Es war ein kalter Märzmorgen des Jahres 1974 in der flachen, baumlosen Landschaft in der Nähe von Cabras auf der Sinis-Halbinsel. Der Bauer Sisinnio Poddi ist auf seinem Weizenacker, gelegen in einem Stück Land, das man hier als Mont’e Prama kennt – obwohl es gar kein Berg, sondern in Wirklichkeit nur ein unauffälliger Hügel ist.

Gigant mit Schild
Gigant mit Schild

Zusammen mit seinem Freund und Helfer Battista Meli pflügte er diesen für die neue Aussaat um – so wie er es unzählige Male zuvor tat. Doch an diesem Tag war etwas anders.

Der Pflug wühlte die Erde auf, brachte eine Reihe von weißen Steinen an die Oberfläche, und blieb dann an größeren Felsbrocken hängen. Poddi und Meli schichteten die ungewöhnlichen Steine fein säuberlich auf einen Haufen – ohne ihren archäolischen Wert zu erkennen. Üblicherweise nutzte man auf Feldern gefundene Steine als Konstruktionsmaterial für Ställe und Mauern.

Erst später im Jahr warf er gemeinsam mit dem Besitzer des Grundstücks, Giovanni Corrias, einen näheren Blick auf den Steinhaufen. Corrias schien zu ahnen, dass es sich nicht um normale Felsen handelte. Als Poddi einen weißen runden Stein zu Tage förderte, war er sich sicher – denn der offenbarte sich als Kopf einer Statue.

Zwar hatten beide keine Ahnung von Archäologie, aber das hier war offensichtlich etwas Besonderes. Corrias informierte einen Archäologen aus Oristano über den „Gigantenkopf“. Der Archäologe wiederum holte sofort die entsprechenden zuständigen Behörden und die Gemeinde in Cabras ins Boot.

Gigant wartet auf seine Restaurierung
Ein Gigant wartet auf seine Restaurierung

Bald nahm das Geschehen seinen Lauf.

Ein rund 3.000 Jahre alter Fund

Die Ausgrabungen begannen bald nach dem Fund. Die Datierung war zunächst schwierig. Heute gilt als sicher, dass es sich um Zeugnisse aus einer jüngeren, hoch entwickelten Phase der nuraghischen Kultur handelt – etwa 900 Jahre vor Christus, als die Menschen bereits mit anderen Mittelmeervölkern in Kontakt waren. Die ältesten Nuraghen auf der Insel sind noch um etwa 1.300 Jahre älter.

Man sprach schon bei der ersten Ausgrabung von „Giganten“. Nicht nur deshalb, weil der Fund gigantisch war – verglichen mit den Bronzen, die man normalerweise in Nuraghen oder nuraghischen Kultstätten fand. Sondern auch weil die Statuen tatsächlich deutlich größer als die damaligen Menschen waren: Insgesamt wurde rekonstruiert, dass eine Statue knapp zwei Meter hoch war. Die Körpergröße der Menschen aus der Nuraghenzeit lag bei rund 1,40 m.

Waren die Giganten tatsächlich Riesen? Dieser hier ist rund zwei Meter gross
Waren die Giganten tatsächlich Riesen? Dieser hier ist rund zwei Meter gross

Nach der ersten Statue grub man in ca. 50-100 cm Bodentiefe zwischen 1975 und 1979 noch insgesamt 30 aufrechte Statuen aus. Bis zu 44 können es nach heutigen Erkenntnissen gewesen sein. Die meisten waren von der Zeit und äußeren Einwirkungen in Einzelteile zerlegt:

  • Insgesamt fast 5.200 Einzelteile,
  • darunter 27 Körperteile,
  • 176 Arm- und 143 Beinteile,
  • 784 Teile von Schildern … und last but not least 15 Köpfe mit diesem ungewöhnlich strengen Gesichtsausdruck, zwei konzentrischen Kreisen als Augen, stilisierter Nase und Mund.
Drei Giganten im Museo Civico di Cabras
Drei Giganten im Museo Civico di Cabras

Bei der ersten Ausgrabung 1975 dann die Sensation unter der Erde: Man fand etwa zehn Grabstätten, mit quadratischen Grabkisten, einige mit Keramiken. Bei dem Fundort handelt es sich vermutlich um die Nekropole einer adligen, aristokratischen Familie, denn unter den Figuren waren Grabstätten: Die zweite Ausgrabung förderte rund dreißig weitere Gräber zu Tage. Sie reihen sich entlang einer antiken Straße von Süden nach Norden auf. Diese Gräber waren Steinkisten, die wiederum mit quadratischen Platten aus 100 x 100 x 14 cm dickem Kreidesandstein bedeckt waren. Die Begrabenen wurden sitzend oder kniend darin gefunden. Sie gehören beiden Geschlechtern an, wobei Männer dominierten, sie waren alle im Erwachsenenalter und stämmig gebaut.

Die Statuen standen wohl einmal jeweils über dem Grab und könnten eine Art Grabwächter sein. Vielleicht war es also eine Art Kultstätte für die besonders verehrten, bedeutsamen Idole jener Zeit und ihre Familien.

Die Lage unweit von Tharros und die langgezogene Anordnung in südlicher Richtung lässt auf eine Art Straße und Verbindung zu der phönizischen Hafenstadt schließen.

Die gewaltsame Zerstörung der Nekropole und der Statuen durch Fremdeinwirkung ist quasi unumstritten.

Die Steinmänner gaben trotzdem einige Rätsel auf.

Doch zunächst geschah – nichts. Oder sagen wir: wenig. Die Fundstücke wurden nach Cagliari gebracht und im nationalen Archäologiemuseum gut eingemottet. Es fehlte schlicht das Geld, um die Statuen wissenschaftlich zu untersuchen, zu restaurieren und für eine Ausstellung vorzubereiten.

Die Wiederbelebung nach 30 Jahren

Erst 2007, nach über 30 Jahren, gelang es, die nötigen Gelder zu organisieren, und die Restaurierungsarbeiten begannen. Die Geschichte der Giganten nachzuvollziehen war schwierig – nicht zuletzt, weil es im Mittelmeerraum kaum vergleichbare Funde gibt.

Beim Vorbereiten der Ausstellung näherte man sich ein bisschen mehr ihrer Bedeutung und vermutet, dass es sich um Athleten gehandelt haben könnte. Denn die Statuen hatten nicht unbedingt einen ausschließlich kriegerischen Aspekt. Ihre »Waffen« können auch ähnlich derer Olympioniken für den sportlichen Wettkampf gemeint gewesen sein. Einen kulturellen Austausch mit Griechenland gab es zu jener Zeit.

Die bisher eindeutig identifizierten 28 Statuen aus Fragmenten repräsentieren 16 Boxer oder Ringkämpfer, 5 Bogenschützen und 5 Krieger Auch 13 Nuraghenmodelle wurden ans Licht gebracht.

Seit 2011 sind die Giganten von Mont’e Prama fester Bestandteil im Museo archeologico nazionale di Cagliari, wo ein Großteil der Statuen zu sehen ist.

2014, genau 40 Jahre nach dem Fund hatte auch das Museo Civico di Cabras endlich die Möglichkeit, sechs Statuen und vier Nuraghenmodelle mit Türmen zurückzunehmen und in einem für das kleine Museum sehr professionellen Rahmen auszustellen.

Das schwarze Schaf fährt Anfang Dezember nach Cabras, um sich die Giganten endlich anzusehen. Leider haben die Statuen längst von ihrer Neuartigkeit eingebüßt, obwohl sie nicht minder spannend sind als zu der Zeit, als sie gefunden wurden. Doch die langen Schlangen und stundenlangen Wartezeiten aus den ersten Wochen der Ausstellung sind vorbei. Der Guide erzählt uns, dass man in den Zeiten größten Andrangs Tickets inklusive Mittagessen verkaufte und draußen vor dem Museum Spaghetti ausgab und sardische Musik spielte. Die kleine Stadt am See machte ein Fest aus der neuen Attraktion.

Gut für dich, denn du kannst direkt hinein stapfen. Das schwarze Schaf wartete an diesem Regentag Anfang Dezember noch eine Viertelstunde auf weitere Besucher, damit der Guide nicht alles zweimal erzählen musste. Denn besonders reich sind Kulturbetriebe auf Sardinien nicht, als dass man jeden mit persönlich durchführen könnte.

Die Führung in Cabras ist trotzdem geradezu persönlich und privat. So wird man das in Cagliari eher nicht erleben; dafür gibt es dort aber etwas mehr zu sehen.

Der Rundgang durchs weitere Museum ist auch „autonom“ zu bewältigen. Es ist schmucklos und zweckmäßig, aber sehenswert – von einem Schiffswrack vor der Isola Mal di Ventre über Funde in Grabstätten und viele kleine sehenswerte Bronzen und Figuren sowie einer kleinen Abteilung über die lokalen Fischerboote, Is Fassoi.

Die Abschnitte zu den Giganten hat man sehr schön gestaltet: In einer Art stilisiertem Zeittunnel geht man zurück vom Heute bis in die Bronzezeit, begleitet von Fotos der Fundstätte und Erklärungen in italienisch und englisch. Im eigentlichen Raum, wo die Statuen ausgestellt ist, werden Details anhand von 3D-Modellen erklärt.

Unsere Begleiterin durch die Räume erklärte viele Details und hatte Zeit für Fragen und Kuriositäten. Wohl dem, der in der Sprache zuhause oder schon weit fortgeschritten war … Auf Anfrage und für Gruppen nach Voranmeldung wird natürlich auch in diversen Fremdsprachen erklärt – abhängig davon, welcher Guide gerade da ist, und welche Sprache er/sie spricht. Insofern, wenn ihr eine deutschsprachige Führung wünscht, am besten vorher anrufen.

Der Vorteil: Das Gesehene kann direkt mit anderen Fundstücken der Insel – verglichen werden. Der aufmerksame Beobachter wird dabei einige Ähnlichkeiten feststellen. Im Gigantengrab S’Ena e Thomes bei Dorgali fand man zum Beispiel die Bronze eines Boxers / pugilatore. In Teti einen Krieger, der ähnliche Kopfbedeckung und Schilde trägt, wie einige der Giganten-Statuen.

Replik einer Krieger-Bronze vor der Nachbildung der Statuen von Mont'e Prama (temporäre Ausstellung Nuragica, Nuoro)
Replik einer Krieger-Bronze vor der Nachbildung der Statuen von Mont’e Prama (bei einer temporären Ausstellung zur nuraghischen Kultur in Nuoro)
Rekonstruktion und Vergleich mit einer Bronze aus Teti
Rekonstruktion und Vergleich mit einer Bronze aus Teti

Aktuelle Ausgrabungen lassen auf mehr hoffen: Im Sommer 2014 wurde eine weitere fast vollständig erhaltene Statue gefunden, und in Cabras warten weitere Kämpfer auf ihre Restaurierung. Die Giganten sind an zwei Orten zu bestaunen:

Weitere Informationen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert