Wir sind mitten in der vom schwarzen Schaf so heiß und innig geliebten Zeit: der Nebensaison. Es eilt von Ort zu Ort, um die schönsten Plätze ganz entspannt vorzufinden, und um die Natur ungestört und in aller Ruhe zu erkunden.

Auch die Küsten geraten wieder ins Visier:  Strände sind frei von Menschenmassen und Liegewiesen, die Straßen wieder angenehm und ohne Staus befahrbar, in den Restaurants kann man ohne Reservierung einfach reinschneien.

Die Museen und Sehenswürdigkeiten sind nicht mehr überfüllt, sondern gehören dem Reisenden mit Glück fast ganz allein.

Baia Santa Reparata: stürmisches Meer, Wolken, ganz normale Nebensaison

Baia Santa Reparata: stürmisches Meer, Wolken, ganz normale Nebensaison

Nebensaison-Vorteil 1: Jetzt ist echt was los

Gründe, antizyklisch zu reisen und die Insel nicht nur als „Strandurlaubsziel“ zu verstehen, sondern auch Destination für Kunst- und Kultururlaub oder für individuellen Aktivurlaub, gibt es viele.

Die Insel überschlägt sich im Herbst mit Festen allerorts, Farben und Frohsinn machen sich breit. Sie ist sie selbst, genauso ihre Bewohner.

Mal tobt sie sich sich aus, und das Wetter schlägt Haken. Und mal verwöhnt sie ihre Bewohner mit warmer Sonne und gemütlicher Stimmung. Es ist weder zu heiß, noch wirklich zu kalt (es sei denn man kommt im Badehöschen an).

Ihr ganzer Reichtum und ihre erstaunliche Vielfalt zeigen sich erst jetzt, wenn der Sommer vorbei ist.

Nun liegt eine wunderbare Gelassenheit über dem Land, die ihresgleichen sucht. Wenn Nebelfelder über die glatte See ziehen oder das Land in seichte Schwaden hüllen, geht alles etwas langsamer.

Die Weinhänge der Cantina Vigne Surrau bei Arzachena

Die Weinhänge der Cantina Vigne Surrau bei Arzachena

Nebensaison-Vorteil 2: Natur pur

Wo in Europa findet man noch Plätze, an denen es noch so ursprünglich ist?

Wenn meilenweit kein Mensch und kein Dorf zu sehen ist, und der Tag sich schon früh über dem kargen Land zu seinem Ende neigt, bekommt der Mensch plötzlich wieder Kontakt zu seinen Wurzeln.

Die Natur umgibt ihn so eindrücklich, dass viele sich auf das besinnen, was ihnen wirklich wichtig ist.

Nur vorsichtig muss man sein: Regenfälle sorgen für Erdrutsche und kleine Bäche werden zu unüberwindlichen Hindernissen. Und manchmal dreht die Natur richtig durch, wie gerade geschehen in Süd-Sardinien bei Capoterra und in der Ogliastra bei Tertenia (Infos dazu in deutscher Sprache z. B. auf sardinienintim.com).

Ganz allein an unglaublich schönen Orten, wie hier zum Wasserfall S'Ega Zizzoris bei Villacidro

Ganz allein an unglaublich schönen Orten, wie hier zum Wasserfall S’Ega Zizzoris bei Villacidro

Wer vorsichtig ist, erlebt jetzt eine tolle Zeit zwischen Schluchten und Bergen, Tälern und Wäldern. Kein Handyempfang, keine E-Mails, nur man selbst mit seinen Gedanken.

Wen das ängstigt oder wer doch ins Unwetter gerät, der sucht Schutz im nächsten Dorf, das bereitwillig Türen und Tore öffnet.

Denn auch die Menschen sind um so vieles zugänglicher. Sie haben Zeit und Muße, zu erzählen und kurz inne zu halten. Sie heißen Dich noch mehr willkommen, als sonst schon.

Den sommerlichen Spagat, ganze Busladungen zu bewirten und dabei authentisch zu bleiben, hat man geschafft und hinter sich gelassen.

Jetzt atmet man durch und kümmert sich um diejenigen, die die Insel auch wert schätzen, wenn es langsamer und entspannter läuft. Die, die nicht jammern wenn es stürmt oder regnet. Die, die auch mit einem wärmenden Mirto und einem schlichten Abendessen glücklich sein können.

Nebensaison: insgesamt und im Detail wunderschön

Nebensaison: insgesamt und im Detail wunderschön

Nebensaison-Vorteil: Sardische Gemütlichkeit und Gastfreundschaft

Die rein touristischen Strukturen schließen. Das Angebot in den Küstenorten wird jetzt deutlich dünner – aber die Suche nach den echten und authentischen Anbietern wird leichter.

Man muss vielleicht etwas weiter fahren oder genauer hinsehen, aber sie sind da.

Denn das Gute ist: Viele Restaurants und Agriturismi, die jetzt noch geöffnet haben, finden eben auch bei den Sarden Anklang und sind nicht auf Menschenmassen ausgerichtet.

Nicht jeder Kleinbetrieb kann das ganze Jahr über öffnen. Aber bei denjenigen, die es schaffen, findet man fast ausnahmslos echt sardische Gemütlichkeit und Gastfreundlichkeit vor, die von Herzen kommt.

Für einige beginnt auch die Zeit der Jagd, und die Herbstfrüchte wachsen. Die Weinernte ist vorbei, die Winzer arbeiten an dem neuen Jahrgang.

Der kulinarische Oktober ist etwas für Kastanien-, Pilz- und Gemüsefans. Aber auch hier gilt: Je weiter ins Landesinnere, desto größer die Wahrscheinlichkeit, diese andere Seite von Sardiniens Küche kennenzulernen.

Im November beginnt dann die Olivenernte, im Winter folgen die Mirto-Beeren für den guten Likör.

Jetzt stehen in den Trattorien der Insel auch alte lokale Spezialitäten auf der Karte, wie Wildschwein, Steinpilze oder Kastanien.

Kastaniensaison auf den Bergen, hier im Gennargentu

Kastaniensaison auf den Bergen, hier im Gennargentu

Ja, die Menschen beginnen auch, sich zu verkriechen. Da gibt es Tage mit Nordseefeeling, da sind nur wenige auf den Straßen.

Aber sobald sich die Sonne überlegt, für ein paar sommerähnliche Tage zurückzukehren, sind sie alle wieder da, sitzen die alten Männer vor der Dorfkirche, geht man auf den Markt, sind die Teenies auf den Plätzen der Orte oder man trifft sich vor der Dorfbar.

Da gibt es Tage, an denen die Insel stündlich ihr Gesicht verändert, oder solche, an denen es gefühlt ewig grau in grau bleibt.

Diejenigen, an denen der Herbstwind stürmt und die Wolken bedrohlich am Himmel entlang ziehen.

Diejenigen, an denen die Schafglocken tönen und Kaminduft durch die Straßen wabert …

Aber all diese Tage lassen Dich wissen: Die Insel ist ein Paradies – gerade jetzt und hier.

Regenbogen über der SS389

Regenbogen über der SS389


(Anm. d. Red.: Erstveröffentlichung Nov. 2013, überarbeitet Okt. 2018)

1 Comment

  1. Regina Versen

    9. Februar 2019 at 11:29

    Liebes Schaf,

    ich muss unbedingt im Herbst zurück nach Sardinien – viel zu lange war ich nicht da. Deine Seite und vor allem diese Einträge zur Nebensaison haben meine Sehnsucht sowas von geweckt. Dabei bereite ich gerade eine Reise nach Korsika vor und habe mich als alte Sprachentante nach den Buchungen sofort auf die polyphonen korsischen Gesänge gestürzt. Und wollte natürlich verstehen, um was es geht. Dabei sind mir Gemeinsamkeiten zu den sardischen Sprachen aufgefallen und so wollte ich mehr wissen. Tante Google sei Dank bin ich diesbezüglich beim schwarzen sardischen Schaf gelandet… und werde den Floh namens Sardinien im Herbst in meinem Ohr hüten und sorgsam pflegen…
    Bisher war ich im Mai oder im Oktober auf dieser wundervollen Insel… jetzt möchte ich sie unbedingt auch im November kennen lernen. Wobei die vielen Stunden unterwegs in den Bergen und die weiten Strände, die ich damals im Mai für mich allein hatte, unvergessen bleiben…

    Bari Sardo

    In harten Zeiten
    richtet sich der Blick unbemerkt
    nach innen.
    Hinter der Fassade sind die Gedanken frei.
    Sie blättern
    zum Klang von leisen Tönen
    im Fotoalbum.
    Kieselsteine rasseln
    auf ihrem Rückweg
    in türkisblaue Weite.
    Sonnenstrahlen liebkosen lichthungrige Haut.
    Durch die Finger rinnt Sand
    und sehr viel Zeit.
    Warmes Orange zeigt sich
    hinter geschlossenen Lidern.
    Von fern blökt Frieden.

    [rv 11. Juli 2007]

    Ganz liebe Grüße vom krächzenden Raben
    Regina

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