Sardinien? Strandurlaub! Der erste Gedanke, der den meisten in den Kopf kommt, wenn sie an die Insel im Mittelmeer denken, ist durchaus naheliegend. Auch wenn Sardinien määähr als Meer ist – über 1.800 Kilometer traumhafter, abwechslungsreicher Küste haben ihren Reiz. Blau am Horizont = Urlaub. Das ist so.
Der erste Gedanke: Sardinien = Strandurlaub
Nun ist das schwarze Schaf aber über das Urlaubsstadium längst hinaus. Das ist für den Blog gut, aber es kann einen Artikel wie den folgenden gar nicht mehr schreiben. Wie das so ist, als Sardinien-Urlauber an einer der schönsten Küsten der Welt, dem Golfo di Orosei, wie schön Vorfreude ist, wie die Insel einen dann gefangen nimmt – das hat Nina Salevsky (Bloggerin auf www.italienkompass.de) für uns alle aufgeschrieben. Das schwarze Schaf katapultiert sie damit ein bisschen in der Zeit zurück – Danke dafür!
Es ist Januar, das Jahr hat gerade erst begonnen. Draußen ist es nass und ungemütlich. In eine Decke gewickelt und mit einem heißem Kakao in der Hand schaue ich gedankenverloren aus dem Fenster. Das graue Wetter macht mich depressiv und schlägt mir aufs Gemüt.
Höchste Zeit, meinen nächsten Urlaub zu planen. Dass es wieder nach Italien gehen soll, steht für mich außer Frage. Aber an welchen Ort? Ich überlege und gehe die verschiedenen Regionen gedanklich durch. Sardinien hatte es mir im September 2014 schon einmal angetan. Damals bin ich für eine Woche in den Süden der Insel geflogen und habe dort eine sehr schöne, wenn auch viel zu kurze Woche in Villasimius verbracht. Als ich die Insel damals verließ, hatte ich Tränen in den Augen und versprach, irgendwann wieder zurückzukehren.
Während ich nun über ein Jahr später die Regentropfen an meinem Fenster beobachte, bin ich mir plötzlich sicher: Es ist an der Zeit, mein Versprechen einzulösen. Sardinien, ich komme zurück!
Türkistraum: die mittlere Ostküste Sardiniens
Gepackt vom plötzlichen Elan werfe ich die Decke auf die Couch und fahre meinen Laptop hoch. Welchen Teil der Insel könnte ich mir diesmal anschauen? Ich verbringe die nächste Stunde damit, zahlreiche Foren zu durchforsten, etliche Fotos zu bewundern und mich durch verschiedene Reiseberichte zu lesen.
Dann stoße ich auf einen einzigen Satz, der meinen Entschluss innerhalb von Sekunden unwiderruflich feststehen lässt: „In Cala Gonone kann man sich ein Boot mieten und damit eigenhändig die Küste abfahren – ganz ohne Führerschein.“ Ist das tatsächlich möglich!? Gespannt recherchiere ich weiter, finde jedoch keine näheren Infos. Dann muss ich mir wohl vor Ort selbst ein Bild machen! Am Abend erzähle ich aufgeregt meinem Freund von der Idee. Er kann mir nur schwer folgen, denn die Sätze sprudeln aus mir heraus wie ein Wasserfall. Als er schließlich sein Okay gibt, bin ich überglücklich!
Die kalte Jahreszeit macht mir plötzlich nichts mehr aus. Ich überbrücke die Wochen bis zum Frühlingsanfang damit, sämtliche Infos über den Osten der Insel zu sammeln. Im Handumdrehen sind die schönsten Plätze inklusive Routen notiert. Meinen Notizzettel kann außer mir kaum noch jemand entziffern. Kein Wunder, denn sowohl Vorder-, als auch Rückseite sind bis auf den letzten freien Fleck mit Schlagwörtern vollgekritzelt.
Als nächstes suche ich nach einem geeigneten Unterkunftsort, von dem aus wir all diese Dinge unternehmen können, ohne dabei eine halbe Weltreise mit dem Mietwagen zurücklegen zu müssen.
Die Buchten im Golf von Orosei locken …
Meine Wahl fällt schließlich auf Orosei. Eine zentral gelegene Ferienwohnung für insgesamt 10 Tage ist ebenfalls schnell gefunden – und das für einen relativ günstigen Preis! Gleiches gilt für den Mietwagen. Als kurz darauf auch der neue Flugplan erscheint, suche ich im letzten Schritt die passenden Flüge für September raus.
Ich freue mich wie ein kleines Kind, dabei ist es noch so lange hin! Grenzenlose Vorfreude, sowie bittersüßes Fernweh werden zu meinen ständigen Begleitern. Ein wenig Linderung verschafft mir schließlich ein Countdown im Handy, der mir täglich die verbleibenden Tage bis zum Abflug anzeigt. Ich kann es kaum erwarten!
Im Rückblick betrachtet, verging die Zeit bis zum Abflug schneller, als gedacht. Ehe ich mich versah, war es Ende September. Mit Freund und Gepäck sitze ich an dem lang ersehnten Morgen im Flieger und schaue aus dem Fenster. Die Sonne geht gerade auf und taucht den Himmel in bunte Farben. Vor mir liegt meine ausgetüftelte To-do-Liste. Ich lese sie zum hundertsten Mal durch:
Mir war von Anfang an bewusst, dass dies ein straffes Programm wird und wir sicher nur die Hälfte schaffen werden. Aber man soll ja optimistisch sein!
Nach etwa zwei Stunden Flug erreichen wir Olbia. Von hier aus machen wir uns mit dem Mietwagen auf den Weg zu der etwa 1 ½ Stunden entfernten Unterkunft. Entspannt lehne ich mich in den Beifahrersitz zurück und inspiziere die Gegend. Eine grüne, wenn auch etwas karge Landschaft zieht an uns vorbei. Ich bin gespannt, welche Eindrücke mich erwarten und schaue auf die Uhr. Wir sind früh dran! In einem Supermarkt kurz vor Orosei halten wir schließlich, um ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage zu besorgen. Neben etwas Obst, Gemüse, Getränken, Brot und Aufschnitt werfe ich auch zwei Packungen Büffelmozzarella in den Einkaufswagen. Diesen habe ich schon damals bei meinem ersten Sardinienaufenthalt kennen und lieben gelernt und regelmäßig am Strand gefuttert. 🙂
Nachdem wir die Unterkunft erreichen und einchecken, schiebe ich meinen Koffer ins Schlafzimmer und drängle meinen Freund ungeduldig, die Umgebung zu erkunden. Den Strand von Orosei erreichen wir nach nur 2 Kilometern. Goldgelb und verlassen liegt er vor uns. Außer einem Reiter mit seinem Pferd ist weit und breit niemand zu sehen. Als wir uns an Strand und Meer satt gesehen haben, schlendern wir durch den Ortskern.
Orosei verfügt über viele schmale Gässchen. Etliche Streuner kommen uns freudig entgegengelaufen und begrüßen uns. Gott sei Dank sehen sie gesund und munter aus und sind nicht etwa abgemagert. Ich staune nicht schlecht, als eine Dreiergruppe Hunde an einem Zebrastreifen wartet, bis die Straße frei ist. Kreuz und quer laufen wir durch den Ort, stecken hier und da den Kopf in eine Kirche und probieren in der Gelateria „Smeralda“ gleich mehrere Sorten Eis: Stracciatella, Cioccolato, Fior di latte… Gott, ich liebe es! Wie schön, dass wir den ganzen Urlaub noch vor uns haben!
Für den nächsten Tag stehen die Orte Arbatax und Tortoli auf unserem Plan. Die roten Felsen von Arbatax oder wie die Italiener sie nennen „Le rocce rosse“ haben mich bei meiner Reisevorbereitung schon so beeindruckt, dass ich es nun kaum erwarten kann, sie endlich live zu sehen. Nach einem Frühstück auf unserer sonnigen Terrasse fahren wir gutgelaunt los.
Der Weg führt unter anderem durch das kurvenreiche Supramonte Gebirge. Begeistert schaue ich den freilaufenden Kühen, Schafen und Schweinen hinterher, die hier scheinbar keine Seltenheit sind. Auf der Strasse zwischen Dorgali und Urzulei halten wir schließlich kurz an. Wir stöbern durch den kleinen Souvenirshop und entdecken hinter dem Lädchen einen Trampelpfad, der uns zu einer Aussichtsplattform führt. Von hier aus bewundern wir die atemberaubende Schlucht Gola Su Goroppu.
Panorama mit Blick auf die Gola Su Goroppu
Gegen Vormittag erreichen wir schließlich den Hafenort Arbatax. In unmittelbarer Nähe der Felsen gibt es einen kostenlosen Parkplatz. Aufgeregt laufe ich los, kaum dass der Wagen steht. Zum Glück bemerke ich rechtzeitig die vielen, bunten Glasscherben auf dem Boden. Dennoch lasse ich mich nicht davon abhalten, das viereckige Loch inmitten der feuerroten Felsen barfuß zu erklimmen. Als ich fast oben bin, streckt mir ein Sarde seine Hand entgegen. Ich greife dankbar zu und lasse mich das letzte Stück hinaufziehen. Er kann sogar ein paar Wörter deutsch und erzählt stolz, dass er vor einigen Jahren für eine Weile in Mannheim gearbeitet hat. Nachdem ich mich ein wenig umgesehen habe, klettere ich etwas weniger elegant wieder herunter.
Die roten Felsen von Arbatax
Kurze Zeit später fahren wir weiter und halten in Tortoli. Hier nehmen wir den Strand Lido di Orri unter die Lupe. Fröhlich stapfe ich durch den warmen Puderzuckersand. Lange können wir uns hier leider nicht aufhalten, denn schon bald wird es dunkel. Eine gute Stunde später brechen wir daher auf.
Auf dem Rückweg durch die Berge entdecke ich den Hof „Gruthas“. Auch hier legen wir einen kurzen Stopp ein und probieren etliche Sorten der lokal hergestellten Käsesorten. Die Hoftiere haben es mir besonders angetan. Doch gerade, als ich mich dem Esel nähern will, protestiert dieser lautstark. In Sekundenschnelle nimmt mein Gesicht die Farbe einer überreifen Tomate an. Höchste Zeit, zu fahren!
Für den nächsten Tag haben wir uns die die Cala Fuili vorgenommen. Die kleine Bucht hat es mir vor allem wegen ihrer strahlend weißen Kieselsteine angetan. Um zu ihr zu gelangen, fahren wir zunächst Richtung Dorgali. Auf dem Weg dorthin entdecke ich zum ersten Mal den riesigen Steinbruch, in dem Marmor abgebaut wird. Kurzentschlossen halten wir an und bestaunen die riesigen Steinplatten.
Danach geht es weiter, nach Cala Gonone. Dank der vielen Hinweisschilder fällt es uns nicht schwer, die kleine Bucht ausfindig zu machen. Obwohl es außerhalb der Saison ist, bemerke ich etliche Autos, die an der Zufahrtsstraße parken.
Im zweiten Anlauf finden wir endlich einen Parkplatz und laufen anschließend die Straße bis zum Ende entlang. Hier befindet sich der Abstieg zum Strand. Dieser besteht aus einer in den Fels geschlagenen Treppe, die neben einem wackeligen Holzgeländer steil bergab führt. Schnell merke ich, dass meine Flip Flops keine so gute Wahl gewesen sind, denn die Stufen sind teilweise sehr glatt! Trotzdem ist die Strecke toll: Man fühlt sich dank der umliegenden Bäume und Büsche ein bisschen wie in einem kleinen Urwald.
Cala Fuili von oben
Schließlich erreichen wir den Strand Cala Fuili. Die weißen Kiesel blenden mich. Obwohl so viele Autos an der Straße parkten, ist an der Bucht verhältnismäßig wenig los. Schnell breiten wir unsere Handtücher aus und laufen zum Wasser. Schon vom Ufer aus bemerke ich die vielen kleinen Fische, die sich im seichten Wasser tummeln. Was für ein Paradies! Wir laufen den Strand ein Stück entlang, bis ich eine kleine Höhle entdecke. Mit eingezogenem Kopf krieche ich hinein.
Zum Ende hin entdecke ich ein Loch über meinem Kopf und klettere hindurch. Wenig später finde ich mich oberhalb einer Steinebene wieder und genieße den herrlichen Blick auf das Meer. Wir vertreiben uns die Zeit bis zum Abend an dieser kleinen Bucht und spüren die Kiesel dementsprechend auch noch Stunden später, als wir längst im Bett liegen.
Nina erkundet eine Höhle an der Cala Fuili
Einen Tag später wollen wir die Grotte Bue Marino und den nahe gelegenen Strand Cala Luna besichtigen. So brechen wir am Morgen bei strahlendem Sonnenschein auf und fahren zum Hafen von Cala Gonone. Ein Parkplatz in Hafennähe ist schnell gefunden. Wir freuen uns, als wir erfahren, dass die Boote in regelmäßigen Abständen zur Grotte fahren. So warten wir nur eine Viertelstunde, bis wir in einem der Schiffe sitzen. Die Fahrt dauert nur etwa eine Viertelstunde.
Die Grotte wirkt schon von weitem imposant. Als wir aussteigen, werden wir von einem englischsprachigen Guide empfangen und in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Dann geht es auch schon los. Nach und nach durchlaufen wir die insgesamt vier Kammern. Es gibt die sogenannte Halle der Kerzenleuchter, die Halle der Spiegel, die Halle der Orgelpfeifen und die Halle „Bue Marino“. Zu jeder dieser Kammern erhalten wir interessante Infos. Es ist schon beeindruckend, wie alt die Grotte ist und was für Kalkformationen sich über hunderte von Jahren hier gebildet haben. Faszinierend ist auch, dass das glasklare Wasser in den Hallen zwar niedrig ist, die Spiegelung aber den Anschein erweckt, man könne metertief hinabtauchen!
Ungefähr eine Stunde befinden wir uns in der Grotte. Während dieser Zeit laufen wir ca. einen Kilometer weit in die Höhle hinein und anschließend den gleichen Weg wieder zurück. Ich bin ziemlich froh, eine Jacke eingepackt zu haben, denn je tiefer es in die Grotte hineinging, desto kühler wird es. Schließlich gelangen wir wieder an den Ausgangspunkt. Dort bestaune ich die Fotos der Mönchsrobbe (Bue Marino), die hier im Jahre 1975 als letzte ihrer Art auf Sardinien gefunden wurde und der Grotte ihren Namen gab.
Danach warten wir auf das nächste Schiff und fahren damit bis zur Cala Luna, dem Strand mit den geheimnisvollen Höhlen. Ich habe im Vorfeld so viele Fotos gesehen, die aus der dunklen Höhle mit Blick auf das endlose Meer geknipst wurden. Und in ein paar Minuten habe ich endlich selbst die Möglichkeit, ein solches Foto zu schießen!
Dass es an dieser Bucht nicht zuletzt deswegen häufig überfüllt ist, wusste ich. Aber das ist mir egal, ich möchte dieses eine Foto haben! Als das Boot die Bucht anfährt, halte ich vor Aufregung den Atem an. Ich muss mich beherrschen, die zum Strand führenden Steinstufen nicht herunter zu stolpern. Hastig stapfe ich durch den Sand, der sowohl von feinem, als auch von gröberem Kies durchzogen ist und schließlich flach ins Meer abfällt. Der Kontrast zum türkisen Wasser sorgt die nächsten Minuten für rasantes Herzklopfen in meiner Brust. Ich laufe immer schneller und mein Freund kann kaum noch Schritt mit mir halten.
Höhle der Cala Luna, davor die Ausflugsboote
Dann erreiche ich die erste Höhle. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass diese so weit in den Fels hineinführt. Neugierig laufe ich bis zum Ende hinein. Dann drehe ich mich ganz langsam um.
Der Ausblick verpasst mir augenblicklich eine Gänsehaut, Freudentränen schießen mir in die Augen. Monatelang hatte ich mir die Bilder im Internet angesehen – und jetzt stehe ich selbst hier. Ich bin überwältigt und überglücklich!
Bis zum frühen Abend genießen wir die Sonnenstrahlen am Stand und fahren anschließend mit dem Schiff wieder zurück zum Hafen. Von dort aus begeben wir uns schließlich auf den Nachhauseweg.
Was für ein weiterer, wundervoller Tag auf Bella Sardegna! Und morgen würde es erst richtig losgehen, denn vor uns lag der Tag, auf den ich mich am meisten freute: Der Tag, an dem wir ein Boot mieten werden, um damit die 7 Buchten im Golf von Orosei abzufahren!
So ging es schon um 7 Uhr morgens nach Cala Gonone. Hibbelig sitze ich im Auto und summe die italienischen Lieder aus dem Radio mit. Zum Glück finden wir erneut auf Anhieb einen Parkplatz ganz in der Nähe des Hafens. Als wir dort ankommen, steuern wir auf die vielen Angebotshäuschen zu, an denen wir uns gestern schon nach der Grotte erkundet haben. Wir entscheiden uns für den Anbieter Cielomar und stellen gefühlte hundert Fragen. Zum Glück erfolgt die gesamte Konversation auf Englisch. (Mehr Infos habe ich hier zusammengefasst: http://www.italienkompass.de/2016/09/auf-eigene-faust-durch-den-golf-von.html)
Gedankenverloren höre ich die Worte der hilfsbereiten Mitarbeiterin wie durch Watte. Ich kann nicht glauben, dass man tatsächlich einen ganzen Tag lang sein eigener Kapitän sein kann, ohne einen Bootsführerschein zu besitzen. Es ist also wahr gewesen, was ich einige Monate zuvor im Netz gelesen hatte. Der Preis von 80,00 € erscheint mir daher wie ein Schnäppchen! Wer kann schon von sich behaupten, schon mal alleine die Küste entlang getuckert zu sein?
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als mein Freund mir eine Übersichtskarte und einen Infozettel zum Verstauen reicht. Die Mitarbeiterin übergibt uns noch eine Kühlbox und führt uns anschließend zu den Booten, wo schon ein junger Italiener auf uns wartet. Dieser erklärt uns in den nächsten Minuten ganz genau, wie man den Anker benutzt und wie die Steuerung funktioniert. Seelenruhig beantwortet er all unsere Fragen und fährt schließlich einige Meter mit uns aufs Meer hinaus. Dort zeigt er uns die Schaltung auf dem Wasser. Ich bin wahnsinnig aufgeregt und freue mich insgeheim, dass mein Freund das Steuerrad ergreift. Das anfänglich mulmige Gefühl, als wir schließlich mit dem Boot alleine gelassen werden, löst sich relativ schnell in Luft auf, als wir die ersten Meter mit dem Motorboot zurücklegen.
Mit dem Mietboot zu den Traumbuchten: Küste am Golfo di Orosei
Was für ein Gefühl von Freiheit! Erst zaghaft, dann etwas schneller fahren wir vom Hafen hinaus auf das offene Meer. Wir lassen es uns nicht nehmen, ein paar Wasserkringel auf dem Meer zu hinterlassen, indem wir das Steuerrad bis zum Anschlag drehen und mit schnellem Tempo im Kreis fahren. Als ich den hierdurch entstandenen Drehwurm schließlich besiege, stehe ich auf, breite die Arme aus und habe das Gefühl, zu fliegen! Um uns herum klatscht derweil das Wasser an die Außenwände des Bootes und verpasst mir einen leichten Salzregen. Zu Weihnachten wünsche ich mir ein eigenes Boot, beschließe ich. Aber wohin soll ich in Gelsenkirchen schon damit fahren!
Mit Wind im Gesicht und Salz in den Haaren schippern wir die Küste entlang. Es dauert nicht lang, bis wir die erste Bucht, die Cala Fuili erreichen. Es ist faszinierend, die Bucht nun vom Wasser aus zu sehen, an der wir zwei Tage zuvor noch ein paar schöne Stunden am Strand verbracht haben. Ich zücke meine Kamera. Das Fotografieren vom Boot aus stellt sich allerdings als gar nicht so einfach heraus. Ein Stück weiter erkenne ich die Cala Luna anhand ihrer Höhlen. Es folgten die Cala Sisine und die Cala Biriola. Doch wir wollen erst alle Buchten einmal sehen und fahren daher zunächst weiter.
Dann erkenne ich mehrere weiße Felsen vor uns. „Das muss die Cala Mariolu sein!“ rufe ich dem „Kapitän“ aufgeregt zu und habe Schwierigkeiten, gegen den Wind anzuschreien. Kurze Zeit später folgt die Cala Gabbiani, deren goldener Strand verführerisch in der Sonne glänzt. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis wir die letzte, und gleichzeitig wohl bekannteste Bucht von allen erreichen: Die Cala Goloritze. Meine Angst, sie zu verpassen, stellt sich als unberechtigt heraus. Anhand ihrer markanten, in die Höhe ragenden Spitzfelsen und dem malerischen Steinbogen erkenne ich sie sofort.
Arco Cala Goloritze
Der Blick auf diese Bucht erscheint mir wie in einem Traum. Wir schalten den Motor aus, werfen den Anker über Bord und machen es uns auf dem kleinen Motorboot bequem. Keiner sagt ein Wort, zu schön ist der Augenblick. Das Schaukeln des Bootes lässt langsam nach und ich entspanne mich vollkommen. Ging es mir jemals schon mal so gut wie jetzt gerade, in diesem Augenblick? Ich glaube nicht.
Die Zeit scheint still zu stehen, ich habe kein Zeitgefühl mehr. Eine ganze Weile träumen wir dort auf dem Wasser vor uns hin. Am liebsten würde ich auf dem Wasser unter freiem Himmel übernachten. Irgendwann beschließen wir, zurück zur Cala Gabbiani zu fahren. Als das Boot ordnungsgemäß geparkt ist, legen wir uns an den Strand und gehen dem süßen Nichtstun nach. Leider wurde es schnell kühl, kaum dass die Sonne sich hinter den imposanten Felswänden versteckt hatte. So freundeten wir uns – wenn auch nur zögerlich – damit an, den Rückweg anzutreten. Während der Fahrt genieße ich das herrliche Panorama um mich herum und halte Ausschau nach Delfinen.
Wir erreichen den Hafen gegen 17 Uhr und werden direkt in Empfang genommen. Mit dem Boot werden wir zur Tankstelle gefahren. Dort tankt der Mitarbeiter Sprit für insgesamt 18 Euro nach und bringt uns anschließend zum Ufer. Als ich die ersten paar Meter laufe, schaukelt es um mich herum. Ich fühle mich, als hätte ich zu tief ins Glas geguckt und bekomme einen Lachanfall. Meinem Freund geht es nicht anders. Es fühlt sich tatsächlich an, als wäre ich noch auf dem Wasser! Das irrwitzige Gefühl hält noch bis im Appartement an – Die gelegentlichen Lachanfälle zum Leidwesen meines Freundes ebenfalls. Was für ein Tag! Am Abend bin ich immer noch so aufgeregt, dass ich kaum einschlafen kann.
Nachdem wir gestern einen so ereignisreichen Tag verbracht haben, beschließen wir, den heutigen Tag entspannt anzugehen. So steuern wir den Naturpark Biderosa an. Hier würden wir sicher viel Ruhe finden! Beinahe verfehlen wir die sandige Einfahrt, die uns nach einer etwa 20-minütigen Fahrt zu dem Parkplatz des Naturreservates führt. An einem kleinen Verkaufshäuschen bezahle ich den Eintritt und erhalte einen Übersichtsplan. Dann fahren wir über eine holprige Piste in den Park hinein.
Der Ort ist eine grüne, nach Pinien duftende Oase! Durch das offene Fenster atme ich tief den würzigen Waldgeruch ein und lausche dem Vogelgezwitscher. Wir passieren einen See und ich entdecke mehrere Birdwatching-Plätze. Die Pflanzen- Und Artenvielfalt des Parks ist gigantisch! Immer wieder halten wir an verschiedenen Plätzen an, um Eidechsen und Vögel zu beobachten. Ich laufe bunten Schmetterlingen nach, um sie zu fotografieren. Die vielen Kakteen, Korkeichen und Wacholderbäumen sind für mich ein absolutes Paradies!
Pinienwald bei Biderosa
An insgesamt 3 der 5 Strände machen wir schließlich Halt und legen uns in die Sonne. Allesamt verfügen über weißen Puderzuckersand, der das smaragdgrüne Wasser toll hervorhebt. Neben meinem Handtuch entdecke ich mehrere Lilien, die ihre Köpfe aus dem warmen Sand strecken. Was für ein schönes Fleckchen Erde! Hier tanken wir bis zum Abend Sonne satt.
Während gestern noch strahlender Sonnenschein herrschte, werde ich an diesem Tag von einem Donnergrollen wach. Ein Blick nach draußen offenbart dichte, graue Regenwolken. Direkt wirkt die Landschaft etwas trostlos. So beschließen wir, uns die ca. 90 km entfernte Stadt Olbia anzusehen. Auch wenn ich im Vorfeld gehört habe, dass diese Stadt im Laufe der Zeit sehr touristisch geworden sein soll, so wollte ich sie mir zumindest einmal selbst ansehen und hoffte auf ein paar nette Geschäfte.
Als wir den Hafenort erreichen, trinken wir zunächst einen Kaffee in einer etwas schmuddeligen Bar. Danach laufen wir einfach drauf los. Obwohl die Mittagszeit noch nicht begonnen hat, ist außer einigen Restaurants, Cafés und Eisdielen scheinbar nichts geöffnet. Sogar die Türen der beiden Kirchen im Ort sind fest verschlossen, als ich daran rüttle. Vor der Basilika San Simplicio tanzen dafür unzählige Konfetti-Herzen der letzten Hochzeitsfeier im Wind. Etwas enttäuscht laufen wir weiter durch die Gassen der Stadt, bis wir schließlich ein schönes Café finden, an dessen Außentischen wir uns niederlassen. Etwas später stärken wir uns in dem Lokal Pepe Bianco mit einem Salat und einer Pizza. Das Essen schmeckt, aber die Toilette stellt sich wenig später als eine absolute Katastrophe heraus! Zu guter Letzt trete ich schließlich noch in einen riesigen Hundehaufen. Das wäre doch mal ein schöner Grund, neue Schuhe zu kaufen… Aber mittlerweile ist es 17:00 Uhr und die Geschäfte sind immer noch geschlossen! Ich habe keine Lust mehr und will nur noch nach Hause. Über uns braut sich schließlich auch noch ein ordentliches Gewitter zusammen, sodass wir in heftigem Regen zurückfahren müssen. Überall steht das Wasser, unzählige Gullis laufen über. Zusätzlich blockiert eine Herde klatschnasser Schafe auf dem Rückweg eine komplette Straße. Die armen Tiere! Was für ein Tag… Auch wenn in der Hauptsaison sicher mehr in Olbia los ist, werden wir in diesem Leben wohl keine Freunde mehr.
Umso mehr freue ich mich am nächsten Tag, als ich durch das Fenster von zarten Sonnenstrahlen geweckt werde. Prüfend werfe ich einen Blick nach draußen: Keine Spur mehr von schlechtem Wetter. Ich laufe ins Wohnzimmer und schaue auf meinen Notizzettel. Na dann steht einem weiteren Ausflug an den Strand ja nichts mehr im Wege! Spiaggia Berchida, wir kommen! Schon im Vorfeld hatte ich gelesen, dass sich hin und wieder auch Kühe an diesem Strand aufhalten. Das konnte ich nicht glauben, ehe ich es nicht mit eigenen Augen gesehen habe. Die Anfahrt zu diesem Strand führt auf den letzten Metern über eine holprige Schotterpiste. Wir wurden ordentlich im Auto durchgeschüttelt!
Als ich unterwegs ein paar Esel sehe, halten wir an. Vergnügt nähere ich mich den gutmütigen Tieren. Aus großen, dunkelbraunen Augen schauen sie mich an und lassen sich von mir streicheln. Als wir unser Ziel schließlich erreichen, staunen wir nicht schlecht: Der karibikgleiche Strand ist menschenleer! Ich grabe meine Füße in den warmen Puderzuckersand und sehe mich um. Vereinzelt kommen dann doch noch ein paar Menschen vorbei. Von Kühen ist allerdings an diesem Tag keine Spur.
Wir genießen die herrlichen Septembersonnenstrahlen und freuen uns darüber, das Meer ganz für uns allein zu haben. Gegen 17 Uhr brechen wir schließlich auf, denn heute Abend steht noch etwas ganz besonderes auf dem Plan: Das Abendessen in einem sardischen Agriturismo!
Ich hatte mir zuvor verschiedene Anbieter herausgepickt. Da die Saison allerdings schon vorbei war, hatten viele Agriturismi bereits geschlossen. Anders das 25 Km entfernte Rifugio Gorropu, wo wir zuvor mithilfe unseres Vermieters einen Termin reserviert hatten. Als wir das Agriturismo an diesem Abend erreichen, ist es bereits dunkel. Neugierige Katzen begrüßen uns auf dem Parkplatz, während aus der Küche fröhliches Geplapper und Gesang zu hören sind. Wir werden von einer Mitarbeiterin in Empfang genommen und zu unserem Tisch geführt. Dieser ist schon liebevoll mit einem Krug Wasser, einem Tonbecher mit Rotwein und einem Korb mit sardischem Brot gedeckt. Begeistert setze ich mich und freue mich auf den Abend.
Ehe die verschiedenen Speisen an den Tisch gebracht werden, wird uns das gesamte Menü auf Englisch erklärt. Zu den Vorspeisen zählen Oliven, ein Schälchen selbst hergestellter Ricotta, frisch gebackenes Brot, Focaccia, eingelegtes Gemüse, Salami, Schinken, und– da ich kein Fleisch esse – für mich ein separater Teller mit eingelegtem Gemüse. Der erste Gang besteht aus selbstgemachten, mit Käse gefüllten Ravioli al Ragù. Für mich gibt es das Gleiche, bloß mit Tomaten- statt Fleischsoße. Danach sind wir schon gut gesättigt. Aber es folgen noch Culurgiones als Appetizer. Das sind selbstgemachte Teigtaschen, gefüllt mit sechs Sorten Käse, Kartoffeln und etwas Minze. Serviert werden sie mit einer fruchtigen Tomatensoße. Danach folgen als zweiter Gang einige Stücke Spanferkel mit Rosmarinkartoffeln. Für mich gibt es stattdessen einen Teller mit verschiedenen, lokalen Käsesorten. Zum Schluss können wir noch aus mehreren Desserts wählen. Ich entscheide mich für Pannacotta, mein Freund hingegen bekommt nichts mehr runter.
Für das Menü zahlt man inklusive der Getränke 35,00 Euro pro Person. Mir werden wegen dem Verzicht auf die Fleischgerichte sogar noch 5,00 Euro erlassen. Es ist nicht nur das leckere Essen, was mich hier beeindruckt hat. Man fühlt sich einfach richtig wohl! Dank der gemütlichen Atmosphäre wirkt es, als säße man in einem großen, urigen Wohnzimmer. Vollgefressen und zufrieden falle ich an diesem Abend in mein Bett.
Traumstrand Berchida
Der letzte Urlaubstag stand schneller vor der Tür, als mir lieb war. Was macht man an seinem letzten Tag auf der schönen Insel? Diese Frage stellt sich uns erst gar nicht, als wir an diesem Morgen aufwachen. Zu schön war es, vor ein paar Tagen die Freiheit auf dem Meer zu genießen! Und so steht relativ schnell fest: Wir fahren noch einmal nach Cala Gonone, um von dort aus mit dem Motorboot über die Wellen zu reiten. Schließlich fehlt noch ein Badestopp an der Cala Mariolu!
Als wir den Hafen von Cala Gonone erreichen, steuern wir erneut den Anbieter CieloMar an. Mittlerweile kennen wir uns ja schon etwas aus und so dauert es nicht lange, bis wir in unserem gemieteten Boot sitzen. Begleitet von strahlend blauem Himmel und Sonnenschein schippern wir langsam aus dem Hafen von Cala Gonone und fahren ein zweites Mal die Küste des Golfs von Orosei entlang. Die Cala Mariolu ist der letzte Punkt, der noch unabgehakt auf meiner To-See-Liste steht, sodass wir diesen Strand direkt ansteuern.
Die vor dem Strand gelagerten weißen Felsen lassen schon vermuten, dass man hier eine faszinierende Unterwasserwelt vorfindet. Ein Blick durch die Taucherbrille offenbart dann schließlich die bunte Vielfalt. Es gibt hier so viele verschiedene Fischarten unter Wasser zu entdecken! Auch der Blick auf die weißen Felsen im türkisgrünen Wasser ist überwältigend. Es sieht hier aus wie in der Karibik!
Der Strand besteht allerdings nicht aus Sand, sondern aus Kies. Ich ärgere mich, dass ich meinen Schnorchel in der Ferienwohnung liegen lassen habe und deshalb immer nur einen kurzen Augenblick abtauchen kann. Als ich mich anschließend etwas am Strand ausruhe, beobachte ich ein paar mutige Kletterer, die ein Stück weiter von den schroffen Felsklippen in das glasklare Wasser springen.
Cala Mariolu
Ich blinzle in die Sonne. Statt im Hier und Jetzt glücklich zu sein, bin ich jetzt schon traurig, dass es morgen wieder zurück in unsere Heimat geht. Ich schaffe es schließlich, diese Gedanken zu verdrängen und mir bis zum Abend noch eine schöne Zeit am Strand zu verschaffen. Als wir am späten Nachmittag schließlich aufbrechen und ich ins Boot klettere, muss ich mich allerdings beherrschen, nicht loszuheulen. Zurück in der Unterkunft packe ich schließlich schon mal meinen Koffer und versuche mich damit zu beruhigen, dass ich ja jederzeit wiederkommen kann.
Der Wecker klingelt am nächsten Morgen. Ich habe schlechte Laune und das einzige, worauf ich mich an diesem Tag freue, sind zwei Katzenkitten einer Tierschutzorganisation, für die ich eine Flugpatenschaft übernommen habe. Mit den beiden Miezen an Bord fliegen wir einige Stunden später ins nasskalte Deutschland zurück. Wie schon 2 Jahre zuvor kämpfe ich im Flugzeug mit den Tränen und verspreche, wiederzukommen.
Während ich nun diese Zeilen schreibe, bin ich schon wieder hoffnungslos im Fernweh versunken und plane ein Wiedersehen im kommenden September.
Die Ursprünglichkeit, die atemberaubende Natur, die Ruhe, die herlichen und gastfreundlichen Einwohner und das Meer … Auf Sardinien gibt es keine Bausünden. Die Hilfsbereitschaft und die unglaubliche Freude der Sarden über ein paar Brocken italienisch, und sei es nur in der Eisdiele, lässt mein Herz einfach immer wieder höher schlagen.
Gerade die älteren Herrschaften, die auf der Piazza noch immer eine bella figura machen, sowie die alten Mütterchen, die über den Markt schlendern und dort Zutaten für das geschätze Abendessen suchen, gehören für mich einfach zu dem italienischen Lebensgefühl dazu. Einfach alles und jeder auf Sardinien hat mir bisher das Gefühl gegeben, hier willkommen zu sein.
Ob es bei der ganzen Schwärmerei auch etwas gibt, das mir nicht gefallen hat? Ja, definitiv. Und zwar, dass auch dieser Urlaub so schnell vorbeigegangen ist! 😉
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