Meilogu und Logudoro im Nordwesten Sardiniens gehören zu den weniger bekannten Regionen Sardiniens. Bonorva, Giave, Mores, Thiesi … Orte, die allesamt nur wenigen, wiederkehrenden Reisenden ein Begriff sind. Dabei ist die Region sonnenverwöhnt und ein wahres Meer an kulturellen und archäologischen Eindrücken.

Im Frühling blüht es zudem überall, im Sommer dominiert das Gold der reifen Felder und der trockenen Ebenen. Im Herbst und Winter färbt der Regen den Boden wieder grün und die vielen Schafe fühlen sich hier superwohl. Kein Wunder, dass sich die ersten Menschen auf Sardinien ausgerechnet hier dauerhaft niedergelassen haben.

„Land aus Gold“

Logudoro-Meilogu ist der Name der antiken Region. Die Worte bedeuten „luogo d’oro – Ort aus Gold“ oder auch „luogo di mezzo – Ort des halben Tages“ und beziehen sich auf die heiße Mittagssonne, die das Land stets im Übermaß verwöhnt.

Blumenwiese neben Pinnetta, einer alten Schäferhütte

Die Region beherbergt einige wertvolle frühzeitliche Sehenswürdigkeiten, Kunstschätze und Naturschönheiten. Und mit Alghero und Sassari stehen in den angrenzenden Regionen nach kaum einer Stunde Fahrt zwei der lebhaftesten Städte der Insel bereit, um bei Bedarf schnell wieder in der Gegenwart anzukommen.

Die Region lebt von der Landwirtschaft, unzählige Schafherden beweiden das hügelarme Land. Wie gesagt gehört das Meilogu zu den am frühesten besiedeltsten Gegenden der Insel, Menschen hatten hier ausreichend fruchtbares Land und damit Nahrung zur Verfügung.

Das Tal der Nuraghen

Das Tal ist eigentlich eine Hochebene vulkanischen Ursprungs und liegt westlich und östlich der Staatsstraße 131 (Sassari – Cagliari) in etwa zwischen den Ortschaften Torralba und Bonorva.

Die Gipfel sind niedrig, sowohl der Monte Santu, der Monte Pelau und Monte Traessu sind als ehemalige Vulkane nicht höher als 700 Meter, die Hänge sind fruchtbare Böden. Der Monte Annaru steht als „monumento naturale crateri vulcanici del Meilogu“ seit 1994 unter Naturschutz.

Valle dei Nuraghi

In diesem Tal finden sich gut 30 Nuraghen, zum Teil allerdings gut versteckt oder verwunschen bewachsen, so dass sie nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Andere aber sind sehr beeindruckend und leicht zu besichtigen.

Nuraghe Santu Antine und Nuraghe Oes

Einer der am besten erhaltenen Nuraghen der Insel befindet sich hier: Santu Antine ist sicher die Hauptattraktion der Region.

Nuraghe Santu Antine bei Bono

Auch bekannt als „reggia nuragica“, also die Königin der Nuraghen, ist sie einer der bedeutendsten und elegantesten Nuraghen der Insel. Der Name wird auch als „Haus des Königs“ gedeutet, hier soll einst ein bedeutender Häuptling eines frühzeitlichen Stammes sein Domizil gehabt haben.

Warum aber immer die Top-Sehenswürdigkeit ansteuern? Egal, ob man Santu Antine besichtigt oder nicht, es lohnt sich ein Stückchen weiter zu fahren und den Luftlinie etwa 800 m weiter nordöstlich liegenden Nuraghe Oes anzusteuern.

Nuraghe Oes di Giave

Der Fußweg zu Oes führt von einem neu angelegten Parkplatz an einer Mauer entlang; der Nuraghe selbst ist unbefestigt (im Gegensatz zu Santu Antine). Aus kleineren und gleichmäßigeren Steinen als üblich gebaut, macht Oes einen sehr ordentlichen Eindruck. Eigenartig und wild wirkt er aber doch – vielleicht wegen seiner dunklen Farbe und seiner Verschlossenheit: Er ist so bewachsen, dass sein Inneres dem Besucher fast verborgen bleibt.

Der Hauptturm dominiert die Szene, etwas verborgen liegen umliegend die Reste von drei weiteren Türmen. Er besteht aus einem Untergeschoss und einem oberen Stockwerk, das aus Holz arrangiert wurde – ein Hinweis auf das geradezu jugendliche Alter des Nuraghen.

Eine fantastische Ruhe geht von Oes aus, die Umgebung ist menschenleer. Sich eine Zeit ganz allein an seinen Wänden zu sonnen oder in seinem Schatten der Mittagssonne zu entfliehen, sorgt für Entspannung und Entschleunigung pur. Bis – huch! – ein Zug direkt an Oes vorbeifährt. Die Schienen liegen wohl doch nicht still … tatsächlich ist in der Nähe einer der Knotenpunkte der Insel, wenn man sich mit der Bahn fortbewegen möchte.

Unerwartet: Zugverkehr bei Oes

Zusammen mit drei weiteren Nuraghen in der Region sollen Oes und Santu Antine das Sternbild der Plejaden abbilden. Um dieses Kuriosum ranken sich mehrere Theorien: Reiner Zufall, außerirdischer Einfluss oder vielleicht waren die Steinzeit-Nuraghier gar nicht primitiv sondern hatten hoch entwickeltes, mathematisches Wissen? Man grübelt (und streitet) noch.

Domus de Janas („Feenhäuser“)

Im Meilogu gibt es neben den Nuraghen auch viele Domus de Janas / Feenhäuser (Grabkammern, die in die Felsen geschlagen sind) und weitere frühzeitliche Stätten, die teils bis ca. 6.000 Jahre vor Christus zurück datieren. In der Grotte Bonu Ighinu bei Mara fand man die ältesten Spuren menschlicher Besiedelung auf Sardinien. Die nach ihr benannte nuragische Kultur war bereits um 4.000 v. Chr. sehr weit entwickelt.

Domus de Janas hinter einer Viehweide, mit modernen Anbauten

Immer wieder fallen auch am Straßenrand Höhlen im Stein auf, die wie Augen über die Landschaft wachen.

Die Nekropole Sant’Andria Priu bei Bonorva, ca. 50 km südlich von Sassari, ist eine der größten und schönsten – und am besten erhaltene (detaillierte Beschreibung auf Wikipedia).

Das Schönste an Sant’Andria: Der Blick von oben über die Umgebung. An die Überreste einer riesigen Skulptur zur Verehrung des Stiergottes („dio toro“) gelehnt, erschließt sich der Frieden dieses Ortes. Schafe blöken, die Sonne bescheint die Hänge, sogar mitten im Sommer scheint die Natur noch fruchtbar.

Ein Stiergott aus Granit bei Sant’Andria Priu

Die Höhlengräber werden auch als „ewige Wohnungen“ bezeichnet, den Tod nahmen die Menschen als langen Schlaf wahr – der Mensch lebte in irgendeiner Form weiter. Die Gebeine wurden in die Ausbuchtungen im Fels gelegt, mit ihnen häufig Waffen (um sich gegen Mächte aus dem Jenseits zu verteidigen).

Man glaubte, die Felskammern wurden von Feen bewohnt (janas, von lat. Diana), die einst singend an goldenen Webstühlen saßen und sich am Ende ihrer Zeiten in Stein verwandelten.

Eingang zu einem Feenhaus

Mehr als 1.000 Domus de Janas sollen auf Sardinien zu finden sein, davon knapp die Hälfte in der Provinz Sassari. Für sie wurden Granit, Trachit, Kalkstein und Basalt ausgehöhlt.

Menschenmassen? Fehlanzeige.

Abseits der großen Touristenattraktionen und der überfüllten Strände ist das Meilogu selbst in der Hochsaison ein stiller Ort.

Auch wenn hier mal die Wiege der sardischen Bevölkerung war, ist der Mensch heute eher in der Unterzahl. Es gibt sicher mehr Grillen und Schafe hier als Zweibeiner. Was der Region durchaus gut tut.

Schafherde. Und mittendrin ein schwarzes 🙂

Die Dörfer hier sind mehr als ruhig und klein, ja wirken fast ausgestorben.

In Giave sehen wir um die Mittagszeit keinen einzigen Menschen – wer welche sehen möchte, dem sei das Ristorante S’Appinokkiu an der Auffahrt zur SS 131 empfohlen. Elegant und gut essen, mitten in der Stille des Logudoro. Ein Träumchen.

In Mores macht das „Coyote Ugly“ seinem Namen alle Ehre und hat die verschrammelte Tür verschlossen. Ein alter Mann sitzt vor einer Kirche und ein kleiner Piaggio-Lieferwagen fährt durch die enge Hauptstraße.

Geräusche reichen ansonsten vom Schafblöken bis zum Grillenzirpen. Autos sind auch selten. Ideal, um sich zu erholen und mal so richtig zu entspannen. Oder um einfach für ein paar Stunden der Hektik der überfüllten Küstenorte zu entfliehen.

Dies ist die Zeit, einer Schafherde minutenlang beim Grasen zuzusehen. Beim Spaziergang am Wegesrand die Nachrichten auf einem Tierschädel zu lesen und daran zu glauben, dass das Berühren dieses Kopfes Glück bringt.

Und die Zeit, einen gut gemeinten Hinweis auf dem Zaun daneben noch ein bisschen ernster zu nehmen:

Portafortuna – Tierschädel an einer Wiese sind Glücksbringer und Symbole für den Kreislauf des Lebens

„La natura è un dono di dio, la monnezza una piaga dell’uomo, pensaci!“ ~ „Die Natur ist ein Geschenk Gottes, der Müll eine Plage der Menschen, denkt daran!“

(Anm. der Redaktion: Artikel zuerst veröffentlicht 2013, überarbeitet 2019.)

Schwarzschafige Übernachtungs-Tipps

Aus unerklärlichen Gründen sind die B&Bs in der Region fast alle keine Schönheiten. Dafür sind sie günstig zu haben und in der Regel sauber. Für Agriturismi lohnt sich, Schildern am Straßenrand zu folgen.

Das Casa delle Fate in Giave ist ein geräumiges, sauberes B&B, bzw. vermietet auch ein Appartment mit Küche. Die Lage ist prima, der Blick wunderschön und die Gastgeber sehr freundlich. Das Sa Domo Tua in Bonorva hat schlichte und saubere Zimmer, nette und gesprächige Gastgeber (wenn man denn italienisch spricht).

2 Comments

  1. sigrid

    9. März 2013 at 15:16

    danke schön. das ist ein wunderbarer bericht und ich habe endlich den ursprung der domus de janas verstanden 🙂
    ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ic h deinen bericht auf meinen blog verlinkt habe?
    http://www.o-solemio.de/blog/domus-de-janas-nuraghen-auf-sardinien/
    genießt die insel :-), grüße aus grauem bremen, sigrid

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    • admin

      10. März 2013 at 09:16

      Aber total gern, vielen Dank!

      Reply

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