„Wer hatte eigentlich diese Schnapsidee?“ … Oh, stimmt, das war ja ich … Das schwarze Schaf wollte unbedingt zu seinem Geburtstag im Frühling eine Mountainbike-Tour auf der Insel Asinara machen. Weil die Farben dann so schön sind, wenn die Wolfsmilchart „Euphorbia“ ihr Herbstkleid anlegt. Sie blüht von Grün über Gelb und Orange bis Rot – bevor sie zum Sommerbeginn ihre Blätter abwirft (und die meisten Sommerurlauber sie als Gerippe kaum wahrnehmen und diese Naturschönheit verpassen).
Die Euphorbia ist eine der auf der Insel Asinara heimischen und am weitesten verbreiteten Pflanzenarten. Daher ist der Anblick in dieser Fülle durchaus einzigartig auf Sardinien.
Die Isola dell’Asinara mit ihren grauen und weißen Eseln habe ich schon mehrfach besucht, von Land- und von Seeseite und zu jeder Jahreszeit, Ende Oktober, Anfang August, Ende Juni, im Januar und einmal mit einer Gruppe Studienreisender Anfang April. Das war trotzdem alles entweder zu spät oder zu früh um ebenjene Farbenpracht zu erleben. Die perfekte Reisezeit für die Farben ist aber der fette Frühling (Ende April bis Ende Mai), wenn es überall auf Sardinien grünt und blüht.
Auch das Gefährt war klar: Mountainbike. Das fehlte mir noch. Ich hatte bereits sowohl eine Jeep-Tour (mit Wild Asinara Park, sehr zu empfehlen) als auch zwei Trekkingtouren auf eigene Faust auf Asinara gemacht (hier die Beschreibung der Pfade) und eine Segeltour (gehört mit zu meinen tollsten Inselerlebnissen).
Ich schenkte mir also zu meinem Geburtstag, Ende April eine Sardinien-Reise. Den Anfang machte ebenjene entspannte Mountainbike-Tour auf Asinara. Danach wollten wir die Westküste bis nach Bosa runter und dann quer durchs Hinterland nach Olbia. Ein kleines B&B für zwei Nächte am Hafen in Stintino bei einer netten Familie (Adresse und weitere Übernachtungs-Tipps findet ihr am Ende des Artikels) als entspannte Homebase.
Beim Willkommens-Prosecco in der Bar nebenan mit Blick auf die Boote wusste das segelnde Schaf schon: Wenn es klimpert und die Masten sich im Hafen bewegen, ist draußen auf dem Meer viel Wind.
Und Asinara ist da, wo draußen ist. Das Meer westlich (also links) von Sardinien und damit auch der Insel Asinara, heißt hier: mare di fuori. Und damit auch Wind von fuori, meistens Maestrale, der aus Südfrankreich anreist, ein meist kalter und böiger Nordwestwind. Doch heute war was anders: Es war warm. Das bedeutet, dass es ein südlicher Wind sein musste, der uns hier um die Nase wehte. Lassen wir uns überraschen, was der nächste Tag bringt.
Gesagt getan. Wir nahmen das „Taxi Boat“ des Anbieters, das uns mit dem Schlauchboot direkt nach Fornelli brachte. Fähren fahren auch (täglich eine ab der Marina di Stintino, in der Saison unbedingt reservieren, und eine ab Porto Torres nach Cala Reale). Aber zum Geburtstag durfte alles etwas geschmeidiger sein.
Und so gab Giorgio, der Schlauchboot-Captain, Gas und düste vorbei an dem schönen Torre La Pelosa und durch das sagenhafte Türkiswasser. Die Farben vor Stintino und Asinara sind einfach wirklich der Hit.
Der Wind hatte nicht nachgelassen, aber die Überfahrt nach Asinara ist kurz und das Meer war flach. Denn ausgangs der Fornelli-Passage sind einige Klippen, die dafür sorgen, dass sich die größten Wellen brechen. Wir konnten ganz hinten am Horizont die Brandung ausmachen, während es kurz vor Fornelli nur moderat wellig war. Und hier „innen“, am Mare di dentro, weht es üblicherweise auch weniger als draußen. Einige Wolken zogen am Himmel – was aber für eine Mountainbike-Tour durchaus willkommen ist. Stundenlang Hitze und Sonne in Salzluft ist nur so mittel gesund.
Tipp für alle, die nicht so oft auf dem Meer sind: Zieht in der Nebensaison eine wetterfeste Jacke an, speziell wenn ihr nicht die Fähre sondern ein Schlauchboot / gommone nehmt. Es ist auf dem Wasser kalt und der Wind (verstärkt durch Fahrtwind) schon spürbar. Auch das (vermutlich verschwitzte) Shirt zu wechseln macht den Rückweg angenehmer.
Der Wind, das wusste ich als Seglerin vor Sardinien, würde zum Nachmittag hin auch noch ein wenig anziehen. „Aber es ist kein Maestrale“, sagte Giorgio, „heute weht der Libeccio.“ Wie vermutet. Ein warmer Südwest. Das klang wie eine gute Nachricht.
Unser „privates“ Schlauchboot kam zum Glück in Fornelli an der südlichen Mole auf der Insel Asinara vor der Touristenfähre an, die von Stintino die erste größere Gruppe des Tages heran geschippert hatte. Während wir vom Vermieter Asinarabike, (erste Tür links in dem weißen Gebäude) unsere Bikes entgegen nahmen, hielten viele auf die Verleihstation zu und die Schlange hinter uns wurde immer länger.
Wichtigste Info: Asinara ist Meeres- und Naturschutzgebiet. Es gibt die Zone A, in denen Mensch sich auf keinen Fall aufhalten darf, man muss immer auf den offiziellen Wegen bleiben und seinen Müll wieder mitnehmen.
Für meinen Geschmack fehlt eingangs der Insel ein Ranger, der die Modalitäten des Naturparks und auch das „Warum?“ erklärt. Ich hab die wichtigsten Regeln in diesem Artikel zusammengetragen.
Für ganz Unbedarfte ist die nachhaltigste Art, die Insel zu erkunden kurioserweise eine Jeep-Tour, da nur ein Guide die Besonderheiten der Insel erzählen und darauf achten kann, dass alle sich ordentlich verhalten.
Unser Ziel war klar: Cala d’Oliva. Die Insel Asinara ist generell unbewohnt. Und der nördlichste Ort, ist der einzige, in dem es sowas Ähnliches wie Versorgung oder Infrastruktur gibt: Sicherste Bank ist das Hostel, neuerdings gibt es auch noch eine Locanda (wenn ihr essen wollt – beides im voraus reservieren, nicht einfach reinschneien). Im Sommer gibt es einen Kiosk in Fornelli. Das war’s. Und außerdem gibt es auf der ganzen Insel so irre viel zu entdecken.
Überlebens-Tipp: Kümmert euch bereits tags zuvor in Stintino oder bei der Anreise um die Verpflegung. In der Nebensaison hat auch in Stintino nicht viel geöffnet, vor allem nicht früh am Sonntagmorgen. Und nehmt für einen ganzen Tag mehr mit als drei Kekse. Zum Beispiel Obst, Brötchen mit Aufschnitt oder kalte Pizza … ok, die muss man mögen 😉
Das berühmte Schwerverbrecher-Gefängnis erreichen wir schon nach wenigen Minuten. Allerdings war es während der Pandemie geschlossen und ist noch nicht wieder zur Besichtigung freigegeben. Aber wir haben es eh schon von innen gesehen und gucken nun von außen in das verlassene Stück Geschichte. Uns begegnet immerhin der erste der weißen (und grauen) Esel, die auf Asinara leben.
Das Gefängnis beherbergte jahrzehntelang Schwerverbrecher nach dem berühmten Artikel 41-bis, also Mafiosi, Mörder, Drogenbosse und auch den ein oder anderen sardischen Banditen, z. B. Matteo Boe, dem 1986 die Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis gelang – mit Hilfe einer Frau, die ihn im Schlauchboot nach Korsika brachte, wo er sich sieben Jahre im Untergrund versteckte.
Weiter geht’s, langsam aber sicher aufwärts. Denn – und das ist die zweite wichtige Info: Asinara ist weder flach noch klein. Der höchste Punkt, die Punta della Scomunica im Norden kommt auf 408 Meter. Hinter Fornelli erhebt sich die Punta Maestra di Fornelli auf 265 Meter. Und allein die nach Norden führende Zementstrassr hat fast 25 Kilometer, plus mindestens 6 Touren auf Schotterwegen.
Ich erinnerte mich an das Telefonat, als ich die Mountainbikes reservierte. Der ansonsten wortkarge Herr hatte mich zweimal gefragt, ob ich nicht ein e-Bike wolle. Nein, Nein, Mountainbike bitte. Ich war zwar gerade um ein Jahr gealtert, aber immer noch fit wie Turnschuh! Aber es hätte mich stutzig machen können. Hat es nicht, und so treten wir uns im kleinsten Gang hinauf, während uns eine Familie mit ihren e-Bikes überholt. Gnnnnnnn ….
Erst etwas angenagt, waren wir nach kurzer Zeit wieder motiviert! Cala d’Oliva – wir kommen!
Wir fuhren und fuhren … und hielten – denn Fotostopps mussten sein, um die Erinnerung festzuhalten. Auch wenn Fotos natürlich nie die ganze Schönheit wiedergeben können.
Wir genossen die Momente an der Cala Andrea …
… an der Cala Sgombro di dentro …
… an der ruppigen Westseite …
… und in der kargen Ebene bei Campu Perdu (übersetzt etwa: verlorenes Feld). Hier starten übrigens Ausritte auf der Insel.
In Cala Reale dann unsere Picknickpause nach etwa halber Strecke – die Zementstraße, die einmal von Süd nach Nord führt, ist insgesamt knapp 25 Kilometer lang.
Cala Reale war einst Lazarett und Quarantänestation. Der Ort ist heute verlassen, die großen Gebäude sind ungenutzt – bis auf die Mole, an der im Sommer Boote anlanden, den Infopoint des Parks und kurioserweise einem Geschäft für Naturkosmetik.
Ein weiteres Kuriosum, ungleich makabrer: Cala Reale hat eine unrühmlichen Geschichte als Gefangenenlager im ersten Weltkrieg. In dem „Ossario“ (wörtlich in etwa: Knochenhaus) an dem man kurz zuvor vorbeifährt, sind die Gebeine von knapp 5.000 von österreich-ungarischen Soldaten bestattet, die 1915 hierher deportiert worden waren.
In Cala Reale steht auch ein kleines Kirchlein, das von diesen Soldaten zu Lebzeiten erbaut worden war und von der Architektur tatsächlich eher an ein Tiroler Bergdorf erinnert, als an Sardinien.
Weiter geht es, auf die Nordinsel, während der Wind leicht anzieht und die Wolken auseinander treibt. Aber, es ist Rückenwind und wir kommen schnell vorwärts. Mich beschleicht das dumme Gefühl, dass es den ja auch von vorn gibt … Gedanken weggewischt – die Natur ist zu schön, um sich Sorgen zu machen.
… vorbei an Trabuccato mit dem spanischen Wachturm und einer Herde Ziegen …
Dann am Ende eine letzte, signifikante Steigung und über 20 gefahrene Kilometer später, kam Cala d’Oliva ins Blickfeld!
Tja. Und dann, beim isotonischen Belohnungsbier (Ichnusa non filtrata) im Ostello holte uns die Realität doch ein. Es fiel uns wie Schuppen aus den Haaren: Wir mussten den ganzen Kram auch wieder zurück!
Und da es auf dem Hinweg zwar ein, zwei, drei Steigungen aber sonst eher Abfahrten gab, bedeutete es: Mehr Steigungen auf dem Rückweg. Der Blick aufs Zeitgerät verriet: 14 Uhr. Um 17:30 Uhr mussten die Räder wieder in Fornelli abgegeben werden. Auf dem Hinweg hatten wir uns viel Zeit gelassen. Auf dem Rückweg wurde uns die Zeit genommen.
Denn als wäre der Weg noch nicht genug, zog pünktlich zum frühen Nachmittag der Libeccio aus Südwest an und wurde von Stunde zu Stunde stärker. Er wehte uns an der weiten Cala Reale über das flache Campu Perdu kommend direkt in die Fresse! Und verlangsamte die Fahrt erheblich.
Aber wir haben alles geschafft – und den vielleicht niedlichsten kleinen Esel der Welt gesehen:
Insgesamt sind wir an diesem Tag 44 Kilometer mit dem Mountainbike gefahren und schließlich geschafft, aber glücklich wieder auf dem Inselfestland angekommen 🙂
Auf der Insel Asinara könnte man auch übernachten, aber es gibt nur zwei Locations. Will man aber mehrere Touren machen und über Nacht bleiben, bleibt einem nichts anderes übrig:
Für einen Tagesausflug (mit dem Bike, Touristenzug oder per Jeep-Tour) ist praktischer, in Stintino zu übernachten. Dort gibt es auch einige nette Restaurants.
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