar bleibt.

Arbatassa heißt der kleine Ort in sardischer Sprache. Das soll aus dem Arabischen kommen und „arba‘at ‘ashar“ bzw. „arba‘ṭash“ heißen, was übersetzt wiederum „vierzehn“ heißt und auf einen „vierzehnten Turm“ an der sardischen Ostküste hinweisen soll.

Dummerweise waren die Araber nie in Arbatax, beziehungsweise nur vor den Küsten, und das ist schon irre lang her. Jedenfalls gibt es keine arabischen Siedlungszeugnisse oder gar architektonische oder historische Einflüsse. Einen Turm sehe ich in Hafennähe, der ist heute ein Souvenirladen (wurde aber erst später von den Spaniern erbaut). Der Leuchtturm oben auf dem Capo Bellavista kann auch nicht gemeint sein – der ist noch jünger und Militärgebiet. Bald ist es dem schwarzen Schaf auch egal, denn keiner, den es fragt, hat eine bessere Erklärung.

Im Süden Blick auf den Supramonte marino
Im Süden Blick auf den Supramonte marino

Schön ist der Name trotzdem. Wie eigentlich auch das Dörfchen. Der Weißwein in der Bar in der Mittagssonne, der Spaziergang um die roten Felsen, die Berge der Ogliastra, die sich wagemutig ins Meer herabfallen lassen… doch, es ist schön hier.

Ich bleibe ein Weilchen in diesem Ort, der in der Geschichte nicht allzu viel Glück gehabt hat. Erst war Arbatax ein unbedeutendes Fischerdorf, im Schatten von Tortoli. Später ein Hafen und im zweiten Weltkrieg darum von sage und schreibe 18 Bombern angegriffen und zerstört. Und natürlich sieht man das auch.

Eine der Sehenswürdigkeiten des Ortes stammt auch aus der Kriegszeit, ist aber nicht direkt zu sehen: Ein zweimotoriges, amerikanisches Flugzeug, abgeschossen von den Deutschen, liegt südlich von Arbatax an der Küste in 15 Metern Tiefe, auf dem Weg zum Torre di Bari (Film auf Youtube).

Ja, am Ortseingang waren Industriekräne zu sehen, aber diesmal, in positiver Stimmung hat das irgendwie hat das Charme.

Als ich zum ersten Mal da war, hatte ich auch in Sachen Unterkunft keinen Plan. Vor dem roten Felsen war aber ein riesiger Parkplatz, auf dem ich mitten im Sommer nach einem ausgedehnten Abendessen und einem kleinen Live-Konzert mit zu viel Wein im Auto einschlief und erst morgens um fünf wieder aufwachte. Hat keinen gestört. Und ich war gleich da, als die beiden Jungs vom Felsen springen wollten.

In der Bucht dahinter, Cala Moresca ist in den Fels ein Relax-Bereich mit Restaurant und Bar gehauen, ein Boot liegt davor und die Crew fährt gerade mit dem Schlauchboot zum Anleger. Vom roten Felsen aus gelangt man aber nicht dorthin: Der Weg ist abgesperrt.

Ich bin skeptisch, was künstlich geschaffene Orte betrifft. Und diese Ecke von Arbatax gehört zu einem riesigen Resort (genauer: das Restaurant La Vela gehört zum Villaggio Cala Moresca des Arbatax Park Resort). Was Individualurlaub betrifft, habe ich eigentlich andere Vorstellungen. Aber das Teilchen da im Fels scheint schon echt nett gemacht und ich mag es an einem lauschigen Sommerabend in der Zukunft ausprobieren. Tatsächlich sind wir ein Jahr später mit Freunden, die dort mit ihren Kids dort Ferien machen (die brauchen Programm, darum Resort) auf einen Cocktail dort. Und ich muss zugeben: Wirklich nicht schlecht und ich bestelle einen sardischen Weißwein der Cantina Su Entu – die Weinauswahl auf der Karte ist nämlich richtig gut. Ich schau mir später auch die Zimmer an – landestypisch, die Anlage soll einem sardischen Dorf nachempfunden sein (wenn man die echten sardischen Dörfer kennt, ist das ein bisschen weit hergeholt, aber es ist nett gemacht und für den Urlauber ein Anfang). Und schlicht traumhaft gelegen, da beißt die Maus keinen Faden ab. Wer es noch ein bisschen schicker mag – ich hab mal einige Kunden in dem Privatpark Monte Turri untergebracht.

Das schwarze Schaf hat nur eine Bitte, auch an die mit Kids: Vergesst bitte nicht, aus dem Resort heraus zu gehen – erst dann lernt ihr Sardiniens Vielfalt und ganz natürliche Schönheit wirklich kennen!

Darum auch noch eine ganz private Empfehlung, denn in Arbatax gibt es natürlich auch Einheimische, die euch gern beherbergen. Ein guter Freund vermietet die Ferienwohnung „Tziu Francisca“. Eine wirkliche Alternative – wunderbar für eine Familie und zur Erkundung der Region.

Denn gerade hier in der Umgebung gibt es irre viel zu sehen, du bist auch in Nullkommanichts im Hinterland und im noch „echteren“ Sardinien. Die Ogliastra ist traumhaft schön!

Mit dem Zug ins Hinterland

Gleich in der Nähe der Mole, an der auch die Fähren vom Festland anlegen, ist der Ausgangspunkt des Trenino Verde, der von hier aus an den Wochenenden auf festgelegten Routen verkehrt.

Die nostalgische Fahrt hinauf auf 800 Meter (wir sind vor ein paar Jahren bis nach Seui gefahren) lohnt sich in jedem Fall!

Mit den Fischern singen

Fischerkultur in Tortoli und Arbatax
Fischerkultur in Tortoli und Arbatax

Am Porto Turistico spazieren wir durch einen wunderbaren kleinen Fischerhafen, und blicken uns um: Auf der einen Seite wird er von einer modernen Schiffswerft eingerahmt. Industriecharme, das gehört hier einfach dazu. Dort liegt auch die Buena Chica – ein Schiff, das für Hitler gebaut worden sein soll, auf das er aber (wie auf Sardinien) nie einen Fuß gesetzt habe.

Als Seglerin zieht es mich in den Yachthafen. Sehr gut organisiert, schönes Hafengebäude in Blauweiß, ein gutes Restaurant / Pizzeria mit Blick über die Boote, Toiletten und Duschen sauber, der Hafen ordentlich und eine Werft genau in der Nachbarschaft. Ideal zum Überwintern. (Mehr Tipps für Segler auf www.segelrevier-sardinien.de).

Hast du kein eigenes Boot, magst aber auf einem wohnen? Dann gefällt dir vielleicht statt eines Hotels die sympathische Blue III Yacht, ein ausgebautes Fischerboot. Etwas schicker sind die Yacht San Lorenzo oder die Lucrezia, eine schicke Motoryacht, die auch dauerhaft im Hafen von Arbatax liegen und Gäste beherbergen.

Die Piers mit den Fischerbooten hingegen scheinen dem Italienklischee der Sechziger entsprungen zu sein. Fehlt nur noch Dean Martin, der „Volare“ singt.

„Perchè mi guardi“ heißt eines der Fischerboote, „Warum siehst Du mich an?“. Ja warum? Weil Du irgendwie schön bist?! Die Szenerie mit Blick Richtung Meer und Dorf erinnert ein bisschen an Marokko und schürt das Fernweh.

Im Fischerhafen von Arbatax
Im Fischerhafen von Arbatax

Auf einmal kann ich mir vorstellen, wie die Männer der Fischerfamilien aus Tortolì hier lebten.

Wie sie des Nachts die fünf Kilometer nach Arbatax gingen, mit ihren Booten auf das Meer fuhren und schließlich mit ihrem Fang wieder zurück kamen. In der Winterzeit hielt der nahegelegene See, Stagno di Tortoli Beute für sie bereit. Der übrigens auch sehr hübsch ist, besonders im Morgenlicht, wenn die Sonne über ihm aufgeht.

1944 gründeten dreizehn Fischer ihre eigene Kooperative, die Cooperativa Pescatori Tortolì Arbatax. Nimm dir die Zeit, bei ihnen im „Ittiturismo“ im Ort oder noch besser direkt am See essen zu gehen. Die Anfahrt durchs Industriegebiet ist etwas herausfordernd, aber es lohnt sich.

Mit der Hafenanlage wurde schnell die Siedlung etabliert. Dort, wo es lange Zeit nur ein paar Fischerhäuser gegeben hat, wohnen heute etwa 2.000 Menschen.

Die Fischer sind übrigens stolz darauf, echt sardischen Rogen der Muggine (Bottarga, auch aus dem Arabischen „batarikh„) zu produzieren. Der meiste Bottarga, der in Sardinien verkauft wird, sei gar nicht sardischen Ursprungs, sondern aus dem Atlantik, sagen sie. Neben dem aus Tortoli sei nur noch der aus Cabras echt sardisch. Klar, das Original, an der Westküste.

Ich lege mich noch ein bisschen zwischen die roten Felsen, bevor es weiter geht. Und bin froh, dem Ort noch einmal begegnet zu sein. Und es war nicht das Letzte mal.

Redaktionelle Anmerkung: Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht 2011, nach meinem zweiten Besuch 2015 überarbeitet und 2021, in der Zwischenzeit nach zwei weiteren Besuchen, noch einmal.

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