Auf dem Gipfel des Berges Monte Cudias in der Nähe von Villaputzu erbaut, war das Castello di Quirra eine der wichtigsten Burgen Sardiniens. Heute sind nur noch Ruinen übrig.

Von der ausgebauten Strada Statale 125 sieht man die Burgruine oben auf der Anhöhe sitzen. Sie wurde im 13. Jahrhundert erbaut – mitten in der Richterzeit Sardiniens und gehörte zum Judikat Cagliari.

Zur Geschichte gleich noch wenig mehr. Erstmal die Frage: Ist die Burg eine Sehenswürdigkeit? Ist es ein Wander- oder ein Trekkingziel? Lohnt es sich oder eher nicht?

Die Ruine des Castello di Quirra – mit Blick auf die weite grüne Landschaft und die Schnellstraße
Die Ruine des Castello di Quirra – mit Blick auf die weite grüne Landschaft und die Schnellstraße

Die Frage ist berechtigt, denn die Anreise ist tendenziell lang (auch wenn es gar nicht so wirkt). Selbst der bei vielen beliebte Touristenort Costa Rei mit dem gleichnamigen Strand ist mehr als 40 Kilometer entfernt. Die nächsten Städte: Cagliari 90, Nuoro 125 und Olbia gar 220 Kilometer.

Kurze Spoiler-Zusammenfassung: Eine Burg (Castello) ist sie nicht mehr, nur Teile der Grundmauern sind erhalten. Leider sind wir Deutschen, Österreicher und Schweizer da zu verwöhnt und erwarten oft zuviel. Aber die Ruine ist trotzdem ein interessantes und wirklich nettes Ausflugsziel 🙂

Meine erste Empfehlung ist daher (wie so oft): Bleib ein, zwei Tage in der Region. Gerade weil die Anfahrt lang ist und man sowohl auf der Strecke bei der Anreise als auch in der Region für Naturfreunde noch mehr entdecken kann. Und: Wer entspannen und wenig Touris sehen will, ist hier ohnehin bestens aufgehoben.

Castello di Quirra – nur die Grundmauern stehen noch

Mein Übernachtungs-Tipp ist ein Domizil in Muravera das Domu Elvira, wo ich mich sehr wohlgefühlt habe oder in Villaputzu (z. B. das B&B La Pavoncella). **

So bist du erstens in einem echten, gewachsenen Ort und hast damit zweitens auch echt sardische und landestypische Restaurants (und eben nicht nur Touristenkram) im Zugriff. Außerdem bist du über die SS 125 gut angebunden und kannst sternförmig zu anderen ausfliegen (z. B. nach Lanusei und in den Gennargentu).

Nun aber rauf zum Castello!

Der Aufstieg zum Castello di Quirra: prima im Sommer

Es ist Juni. Eigentlich noch ein guter Trekkingmonat. Aber in diesem Jahr (2022) ist es unfassbar heiß, seit Februar hat es nicht geregnet, seit Mai ist es täglich deutlich über 30 Grad und heute, schon um neun Uhr morgens klettert das Thermometer in Rekordschnelle ebenfalls in Richtung dieser Marke.

Ich öle schon und trotzdem habe ich Lust, mich zu bewegen. Und da kommt mir das Castello di Quirra ganz gut gelegen. Ich war die Nächte zuvor in Gergei und fahre nun die etwa anderthalb Stunden dauernde, aber landschaftlich wunderschöne Strecke hinunter zur Küste.

Heute mache ich darum wirklich nur eine kleine Wanderung. Ich fahre mit dem Auto über eine Schotterstraße so nah wie möglich heran und starte direkt unterhalb des Castello – zwei kleine Parkbuchten haben Platz für etwa 4-5 Autos. Dann das Sonnenkäppi aufgesetzt und los.

Das „Trekking“ zu nennen, fiele mir schwer.

Meerblick – an weniger
Schöner Weitblick vom Castello di Quirra in Richtung Norden

Grundsätzlich ist die Quirra kein ausgesprochenes Wandergebiet. Wir sind nämlich von militärischem Sperrgebiet umgeben, das ausgedehnte Wanderungen unmöglich macht (bitte unbedingt respektieren, gelegentlich finden auch Übungen statt). Der Rest ist landwirtschaftliches Gebiet – und damit sind hier auch keine Pfade angelegt.

Eine Möglichkeit wäre aber ein Start ganz unten auf Meereshöhe am Spiaggia di Murtas Padru (Position auf Google Maps). So kämen ca. vier Kilometer und etwas mehr als 300 Höhenmeter oneway zusammen. Allerdings geht es anfangs eher durch langweilige Feldlandschaft. Im Anschluss könnte man sich aber mit einem Bad im Meer belohnen. Insofern ist das nicht die schlechteste Idee.

Aber auch dafür ist es mir heute zu heiß. Es ist 10:30 Uhr und ich öle schon beim Aussteigen aus dem Auto. Keine einzige Wolke. Die Sonne brennt.

Tatsächlich machen diese Randbedingungen das Castello di Quirra aber zu einem prima Ausflugsziel für Aktivurlauber, die im Sommer anreisen.

Denn jetzt sind kurze und weniger anstrengende Treks gefragt. Der Körper hat eh schon viel damit zu tun, Sonne und Hitze zu verarbeiten und sich gleichzeitig auch noch angestrengt zu bewegen, ist höchstens für Geübte ratsam. Diese Belastung unterschätzen sehr viele.

(Schwarzschaf-Tipp: Wer es trotzdem nicht lassen kann: Sucht euch schattige Touren oder lauft antizyklisch. Hier geht es zu meinen Tipps für das Trekking im Sommer.)

Ich fahre den Schildern nach, die Schotterstraße ein Stück bergauf und parke dann am braunen Wander-Wegweiser zum Castello di Quirra (Position auf Google Maps).

Der Pfad führt erst über einen breiten, ausgewaschenen Schotterweg und dann – welch Wohltat! – durch die baumbewachsene Hangseite aus Steineichen und alten Olivenbäumen, die Schatten spenden. Hier und da auch ein kleiner Rastplatz. So ist der Aufstieg (der ja wirklich nicht hoch ist) sehr entspannt.

Eine Wohltat: Pause im Schatten auf den Felsen

Oben dann die Burg, von der wirklich nicht mehr viel übrig ist. Das ist nur so mittel schlimm – denn sie hat einen …

360-Grad-Blick vom Feinsten

Das Beste am Castello di Quirra sei der Rundumblick, sagt man. Das ist wahr und bei Burgen ja so üblich. Sie wurden auf Anhöhen und Berggipfel gebaut, um das Land und möglicherweise anrückende Feinde – auch über das Meer – zu entdecken.

Von hier oben blicke ich über die weite Südostküste. Es ist etwas diesig, daher strahlt das Meer nicht so türkis. Und doch ist es wunderschön. Ich bin die einzige hier oben, und vom Tourismus (der Ende Juni schon sehr präsent ist) spüre ich hier oben Nullkommanix.

In die andere Richtung schaue ich über das tiefgrüne Land und die niedrig bewaldete Region in Richtung Perdasdefogu und über das gold-grüne Hinterland am Salto di Quirra, einer bergigen Verwerfung, die ob der dortigen Militärexperimente wohl zu recht ein bisschen in Verruf geraten ist (dazu vielleicht irgendwann an anderer Stelle mehr).

Geschichte des Castello di Quirra

Castello di Quirra im Sommer

Seit Mitte des 13. Jahrhunderts, ihrer Bauzeit, hat die Burg einiges durchgemacht und so ist kaum verwunderlich, dass sie nicht mehr intakt ist.

Die Richter von Cagliari erbauten sie, doch Ende des Jahrhunderts übernahm das Judikat Gallura die Herrschaft – was nur sardisch klingt, denn dessen Richter waren eigentlich aus einer pisanischen Dynastie.

Die Burg wurde dann aber nach Einfall der Spanier bzw. Katalanen 1324 an das Haus Aragon übergeben. 1363 wurde der Katalane Berenguer Carròs i Llòria Graf von Quirra und damit Besitzer der Burg.

Und dann begann über ein, zwei Jahrhunderte eine Reihe von Legenden, die erzählt wurden. Sie hatten mit Burgherren, Burgdamen, Liebhabern und Liebhaberinnen zu tun – und sind reichlich undurchsichtig.

Relativ sicher überliefert ist, dass eine der noblen Damen aus dem Fenster der Burg stürzte. Wie ich da so am Rand des Abgrunds stehe, denke ich: Hier könnte es gewesen sein.

Aber wer? Nun, es könnte Donna Eleonora Manriquez sein. Man sagt, Graf Berenguer hätte sich in sie verliebt, und seine Frau Beatrice von Arborea wäre eifersüchtig geworden. Arborea war das seinerzeit mächtigste Judikat Sardiniens, zu dem auch die sardische Volksheldin Eleonora d’Arborea gehörte – und man hatte einiges zu verlieren. Entsprechend hätte Beatrice die Widersacherin des Verrats beschuldigt und (ohne Prozess versteht sich) töten lassen.

Außerdem erzählt man von einer Donna Violanta, die zu gierig und intrigant war, und gar einen goldenen Webstuhl verlangte … und die von ihrem geizigen Gatten beseitigt wurde.

Was wahr ist, lässt sich rund 7-800 Jahre später kaum sagen. Ich sitze unter den Olivenbäumen auf dem Trek bergab, schaue aufs Meer und freue mich über diesen kleinen Aufstieg zum Castello di Quirra.

Vielleicht nicht das Top-Ziel auf Sardinien, aber genau deshalb bin ich hier. Abseits der Hotspots fühle ich mich immer am wohlsten.

Tourbeschreibung Castello di Quirra

Die Tour habe ich im Auftrag vom kompass Verlag unternommen – sie ist beschrieben in dem kürzlich erschienenen kompass-Wanderführer „Dein Augenblick – 30 Wandertouren, die dich ins Staunen versetzen“ (Tour 27), zu dem ich einige Fotos beisteuern durfte.

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2 Comments

  1. Hans

    2. Mai 2023 at 08:46

    Nur jetzt im Mai ist das, wegen der Manöver, vielleicht nicht das richtige Ausflugsziel…

    https://www.lanuovasardegna.it/regione/2023/04/28/news/il-ministro-crosetto-segue-l-esercitazione-mare-aperto-a-bordo-della-portaerei-cavour-1.100293035

    Von der sonstigen Quirra-Problematik abgesehen.

    Vor 20 Jahren waren wir selbst nichtsahnend 3 Tage am wilden Strand. Erst später lasen wir vom Munitions-Übungsplatz und sahen die Bilder der Raketenwerfer am Strand …

    https://taz.de/picture/224245/300/quirra_archiv.jpg

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    • pecora nera

      2. Mai 2023 at 09:04

      Merci für die aktuelle Ergänzung. Mit Militärübungen muss man dort immer rechnen – und schön ist das nie. Aber in der Quirra leben auch Menschen, tagein, tagsaus und das Castello liegt abseits. Da ist völlig ausreichend, die militärischen Sperrgebiete zu respektieren – was man ja auch anderswo tun würde. In Rammstein wandert man auch nicht übers Flugfeld. 😉
      Üblicherweise bekommt der Ottonormaltourist wenig von dem Geschehen mit. Die wahre „Quirra-Problematik“ ist eine andere und eher im Übungsgebiet bei Perdasdefogu angesiedelt, das kein Tourist betritt. Das hier in den Kommentaren auszubreiten, führt zu weit …
      Für mich ist das Castello di Quirra trotzdem ein schöner Platz und die diesjährigen Militärübungen sind am 26. Mai 2023 vorbei.
      Beste Grüße!

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