Tiscali – ein Eintrag, der in keinem Sardinien-Reiseführer fehlen darf. Ein frühgeschichtliches Nuraghendorf, in einer eingestürzten Höhle in den Bergen. Durchaus etwas Besonderes, das sich Sardinien-Besucher auf die Urlaubs-Sehenswürdigkeiten-Erledigungs-Liste schreiben können.

Tiscali - Reste des Nuraghendorf

Tiscali – Reste des Nuraghendorfes

Geheimtipp kann man Tiscali also nicht nennen, und doch ist es außergewöhnlich – weil nicht viele den beschwerlichen Weg hinauf gehen und weil es derlei Siedlungen auf der Welt nicht allzu oft gibt.

Also eigentlich Pflichtprogramm für den „interessierten Aktivurlauber“ und alle, die nicht im Ferienhaus kleben bleiben wollen.

Das schwarze Schaf hat sich lang drum gedrückt. Aber eines schönen Märztages lud das Wetter mit Sonne, klarer Luft und angenehmen Temperaturen zu einer ausgedehnten Wanderung ein. Keine Ausrede mehr.

Kurz  konkurrierte der Trek nach Tiscali noch mit der Wanderung auf den Monte Corrasi, den höchsten Gipfel des Supramonte, von dem man an solchen Tagen eine grandiose Weitsicht über die Insel hat … aber nein, heute will der Haken hinter Tiscali gesetzt werden!

Wunderbarer Supramonte: Monte Tundu, Monte Oddeu

Wunderbarer Supramonte: Monte Tundu, Monte Oddeu

Damit das Ganze nicht zu einfach wird, nimmt das Schaf nicht den Weg aus dem Valle di Lanaitto (ca. 1 Std. Wanderung einfach), sondern beginnt im Valle di Oddoene – und legt damit absichtlich eine Bergkette extra zwischen sich und das Nuraghendorf.

Eine mittlere Herausforderung für die Fitness nach dem eher faulen Winter …

Eckdaten und Vorbemerkungen

  • Dauer: rund 5 Std. (hin etwa 1/2 Std. länger als zurück; gemütliche Wanderer brauchen bis zu 6 Std.)
  • Länge des Weges: ca. 11 km (hin und zurück)
  • Monate: März/April/Mai/November/Dezember – geht nicht zu spät los, denn in der Nebensaison enden die Tage früh; September / Oktober: auch in den Frühherbstmonaten können die Temperaturen noch bis in den  Abend hoch sein. Im Juni / Juli / August ist diese Tour NICHT zu empfehlen. Im Januar / Februar gibt es schöne Tage, durch den üblicherweise starken Regen in diesen Monaten kann aber die Sicherheit des Weges beeinträchtigt sein.
  • Proviant: mind. 2 l Wasser; unser Rucksack enthielt ausserdem Müsliriegel, Gummibärchen und sardische Dolci (einst ja erfunden als Energlielieferanten für die Hirten auf Wanderschaft). In Dorgali haben wir uns ausserdem im Supermarkt „Berritta“ mit Obst, frischem Fladenbrot, Olivenpaste und supergutem Schinken (an der Theke kaufen, dort bekommt man grandiose Qualität aus Oliena) eingedeckt.
Blick auf das Valle Oddoene

Blick auf das Valle Oddoene

Start: Valle Oddoene

Der erste Kilometer führt auf einer Schotterpiste entlang des „Riu Flumineddu“. Das Flussbett ist von der Überschwemmung im November 2013 massiv ausgewaschen – das einst so liebliche Flüsschen von ca. 3-4 Metern Breite erreicht nun stellenweise gut 20 Meter.

Natürlich trägt er heute nicht mehr so viel Wasser wie bei den starken Regenfällen, aber mit ein bisschen Vorstellungskraft kann man hier der Katastrophe ganz gut nachspüren.

Es gäbe einen alternativen Startpunkt etwas weiter im Tal, mit dem man sich das Stück Weg spart. Aber der langsame Beginn ist eine ganz gute Aufwärmübung für Muskeln und Gelenke – und für das was dann kommt: den ersten Aufstieg.

Denn bislang sahen wir rechter Hand nur die hohen Felswände des Supramonte. Und da Tiscali auf der anderen Seite dieser Bergkette ist, müssen wir da hinüber.

Treppe aus Fels: Scala 'e Surtana

Treppe aus Fels: Scala ‚e Surtana

Wegpunkt: Scala ‚e Surtana

Die Scala ‚e Surtana ist das was ihr übersetzter Name verrät: eine Treppe. Gut 100 Höhenmeter sind zu überwinden, durch niedrige Bäume, über Felsen und Geröll. Ein anstrengender erster Aufstieg, bei dem Kondition und Trittsicherheit gefragt sind.

Die Scala führt dann um die Bergflanke des Monte Tundu herum in ein kleines bewaldetes Hochtal.

Bevor wir oben in dieses Tal abbiegen, lohnt ein Blick zurück: ein toller Ausblick auf das malerische Valle Oddoene mit seinen Weinhängen und auf den Flusslauf des Flumineddu.

Der Weg geht wieder ein Stückchen abwärts und aufwärts (Scala de Cucuttos). Linker Hand erhebt sich der Monte Oddeo, ein Abzweig führt noch dort hinauf – Einsamkeit garantiert.

Hochtal nach der Scala: ab durch den Wald

Hochtal nach der Scala: ab durch den Wald

Wir gehen weiter gerade aus; etwa einen Kilometer lang ist dieser Durchschnitt durch die beiden Berge. Fast ausschließlich durch Wald – an warmen Tagen ein willkommener Schattenspender, an eher wolkigen Tagen in der Vorsaison ist es hier kalt. Da hilft nur Bewegung!

Der Abschnitt durch den Wald ist einfach zu gehen, hier und da sind Picknickplätze für Wandergruppen angelegt.

Der gut erkennbare Weg führt bis in das Valle di Lanaitto und auf eine Lichtung direkt vor den Monte Tiscali.

Wegpunkt: Abzweig Valle Lanaitto / Monte Tiscali

Hier trifft sich der Weg mit dem, der von Oliena aus dem Valle Lanaitto kommt.

Das schwarze Schaf wendet sich zum Berg – ein großer Steinhaufen und ein Holzschild markieren den Weg hinauf. Nach etwa hundert Metern dann ein weiterer Abzweig tiefer in den Supramonte hinein (unmarkierte Wege, ohne Guide nicht unbedingt empfohlen).

Wegweiser nach Tiscali: ab hier 20min

Wegweiser nach Tiscali: ab hier noch ca. 20 min

Tiscali ist hier mit 20 Minuten ausgeschildert – und die gehen über einen schmalen Felsgrat („Sa Curtigia de Tiscali“) ausnahmslos bergauf. Und zwar steil bergauf. Anstrengend, mühsam, ermüdend. Bist du nicht ganz fit, kann das also auch länger dauern.

Aber: die Felswände des Monte Tiscali sind richtig was fürs Auge. Und wem das wirklich zu anstrengend ist, den laden ein paar Felsen am Wegesrand zu einer ersten Pause ein. Die Sonne scheint auf das Tal Lanaitto, das sich gen Norden erstreckt. Nach rechts blicken wir auf das waldige Tal, das wir eben durchschritten haben.

Zufrieden knabbert das Schaf an seinem Panino und genießt den Ausblick für eine Viertelstunde, bis es weitergeht.

Aufwärts, Ihr erinnert Euch …

Der Weg ist insgesamt wenig markiert, aber es gibt auch kaum Alternativen oder Möglichkeiten, sich zu verirren. Irgendwann taucht ein Hinweisschild auf, und dann ein letzter Aufstieg, mit Wacholderbaumästen als Geländer – und wir sind da.

Wegpunkt: Villaggio Nuragico di Tiscali

Tiscali-Rundkurs-II

Rundkurs durch die Höhle Tiscali

Als erstes – und das ist erstaunlich Anfang März – begrüßt uns ein Guide, der auf Besucher wartet. Viele kommen nicht, sagt er, heute waren es nur vier.

Die Doline (auch: Karsthöhle, Sinktrichter) liegt fast ganz oben auf dem Monte Tiscali, auf etwa 500 Meter über dem Meer. Hier stürzte vermutlich vor etwa 90.000 Jahren das Dach einer riesigen Grotte oder Höhle ein und bildete diesen Trichter mit stark überhängenden Seitenwänden.

Man schätzt etwa 1.500 – 1.800 Jahre vor Christus lebten hier rund 200 Menschen, in einem Dorf mit etwa 40 runden Steinhütten („Capanne“). Es war lang besiedelt, mit einiger Sicherheit bis in die Römerzeit, als Fluchtort für Dorfbewohner und ihre Tiere.

Aber auch später wurde die Doline von Banditen und Hirten genutzt. Sie schützte vor Wind, Wetter – und Feinden aller Art.

Dass heute nur noch wenige Hütten erhalten sind, liegt dummerweise am Tourismus. Während die Inselbwohner diesen Ort immer respektierten, sind die Fremden auf Mauern balanciert, haben Steine mitgenommen, Picknicks veranstaltet oder in den Trümmern gewühlt.

Blick vom Monte Tiscali in Richtung Valle Lanaitto

Blick vom Monte Tiscali in Richtung Valle Lanaitto

Die Verfallserscheinungen des letzten Jahrhunderts sind schlimmer als sämtliche Schäden aus den Jahrtausenden zuvor. Traurig.

Den verbleibenden Rest der Kulturstätte zu schützen ist die Hauptaufgabe des Guides (neben ein paar freundlichen Erklärungen zum Ort). Er ist hauptsächlich hier, um dafür zu sorgen, dass die Besucher auf den Wegen bleiben und die wenigen vorhandenen Überbleibsel nicht zerstören.

Auch im Winter und bei schlechtem Wetter wechseln sich die „Wächter“ ab. Der Eintritt von 5 Euro pro Nase ist für die Kooperative, die sich um Tiscali kümmert, ein ziemlich spärlicher Verdienst – und hat plötzlich ganz viel Sinn.

Etwa eine halbe Stunde kann man sich in der Doline beschäftigen. Dann ruft – je nach Sonnenuntergang – der Rückweg.

Rückweg und Alternativen

Auf dem Monte Tiscali - atemberaubender Ausblick

Auf dem Monte Tiscali – atemberaubender Ausblick

Das schwarze Schaf geht den gleichen Weg zurück. Das geht etwas flotter, da weniger Höhenmeter zu überwinden sind.

Wer Zeit hat, oder irgendwie ohne Auto zum Ausgangspunkt gekommen ist, oder sich eh auf eine mehrtägige Wanderung mit Übernachtung im Freien eingestellt hat, kann natürlich auch in andere Richtungen weitergehen:

Richtung Süden / Su Suercone:

Von dem oben erwähnten Abzweig am Monte Tiscali sind tiefer im Supramonte die Hochebene Campo di Doinanicoro und ein weiterer, riesiger Karsttrichter „Su Suercone“ erreichbar. Dieser Trek ist nicht für Alleinwanderer und nur mit ortskundigem Guide zu empfehlen, da die Wege nicht markiert sind. Einen Guide vermitteln wir Euch gern.

Hirtenpfade (ebenfalls nicht markiert) sollen bis zur Gola Gorroppu führen – ebenfalls unmarkeirt und nur bei gutem Wetter und nur mit ortskundigem Guide zu empfehlen.

Richtung Norden / Valle di Lanaitto:

Ebenfalls ein wunderschönes Tal, in dem z. B. die Grotten Sa Oche e Su Bentu locken. Wem der nun folgende Aufstieg nach Tiscali zu mühsam ist, kann auch das Nuraghendorf „Sa Sedda ‚e Sos Carros“ besuchen (das deutlich besser erhalten ist als Tiscali).

Bei einer mehrtägigen und sehr früh begonnenen Wanderung wäre möglich, hinauf zum Monte Corrasi zu gelangen. Oder man geht weiter zur Quelle Su Gologone.

Weitere Informationen:

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