Im Urlaub Bäume pflanzen, um CO₂ aus der Atmosphäre zu holen und so zu einer lebenswerteren Welt und gesünderen Umwelt beizutragen und dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen – das schwarze Schaf findet das eine ziemlich gute Idee. Vor allem, wenn es auf seiner Lieblingsinsel stattfindet. Denn hier brennt ja auch leider in den Sommermonaten viel Land ab und ein Ausgleich ist umso wichtiger.
Und so folgt es gern dem Aufruf eines Freundes, an einer Baumpflanz-Aktion in der Ogliastra teilzunehmen. Natürlich, das versteht sich ja von selbst, im Rahmen eines typisch sardischen pranzo, mit hausgemachtem Bio-Essen und in guter Gesellschaft.
Schon während der Fahrt von Olbia nach Villagrande Strisaili mache ich mir die ganz großen Gedanken. Über die Welt, das Klima und das, was uns noch in diesem Leben erwartet.
Aber ich grinse auch kräftig in mich hinein und nehme in meinem Kopf schon die ein oder andere facebook-Diskussion vorweg. Mit all diesen Schnötertanten und Meckerheinis, denen nichts recht und perfekt genug ist. „Da düst die Flöte mit ihrem Auto extra durch die halbe Insel, pflanzt einen Baum und meint dann, das ist gut fürs Klima.“
Grins, vielen Dank für diesen sachdienlichen Hinweis. Warum meinen Leute eigentlich immer, man kann nicht selber denken? Ja, Die Klimabilanz der Einzelaktion an diesem Tag könnte negativ sein. Vielleicht aber auch nicht. Und: Zur Arbeit darf ich mit dem Auto fahren (weil ist ja gut fürs Konto), zum Baumpflanzen nicht (weil hilft ja bloß der Natur)?
Wäre es falsch, einen Baum zu pflanzen?
Tatsächlich häufen sich in letzter Zeit die Aussagen, dass es insgesamt Quatsch sei. „Hört auf, Bäume zu pflanzen“ postete einer letztens gar irgendwo. Da platzt mir direkt die Hutschnur.
Aber halt, nein! Ich will fair bleiben. Abgesehen von Klimawandel-Komplettleugnungen ist die Argumentation (auch die von oben) ja schlüssig: Ein Setzling sei kein Baum und so klein bewirke er kurzfristig gar nichts. Emissionen würden vielfach eh klimaneutral „hingerechnet“ und die dicken Fische würden sich freikaufen. Da brächten Baumpflanzaktionen gar nichts. Und es sei ja alles ein Tropfen auf den heißen Stein.
Na klar frage ich mich bei jedem Baum, den ich pflanze: Bringt das wirklich was? Vor allem, weil in meinem eigenen Garten die Pflanzen vor meinem schwarzen Daumen direkt Reißaus nehmen würden, wenn sie nicht verwurzelt wären.
Und: Ja, es stimmt, viele Klimaprogramme machen tatsächlich gar nichts (es gibt aber welche, die effektiv helfen, dazu ganz am Ende des Artikels ein handfester Tipp). Und: Nein, unsere paar in der Ogliastra gepflanzten Bäume ersetzen erst recht nicht die 20.000 Hektar, die am Montiferru abgebrannt sind. Und die dortige Wiederaufforstung nach einem Brand ist keine triviale Sache.
Leider ist alles, was wir wirkungsvoll tun können, erst mittel- bis langfristig spürbar. Das macht sie nicht weniger wichtig. Aber kurzfristig alles wieder gut machen und so tun als wär nichts gewesen – so funktioniert es eben nicht.
Und nochmal Ja: Es gibt auf dieser Welt so viele schwarze Klimaschafe (jetzt muss ich mich mal selbst in die Pfanne hauen), dass man auch direkt resignieren könnte.
Das ist trotzdem kein Grund, keine Bäume mehr zu pflanzen. Da mag ich – obwohl ich wirklich kein Freund von Sinnsprüchen bin – mal einen schlauen Inder zitieren:
Wer Bäume setzt, obwohl er weiß, daß er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.
Rabindranath Tagore (1861 – 1941), in Bengali: Ravindranath Thakur, indischer Dichter und Philosoph, Nobelpreisträger für Literatur 1913
Und darum würde ich manchem facebook-Experten gern direkt ins Gesicht rufen: „Hast du noch alle Tassen im Schrank?!“ Mach ich aber nicht. Trotzem ist die Aussage, man solle keine Bäume pflanzen, weil es brächte ja eh nix eigentlich sehr, sehr egozentrisch. Stimmt schon. DIR und MIR bringt es vielleicht wirklich rein gar nichts.
Es geht bei den Bäumen, die ich in den letzten Jahren auf Sardinien gepflanzt habe, auch in gar keiner Weise um mich selbst. Ich habe nichts davon. Meist hab ich sogar bezahlt. So what?!
Denken wir wieder größer: Angesichts des Schadens, den der Mensch auf der Erde angerichtet hat, können wir uns nicht leisten, gute Dinge nicht zu tun. Egal, wie klein sie sind. Viele kleine Dinge werden ein Großes.
Oder anders: Es dürfte gar nicht heißen „Ich habe in der Ogliastra einen Baum gepflanzt“ sondern „Wir haben zusammen 20 Bäume gepflanzt, die ein braches Stück Land zum Leben erwecken werden.“
Denn es geht hier ja gar nicht um „Ist der Klimawandel menschengemacht und können wir ihn mit ein paar Bäumen umkehren?“. Wobei ich die Diskussion wichtig finde, denn nur wer sich selbst Fehler eingesteht, kann auch an ihnen arbeiten. Und nur deswegen reagiere ich allergisch auf genau solche Leute – weil sie sich wieder hinlegen und so weitermachen wollen, wie bisher.
Es geht aber um was ganz Wichtiges: „Wie können wir den ganzen Sch….lamassel, den wir hier auf der Erde angerichtet haben, wieder gut machen?“
Denn das ist wohl unbestritten: Es waren nicht die Hunde, die Hühner, die Löwen, die Nacktmulle, nein, nicht mal der Borkenkäfer, die die Welt zu dem gemacht haben, was sie heute ist: ein geschundener Planet. Das waren schon wir – unsere hochwohlgeborene, überlegene Spezies.
Wir haben geschafft, andere Arten auszurotten, Lebensräume zu zerstören, Ressourcen zu erschöpfen und einen unfassbar großen Teil des Erdbodens zu versiegeln. Und das, obwohl wir das Wissen und die Intelligenz (homo sapiens) und auch die Möglichkeiten (Technologien, Konzepte, Innovationen) hätten, eine nahezu perfekte, lebenswerte und sogar profitable Welt zu schaffen. Statt dessen sägen wir am eigenen Ast. Herzlichen Glückwunsch. Da hat mal eine Art wirklich das Optimum aus ihrem Potenzial herausgeholt!
Hätten wir noch genug Bäume auf der Welt, und würden wir im Einklang mit der Natur und nicht auf ihre Kosten leben, hätten wir schlicht und einfach nicht das Klimaproblem, das wir heute haben.
Und darum ist genau das – Bäume pflanzen, das Grün wiederherstellen, der Natur wieder Raum geben, Habitats wieder herstellen – für mich die Nummer Eins aller Lösungen. Dann kommen natürlich auch Lösung zwei (back to the roots = schadhafte Flächenzerstörung zurückbauen bzw. der Natur geraubte Flächen zurückgeben) und Lösung drei bis drölf (über die ich jetzt nicht rede, der Artikel ist eh schon zu lang).
Natürlich pflanzen wir weiter Bäume! Soweit käme es noch, das nicht zu tun.
Aber: Nicht einfach so, irgendwo, irgendwie, vielleicht, per Mausklick (und erst recht nicht allein ohne Profis in meinem Garten, siehe oben). Nein, wir pflanzen heute ganz in echt mit Köpfchen. Und indem wir uns selbst die Hände (oder das Gesicht) schmutzig machen.
Das schwarze Schaf blökt mich gerade von der Seite an und meint:
„Nicht quatschen – machen!“ Recht hat es.
Die Baumpflanz-Aktion des IT.A.CÀ-Festivals in der Ogliastra geht ins zweite Jahr. Und auch hier gilt: Jeder fängt klein an. Jeder hat das Recht, wachsen zu dürfen. Und ich bin im dritten Jahr wieder dabei.
Heute bin ich auf dem Agriturismo Murtarba in der Ogliastra an der mittleren Ostküste, zwischen Tortolì und Villagrande Strisaili, am kleinen Stausee Lago di Santa Lucia.
Ein wunderbarer Ort abseits allen Ferientrubels, der so arbeitet, wie man es hier schon immer getan hat: Im Einklang mit der Natur, getrieben von den natürlichen Gegebenheiten wie Sommerhitze und winterlichen Regenfällen, im Auf und Ab der Jahreszeiten und immer respektvoll umgehend mit dem, was Tiere, Pflanzen und Land schenken. Solche Orte gibt es noch – auf Sardinien sogar eine ganze Menge.
Wir sind eine kleine Gruppe von künftigen „Baumpaten“ und dürfen uns unseren Baum aussuchen. Es sind alles Obstbäume, von Birnen über Granatäpfel und Aprikosen bis Pfirsich, die bereits eine gewisse Größe haben, um nach dem Umpflanzen überlebensfähig zu sein. Denn Umpflanzen ist Stress und die Gewöhnung an eine neue Umgebung nicht einfach. Und manche schaffen es auch nicht.
Aber diese gut zwanzig Bäume, die wir heute in die Erde setzen, sind angetreten, die Welt ein bisschen besser zu machen. Sie werden es schaffen! 💪
Wie jetzt? Ein profaner Obstbaum? Jetzt macht sie sich noch lächerlicher. Müsste man nicht eine Eiche oder eine Kastanie pflanzen? Was richtig großes? Au contraire. Es kommt eben nicht nur auf die Blattmenge an.
Gründe, viele verschiedene Obstbäume zu pflanzen, gibt es viele: Neben ihrer Fähigkeit, CO₂ aus der Atmosphäre zu holen (hier ein Erklärvideo zum Prinzip der Photosynthese), hat mein Pfirsichbaum eine Reihe weiterer Vorteile:
Vielleicht das wichtigste: Der Mensch pflanzt nicht einfach – er lernt dabei.
Ich weiß jetzt, dass Pfirsichbäume zu den Rosengewächsen gehören und der Baum in sardischer Sprache „Pensiu“ heißt, dass er recht anspruchslos ist und zusammen mit dem Granatapfel neben ihm sicher gut gedeihen wird.
Und ich habe eine im wahrsten Wortsinn verwurzelte Beziehung zu diesem Platz Welt unweit des Stausees Santa Lucia, zu der Pflanze und zu den Menschen. Ich kann sie nicht mehr vergessen.
Das bedeutet für mich wirklich nachhaltig zu reisen: Sich auf den Ort und das Urlaubsziel einlassen und sich mit ihm verbinden. Ihn zu einem zweiten Zuhause machen.
Wieviele Touristen hat Sardinien jährlich? 12 Millionen? Wäre doch schön, wenn nur die, die an der Küste hocken und auf facebook posten „Ich habe mich in Sardinien verliebt, ich will immer hier leben!“ einfach schonmal einen Baum pflanzen. Das ist wie schon erwähnt, nicht einfach. Und es soll auch kein Touriprogramm werden, denn Bäume sind Lebewesen.
Bäume pflanzen ist das Eine. Bäume am Leben erhalten das andere. Sie brauchen gerade in den ersten Tagen, Wochen und Monaten sehr viel Fürsorge, viel Wasser, viele Nährstoffe. Es ist gut, sie mit anderen Bäumen zu pflanzen, da sie miteinander kommunizieren und sich wirklich gegenseitig helfen können.
Außerdem gibt es einige Bäume, die artbedingt sehr sehr lang brauchen, um groß zu werden. Die auf Sardinien ur-heimische Steineiche / Leccio wächst zum Beispiel in den ersten Jahren sehr langsam, ist mit zehn Jahren noch ein rund zwanzig Zentimeter hoher Winzling. Erst mit 20-30 Jahren legt er sich aus und geht in die Höhe.
Die meisten Setzlinge, die ich in meinem Leben schon mitgepflanzt habe, sind zum Glück in guten und pflegenden Händen von Menschen, die sich mit Flora und Fauna und / oder Land- und Forstwirtschaft speziell auf Sardinien auskennen. Ich kann meine Bäume jederzeit besuchen, wenn ich das möchte. Die paar, die das Pech hatten, in meinem Garten gepflanzt zu werden, sind jetzt in den Händen meines Freundes. Der hat ein besseres Händchen.
Alle Bäume wandeln jedes Jahr ein bisschen mehr CO₂ in Sauerstoff. Irgendwann sind sie groß, natürliches Wachstum dauert eben. Einer der Setzlinge wird (artbedingt) erst in dreißig Jahren so groß sein, dass er einen spürbaren Effekt auf das Klima hat. Und warum auch nicht?
Jeder einzelne Baum spiegelt genau genommen die Hoffnung, dass die Klimaziele, ob nun 2030 oder 2050 tatsächlich erreichbar sind und unser Planet dann noch lebenswert ist. 😊 🌱
Und darum darf auch dieser Artikel lang sein 😅
Darum – last but not least – meine wollig-warme Empfehlung für alle Sardinien-Reisenden:
An diesem Tag im Agriturismo Nuraghe Murtarba habe ich nicht nur viel nachgedacht und bin dreckig geworden, sondern hab auch richtig nette Leute kennengelernt! Solche, die wissen, was sie warum tun und ihre Zeit und Kraft gern in biologisch-landwirtschaftliche Arbeit und die Landschafts- und Baumpflege stecken. Und dabei sind sie auch noch ganz tolle Gastgeber und Menschen. Als „wwoofer“ (World-Wide Opportunities on Organic Farms) bieten sie ihren Gästen immer wieder Gelegenheiten, sich selbst in den Betrieb einzubringen.
Es gibt Ziegen direkt am Hof, und der Käse, den sie zaubern, bekommt man so in keinem Supermarkt. Eine Nachbar-Azienda baut Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide an, die im Gastraum mit verkauft werden. Ich erstehe ein Glas Feigen-Mandel-Marmelade und ein Paket schwarzer Kichererbsen, die ich so noch nirgendwo sonst bekommen habe. Und gerade das ist für mich „authentisch, typisch sardisch“ im besten Wortsinn.
Außerdem ist die nähere Umgebung wirklich schön. Der Agriturismo liegt optimal für Ausflüge aller Art – z. B. nach Lanusei oder in die Bergregionen für ein Trekking im Gennargentu Arzanese oder in den Weiten des Supramonte. Natürlich ist das Meer auch nicht weit weg – Arbatax ist nur rund zehn Kilometer entfernt.
Ich bin jedenfalls mal wieder begeistert worden und freue mich, in der Ogliastra jetzt einen festen Kontaktpunkt zu haben – und den von mir gepflanzten Baum zu besuchen. Danke für alles!
Telefon: +39 3286983126 // mail: nuraghemurtarba@tiscali.it // instagram: agriturismo_murtarba // Reviews auf Tripadvisor // Google Maps: Agriturismo Murtarba, Lago Santa Lucia, 08049 Villagrande Strisaili NU
Organisiert wurde der Tag im Rahmen des IT.A.CÀ-Festivals von Sardaigne en Liberté / Sardinia Fair Travel, der ersten Agentur für Ökotourismus auf Sardinien. Schaut euch da gern um, es gibt auch andere Angebote, wie z. B. Eseltrekking oder Wanderungen zur Transhumanz (Weidewechsel mit Schafen).
Last but not least der Tipp für eine sinnvolle CO₂-Kompensation:
Ich habe für diesen Blog, für meine unvermeidbaren, regelmäßigen „Verbräuche“ oder für die Gelegenheiten, bei denen ich willentlich (z. B. mit Flugreisen) mein eigenes Klimaziel verfehle, meinen CO₂-Fußabdruck kalkuliert. Und zur Kompensation bei dem Berliner Unternehmen fortomorrow ein Klima-Abo abgeschlossen.
Was macht fortomorrow nun genau anders oder besser?
Das Konzept besteht aus zwei Teilen, von denen Teil 1 den echten Unterschied zu anderen Anbietern macht:
Ich empfehle diese Art der Kompensation gern und war einem längeren Telefonat mit der Gründerin (die eine ehemalige Kollegin von mir ist) überzeugt, dass es eine wirkungsvolle Sache ist.
Ich muss diesen Artikel gesetzlich als (unbezahlte) Werbung kennzeichnen, und mache das sehr gern. Denn Werbung für alle in diesem Artikel genannten Menschen und Unternehmen ist mir geradezu ein Vergnügen.
Und nun raus mit euch – Bäume pflanzen und Sauerstoff verbrauchen, damit wir noch mehr Bäume pflanzen können!
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