Die Klischeevorstellung schlechthin: Segeln auf Sardinien! An der mondänen Costa Smeralda! Luxusurlaub! Oder?
Tja. Richtig ist: Wir beginnen gerade einen Segeltörn von Palau in den Südosten der Insel, nach Arbatax oder gar nach Cagliari. Da liegt die Costa Smeralda auf dem ersten Abschnitt ziemlich genau auf unserem Weg.
Aber ist das gleich Luxus pur? Das denkt man wohl…
Was genau ist es denn, was das gängige Bild formt? Azurblauer Himmel, türkises Wasser? Millionärsyachten vor Anker, die Ladies liegen im Bikini auf dem Bug und schlürfen Cocktails?
Blitzend blanke Segel von V40-Yachten, die perfekt im Wind stehen? Im Sonnenuntergang liegt man vor Anker in einer der kleinen Buchten oder flaniert am Kai in der Marina von Porto Cervo? Paparazzi warten auf das Filmsternchen am Strand oder den Fußballer in der zu engen Badehose? Was steht uns bevor?
Also, Sternchen sind hier keine an Bord, höchstens Schafe. Aber was die Verpflegung betrifft: die muss sich auch auf unserem Boot nicht verstecken: Unser Kühlschrank enthält Martini, Rum und Torbato, den sprudelnden Weißen der Westküste, und ein paar Früchte und Antipasti sind auch da. Okay, ein Bellini wird da nicht draus, aber das ist gar nicht sooo schlecht fürs erste.
Und ja, meine Mitseglerin trägt einen Bikini und hat auch ein Handtuch für den Bug. Und Fotos macht bestimmt auch jemand. Bin ich jetzt schon Costa?!
Mit Understatement durch die Costa
Das, was unsere Tour von Anfang an deutlich von jedem Klischee unterscheidet, ist die Assajé. Sie ist ein tolles kleines Segelboot, 8,90 Meter lang, mit Holzdeck – das übrigens knallheiß wird, man hat also eher was von einer Pizza, wenn man sich da räkelt.
Die Assajé (sardischer Ausspruch, der in etwa meint: „es ist schon alles gut“) besitzt den Charme eines alten, gut gepflegten VW-Käfers. Sie ist tatsächlich auch schon 37 Jahre alt und wurde in Schweden gebaut: eine Vindö 32. Sie hat uns schon sicher und zuverlässig von Südfrankreich nach Palau gebracht.
Das Schiffchen wirkt neben all den weiß blitzenden modernen Charteryachten etwas, nun sagen wir, schlicht.
Doch wenn neben ihr zufällig die neue Sun Odyssey 41DS festmacht, dann braucht sie sich trotzdem nicht zu verstecken. Auch wenn jene Yacht schon sehr, sehr schön ist – die Assajé hat ihre eigene Eleganz, liegt schwappschwapp-ruhig daneben und zelebriert ihr Understatement.
Das unterstreicht auch das Gummikrokodil, das wir statt eines Dinghys hinten festgebunden haben. Alles sehr eigen. Mehr brauchen wir nicht für unser Seglerglück.
Leinen los in Palau!
In Palau spüren wir leichten Wind, etwa 2-3 Windstärken. Das reicht der Assajé, um unter Segeln die angepeilten 4 Seemeilen pro Stunde zu erreichen. Am Capo d’Orso legt er noch ein wenig zu. Allerdings weht er genau aus der Richtung, in die wir fahren wollten.
Also kreuzen wir zwischen Le Saline, dem Golfo di Arzachena und der Isola delle Bisce hin und her, ohne nennenswert voranzukommen. Alle Hände an den Segeln versuchen wir irgendwie Strecke zu machen – aber da ist auf diesem Kurs nichts zu wollen.
Wir müssten durch den Passo delle Bisce exakt nach Osten fahren – und der Wind kommt exakt aus Ost. Genau gegen den Wind segeln geht auch nach vielen Jahrhunderten Segelgeschichte nicht, so sehr man es sich auch wünscht.
Schnell zieht das ein oder andere 200-PS-Motorboot einfach mal vorbei an der Untiefe, während wir sie umständlich umsegeln.
Eisenschwein, aufwachen!
Den Motor anzuwerfen finde ich persönlich für eine entspannte Fahrt an der Costa Smeralda sehr blöd (außer man besäße ein Motorboot, da wäre es schlau), aber für den Moment geht es nicht anders.
Aber wie schön könnte man hier an den zerklüfteten Felsen und Inselchen unter Segeln vorbeiziehen, nur das Windrauschen, den Ruf der Möwen und das Schwappen des Meeres im Ohr…
So geht es endlich voran – immerhin ist es schon Nachmittag und wir wollten abends unser erstes Etappenziel erreichen. Zwei Leuchtfeuer markieren die Durchfahrt zwischen der Isola delle Bisce und dem Leuchtturm an Capo Ferro.
Wir nehmen Kurs auf die Inselgruppe Isole di Li Nibani, die zu dem Naturschutzgebiet von La Maddalena gehört.
Nur Vögel, nur Felsen, ein bisschen Vegetation – sonst nur das offene tyrrhenische Meer und weiter nichts. Steuerbord kommt die Einfahrt zur Marina von Porto Cervo in Sicht – und mit ihr einige der mehrstöckigen Motoryachten. Ein toller Kontrast.
Und – ganz schwarze Schafe – zieht es uns eher vom Trubel weg. Wir haben keine Lust auf Potenzschleudern in Bootsform, geschweige denn auf einen überteuerten Liegeplatz (wenn es denn überhaupt noch einen gäbe).
Statt dessen versuchen wir in den Inselchen und Felsformationen Tiere zu erkennen. Mindestens ein Krokodil und eine Meeresschildkröte glauben wir zu sehen.
Wir erinnern uns an ein Bild aus einem Reiseführer, das uns schon ganz früh zum Schwärmen von Sardinien brachte. Die Luftaufnahme zeigte die Insel Mortorio, drei Seemeilen weiter südlich, wie sie ruhig von den sanften Wellen des tyrrhenischen Meeres umspült wird.
Ihre Ufer fallen steil ins tiefblau-türkis schimmernde Meer herab. Zu jeder Tageszeit soll man hier eine andere glänzend-schöne Farbe sehen. Hier draußen soll sich die Costa Smeralda ihren Namen von Smaragden und Edelsteinen wirklich verdienen, sagt man.
Isola Mortorio hat nur zwei drei einsame Buchten, die eben nur per Schiff zu erreichen sind – und zufällig sind wir grad mit einem da! Wir fahren hin!
Doch die romantische Vorstellung bekommt schnell einen Dämpfer: Auch auf dem Meer gibt es unsensiblen Massentourismus. Einsam und ruhig? Nix da. Ein irrer Verkehr von und zur Insel, dass es schwer wird, überhaupt einen Zeitpunkt und eine Lücke zu finden, um nah an die Küste zu kommen.
Die verkappten Rennfahrer aller Bootsgrößen (ja, wir wissen, das macht Spaß, mögen’s aber trotzdem nicht) drehen ihre Motoren auf. Kaum haben sie dem Inselchen den Rücken gekehrt, fahren sie unter lautem Motorengeheul und mit Vollgas ab.
Wir haben mehr damit zu tun, unser Boot aufrecht durch die aufgeworfenen Wellen zu steuern, als dass wir die Naturschönheit, geschweige denn irgendwelche Farbenspiele bestaunen könnten.
Die Hauptsaison beginnt, mich anzugurken. Wir beschließen, das Unternehmen „Mortorio“ eher in der Nebensaison in Angriff zu nehmen, vielleicht wenn wir uns irgendwann mal auf den Rückweg aus dem Süden machen. Zum Beispiel an einem schönen Novemberwochenende, wenn wir dort wirklich allein sind.
Von achtern zieht diesiges Wetter auf, der Weg zur Sonne wird undurchsichtiger. Gewitterluft ist das zwar nicht, aber azurblau geht auch irgendwie anders.
Und der Wind zieht kräftig an. Der Wetterbericht hat für den folgenden Tag Maestrale (siehe unseren Artikel „Die Namen der Winde“) vorhergesagt. Kommt der starke Wind aus Nordwest etwa schon früher an?
Wir beschließen, heute nur bis Golfo Aranci zu fahren, dort den Hafen anzulaufen und die bis zu 8 Windstärken dort abzuwarten.
Mit Capo Figari unter einer Decke
So nehmen wir Kurs auf Capo Figari. Nur mit der Fock segeln wir südwärts auf die unbewohnte, ca. 350 Meter hohe Landspitze im Golfo di Olbia zu. Ein wunderschöner großer Zweimaster zieht am Wind direkt an uns vorbei und grüßt freundlich.
Wir selbst kommen auf unserem Kurs immer schlechter voran. Der Wind weht unregelmäßig, die Segel schlagen mehr, als dass sie uns vorantreiben. Letztlich müssen wir wieder das Eisenschwein bemühen.
Geradezu riesig nach den sanften Küsten der Costa Smeralda erhebt sich der riesige Kalkfelsen aus dem Meer.
Er erinnert mich an die übergroßen Nasen der von Walter Moers gezeichneten Figuren (alle, die „13 1/2 Leben des Käptn Blaubär“ oder auch „Das kleine Arschloch“ gelesen haben, wissen, was ich meine).
Grotten und Felsen machen das Kap zu einem Tauchparadies – nur vorsichtig muss man sein, wegen der starken Strömung und den steil aufragenden Felsen, die kaum vor Wind und Wellen geschützt sind.
Auf der „Nase“ liegt eine dichte graue Wolkendecke. Heute ist es mit dem fantastischen Weitblick, den man eigentlich von dort oben vom alten Leuchtturm (für Trekking- und Bikefreunde ein lohnendes Ziel, siehe hier: http://sardegnafari.wordpress.com/la-rete-dei-fari/capo-figari-golfo-aranci/) hat, sicher nicht so weit her.
Hier unten auf Meereshöhe ist die Stimmung geradezu mystisch. Das Wasser ist dunkel und wenn die Sonne doch noch durch ein paar Wolkenlücken kommt, nimmt es die Farbe von Quecksilber an.
Leichte Nebelschwaden ziehen in der Ferne vorbei, die Grotten und Felswände des Capo Figari kommen immer dichter.
Ein komplett anderes Bild als das zu Beginn gemalte breitet sich vor unseren Augen aus. Hier sind wir mit der Natur allein, ein paar Fischer und Schlauchboote mit Ausflüglern aus Golfo Aranci ziehen in einiger Entfernung an uns vorbei. Wir erleben einen der eindrücklichsten Momente dieser 45-Seemeilen-Fahrt, und der hat nichts mit Millionenyachten und Cocktails zu tun.
Dann lassen die Costa schließlich hinter uns und umrunden das Kap. Schnell wird die See ruhiger und die unbewohnte Insel Figarotto kommt in Sicht. Das Eiland erinnert uns ein bisschen an „The Beach“.
Dahinter der wirklich hübsche Fischerhafen von Golfo Aranci mit einem Charme von Anno dazumal. Auch der ohne Liegeplatz, aber wir ankern davor und sehen der Sonne beim Untergehen zu.
Lasst uns das kommende windige Wetter und die schwere See kurz abwarten – dann berichten wir gern von der nächsten Etappe.
P.S. – Um allen Anfragen vorzubeugen: Die Assajé ist ein Liebhaberstück und wird nicht verchartert und nimmt außer engen Freunden keine Gäste mit. Anbieter für Charteryachten auf Sardinien haben wir noch nicht recherchiert. Hier in Palau scheint uns Shardana Sail eine ordentliche Adresse und die Boote sehen gut aus: www.shardanasail.it – wir haben aber keine persönlichen Erfahrungen mit ihnen gemacht (außer dass es nette Leute sind, die immer freundlich grüßen).
P.P.S. – Für eine Tagescharter im Revier Palau / La Maddalena / südl. Korsika / Costa Smeralda empfehlen wir die Rumbera inklusive Skipper Vanni und Tiziana: www.rumberacharter.com. Wenn Ihr das Schiff mit mehreren Leuten exklusiv mietet (so ist der Preis pro Nase echt verträglich), könnt Ihr die Route individuell mit den beiden planen und habt einen richtig schönen Tag auf dem Meer. Richtet bitte Grüße vom „pecora nera“ aus 🙂
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