Der Museumspark S’Abba Frisca ist etwas für die Ohren. Gleich zu Beginn empfängt uns das leichte Plätschern der Wasserquellen, die in kleinen Wasserfällen sanft die Felsen herabströmen und uns den Namen des Museums erklären: abba ist sardisch für Wasser und frisca könnte man mit quellfrisch übersetzen.
Ein Ort mit eingebauter Wohlfühl-Atmosphäre.
Der Museumspark S’Abba Frisca (Infos zu Führungen und Öffnungszeiten in deutscher Sprache auf www.sabbafrisca.com/de) liegt in einem wundervollen Tal namens „Valle di Littu“ zwischen Dorgali und Cala Gonone, in aller Idylle, die die ersten Berge des Supramonte di Dorgali zu bieten haben.
Ununterbrochen und seit über 200 Jahren lebt und arbeitet hier die Familie Secci hier. Und haben den landwirtschaftlichen Betrieb um ein kleines, privates Freilichtmuseum erweitert.
Also dann: Bitte hereinspaziert!
Dieses Museum scheint speziell für die Ohren gemacht. Das Wasserplätschern, das sich der urlaubende Stadtmensch zur Meditation mittels App künstlich schaffen muss, ist hier ganz natürlich vorhanden und wenn man genau hinhört, immer präsent.
Der Ententeich gleich hinter dem Eingang wird von mehreren Quellen gespeist. Hohe Bäume spenden Schatten. Speziell im Sommer ist es an diesem Ort tatsächlich viel frischer als anderswo.
Jede Jahreszeit hat hier ihren Reiz. Ich war auch einmal im Spätherbst da, dann liegt eine herrliche Stille über dem Park. Heute ist Ostermontag – natürlich mit vielen Gästen und Kindern ein wuseliges Stimmgewirr, das aber auch seinen Platz hat.
Im Frühling ist es wunderbar farbenfroh. Die Sonne lässt die Pflanzen leuchten und schenkt Wärme. Irgendwo weiter entfernt ruft ein Esel.
Diese besondere Lage schätzt die Familie schon seit mehreren Generationen. Das erste große Haus ist das Wohnhaus der Familie, die hier zusammen lebt.
Von hier aus wird auch die azienda agricola, der landwirtschaftliche Betrieb geführt. Das geschieht für Museumsbesucher eher unbemerkt, aber als Feriengast des Hauses kann man tatsächlich auch mithelfen und darf ab und zu was zur Selbstversorgung in den Ferienhäusern ernten (mehr Infos siehe weiter unten).
Ein Fotograf des National Geographic lichtete bereits die Vorfahren ab – das Bild hängt unscheinbar in einem anderen Haus des Parks das die Traditionen und Lebensart der Dorgalesen zeigt.
Die zeitgenössisch wertvolle Aufnahme entstand 1916, als das S’Abba Frisca noch eine rein landwirtschaftliche Azienda war. Im Gesicht des Herrn hat sich die ganze Lebensmühsal der damaligen Zeit eingefurcht und spiegelt eine müde Zufriedenheit.
Die Zeiten ändern sich und sind heute andere. Und doch hat gerade dieser Ort sich zwar gewandelt, aber viel aus dem Damals bewahrt.
Und es ist wirklich „echt sardisch“: sich dem Neuen immer mit Wertschätzung vor dem Alten zu öffnen und nichts Wichtiges und Wertvolles vergessen. Das ist das, was ich unter authentisch verstehe.
Ein besonderes Beispiel dafür ist eine wunderschöne, authentische Hirtenhütte aus dem 19. Jahrhundert.
In dieser Region werden sie Cuile genannt. Gebaut wurden sie aus einer Basis der lokalen Basaltsteine und das zeltähnliche Dach mit Stämmen und Ästen aus Wacholder gedeckt.
Daneben ein traditioneller Ziegen- oder Schafstall in ähnlicher Bauweise, der ovile. Ebenfalls aus Wacholder und mit Ziege, versteht sich.
Einen Cuile in freier Natur gibt es übrigens gleich in der Nähe. Ich mache mich nach dem Besuch des Museums auf zu einem kleinen Trek auf den Monte Ruju, der das Tal zur Meerseite begrenzt und sehe mir dort eine Hirtenhütte in freier Natur an.
Diese Hütten waren sehr verbreitet und viele sind auch heute noch gut erhalten. Teilweise werden sie von Hirten, aber vielmehr zu Freizeitzwecken für ein Picknick auf der Wanderung genutzt.
Sie liegen aber oft weit abseits im Landesinneren. Der Cuile Monte Ruju ist hingegen relativ schnell zu erreichen – ab dem Passo Irighiai nur etwa eine halbe Stunde. Doch die Wanderung ist kurz und knackig, es geht einige Köhlertreppen und einen wenig befestigten Weg steil hinauf.
Wer es also weniger anstrengender bevorzugt, vielleicht weil nicht so gut zu Fuß oder mit kleinen Kindern unterwegs, dem sei eben der Gang ins Museum S’Abba Frisca ans Herz gelegt.
Im Museumspark gibt es 15 verschiedene Bereiche, die mit über 4.500 authentischen Ausstellungsstücken dem Reisenden das Leben und die ländlichen Traditionen in den Bergen rund um Dorgali in den letzten zwei, drei Jahrhunderten näher bringen. Viele dieser Exponate wurden von Dorgalesen gestiftet.
Und jedes einzelne dieser Stücke kann eine Geschichte erzählen. Da die Führung aber nur eine Stunde dauert, ist klar, dass vieles der Fantasie überlassen bleibt. Das macht aber nichts, sie sind oft einfach auch nur schön anzusehen, wie der blaue Eselskarren.
In einem Haus gegenüber vom Cuile werden Handwerke rund um die Tiere, Geräte für die landwirtschaftliche Arbeit und die Schmiedekunst gezeigt.
Mich fasziniert das Bild, auf dem die Ohrzeichen – Is Sinnos – mit denen Hirten ihre Schafe markierten, zu sehen sind. Das war sicher kurz unangenehm für die Schafe, schützte sie und ihren Besitzer aber vor Viehdiebstahl – weit verbreitet im armen Inselinneren der vorherigen Jahrhunderte.
Ich erfahre auch, dass manchmal wegen des schwierigen, felsdurchzogenen Untergrunds zur Schonung der Hufe sogar Kühe beschlagen wurden.
Als Paarhufer sieht das ein bisschen anders aus als die Hufeisen von Pferden. Die Tiere wurden außerdem in einem Holzverschlag mit Gurten angehoben, damit man sie beschlagen konnte.
Spannend – und wieder was gelernt.
Heute ist Tag des museo vivente, was so viel bedeutet wie lebendiges Museum. An solchen Aktionstagen werden traditionelle Gewerke gezeigt.
Ein Orografo, ein Juwelier aus Dorgali ist da. Der Ort ist berühmt für seinen Schmuck, der die traditionellen Trachten verschönert.
Mich interessiert mehr der Stand, an dem gezeigt wird, wie man Wolle auf natürliche Weise mit den Pflanzen der Insel färben kann.
Das liegt auch in der Tradition des Hauses: Die Färbepflanzen, Gewürzkräuter und Heilkräuter, die früher sowohl die Großmutter Zizza und die Mutter Maria Antonia im Alltag verwendeten, kultiviert der heutige Hausherr auch im Museumspark.
Das zu lernen, geht natürlich nicht in der kurzen Zeit eines Museumsbesuches – aber zum Glück bieten sie auch Kurse an (Infos: La Robbia di Marizio Savoldo aus Atzara, www.larobbia.it). Ich werde mich direkt anmelden – hab tatsächlich noch einen Haufen Schafwolle hier rumliegen, der noch auf sinnvolle Verwertung wartet.
Lebendig – und das an allen Tagen, nicht nur bei speziellen Events – sind vor allem die Tiere.
Das I-Ah der Esel ist laut und durchdringend. Sie rufen uns quasi zu sich. In einem Freigehege stehen einige graue und weiße Esel von der Insel Asinara, Pferde und Maultiere (wenn sie nicht auf den umliegenden Wiesen sind).
Die sardischen Esel sind Zwerge unter den Eseln und werden nur rund einen Meter hoch, die Weibchen bleiben darunter bei rund 80 Zentimetern Rückenhöhe. Sie haben alle graues Fell und einen grauen sogenannten Aalstrich auf dem Rücken – eine Reminiszenz an Esel- und Pferderassen aus uralten Zeiten und ein Zeichen für die Reinheit der Rasse.
Esel sind super und sehr sympathisch. Aber diese drei da – die wollen mich partout nicht ansehen und zeigen mir ihren Allerwertesten. Boh. Dann beschäftige ich mich eben mit dem weißen Esel von Asinara!
Heute können die Esel ein ruhiges Leben führen und am Gras knabbern. Früher wurden sie eingesetzt, um die Wasser- und Ölmühlen anzutreiben. Ja, die Zeiten haben sich auch für die Tiere geändert.
Nach den Eseln begegnen wir noch weiteren Tieren in der Fattoria, wie Pfauen, Hühnern, den schwarzen Schafe von Arbus oder sogar Wildschweinen!
Wer mit Kindern reist, hat hier Gelegenheit, eine Menge Neues zu erzählen, zu zeigen.
Für mich sind das hier jedenfalls Kindheitserinnerungen pur und ruft eine Menge schöner Erinnerungen wach. Auch wenn „meine“ Wildschweine in einem Wald bei Hamburg lebten, die Pfaue in Hagenbeck ihr Rad schlugen und die Schafe am Nordseedeich liefen.
Ein Tag im S’Abba Frisca ist mit Sicherheit ein schönes Geschenk für die Zwerge.
Und selbst wenn man nicht alles genau versteht und erklären kann: Die Eindrücke der Sinne sind oft nachhaltiger und reichen das ganze Leben lang.
Ich sag ja immer, das Beste an dem Touristenort Cala Gonone ist das, was hinter den Bergen liegt: Dorgali und der Supramonte. Und dass man über eine wirklich schöne Nebenstrecke schnell im Museumspark S’Abba Frisca ist.
Die Eindrücke sind so viele! Was jetzt schön wäre, ist eine echte Relax-Ecke zum Nachspüren. Wie schön wäre, wenn man auf den Schaukeln hinter dem Teich einfach noch etwas verweilen könnte, um zu horchen, ob der Esel nicht doch noch einmal ruft …
Doch die Führung ist vorbei. Und so setze ich mich an diesem sonnigen Ostermontag in die stylishe Bar aus weißem Stein, trinke ein Ichnusa und freue mich einfach meines Lebens.
Ich kann nur jedem Sardinienurlauber empfehlen, den Strand auch mal Strand sein zu lassen. Und zwar zu jeder allem im Sommer lohnt es sich, und in das frische, natürliche Klima und die traditionelle Atmosphäre des letzten und vorletzten Jahrhunderts einzutauchen.
Tatsächlich ist die komplette Idylle den Hausgästen vorbehalten: Wer eine Unterkunft in den parkeigenen Ferienhäusern wählt, haben Zugang zum Museumspark und zur Fattoria.
Feriengäste können in einer Art Urlaub auf dem Bauernhof auch im landwirtschaftlichen Betrieb, der azienda agricola, mithelfen – zum Beispiel im Gemüsegarten, bei den Tieren oder im November bei der Olivenernte. Infos und Buchungsanfrage auf https://www.villacapelvenere.it/de/.
Und das Meer ist wirklich nur wenig entfernt – S’Abba Frisca liegt nahe der Strände Cala Cartoe und Cala Osalla und nur einen kleinen, wunderschönen Pass entfernt vom Golfo di Orosei und damit den Traum-Buchten des Supramonte.
Mein Besuch endet mit einer langsamen Rundtour durch das Tal Littu auf den Passo Irigihiai, der mich aus dem Idyll herausführt und den Blick auf den Golfo di Orosei eröffnet.
Unten liegt Cala Gonone, ein typischer Touristenort – mit zugegeben spektakulärer Lage. Wer es aber weiterhin authentisch-sardisch mag, belässt es bei dem Blick und wendet sich wieder in Richtung Hinterland.
Auch mich zieht es zurück nach Dorgali, denn ich will noch in die dortige Käserei und die Kooperative der Winzer. Wenn man schonmal da ist, kann man ja auch gleich regionale Produkte shoppen gehen. Informiert euch aber vorher über die Öffnungszeiten – speziell an Sonn- und Feiertagen sind auch die Betriebe manchmal zu, die Leute feiern hier selbst tatsächlich noch mit der Familie und scheren sich auch mal nicht um uns Touristen. Ich kann’s verstehen!
Dorgali ist eh ein Ort, der vielfach unterschätzt wird, habe ich in diesem Artikel beschrieben: Dorgali: zwischen den Welten.
Ich verweile noch ein wenig am Pass, denn es ist wirklich ein Tag für die Ohren: Ich höre die Geräusche von frei laufenden Ziegen im Supramonte di Dorgali und bin hin und weg.
WERBUNG – Da die Familie mich zu dem Besuch eingeladen hat, ist dieser Beitrag gesetzlich als Werbung zu kennzeichnen. Ich hätte (und hab auch schon) bezahlt und würd‘ das Abba Frisca auch so empfehlen.
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