Der Spazio Ilisso, eine neue Kunsteinrichtung in Nuoro, wurde mit einer Ausstellung eingeweiht, die nicht nur deutschen Reisenden gefallen dürfte. Sie zeigt die außergewöhnliche Arbeit der Fotografin Marianne Sin-Pfältzer mit Gesichtern und Landschaften der Insel und der Welt. Eine große und großartige Retrospektive:

„Menschliche Landschaften / Paesaggi umani / Human landscapes“

Werke der deutschen Fotografin Marianne Sin-Pfältzer www.mariannesinpfaltzer.it

Wegen der Corona-Krise zeitweise geschlossen und nun wieder eröffnet, wird die Ausstellung noch den Sommer über gezeigt; Öffnungszeiten: 10-13 und 15-19 Uhr (Montags und am Dienstag vormittag geschlossen). Spazio Ilisso, Via Brofferio 23, Nuoro, Sardinien
» Noch bis April 2020: Ausstellung im Spazio Ilisso, Nuoro

Geboren wurde Marianne Sin-Pfältzer 1926 in Hanau, Deutschland. Sie reiste mehrmals durch Sardinien. Die letzten Jahre ihres Lebens hat Marianne Sin-Pfältzer in Nuoro verbracht, wo sie 2015 bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben kam. Und so ist nur konsequent, dass ihrem Werk jetzt und hier Raum gegeben wird. Mehr noch: Es ist eine Demonstration der Zuneigung der Sarden zu dieser Künstlerin.

Das schwarze Schaf hat sich die Ausstellung angesehen – und ist schwerst mehrfach begeistert.

Sardinien und die Welt

Die Bilder nehmen mich mit in die noch nicht allzu weite Vergangenheit: Ich sehe ein traditionelles Sardinien, das größtenteils längst verloren, aber in vielen Facetten auch noch lebendig ist.

Und ein Sardinien, das mir bislang verborgen war, weil es das der Fotografin ist. Ich glaube durch die Fotos von Marianne Sin-Pfältzer sogar die Menschen von damals kennenzulernen, ihre Emotionen zu spüren, ihre Gedanken zu lesen … Ihre Fotos sind lebendig und kraftvoll, egal ob in Schwarzweiß oder Farbe.

» Begegnung mit den Sarden von damals … Was sie wohl von uns halten?

In anderen Räumen öffnet die Fotografin den Horizont, geht auf Reisen durch die Welt. Ihre Fotos spiegeln sowohl den Geist ihrer Zeit als auch ihre Menschenfreundlichkeit und die Zuneigung zu Lebewesen. Sie erzählt von Ländern und Landschaften – menschlichen Landschaften. Hier ein Portrait von Pablo Picasso, da eine Demonstration für Rudi Dutschke, dort ein buntes Zebra, dann Gesichter aus Afrika, Haiti, Sri Lanka.

» Marianne Sin-Pfältzer reist durch „menschliche Landschaften“

Die Künstlerin war vielseitig: In einer späteren Phase schuf sie auch noch Objekte und Designs, Magazincover und kindertaugliche Bücher über Tiere, wie z. B. ihren Dackel Stummel. Der uns auch in der Ausstellung begegnet.

Denn hier werden auch Kinder in jedem Raum an die Bilder herangeführt: Zeichnungen des Dackels der Fotografin (dessen Fell in jedem Raum wechselt, achtet mal darauf), sind am unteren Teil der Wand angebracht. Hierin beschreibt Stummel aus seiner Hunde-Perspektive die Dinge, die Marianne Sin-Pfältzer fotografiert hat.

» Stummel bewegt auch zahlreiche Erwachsene: Viele bücken sich, um zu lesen, was der Dackel erzählt.

Die beiden Guides, die unsere Gruppe aus geladenen Gästen begleiten, machen uns auf fotografische und technische Details aufmerksam, die mir sonst vielleicht entgangen wären.

» Extrem gut informierte und freundliche Guides
» Extrem gut informierte und freundliche Mitarbeiter in der Ausstellung

Und sie geben Hintergrundinformationen, die mir gewisse zeitgenössische Elemente erklären – wie beim Bild einer jungen Frau aus Desulo, die den Sarg ihres Kleinkindes auf dem Kopf trägt. Das Bild selbst ist so kraftvoll, dass man erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennt, was darin vor sich geht.

Nachher genieße ich noch ein paar Skulpturen: Vorn im Garten ein „klingender Stein“ von Pinuccio Sciola, und auch im Innenhof sind bereits einige wichtige Werke ausgestellt, z. B. von Costantino Nivola aus Orani. Im Frühling und Sommer muss das hier eine herrliche Oase sein und ein Fest für die Sinne. Ich kann mir jetzt, im Januar, schon vorstellen, hier eine Stunde und länger zu verweilen. Ein paar Singvögel haben sich jetzt bereits angesiedelt. Auch ihnen gefällt es hier.

Apropos Singen …

Ein paar Räume weiter singt der Männerchor Grazia Deledda aus Nuoro. Ich mag, wenn Männer singen. Hier sind es knapp zwanzig, die traditionelle sardische Lieder zum Besten geben. Ich muss gestehen, eigentlich stehe ich nicht so auf Folklore, aber hier und jetzt? Nanneddu Meu und Non potho riposare klingen durch die Räume und bewegen mich sehr, das muss ich zugeben.

Das akustische Erlebnis ist ein kleines I-Tüpfelchen, denn natürlich singen die hier nicht immer, ich bin zu einem besonderen Anlass hier. Aber ich weiß, dass der Spazio Ilisso plant, häufiger, gerne mal sonntags, solche Programmpunkte einzustreuen. Lohnt sich also, nach besonderen Gelegenheiten Ausschau zu halten, z. B. auf ihrer facebook-Seite.

Fazit des schwarzen Schafs: top 😀

Eine zeitgemäße, liebevoll kuratierte und bewegende Ausstellung. Und ein wunderbarer, neuer Raum für Kunst auf Sardinien.

Selten hat mich etwas auf der Insel so beeindruckt, wie diese Ausstellung und der Spazio Ilisso. Mein Geist ist voll mit neuen Eindrücken und einigermaßen müde, aber gleichzeitig wach und aufs Feinste stimuliert. Kunst macht glücklich, das ist so.

Ich will wiederkommen, und das Ganze noch einmal und anders, nämlich mit viel Ruhe und Zeit für jedes Bild auf mich wirken lassen. Ich will die Fotos ein zweites und drittes Mal ansehen. In Nuoro ist die Ausstellung noch bis Ende April, das sollte ich schaffen! Sicherheitshalber habe ich aber das begleitende Fotobuch „Menschliche Landschaften / Paesaggi umani“ direkt eingesackt, um wann immer möglich, einen kleinen Sprung in der Zeit zurück zu machen und mich inspirieren zu lassen.

Danke, Marianne Sin-Pfältzer.

Und Danke, Spazio Ilisso. Schön, dass es Euch gibt und dass ihr uns diesen neuen Raum eröffnet habt.

Mehr Informationen

  • Die Ausstellung ist für den Italialive Award 2020 nominiert – wer sie genauso toll findet wie ich, der kann hier für sie abstimmen.

Schwarzschaf-Tipp: Ein Wochenende in Nuoro

Das schwarze Schaf empfiehlt wärmstens, sich vor und nach dem Besuch der Ausstellung in Nuoro herumzutreiben!

Die Stadt ist ganz wundervoll für einen Spaziergang, aber auch ein paar Tage sind problemlos kurzweilig gestaltbar. Für echte Fans, und wenn man das Umland mit einbezieht, geht auch ne ganze Woche.

In der Nuoro App findest du Tipps und Adressen. Und hier noch ein paar Tipps vom schwarzen Schaf für Unterkünfte*:

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