Text und Bilder: Chris „Chrigel“ Karrer, Sardinia Divers, Orosei
Der Golf von Orosei ist ein etwa 30 Kilometer langer Küstenabschnitt in der Mitte von Sardinien an der Ostküste. Er gehört zum Schutzgebiet „Parco Nazionale del Golfo di Orosei e del Gennargentu“.
Der nördliche Teil des Golfes besteht aus einer flachen Granit- und Basaltlandschaft, die sich bis nach Cala Gonone hinzieht. Der südliche Teil besticht durch jäh ins Meer abfallende Kalksteinfelswände und wilde, unbewohnte Macchia, die sich um das Capo Monte Santu bis nach Santa Maria Navarrese hinziehen.
Nur wenige Ortschaften befinden sich an der Küste, darunter die bekannten Badeorte Capo Comino, Cala Ginepro, Cala Liberotto, Orosei und Cala Gonone. An kilometerlangen Sandstränden bis zu kleinen romantischen Buchten findet hier jeder einen Platz, der ihm gefällt.
Aber auch unter Wasser ist die Region mit einer erstaunlichen Vielfalt gesegnet und ideal für einen Tauchurlaub.
Unter Wasser ist der nördliche Teil des Golfes von Orosei geprägt von den Untiefen und „Riffen“. Diese bestehen zumeist aus Lava die in grauer Vorzeit in das Meer geflossen ist und Labyrinthe aus Kanälen und Wänden geschaffen hat.
Viele der Tauchplätze sind diese prähistorischen Lavaflüsse, die im Laufe der Jahrtausende von Meerlebewesen überzogen wurden und nun ein optimaler Lebensraum für ein vielfältiges marines Leben bieten.
Einige der Tauchplätze haben mehrere meterhohe Wände, die bunt bewachsen sind und vor allem die wenig tiefen Tauchplätze bestechen durch ihre ausuferndes Farbenspiel und den Kontrast mit dem weissen Sandboden.
Die beliebtesten Tauchziele im Golf von Orosei sind aber sicherlich die Wracks aus dem zweiten Weltkrieg. Das Flugzeug vor dem Strand von Capo Comino, das Wrack des Transportschiffes KT12 vor dem Hafen von Orosei und das Wrack der Nasello vor der Bucht von Cala Luna.
Diese Region ist eher etwas fürs Auge: durch die steilen Felswände und den sandigen Boden sind sie ein einmaliges Spektakel, da das Wassers durch den weissen Kalksteinsand eine besondes intensive türkis und smaragdgrüne schimmert – ein tolles Farbenspiel.
Zum normalen Sporttauchen sind sie wenig interessant. Wer aber gerne eine neue Erfahrung beim Tauchen machen will und keine Angst vor Grotten und Höhlen hat kommt in dieser Gegend voll auf seine Kosten. Die Kalksteinwände sind von mehreren riesigen Höhlensystemen durchzogen.
Während Grotten auch von erfahrenen Sporttauchern besucht werden können, sind Höhlen ausschliesslich von ausgebildeten Höhlentauchern zu betauchen. Die Tauchbasis Protec Sardinia in Cala Gonone ist auf Höhlentauchen spezialisiert und steht unter deutscher Leitung.
Wärend das Wrack des Corsair Jagdflugzeuges in Capo Comino nahezu zerstört ist, sind die 32 Meter tief liegenden Wracks der KT12 und der Nasello noch gut erhalten. Insbesondere der Tauchgang an der KT12 ist ein „must“ für erfahrene Taucher, die auf Sardinien sind.
Die KT12 war ein in Livorno nach Plänen der deutschen Kriegsmarine gebautes Transportschiff der KT-Klasse und wurde auf der Jungfernfahrt von Livorno nach Cagliari vom englischen U-Boot „Safari“ torpediert. Zwei der Torpedos gingen daneben, das dritte schlug am Bug ein und sprengte ihn in einem Stück ab, was die Ladung aus Benzin in Brand setzte.
Die Tauchgänge an der KT12 sind daher zwei: einer am 68 Meter langem buglosen Schiff und der andere am etwa 300 Meter entfernten Bug, der wenig betaucht wird.
Die Nasello wurde einige Tage später ebenfalls von der Safari durch Kanonenfeuer versenkt. Die Explosion beschädigte aber auch den Dampfkessel, wodurch das Schiff in der Mitte auseinandergerissen wurde und das Wrack etwas weniger „ansehnlich“ ist. Aber auf jeden Fall ein toller Tauchgang.
Weitere Tauchgänge führen zu der charakteristischen Unterwasserwelt des Golfes: Wir sehen Basaltformationen, die schön bewachsen sind und ein optimales Habitat für Lebewesen bieten. Optisch beindruckend sind die schönen Formationen, die aus dem weissen Sand emporragen.
Meereslebewesen gibt es viele zu sehen: von bunten Schwämmen, Gorgonien und Algen, über Nacktschnecken und unendlich viele bunte Fische bis zu grösseren Fischen wie Amberjack, Barracudas und Zackenbarschen.
Wer auch noch andere Regionen der Insel betauchen will, kann sich geführten Tauchausflügen anschließen. Zu den beliebtesten Ausflugszielen gehören der Marinepark „La Tavolara“ mit der unter Tauchern berühmten Untiefe „Secca del Papa“, der Nationalpark „La Maddalena“ mit seinen wunderschönen Tauchplätzen sowie die Grotten und Höhlen von Alghero.
Je nach Distanz (Sardinien ist groß!) sind sie als Tagesausflug für Frühaufsteher oder mit Übernachtung in einem günstigen Agriturismo organisiert. So kann neben der schönen Natur auch die leckere sardische Küche intensiv genossen werden und persönliche Kontakte geknüpft und vertieft werden.
Tauchsaison auf Sardinien ist von Mai bis Oktober, da das Wasser aber nie kälter als 13° wird kann grundsätzlich das ganze Jahr über getaucht werden. Mangels Touristen im Winterhalbjahr sind viele der Tauchbasen aber geschlossen.
Wer Lust bekommen hat, Sardinien von der Unterwasserseite anzusehen, ist herzlich eingeladen, sich an unseren Autoren zu wenden. Lasst Euch von der Vielfalt der marinen Inselwelt überraschen!
Unser Autor
Christian Karrer, gebürtiger Schweizer lebt seit 1996 in Orosei auf Sardinien. Er ist Tauchlehrer und Besitzer der in Orosei ansässigen Tauchbasis Sardinia Divers (Kontakt: info@sardiniadivers.com). Neben dem Tauchen gehören auch Angeln und die Fotografie zu seinen Hobbys. Im Winter bereist (und betaucht) er gerne die Welt.
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