Hast du dich auch schon mal gefragt, wo diese braunen, grasigen Bälle an manchen Stränden herkommen, und was sie eigentlich sind?
Kurz: Es sind die verfilzten Reste aus Seegras oder Neptungras, auf Sardinien einfach Posidonia genannt (nach ihrem wissenschaftlichen Namen Posidonia oceanica).
Ein Ball aus Posidonia am Reiskorn-Strand von Is Arutas
Das Seegras ist keine – wie viele spontan denken – Alge, sondern eine endemische Wasserpflanze im Mittelmeer (Darüber hinaus gedeihen Posidonias anderer Arten nur noch in Australien).
Das Gras ist im Prinzp wie eine ganz normale Pflanze, die an Land wächst – nur eben unter Wasser.
Es hat Wurzeln, eine Art Stängel, längliche bis zu einem Meter lange Blätter. Und manchmal auch Blüten – die allerdings nicht bunt, sondern ziemlich faserig sind. Aus ihnen werden Seebälle, Meerbälle oder »palle di mare«.
Seebälle sind sozusagen Seegras mit einem enormen Spaßfaktor – määähr dazu weiter unten 🙂
Besonders an der wilden Westküste, zum Beispiel bei Alghero oder Arborea, gibt es ganze Küstenabschnitte, an denen die Bälle angespült werden. Aber auch in Cagliari oder im Nordosten kannst du ihnen begegnen.
Wann wie wo Seegras anlandet und in welchem „Stadium“, ob als Ball oder als Blatt, ist abhängig von Jahreszeit, Wind, Wellen und Strömungen – an manchen Stränden ist das von Jahr zu Jahr anders, an anderen liegt immer Posidonia.
Viele kennen die Posidonia aus ihrem Strand- und Sommerurlaub. Wenn du von oben aufs Meer schaust, siehst du hier und da dunkle Flecken am sonst hellen Meeresboden. Das sind Seegrasfelder.
Traumhafte Costa del Sud: Soll Menschen geben, die sich an den dunklen Flecken im Türkiswasser stören …
Schrägerweise stört sich so mancher allein am Anblick – denn das reine Türkiswasser ist „befleckt“! Hach wie schlimm!
Doch doch – es gibt wahnsinnig viele Leute, die die Seebälle und die Reste der Posidonia an den Stränden als Dreck und störend wahrnehmen.
Doch eigentlich will jeder, dass die Posidonia da ist. Das schwarze Schaf versucht mal zu erklären, warum.
Ein gesundes, dunkelgrünes Seegrasfeld ist Lebensraum für viele Arten. Es ist permanent „bei der Arbeit“ – um für uns alle Schadstoffe aus dem Wasser zu filtern.
Nur weil die Pflanze da ist, hat das Wasser an Sardiniens Küsten so eine wahnsinnig hohe Qualität. Wer sich wünscht, dass sie nicht da ist, bestellt damit quasi Brackwasser à la Ostsee. Denn das Mittelmeer ist ein Meer mit wenig Wasseraustausch und Bewegung. Das Seegras trägt dazu bei, dass es atmen kann und Flora und Fauna gedeihen – was wiederum auch dem Menschen nützt.
Im Herbst blüht das Gras unter Wasser – allerdings nur sehr selten, etwa alle sechs bis zehn Jahre. Wobei natürlich alle Felder unterschiedlich alt sind, so dass jedes Jahr neue Felder bilden oder sterben.
Bis sich ein großes, stabiles Seegras-Feld gebildet hat, dauert es gut ein zehntel Jahrhundert.
Zum Winter verliert manch ein Feld sein „Laub“, bzw. stirbt ab. Diese Reste werden an Land gespült.
Gerade in diesem abgestorbenen Zustand ist das Seegras nützlich, nämlich um die Küsten intakt zu halten. Wenn du in der Nebensaison reist, kannst du zusehen, wie Stürme und Wellen an Stränden knabbern und dir ausrechnen, was von deinem Lieblingsstrand noch übrig wäre, wenn das Seegras nicht da läge.
Gäbe es die dicken Seegrasteppiche nicht, wäre so manch schöner Strand vielleicht im nächsten Jahr nicht mehr da oder viel schmaler.
Seegras-Teppich: vielleicht nicht wunderhübsch, aber extrem sinnvoll!
In manchen ausgesprochenen Urlaubsgebieten, wo man Touristen nicht mit dem Anblick oder Gemüffel belästigen, geschweige denn sie umständlich über die Notwendigkeit aufklären will, wird getan, was gar nicht erlaubt ist: Grasteppiche werden mit Traktoren weggefahren, der Strand allabendlich geglättet und geplättet. Damit sich wieder alle mit ihren Handtüchern drauf pflanzen können und nichts das Urlaubsglück trübt.
Die Cala Brandinchi oder die Strände bei Capriccioli zum Beispiel – wunderschön für den Urlaubsmoment – haben sehr darunter gelitten. Die Strände sind fast steril. Dass hier irgendein Tier an Land oder zu Wasser leben will – quasi ausgeschlossen.
Im letzten Jahr wagte die Posidonia doch glatt, sich an Lu Impostu anzusiedeln – ein Aufschrei ging durch die Urlaubsgemeinden San Teodoro und Budoni. Die Folge? Traktoren rumpelten über den Strand und beseitigten alles Dunkel.
Nach der Saison sind diese Strände den Kräften des Meeres schutzlos ausgesetzt. Tatsächlich wird mancherorts zur beginnenden Saison Strandsand umständlich von einem Strand zum anderen gekarrt.
Ist dem Sommerurlauber natürlich erstmal egal. Hauptsache, der Strand ist schön sauber …
Dabei ist der massive Eingriff in die Natur gar nicht nötig. Denn lässt man der Natur ihren Lauf, werden die meisten Strände von ganz allein wieder weiß – außer vielleicht an den Kanten oder auf ein paar Quadratmetern. Und … was ist daran genau schlimm?!
Nebensaison an der Costa Smeralda: Posidonia-Reste und Strandspaziergang geht wunderbar zusammen
Viele betrachten die Posidonia als Müll, Dreck und Störfaktor. Warum das nicht richtig ist, erklären wir auch gern.
Zurück zu den faserigen Bällen. Sie entstehen im Frühling. Nach der „Blüte“ lösen sich die Fasern vom Stängel. Auch die Blätter sterben von der Spitze her ab und fasern aus.
Diese „Grasreste“ sammeln sich am Meeresgrund und werden von der Strömung und dem Wellengang hin und her getrieben. Im Laufe der Zeit verbinden sie sich, verfilzen immer mehr, sind irgendwann ein Ball und werden an den Strand geschwemmt.
Oft findet man zwischen den Bällen auch noch Blütenreste und Stängel. Diese Bälle findet man vorwiegend im Frühling und im Herbst, an Stränden, die Wind und Strömung stark ausgesetzt sind. Die Pflanzen und Seegrasfelder selbst bevorzugen Orte mit leichterer Strömung.
Die Bälle sind wahnsinnig haltbar und verrotten extrem langsam. Sie sind daher auch als Dämmmaterial im Hausbau beliebt. Schon in früheren Zeiten wurden die angespülten Reste und Seebälle von den Küstenbewohnern z. B. im Oristanese verwendet, um Dächer zu isolieren.
Die Idee wird heute teilweise wiederbelebt. Auch überlegt man, damit Biogas zu produzieren. Kleine sardische Betriebe haben sich darauf spezialisiert und mitten in der Wirtschaftskrise ein neues Geschäftsfeld geschaffen. Sie sind tatsächlich für den Küstenschutz weniger wichtig als die Blätter – daher ist auch okay, sie neuen Zwecken zuzuführen.
Die Posidonia oceanica ist extrem wichtig für das Ökosystem des Mittelmeeres, aber leider eine bedrohte Art.
Fehlt die Posidonia ganz, ist das ein Zeichen für eine generell schlechter werdende Wasserqualität. Sprich: Schadstoffe aus Industrie und Schifffahrt sorgen für vermehrte Algenbildung im Meer, die der Posidonia den Atem raubt und somit den Rückgang beschleunigt oder die Wiederansiedelung verhindert.
Abwässer, die in das Meer gelassen werden und viele andere – auch private – Umweltsünden tun ihr Übriges.
Die zwar weitgehend untersagte, aber hier und da immer noch praktizierte Schleppnetzfischerei (olle Ausnahmeregelungen, ausgerechnet für Großfischereien) zerstört ebenfalls Seegrasfelder.
Last but not least noch eine Bitte an Segler und Bootsfahrer: Bitte wirf deinen Anker nicht direkt in so ein Feld. Auch die Ankerkette lege so auf den Meeresboden, dass die Felder in Ruhe gelassen werden. Wie viel Seegras durch die Ausflugsboote allein im Arcipelago di La Maddalena zerstört wird, geht auf keine Schafhaut …
Wenn es dann auch noch eben bis zu zehn Jahre Zeit braucht, bis sich ein neues Seegrasfeld gebildet hat, sind die heutigen Umstände in Summe einfach keine guten Lebensbedingungen für die Pflanze.
Stellt sich dem geneigten Schaf noch die Frage: Was mach ich, wenn nun an meinem Lieblingsstrand Seegras liegt? Nase rümpfen und gehen? Das schwarze Schaf hätte da andere Ideen und plädiert für eine friedliche Koexistenz. Denn die Dinger haben auch einen hohen Spaßfaktor!
Helft bitte alle mit, das Seegras zu schützen – dann bleiben auch der Lieblingsstrand und das Meer vor Sardinien so schön wie immer 🙂
Quellen:
Dieser Beitrag wurde zuerst 2013 veröffentlicht und im Mai 2017 überarbeitet.
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Mercadier Pierre
2. Juni 2017 at 11:01Danke für diesen Bericht, wir hatten gestern auf einem Strand von
Calgari unseren Spaß mit diesen lustigen Bällen. Das Rätsel um dieses Naturphänomen haben Sie mit Ihrem Bericht gelöst.
nicole
4. Juni 2017 at 10:44Vielen Dank für ihren Kommentar! Das hat mich daran erinnert, dass ich diesen Artikel eh nochmal überarbeiten wollte – und das heute früh einfach mal getan habe. Määährci & weiterhin viel Spaß!
Sandra Gloor
4. Juni 2017 at 12:20Herzlichen Dank für diesen tollen Bericht!
Wer in Sardinien Ferien macht, schätzt die Qualität des Wassers!
Daher an Alle: Schützt die Natur! Keinen Abfall in das Meer schmeissen oder am Strand liegen lassen. Für das gibt es Mülleimer…
Stefano
23. Juli 2017 at 17:19Danke für diesen hilfreichen Bericht!
Möge er weite Verbreitung finden und in den Köpfen der Touristen die richtigen
Denkprozesse in Gang setzen.
Ein „Ihhh, da waren ja Algen am Strand“ sollte dann der Vergangenheit angehören und
einem „Cool, die Dinger sind ja extrem nützlich für das Ökosystem Meer“ weichen.
Gruß
SK.
Judith Hutschachtel
30. Juli 2017 at 12:56Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, den ich sehr gerne teile.
Mensch und Natur sollten wieder zusammen finden und dies ist ein genialer Beitrag dazu.
Hoffentlich lesen dies viele Familien und deren Kinder und wir alle nutzen dieses Spielzeug. Besser als Plastik!
Möge der Beitrag seinen Weg um die Welt finden und unsere Natur schützen.
Gruß
Judith
Wolfgang
22. Mai 2018 at 23:07Tausend Dank für diesen wunderbaren Beitrag! Auch ich habe mich schon immer gefragt, was diese Bällchen eigentlich sind, die Gegend von Alghero, wo ich jedes Jahr bin, ist voll davon. Da ich jetzt gelernt habe, daß sie ein Indikator für gute Wasserökologie sind, freue ich mich schon darauf, wieder mit ihnen zu spielen. Hab schon mal ein paar mit nach Hause genommen und im Ofen verschürt, um festzustellen, daß sie als Brennmaterial nicht so geeignet sind.
Bei der Gelegenheit: hast du gewußt, daß es auf den Orkney Islands eine spezielle Schafrasse gibt, die sich am Strand von Meertang ernährt? Aus Mangel an Wiesen, die den Kühen vorbehalten blieben, wurden Schafe selektiert, die sich von Tang ernähren konnten. Der Nachteil für die lieben Wesen: ihr Fleisch schmeckt nach Määhr und sie gelten als Delikatesse! Zum Glück, für sie, bin ich Vegetarier. Wenn es dich interessiert, kann ich im August vor Ort määhr rauskriegen.
Christine
23. Juni 2019 at 20:11Vielen Dank ! Wir sind gerade in Sardinien und haben uns in cala liberotto gewundert über das viele Seegras und als Laien eher ein Problem vermutet. So schauen wir jetzt ganz anders darauf. Es ist ja nicht jeder Tourist doof und rücksichtslos, ein bisschen Aufklärung hilft ja auch manchmal….
pecora nera
26. Juni 2019 at 08:43Das stimmt, wir sind nicht alle dösig, wissen nur vieles nicht … und so ist dieser Artikel ja für was gut – freut mich 🙂 Schönen Urlaub weiterhin!
Nici & Christoph
21. September 2019 at 19:33Wir haben uns schon länger gefragt, was diese runden pelzigen Dinger sind.. Nachdem wir jetzt deinen leidenschaftlichen, unterhaltsamen, und auch sehr informativen Blog über Seebälle gelesen haben, sind wir begeistert!! Wir lieben Seebälle!!! 😀
Schöne Kitesurf Grüße aus Sardinien!!
Christoph & Nici