Es ist wieder Herbst auf Sardinien, die Herbstfeste des »Autunno in Barbagia« (Programme und Infos auf www.cuoredellasardegna.it) beginnen! Die Dorfbewohner öffnen Türen und Tore ihrer alten Häuser – daher werden viele dieser Feste auch „Cortes Apertas / offene Tore“ genannt.

Esel trifft man ne Menge. Das hier ist einer der Netten. Und ja, manchmal ist es kalt.

Gleich mal vorab: Tourifallen gibt es kaum welche. Trotzdem ist Fest nicht gleich Fest. Das eine ist (ob seiner Beliebtheit) sicher kommerzieller als das andere, aber über den Tisch gezogen wirst du wohl nirgends. Jedes Fest hat seine Eigenarten.

In Orgosolo kannst du vor lauter Leuten die Murales gar nicht sehen, und in Mamoiada erahnst du die Mamuthones nur – kannst aber sehr gut essen und trinken. In Lula begegnest du einem alten (echten) Banditen oder einem anderen Esel. In Teti hörst Du ein Live-Konzert am Lagerfeuer, während ein Künstler kleine Bronze-Statuen fertigt. In Fonni frierst du dir den Allerwertesten ab, kannst aber auch ne Runde Schlittschuh fahren. In Lollove wohnt zwar keiner, aber es ist trotzdem voll. In Bitti steht ein Dinosaurier.

Und nun kommst du.

Orgosolo zum Autunno in Barbagia: Mehr als nur gut besucht … aber trotzdem (noch) gut! Bloss nichts für Vegetarier …

Überlebenstipps »Cortes Apertas«

Das schwarze Schaf war in den letzten zwölf Jahren schon in quasi jedem der Orte – und hat hier ein paar »Überlebenstipps« gesammelt, so dass du weder in Fettnäpfchen noch in Tourifallen trittst.

Faustregel » Je weiter du dich in die Nebensaison und ins Inselinnere wagst, desto authentischer und echter wird es!

Faustregel 2 » Ausnahmen bestätigen immer die Regel. Das, was für 20 Dörfer stimmt, ist im 21. komplett falsch.

Sei einfach auf alles gefasst, sei flexibel und alles wird gut 😉

  • Die Feste sind grundsätzlich eher folkloristisch als feucht-fröhlich. Das heißt: Es geht um die lokalen Traditionen, Produkte, Werte, Bräuche und archäologischen Stätten, die man dir nahe bringen will.
  • Allerdings gibt es rühmliche Ausnahmen: Nicht selten bekommst du schon morgens am Dorfeingang, noch bevor du geparkt hast, den ersten Rotwein in die Hand gedrückt. So geschehen in Orgosolo.
  • Trotzdem: Wer erwartet, immer und überall eingeladen zu werden (und das unter „sardischer Gastfreundschaft“ versteht), ist falsch gewickelt.
  • Hausgemachten Wein gibt’s aber für kleines Geld (rund um 1 Euro den Dezi) und die Welt sollte spätestens nach dem zweiten „Ridotto“ in Ordnung sein.
  • Mache als erstes die Touristeninformation, das „Pro Loco“ oder den zentralen Infostand ausfindig. Die Programmhefte gibt es mehrsprachig, sie enthalten eine Karte und du hast schonmal ein Minimum an Orientierung.
  • Die Feste sind immer am Wochenende, hauptsächlich Samstag / Sonntag. Manche beginnen aber schon am Freitag (nachmittag). Manche sind dann noch am Aufbauen, aber wenn du in den beliebten Orten bist, ist es vielleicht nicht so voll.
  • „Beliebte Feste 1“ ist zeitlich bedingt. Das sind vor allem die Dörfer, die im September feiern (Liste auf www.cuoredellasardegna.it), da noch viele Touristen auf der Insel sind.
  • „Beliebte Feste 2“ ist der Erreichbarkeit und der Popularität auch unter Sarden geschuldet: Mamoiada, Orgosolo, Oliena, Lollove, Bitti, Dorgali, Fonni, Orotelli …
  • Insidertipps: Gadoni. Austis. Teti. Tiana. Sorgono. Aritzo. Belvi.
  • An manchen Wochenenden sind auch mal zwei Dörfer aktiv. Das kannst du optimal nutzen: Freitags spät ins erste Dorf fahren, Kontakte knüpfen und einen Überblick verschaffen. Vor Ort essen und übernachten und am Samstag in das Dorf eintauchen. Sonntag vormittags auf dem Weg zum nächsten Dorf die Sehenswürdigkeiten an der Strecke anschauen oder eine leichte Wanderung machen. Ab Mittag im zweiten Dorf verweilen. Abends zurück in die Ferienunterkunft.
  • Unterkünfte: B&B, Hotels und Agriturismi gibt es gerade in den kleinen Dörfern wenige, buche am besten im Voraus. Oder mache dich darauf gefasst, zum Ausnüchtern erstmal ein paar Stunden im Auto zu schlafen.
  • Nicht alle Feste sind supergut durchorganisiert. Manches ist etwas hemdsärmelig, hier und da fehlt auf den ersten Blick die Gemütlichkeit und perfekt sind sie sicher auch nicht alle. Das ist aber durchaus ein authentisches und sympathisches Prinzip auf Sardinien.
  • Manche Feste sind mit viel Hingabe gestaltet, bei manchen Tagesprogrammen denkt man aber auch: „Was genau soll mir das sagen?“ … da darf jeder seine eigenen Erfahrungen machen.
  • Wichtig zu wissen: Die Qualität dessen, was du von den Einheimischen bekommst, ist uneingeschränkt gut! Keine Sorge, du wirst nicht enttäuscht. Du wirst aber quasi überall auch fliegende, bunte Händler mit Chinagedöhns finden – die sind aber tendenziell schon an den bunten Farben erkennbar.
  • Augen auf bei Kleidung und leider auch Stoffen und Teppichen. Nicht bei allem, wo Sardisch drauf steht, ist auch Sardisch drin.
  • Wenn du echtes Kunsthandwerk willst, lohnt sich trotzdem immer, nachzufragen. Da ist vielleicht eine kleine, sardisch aussehende Tasche aus echtem Leder, aber das kommt aus Indien oder ist billig außerhalb produziert.
  • Fragen hilft immer. Sinnvoll kann daher sein, sich vorher etwas „Sprache“ draufzuschaffen. Die Sprache der Wahl ist Italienisch. Schon ein paar Brocken in öffnen Türen.
  • Unter sich spricht man in den Dörfern Sardisch (das lernt sich nicht so leicht), manche Alte nicht mal richtig gut Italienisch, und noch seltener spricht irgendwer eine Fremdsprache. Nicht ärgern, nur wundern.
  • Manche Feste haben wahnsinnig viele Torrone-Stände. Das ist kein Zeichen von Massenware sondern einfach von gut organisierten Händlern aus Tonara. Hausgemachter Torrone ist genial – kaufe nicht den aus dem Supermarkt, sondern genau hier! – und ein super Energielieferant, falls du müde wirst und es bis zum nächsten Futterstation noch etwas dauert.
  • Apropos gute Ware: Du bekommst hier Quasi-Bioqualität-Kilometer Null-Ware und echtes Kunsthandwerk zu einem vergleichsweise geringen Preis. Wenn dir irgendwas teuer vorkommt, dann überleg einfach, wieviel die Superpolitur für dein Auto oder das Kilo Spargel ab Hof gekostet hat.
  • Ein ganz wichtiger Tipp für den Spätherbst: Zieh dich warm und wasserdicht an! In vielen Bergdörfern rund um den Gennargentu hängt im Herbst auch grauer Nebel und oft regnet es (Fonni, Aritzo, Sorgono, Desulo …)
  • Speziell wenn es Richtung Winter geht, denkt darüber nach, eine Thermoskanne Tee (wahlweise Glühwein) oder eine Flasche Wein mitzunehmen. Klingt komisch, aber das Schaf hat sie schon gebraucht. Besonders wenn man vorher noch in der Natur unterwegs ist, oder sich eine archäologische Stätte anschaut, oder das ein oder andere Dorf nicht so ganz geübt ist, für Feierstimmung (z. B. mit Lagerfeuern oder Wein für alle) zu sorgen. Dann ist gut, sich selbst helfen zu können.

Also, auf ins Getümmel! Die Türen sind offen, die Cortes Apertas warten auf dich!

Live-Herstellung von Ricotta in Fonni

5 Comments

  1. Günther Sander

    13. September 2019 at 12:26

    Ein schöner Artikel! Habe gerade einen Link in das neue, kleine, empfehlenswerte Forum
    sardinien-forum.org
    eingestellt!

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  2. HellFish

    25. September 2019 at 16:30

    Hi schwarzes Schaf, vielleicht sehen wir uns am WE in Tonara. Wir versuchen mit unserem WoMo auf dem Stellplatz in Tonara zu stehen. Ansonsten ist das Wetter z.Zt. viel zu warm. Schreib weiter so, denn Sardinien ist mehr als Sonne und Strand. LG HellFish

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    • pecora nera

      25. September 2019 at 19:32

      Hallo! In Tonara werde ich nicht sein, aber habt viel Spaß!

      Reply
  3. Jenny

    9. September 2021 at 08:28

    Grundsätzlich sehr gut zusammen gefasst. Wirklich Alles (!) ist möglich.

    Ergänzung:

    In einen Jahr keinen Platz bekommen, im, Anderen fast der einzige Mensch auf derselben Straße!

    Grundsätzlich ist Sonntags mehr los, als Samstags.

    Wer RICHTIG essen will, sollte die Zeit von 12.00 bis 14.00 anpeilen. Danach ist ist alles verzehrt oder sogar der Platz abgebaut.

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    • pecora nera

      9. September 2021 at 09:49

      Liebe Jenny, vielen Dank für deine Ergänzungen. In welchem Ort warst du genau? Für viele Feste, speziell in den abgelegeneren Dörfern (z. B. Teti, Austis, Tiana, Ovodda) ist es nach meiner Erfahrung immer entspannt und kein Problem, in den verstreuten Cortes, speziell in den Straßen etwas abseits etwas zu bekommen. In den beliebtesten und schneller erreichbaren Orten (z. B. Orgosolo, Oliena, Mamoiada) und in den zentralen Straßen / Plätzen kommt es tatsächlich öfter mal zu Gedränge. Und es kommt auch drauf an, ob zum Beispiel irgendwelche Bustouren die Cortes Apertas für sich entdeckt haben – das wird oft über das italienische Fremdenverkehrsamt gesteuert und das überrascht dann auch die privat organisierten Futterstände. Die melden sich ja nicht an, und dann platzen so kleine Dörfer schonmal aus den Nähten. Der Nachteil, wenn eine Sache so beliebt wird, dass sie in irgendwelchen Reisekatalogen landet. Aber andererseits ist endlich mal Leben in der Bude, viele Dörfer sind ja sonst eher ruhig 😉
      Sonntags ist mehr los, das stimmt. Ist halt der traditionelle Ausflugstag der Sarden, die wollen ja auch was erleben 🙂

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