Wie oft ist man nur kurz irgendwo und auf der Durchreise? Und fährt an tollen Städten vorbei, ohne sie richtig wahrgenommen zu haben?

Als das schwarze Schaf von Palau nach Alghero reiste (siehe unsere Artikel „Mit Bus und Zug auf Sardinien: ein Selbstexperiment ~ Teil 1 und Teil 2) hatte es mit Ankunft per Zug um 16:02 Uhr in Sassari und Weiterfahrt mit dem Bus um 18:15 Uhr plötzlich zwei Stunden Zeit. Für eine ernsthafte Erkundung zu wenig, für einen Überbrückungs-Kaffee in einer Bar zu viel.

Was tut man nun zwei Stunden in Sassari (sardisch: Tàtari/Tàttari/Tàthari) oder sonstwo? Einfach schwarzschafig der Nase nach durch die Stadt streifen.

Ausgangspunkt: der Bahnhof

Bahnhof

Bahnhof

Er ist unser Ausgangs- und Endpunkt für unseren Streifzug, also gucken wir ihn uns näher an. Zwölf Jahre, nachdem der erste Zug durch Sardinien rollte, wurde im Jahr 1884 das Bahnhofsgebäude eingeweiht.

Die klassizistische Fassade wurde im Laufe der Zeit mehrfach verändert und das Gebäude erweitert. Ursprünglich vorhandene metallene Bögen und Verzierungen wurden während des zweiten Weltkrieges entfernt und für die Waffenproduktion eingeschmolzen.

Die mittelalterlichen Viertel

Direkt an den Bahnhof grenzt das mittelalterliche Viertel der Stadt, auch genannt „città murata“, die Stadt innerhalb der Mauern. Nur kurz über die Straße, dann direkt in die „Via Maddalena“ und schon ist man mittendrin aus diesem Gewühl kleiner Gässchen, das so typisch ist für mittelalterliche Strukturen.

Durch die engen Gassen

Durch die engen Gassen

Sassaris ursprüngliche Stadtviertel sind fast vollständig erhalten – und wieder doch nicht: der Verfall ist offensichtlich, die Zeit und die Umwelt nagen an jeder Fassade.

Von der pentagonförmigen Stadtmauer ist nur noch wenig zu sehen. Die fünf Stadttore sind fast vollständig zerstört und daher schnell abgehakt: Porta Sant’Antonio, Porta Rosello, Porta Castello, Porta Utzeri und Porta Nuova.

Die engen Gassen und Straßenzüge sind prima, um sich die Zeit zu vertreiben. Wer genau hinsieht, entdeckt hebräisch oder arabisch geprägte Straßenzüge, im nächsten sind hauptsächlich Handwerker angesiedelt, im übernächsten Gemüsehändler – das hat sich herüber gerettet aus der Zeit, als jedes Metier sein eigenes Viertel hatte.

Detail an einer Hausecke

Detail an einer Hausecke

Ein paar nette kleine Geschäfte sind hier wie Perlen zwischen den grauen, verschlossenen Fenstern und Türen zu finden: vom Gitarrenmacher über den Juwelier und den Kleinwarenhändler bis zum Asia-Markt. Am ergiebigsten sind die Via Turritana und der Corso Vittorio Emanuele, von dessen Ende man nur noch ein paar Steinwurf von der großen Piazza Italia entfernt ist – ideal, wenn einem die Enge irgendwann zuviel wird.

Wenn sich die gedrungenen Straßen hin und wieder zu einem kleinen Platz öffnen, würde man sich schon gern hinsetzen, vielleicht einen Wein oder Kaffee trinken. Doch die Ecken bleiben meistens ungenutzt, Wärme und Licht dringen kaum hierher, die Leute ziehen sich warm an oder gehen gar nicht erst raus.

Wer hartnäckig ist, wird in dem alten Viertel fast nur an einer Stelle fündig: Direkt am schönen und ruhigen Platz vor der Kirche San Nicola, dem Piazza Duomo, ist eine schlichte Bar mit Sonnenplätzen.

Duomo San Nicola

Duomo San Nicola

Duomo di San Nicola und Chiesa di San Giacomo

Die imposante Barockfassade strahlt den Besucher an und überfordert ihn erstmal. Wir können den Kopf kaum so weit in den Nacken legen, um alle Details zu erkennen.

Wir wären nicht schwarze Schafe, wenn wir nicht noch in die kleine, bescheidene Kirche gegangen wären, die in einem Hinterhof gegenüber, also quasi im Schatten, des prächtigen Duomo steht.

Die Kirche San Giacomo wurde zwischen 1438 und 1441 erbaut, wahrscheinlich auf einem älteren Gebäude, darauf weist ein im Inneren der Kirche befindliche Inschrift hin: „Anno Domini 1269 hoc opus factum est tempore domini Petro Fata plebani” (grob übersetzt: Diese Arbeit wurde im Jahr des Herrn 1269 zur Zeit des Pfarrers Don Pietro Fata getan).

San Giacomo

San Giacomo

Die in einem friedlichen kleinen Innenhof stehende Kirche ist seit 1568 Sitz der „Venerabile Arciconfraternita dell’Orazione e Morte“ (Ehrwürdige Bruderschaft des Betens und des Sterbens).

Diese Bruderschaft hat sich den barmherzigen Taten verschrieben und kümmern sich bis heute (in Zusammenarbeit mit Ärzten, die freiwillig und unentgeltlich arbeiten) um Kranke, aber auch seit jeher um Sterbende. Kostenlose Gesundheitsleistungen und Untersuchungen gehören zu den guten Taten.

Weitere Informationen

Die Kirchen im mittelalterlichen Viertel, Kartenquelle: Comune di Sassari

Die Kirchen im mittelalterlichen Viertel, Kartenquelle: Comune di Sassari

Wer die alten Viertel erkunden will, geht entweder der Nase nach oder findet im Internetangebot der Comune Sassari sieben Wege („sette itinerari“) durch die Stadt (unter anderem auch durch die „città medievale“ oder eine Tour zu den Kirchen der Stadt) inklusive Karten zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten.

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