Im Prinzip kannst du mit der Gallura nichts falsch machen. Außer zu glauben, dass ihre Küsten alles sind. Das ist der Kapitalfehler, der geschätzten 90 (95?) Prozent aller Urlauber zwischen Palau und Olbia unterläuft. Denn die Schönheit dieses Landstrichs erschließt sich erst vollständig im Hinterland. Und eigentlich auch eher im Frühling und nicht im Sommer.

Hier ein paar galluresische Highlights abseits der touristischen Rennstrecken und -zeiten:

Arzachena – der Nabel der Costa

Arzachena ist quasi der Verwaltungssitz der Costa Smeralda. Das sieht man dem Ort ein bisschen an – beim Durchfahren wirkt er schmucklos. Aber gib ihm eine Chance! Im Zentrum findest du die farbenfrohen Treppenstufen an der Kirche Santa Lucia: Die Idee für »L’Arazzo di Santa Lucia« hatte Roberto Columbano, realisiert wurde die Holzmalerei von der Künstlerin Claudia Filigheddu. Dann ist da noch das angeblich kleinste völkerkundliche Museum über Arzachenas Geschichte in einem Raum in der Straße auf dem Weg zu dieser Kirche. Und der Fels il Fungo / der Pilz – wegen seiner Form so genannt.

L’Arazzo di Santa Lucia: Idee Roberto Columbano, Realisierung Claudia Filigheddu

L’Arazzo di Santa Lucia: Idee Roberto Columbano, Realisierung Claudia Filigheddu

Auf der zentralen Piazza kann beim Vino in der Sonne von Live-Übertragungen der Fussball-WM bis zum Etappenstopp der Rallye Smeralda auch alles passieren. Wenn du mit Menschen ins Gespräch kommst, erzählen sie dir, wie das Leben damals war, bevor der Tourismus kam: Es gab an den Küsten quasi nichts und im Hinterland Ackerbau und Viehhaltung. Man hatte wenig und war zufrieden.

Am Ortsausgang Richtung Olbia wartet der Nuraghe Albucciu auf dich. Noch interessanter fand das Schaf die kurze Wanderung (ca. 1 Kilometer) zu dem kleinen Tempel / tempietto Malchittu (auch wenn es die im Regen absolvierte), der in ein Tal zwischen Felsen eingebettet liegt. Zurück an der Landstraße steht in einer sehr engen Kurve die alte Wassermühle Vecchio Mulino – sie ist wirklich hübsch und keine Sau stört die „illegale“ Erkundung der Ruine – mangels Zugang und Wegen etwas abenteuerlich.

Mitten im Tal zwischen Felsen und Steineichen: Tempietto Malchittu

Mitten im Tal zwischen Felsen und Steineichen: Tempietto Malchittu

Arzachena ist eine sichere Bank in der Nicht- und Nebensaison. Supermärkte für Selbstversorger gibt es einige, dazu die ein oder andere Pasticceria, Mitnahmepizza und Schlachtereien, Bank und Post. Alles da. Das Hotel Citti am Ortsausgang ist von außen nicht schön, aber innen sauber, die Leute sind freundlich und – man hat ganzjährig geöffnet. Auch Futter findest du: Das Ristorante Pizzeria Il Vecchio Mulino am Ortsausgang sowie eine Spaghetteria an der Hauptstraße Viale Costa Smeralda sowie das Ristorante Il Fungo sind bis auf wenige Wochen im gesamten Jahr da.

Vigne Surrau - traumhaft an einem diesigen Frühlingsmorgen

Vigne Surrau – traumhaft an einem diesigen Frühlingsmorgen

Gleiches gilt für das Weingut Vigne Surrau – dort im Winter eine Kunstausstellung zu besuchen oder ein Glas Wein auf der Veranda unterm Heizpilz zu trinken, das hat was.

Zwischen Arzachena und Sant’Antonio di Gallura

Fährst du von Arzachena Richtung Sant’Antonio di Gallura, wirst du per Schild zum Nuraghen Prisgiona und zu den Gigantengräbern Coddu Ecchju und Li Lolghi gelockt. Alle drei lohnen einen Besuch, alle drei sind aber auch in der Saison gut besucht. Entspannte Archäologie aber im Frühling. Erwischst du einen grauen Tag, haben gerade die Gräber etwas Mystisches. Bei Sonne sieh den Eidechsen zu, wie sie über die Steine trappeln. Coddu Ecchju und La Prisgiona sind auch Ziel von Kreuzfahrttouristen und für jedes gute Gallura-Touri-Programm empfohlen. Rechne also gerade an Wochenenden und bei gutem Wetter mit etwas mehr Besuch. Der Trick ist wieder einmal: die Randzeiten des Tages und natürlich die Nebensaison nutzen.

Nuraghe La Prisgiona, Arzachena (OT)

Nuraghe La Prisgiona, Arzachena (OT)

Oder ein gutes Stück weiter fahren, zur Alternative:

Alternative: Gigantengrab Pascareddha bei Calangianus

Ein gutes Stück Fahrt durchs Hinterland steht dir bevor, aber da schickt dich das Schaf ja heute eh hin. Das Felsengrab zwischen Wiesen und Korkeichenwäldern steht in so ziemlich gar keinem Reiseführer (nicht mal unserem eigenen) – und das ist auch fein so. Denn was es ausmacht, ist sein einsamer Zauber, die Ungestörtheit und im Frühling vor allem die vielen kleinen Orchideen, die ringsherum wachsen. Dazu der Geruch von wildem Knoblauch und den zarten Blüten der Bäume, die die gut erhaltene Grabanlage aus der Bronzezeit umgeben. An einem sonnigen Frühlingstag oder gar im Sommer (dann ohne die Orchideen aber mit dem Schatten der Bäume) ein ausgesprochen idyllischer Picknickplatz.

Gigantengrab Sa Pischareddha bei Calangianus

Gigantengrab Sa Pischareddha bei Calangianus

Von oben gesehen haben Gigantengräber in den meisten Fällen die Form eines Stierkopfes – ein Hinweis auf den von der frühen Bevölkerung verehrten Stiergott / Dio Toro und die religiöse Bedeutung des Ortes. Die leicht bogenförmig angeordneten Steine der Front stellen die Hörner dar, der nach hinten laufende Gang der Grabkammer ist der Kopf.

Gigantengrab von oben: Form eines Stierkopfes

Gigantengrab von oben: Form eines Stierkopfes

Hier müsste man auf einen der hohen Bäume klettern oder eine Drohne bemühen, und auch dann wäre die Form nur zu erahnen, da der hintere Teil von Erde bedeckt ist. Auch der Name des sich in der Nähe erhebenden Monte di Deu / Götterberg weist auf eine Kultstätte hin.

Die Anfahrt ist einfach: An der Landstraße SS 127 Tempio – Calangianus folge gegenüber vom Abzweig nach Nuchis (ein sehr hübsches kleines Dorf) dem Hinweisschild nach rechts. Noch kurz über die Bahnlinie und bis zum großen Parkplatz fahren, das Auto abstellen (keine Parkmöglichkeiten weiter innen) und den Schildern folgen. Mit dem Bike kommst du noch weiter, nach etwa 500 Metern kommt der Wanderweg nach rechts, dem folgst du für ca. 800 Meter, überquerst auf einer Holzbrücke noch den Fluss Badu Mela (im Sommer oft trocken) und bist da. Lage / Koordinaten siehe Karte rechts oben.

Burgen und tausendjährige Olivenbäume

In Richtung Arzachena Sant’Antonio di Gallura findest du den Stausee / Diga di Liscia an dem die Olivastri Millenari, einige der ältesten Olivenbäume der Insel wachsen. Von Ostern bis Oktober fährt auch der Trenino Verde an den See (auf der Strecke Palau – Tempio, www.treninoverde.com), und wenn der See ausreichend Wasser führt, gibt es sogar eine Bootstour. Beides etwas touristisch, aber in der frühen Saison durchaus gut machbar.

Olivastri-Millenari

Olivastri-Millenari

Die Steineichenwälder der Region wären ganz hübsch für einen kleinen Trek, allerdings sind die meisten Wälder Privatgelände. Um dort zu laufen, musst du Zäune überwinden – was in vielen Fällen geduldet ist. Manchmal musst du dir deinen Weg aber auch mit dort weidenden Kühen teilen.

Das schwarze Schaf fährt zurück in Richtung Sant’Antonio di Gallura, dort gibt es ein Glas Wein auf der Piazza, die Sonne kommt gerade heraus. Weiter Richtung Arzachena biegt es auf die Straße nach Luogosanto. Dort findest du zwei Burgen aus der sardischen Richterzeit, Castello Baldu und Castello Balaiana. Gegenüber von letzterem das Weingut Mancini (Degustationstermine auf www.vignetipieromancini.it, in der Nebensaison nach telefonischer Voranmeldung).

Das Castello in seiner ganzen Pracht!

Das Castello Balaiana in seiner ganzen Pracht

Trekking im Hinterland

Das schwarze Schaf hat den Sonne-Wolken-Mix am Frühlingsvormittag mit Sightseeing verbracht und hat jetzt Lust, sich etwas zu bewegen. Die dicken grauen Wolken machen ihm überhaupt nichts aus – denn sie lassen immer wieder die Sonne durch, was für eine Wanderung durchaus angenehm ist.

Schotterstraße nach San Giacomo als Trekkingpfad

Schotterstraße nach San Giacomo als Trekkingpfad

Von der Landstraße nimmt es den Abzweig in Richtung des Agriturismo Kustera (in einem typischen galluresischen Stazzu untergebracht, sehr empfehlenswert, www.agriturismolakustera.com) in der Località La Crucitta. Sehr sehr gut in einem rustikal-schicken und idyllisch gelegenen Anwesen isst du im Jaddhu Resort, es ist an der Landstraße ausgeschildert – aber leider nur im Saisonbetrieb, in der Nebensaison ist geschlossen.

Aber – das Abendessen will eh erstmal verdient sein.

Der Pfad beginnt in einem Tal, bei einer Reihe hoher Bäume unter denen du parken kannst. Er ist eigentlich eine Schotterstraße, die auch für Rallyefahrten und von Cross-Bikern genutzt wird, also achte ein wenig auf Motorengeräusche. An diesem Wochenende ist niemand auf dem Pfad, außer ein paar Schildkröten / tartarughe. Die Straße teilt sich nach kurzer Zeit – der schönere Weg ist der bergauf nach links. Vorbei an Felsen, Wiesen und Büschen ist der Pfad sehr leicht und endet zum Beispiel bei der Landkirche San Giacomo.

Gemeinsame Wanderung mit Schildkröte

Gemeinsame Wanderung mit Schildkröte

Mit dem Mountainbike ist die Gegend perfekt als Rundtour über die Landstraße oder Nebenstraßen fahrbar (hier eine Idee auf bikemap.net).

Ob zu Fuß oder per Bike – das Hinterland von Arzachena bis Sant’Antonio ist ein Träumchen mit vielen schönen Ausblicken über die galluresische Busch- und Felslandschaft.

Weitere Tipps für deinen Urlaub

Die Gallura ist für einen längeren Aktivurlaub oder Mehrfach-Ausflüge ins Hinterland absolut geeignet. Denn über Luras, Luogosanto, Nuchis, Bassacutena, San Pasquale und die vielen anderen kleinen Siedlungen haben wir ja noch gar nicht gesprochen!

Für einen gelungenen Urlaub in der Gallura empfehlen wir dir auch gern unsere Freunde:

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