Das schwarze Schaf hält das für eine Scherzfrage – und seine spontane, erste Antwort ist folgerichtig: nichts. Man muss nichts gesehen haben. Und schon gar nicht „das Beste“. Sätze die „Man muss“ enthalten, vermeide ich aktiv, seit ich begriffen habe, dass das totaler Humbug ist. Alles machen wie alle anderen? Nein, Danke.

Ich muss gar nichts. Und auf keinen Fall in meinem Sardinien-Urlaub irgendetwas gesehen haben, weil alle das gesehen haben. Außerdem ist Sardinien so irre vielfältig und voll mit Perlen und Schätzen – wer erlaubt sich denn da, „das Beste“ zu definieren? Das machen ja nicht mal die Sarden! Und die müssen es wissen.

Trotzdem wird die Frage nach dem Besten, das man gesehen haben muss, sehr gern gestellt. Und immer wieder. Doch ist es wirklich so gut, die zu beantworten?

Seit unvorsichtige Influencer einst paradiesische Orte und frühere Geheimtipps zu Touri-Hotspots werden lassen, bin ich jedenfalls selektiver geworden.

Ja, als Blogger bin ich auch Teil des „Hotspot-Problems“. Darum beschäftigt sich dieser Blog ja vorwiegend mit Theman außerhalb des Strandtourismus. Und ich gebe mir Mühe, Verständnis für die Natur und die Landeskultur zu schaffen und die Leute in Regionen zu locken, die noch ein paar Besucher mehr gut vertragen können oder brauchen – wie zum Beispiel die Region am Montiferru nach den verheerenden Busch- und Waldbränden.

Und ein Tourismus, der sich nicht nur an den Küsten abspielt und die Strände (die ja eigentlich Natur und kein Swimmingpool sind) entlastet, ist ja auch eine gute Sache. Hoffe ich.

Zurück zur Ausgangsfrage. „Müssen“ habe ich für mich selbst irgendwann mit „wollen” getauscht. Das hilft ganz gut, Überflüssiges auszusortieren. Wenn ich etwas nicht will – warum mache ich das?

Musste ich nicht hin, wollte ich aber: Sagenhafter Ausblick auf dem Pass oberhalb von Talana – erreichbar nur über enge Serpentinen und kurvige Provinzstraßen. Kurzer Halt beim Nuraghen Bau e Tanca, dann fuhr ich weiter in den südlichen Gennargentu.

Ich finde, es hat ganz viel Sinn, nicht nur den Urlaub, sondern die ganze Lebenszeit mit Dingen zu verbringen, die einem selbst oder anderen (zum Beispiel Sardinien und den Sarden) gut tun und die ich wirklich gern tun möchte.

Sicher, von: „Ich muss am Sonntag zum Familienfest.“ zu „Ich will am Sonntag zum Familienfest.“ kann wiederum ein sehr weiter Weg sein … und ich quäle mich auch manchmal durch Hochzeiten, obwohl mir das wenig gibt. Vielleicht, weil ich will, dass das Brautpaar sich freut.

Und darum heißt es bei mir gerade im Urlaub wirklich niemals: „Ich muss noch die Cala Luna sehen (weil irgendwer auf facebook oder ein Blogger das gesagt hat).“ sondern „Ich will die Cala Luna sehen, weil sie so tolle Höhlen haben soll und ich Höhlen total gern hab.“

Und na klar soll es auch nicht heißen: „Wir müssen noch unbedingt ins Hinterland fahren, weil das schwarze Schaf das gesagt hat.“ Völlig legitim zu sagen: „Wir wollen heute am Strand rumschimmeln und vielleicht morgen, bei ganz viel Lust und Neugier, fahren wir mal nach Lanusei oder Oliena.“

Superschön: die Höhlen der Cala Luna

Sicher, das ist alles etwas Sonntagsphilosophie – aber es ist auch gerade Sonntag, wenn ich dies schreibe, und Schafe sind Philosophen!

Sicher, ein paar Tipps von Leuten, die schonmal irgendwo waren, und den Ort toll fanden, anschauen, schadet nicht. Aber das tausendste Handtuch an einem Strand im Nordosten sein? Oder nur mit Deutschen in einem sardischen Restaurant sitzen? Och, nö.

Außerdem: Wenn mir das, was jemand anderes als MUSS definiert, nicht gefällt, ich aber bei meiner Reise deswegen an zehn Dingen vorbeigefahren bin, die mir gefallen hätten – was habe ich dann gewonnen? Nix.

Zum Glück gibt es noch andere richtige Antworten auf die Frage: „Was ist das Beste, das man auf Sardinien unbedingt gesehen haben muss?“

  1. NICHTS – haben wir eben besprochen.
  2. ALLES – Unmöglich, aber rein philosophisch betrachtet, ein guter Ansatz. Beschränke dich nicht nur auf einen Teil, bleibe nicht in einem Ort kleben, sondern fahre kreuz und quer durch die Insel. Das bereichert deinen Urlaub ungemein.
  3. DIE INSELMITTE – Warum, liest du jetzt.

Nehmen wir an, „man müsste“ wirklich irgendetwas. Genau genommen lautet die Frage dann: „Was musst du gesehen haben, damit du das wirklich wahre, echte, authentische Sardinien gesehen hast?“

Genau darauf ist und bleibt meine Antwort: die Inselmitte. Alles, was nicht direkt an der Küste ist. Manchmal reichen schon 5 oder Kilometer, in anderen Fällen 20, 30, 50 oder 80. Viele davon auf schnuckeligen Serpentinen, Provinzstraßen und durch kleine Dörfer und Städtchen, in denen die Einheimischen leben.

Denn Sardinien ist eigentlich gar keine Insel. Die Sarden wohnen seit Ewigkeiten im Inselinneren.

Dazu habe ich in meinem Reisebuch eine ganze Seite geschrieben – hier die Leseprobe:

Leseprobe aus dem Reisebuch „Natürlich! Sardinien“, Seite 13

Last but not least noch ein paar schwarzschaf-philosophische Gedanken zum Thema „das Beste“.

Das Beste – Was ist das eigentlich? Und warum will man das?

Das beste Eis, das beste Hotel, der beste Wochenmarkt, die beste Pizza … die Leute wollen manchmal Sachen wissen … glauben sie wirklich an DIE EINE, richtige, ultrabeste Antwort? Aber natürlich kommen in so Gruppen auch 20 Tipps für das Beste – was ja gar nicht sein kann, weil das Beste nur eins ist und alle anderen 19 eben schon nicht mehr.

Und wie definiert man eigentlich „das Beste“? Gerade bei Pizza scheiden sich ja schon die Geister zwischen dickem und dünnem Boden und werden Kleinkriege ausgefochten.

Wer bisher nur die Lasagne vom Mittagstisch beim Kleinstadtitaliener kennt (der eigentlich Albaner ist) und im Urlaub nicht aus seinem beliebten Ferienort rauskommt, findet vermutlich die Calamari fritti im Restaurant im Ort schon „das Beste“, das sie in ihrem Urlaub gegessen haben.

Viel eher wären wohl die Spaghetti mit Bottarga in Cabras „das Beste“ gewesen. Wenn man denn da hin gefahren wäre. Aber das ist ein anderes Thema und es bleibt ja auch jedem/jeder selbst überlassen.

Warum es auch immer das Beste sein muss, erschließt sich dem schwarzen Schaf eh nicht.

Denn das ganz normale Sardinien, die kleinen Schrulligkeiten, die wunderbaren Dinge, die man direkt von den Produzenten bekommt, ein kleines Museum im Nirgendwo der sardischen Berge, ein Panino auf die Faust bei einem Dorffest … all das kann das Beste sein, wenn du es entdeckst und es dich in dem Moment glücklich macht. Dabei hilft kein facebook.

Apropos Essen: Zum Besten, das die Insel zu bieten hat, gehört definitiv die Küche, die Vielfalt der Regionen und die sardische Gastfreundschaft.

Insofern empfehle ich gern eine Kulinarische Rundreise durch Südsardinien: hausgemachte, natürliche Küche.

Das muss man wirklich mal gemacht haben … 😉

Habt einen schönen Sardinien-Urlaub!

1 Comment

  1. Bernd Schößler

    26. Juli 2023 at 14:08

    Deine klaren Worte gefallen mir sehr und es bleibt die Hoffnung dass sich der ein oder die andere mal ein paar mehr Gedanken macht. ob es denn immer das „Beste“ sein muss. Die vielen Facebookfragen: „Wir sind dann und dann das erste Mal in Sardinien, was muss man gesehen haben“ sprechen zwar ganz klar ein andere Sprache, aber vielleicht ist ja mal irgendwann vorbei. Ich bleib da ganz gelassen und wohne so vor mich hin in Sardegna…

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