Die Grotten auf Sardinien sind im Sommer ja mein Top-Tipp. Konstante 14-16 Grad wie im Fall der Grotta del Fico sind durchaus ein veritables Temperaturgefälle, wenn draußen 35 Grad und mehr sind. Aber das ist gar nicht das Spektakuläre, von dem ich hier reden will. Frischsein können andere Grotten auf Sardinien auch.

Was die Grotta del Fico im Supramonte marino einzigartig macht? Lage, Lage, Lage!

Sie liegt zwischen zwei der schönsten Buchten im Supramonte di Baunei: Cala Mariolu (Ispuligidenie) und Cala Biriala. Und ihr Eingang liegt auf gut 14 Meter über dem Meeresspiegel – mitten in der Felswand.

Die Grotta del Fico und ihr Eingang, 14 Meter über dem Meeresspiegel

Heutzutage mit Holzsteg und -treppe zugänglich gemacht, damit Ausflugsboote und Dinghys anlanden können. Bei viel Seegang klappt das trotzdem nicht immer – manchmal werden Touren bei zu abenteuerlichen Bedingungen auch abgesagt.

Aber es ist in jedem Fall – sogar bei Schönwetter – ziemlich spannend und absolut ein Highlight in jedem Sardinien-Urlaub. Ich war jetzt viermal dort und dreimal drinnen und bin jedes Mal geflasht.

Wer die Grotte besuchen will, muss also flexibel und seefest sein. Nicht zimperlich und zu einem beherzten Sprung vom wackligen Boot auf den festen Steg fähig. Natürlich helfen die Leute auch.

Grotta del Fico: Die Entdeckung und der Tourismus

Der schwierige Zugang hat die Grotte auch sehr lang vor menschlichem Einfluss bewahrt. Und ist auch ein Grund, warum sie erst relativ spät für den Tourismus erschlossen wurde. Erst in den frühen 2000ern wurde sie mit beleuchteten Stegen begehbar gemacht und 2003 geöffnet.

Die Feigenbaum-Grotte über dem Meer

Zuvor konnten Seeleute und Fischer zwar ein schwarzes Loch in der Felswand ausmachen, neben diesem einen riesigen Feigenbaum – daher der Name, Grotta del Fico (Feigenbaumgrotte). Aber niemand von ihnen hatte Interesse, zu erkunden, ob und was dort verborgen wäre. Zu unsicher und quasi unmöglich, anzulanden und hinaufzuklettern.

Der erste, der die Grotta del Fico betrat und erkundete, war darum auch kein Seefahrer – sondern ein Ziegenhirte aus Baunei, Ziu Antioglu Morette. Er hütete seine Ziegen in diesem abgelegenen Teil des Supramonte, kannte jedes Tal, jeden Baum, jeden Felsen.

Und er war einigermaßen geschickt im Fels. Jeder Bergsteiger würde den Hut vor ihm ziehen, wie er ohne Ausrüstung, quasi wie eine seiner Ziegen, durch die steilen Wände kletterte. Man sagt, aus reiner Neugier – eine Eigenschaft, für die Hirten nicht unbedingt berühmt sind, Ziu Antioglu aber schon.

Die Grotta del Fico im Eingangsbereich

Ich kann mir ja vorstellen, dass er die Feigen pflücken wollte, die an dem großen Feigenbaum am Eingang der Grotte hingen. Immerhin ist Nahrung im Supramonte relativ schwer zu finden.

Den Baum gibt es übrigens nicht mehr: Er fiel einem starken Wintersturm zum Opfer – einige sagen, wegen des immensen Seegangs, andere meinen, als Folge eines Bergrutsches. Ich konnte das leider auch bei der Tour nicht verifizieren. Nur noch einige Teile des Wurzelwerks auf einem Felsvorsprung sind von ihm geblieben.

Eines Tages also gelang Ziu Antioglu der Abstieg zum Rand einer Klippe und er entdeckte das große schwarze Loch mitten in der Felswand. Von seiner Neugier angetrieben, wollte er es unbedingt erreichen, nahm einige Wacholderzweige, zündete diese an und leuchtete in die Felsöffnung.

Eine riesige Grotte tat sich vor ihm auf.

Das Innere der Feigenbaum-Grotte

In ihrem Inneren ist die Grotta del Fico sehr variantenreich – der erforschte Teil ist 1.800 Meter weit, der begehbare Teil führt durch verschiedene Säle, von denen einer in der Vertikalen über zwei Ebenen 70 Meter erreicht.

Grotta del Fico: weitläufig und vielseitig
Grotta del Fico: weitläufig und vielseitig

Nach ihm waren die ersten, die die Grotte erkundeten, professionelle Höhlenforscher. 1957 kamen die ersten, 1972 die nächsten.

Plan der Grotta del Fico
Plan der Grotta del Fico
Irre – die schiere Größe der Grotte fasziniert mich immer wieder

Wieder einmal komme ich mir inmitten der puren Natur auf Sardinien sehr, sehr klein und unbedeutend vor. Ein gutes und wärmendes Gefühl, trotz der kühlen Temperaturen.

Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Die Grotta del Fico ist wild-verwachsen
Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Die Grotta del Fico ist wild-verwachsen

Auf den eingebauten Stegen gehen wir einen großen Teil entlang eines versteinerten Flussbettes mit diversen Wasserfällchen.

Ein kleiner See in der Grotta del Fico
Ein kleiner See in der Grotta del Fico

Die kleinen Seen, Bäche und Teiche, die sich bilden, sind unfassbar hübsch.

Wie eigene kleine Traumlandschaften …
Ein Stalagmit-Wasserfall
Ein Stalagmit-Wasserfall

Immer wieder neue Ausblicke und Einblicke …

Wunderbare Aus- und Einblicke

Hier und da glitzert es, die Spiegelungen sind bizarr und wie aus einer anderen Welt. Und das ist gar nicht so verkehrt gesagt.

Im Gegensatz zu anderen Grotten, in denen Stalagmiten und Stalagtiten klar umrissen und sauber definiert scheinen, ähnelt die Grotta del Fico eher einem Gewächs.

Bizarre Gebilde …

Es scheint, als würde sie wie eine Pflanze wachsen, wild und ungeordnet – manche Gebilde wirken fast wie Korallen …

Das scheint in Perfektion in einem nicht zugänglichen Bereich der Grotte, der Gallerie delle eccentriche, zu geschehen, von der ein Foto ausgestellt ist. In dieser sind tatsächlich über die ewig langen Zeiten geradezu exzentrische Gebilde entstanden.

Società Speleologica Baunese
Foto Gallerie delle eccentriche, Copyright Società Speleologica Baunese

Synapsen kommen mir in den Sinn, als ich das Foto betrachte. Man stelle sich das Erstaunen der Höhlenforscher vor, die diesen Abschnitt zum ersten Mal sahen.

Grottenbedingungen: eine spezielle See-Berg-Atmosphäre

Das mag an den besonderen atmosphärischen Bedingungen direkt am Meer liegen. Es geht hier deutlich wilder zu als in einer geschützten Grotte an Land. Salzluft und Salzwasser tragen ihren Teil zum wirren und manchmal nicht ganz real scheinenden Wachstum bei.

Theorien über die Entstehung der Höhle gehen davon aus, dass gerade die Vermischung von Meer- und Süßwasser auch die grundlegende Karst-Erosion ausgelöst hat und die Grotte durch Einstürze in Form brachte.

Die Grotta del Fico – lebendige Karsthöhle im Supramonte
Die Grotta del Fico – lebendige Karsthöhle im Supramonte

Seither findet der übliche Prozess einer Karsthöhle (eine Form der Tropfsteinhöhle – der Begriff scheint in Fachkreisen allerdings eher ungebräuchlich) statt: Vom und im Wasser gelöste Mineralien (z. B. Kalk) lagern sich ab und bilden neue Formen.

Kleiner Exkurs gefällig, falls die Kinder fragen? 😉

  • Tropfsteine, die von der Höhlendecke in Richtung Boden wachsen, werden Stalaktiten genannt.
  • Die vom Boden nach oben wachsenden bezeichnet man als Stalagmiten.
  • Verbinden sich beide, spricht man von einem Stalagnaten
  • Quelle: Wikipedia, Stichwort Tropfsteinhöhle

Hier ein Merksatz für Kinder: Stalagmiten sind müde – darum sitzen sie unten auf der Erde. Etwas eingängiger der für Erwachsene: Die Mi(e)ten steigen und die Tit(t)en hängen irgendwann … ups.

Ein sehr schöner Stalag … mit, genau!

Hauptmerkmal solcher Grotten wie der Grotta del Fico ist der überwiegend unterirdische Wasserhaushalt, der für eine Korrosion des Gesteins gesorgt hat – die Verkarstung. Das ist quasi Supramonte pur. Und zwar schon seit sehr, sehr langer Zeit.

Grotta del Fico: ein Blick in die Vergangenheit

Ja, wir gucken quasi in die Vergangenheit. Und zwar sehr, sehr weit zurück. Der Supramonte besteht aus Dolomit- und Kalkgestein aus dem jüngeren bis mittleren Mesozoikum und Jura, also vor rund 70 bis 150 Millionen Jahren.

Die Grotta del Fico ist noch relativ jung, etwa 800.000 Jahre alt. Der Prozess aus Verkalkung und Versteinerung ist auch heute noch in Gang und die Grotte lebt und verändert sich. Doch, wie in Grotten so üblich, extrem langsam.

Und darum ist die Grotta del Fico so, wie sie heute ist, wohl auch schon zu Beginn gewesen. Faszinierend, das erleben zu dürfen.

Der Supramonte als Karstgebirge ist übrigens reich an Höhlen, und einige der großen Höhlen sowie Quellen sind sogar miteinander verbunden – wie etwa die berühmte Grotte del Bue Marino, die sich weit ins Landesinnere zieht, dann die Grotte Su Palu auf dem Weg von Teletotes zur Cala Luna, eine Grotte bei Urzulei, deren unterirdische Wasserläufe bis zur 18 Kilometer entfernten Quelle Su Gologone reichen, sowie die Grotten Su Bentu e Sa Oche im Supramonte di Oliena.

Die Mönchsrobbe und ihr Refugium in der Grotta del Fico

Die erste Gruppe an Höhlenforschern und Speleologen, die die Grotta del Fico ausgiebig erkundete, stießen nach dem ersten Haupttunnel auf einen Art Brunnen oder Schacht, an dessen Grund sich Wasser befand. Sie seilten sich ab und beschrieben dies so:

„In der angespannten Stille, die nur durch das leichte Schlurfen der Männer gestört wurde, die an den Seilen hängen und sich mit den Füßen an der glitschigen Wand des Brunnens abstützen, ertönte plötzlich ein donnerndes Rauschen, ein aufgeregtes Keuchen und einige bizarre Schreie. Die bis dahin ruhige und träge Wasserfläche wird von rasenden Körpern erschüttert, die schnaufend ein- und austauchten.“

Einst war die Grotta del Fico ihr Zuhause, in dem sie ihre Jungen bekam und aufzog: die Mönchsrobbe, foca monaca

Sie hatten unversehens einige Exemplare der Mönchsrobbe gestört, die eigentlich schon lang nicht mehr vor Sardinien gesehen worden war.

Die Tiere hatten über einen unterseeischen Siphon in die Grotte gefunden. Die Höhlenforscher fanden die Verbindung etwa sieben Meter unter dem Meeresspiegel – und nicht weit entfernt vom Eingang im Fels oberhalb.

Die Mönchsrobbe gilt als extrem scheu. Sie flohen zuerst vor Jägern, dann vor dem einsetzenden Tourismus. Die letzten Sichtung mehrerer dieser wunderbaren Säugetiere im Golfo di Orosei war in den 1980er Jahren.

Die Mittelmeer-Mönchsrobben (Monachus monachus) gehören zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Säugetierarten Europas. Ihre Population umfasst nur noch rund 600 bis 700 Individuen (Quelle: Stiftung Meeresschutz).

Auch, wenn einzelne Exemplare in neuerer Zeit (z. B. 2020, als wegen der Pandemie auch der Schiffsverkehr aussetzte) wieder vor der Küste auftauchten, war das nur eine bedingt gute Nachricht: Man nimmt an, dass sie wegen der zunehmenden Verschmutzung des Mittelmeers, der Verstädterung der Küsten, Verkehr von Fähren, Handels- und Freizeitschiffen etc. pp. irritiert sind und erneut nach Refugien suchen.

Sardiniens Grotten könnten in den Herbst- und Wintermonaten dazu tatsächlich geeignet sein. Wäre schön, wenn die Tiere zurückkehrten – und wir sie dann in Ruhe ließen.

Anreise: per Boot oder (anspruchsvollem) Trekking / Abseilen

Der Vollständigkeit für Convenience-Urlauber dazu gesagt – die aufmerksamen Leser dürften es schon erfasst haben: Nein, es gibt keine Straße, keinen Parkplatz, keinen wirklich bequemen Weg. Aber vielleicht nicht doch … Nein, vergiss es!

Hier die möglichen Wege, die Grotte zu erreichen:

Die Grotte ist von Ostern bis Oktober wetterabhängig (vorher anfragen) täglich für ein paar Stunden geöffnet. Im Winter darf sie sich vom Sommerhalbjahr erholen. Ab und zu gibt es außerhalb der Saison spezielle organisierte Touren. Gruppen im ganzen Jahr auf Anfrage (auch wegen der Bereitstellung der Audioguides in den Fremdsprachen).

Infos zur Grotte, Tickets und Öffnungszeigen: https://www.grottadelfico.it

Empfehlung Tourguide: Ich empfehle gern Explorando Supramonte, die die Grotte als eine der ersten erschlossen haben und auch die Führungen in der Grotte organisieren. Ihr Boot startet ab Santa Maria Navarrese. Auf Wunsch wird auch das Trekking inkl. Kletterabschnitten organisiert.

Kontaktdaten: https://www.trekkingbaunei.it/it/contatti/ (Empfehlung aus eigenem Antrieb und guter, persönlicher Erfahrung, ich werde nicht dafür bezahlt)

Weitere Impressionen

2 Comments

  1. Roberto

    29. Juli 2023 at 14:24

    liebe pecora nera – i finde es toll wie du sardinien bekannt machst. dieser beitrag von der grotta del fico
    -> super (alle anderen natürlich auch – vor allem die vom supramonte 😉 ..) . das wäre es schon (einfach ein kompliment machen – von einem ausland-sarde der die gegend „dort“ auch etwas kennt. salutos

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  2. ANJA HERRMANN

    2. August 2023 at 17:10

    Liebe pecora nera,
    vielen Dank für deinen Bericht über die Feigenbaum Grotte. Wird sicher eines unserer nächsten Ausflugsziele auf Sardinien sein
    Wir sind große Fans der Insel und haben seit einem Jahr ein kleines Ferienhaus in Torpè. Besuch uns mal, wenn du in der Nähe bist.
    Anja und Markus

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