Sie begegnen dir immer wieder entlang der sardischen Küste: spanische Türme. Ein kleines Schmuckstück befindet sich hinter einem kleinen Küstenwäldchen an einem der Kanäle des Flusses Flumendosa bei Marina di San Giovanni: der Torre dei Dieci Cavalli, Turm der zehn Pferde.
Der Turm, von den Spaniern auch Torre de la Puerta genannt, wurde etwa im 16. Jahrhundert als Tor errichtet, durch das eine strada reale, eine königliche Straße von Cagliari zu den Dörfern des Sarrabus führte.
Die Gegend war berüchtigt für Überfälle aller Art, Vieh- und Erntediebstahl sowie Kidnapping die beliebtesten. Sarazenen und Korsaren (nein, nicht die Korsen, sondern Freibeuter) landeten an, entführten Männer, Frauen und Kinder und verkauften sie zu Sklavendiensten in den gesamten Mittelmeerraum.
Ein einträgliches Geschäft, das der Region natürlich ziemlich zusetzte. Das rief die Spanier auf den Plan, die Sardinien (das sie ja eigentlich auch illegal erbeutetet hatten) und vor allem die reichen, fruchtbaren Gegenden verteidigen und schützen wollten.
Sie errichteten also diesen Turm eingangs des Gebietes von Muravera als eine Art Straßensperre.
Der Turm hatte eine weite Mauer und eine im Boden eingelassenen Wehranlage, aus der mit Schleudern brennende Geschosse abgefeuert wurden, die die Feinde zurückdrängen sollten.
Außerdem standen am Torre dei dieci Cavalli stets zehn Männer auf Pferden am Turm Wache, bewaffnet mit Jagdgewehren. Wie aus einem Murales in Muravera ersichtlich, übernahmen diese Aufgabe die Muraveri selbst, erkennbar an der typisch sardischen Kleidung und der Berretta auf dem Kopf, sowie am unmilitärischem Auftreten.
Bei akuter oder herannahender Gefahr nahmen sie Kontakt zu den beiden nächsten Türmen auf:
Von oben auf dem Turm (leider nicht zugänglich) und mit einem Fernglas soll sowohl der Torre di Porto Corallo als auch der Torre Salinas weiter südlich sichtbar sein.
Auch der Torre Salinas ist recht originell und quadratisch erbaut, man hatte es hier scheinbar gern eckig). Von dort wiederum war der Torre del Capo Ferrato (Torre di Monte Ferru) erreichbar, der früher auch mit einem darin brennenden Feuer als Leuchtturm genutzt wurde.
Umgekehrt erhielten die zehn Wächter auch Warnungen von den Nachbartürmen.
Sobald sich Gefahr ankündigte, ritten sie in die umliegenden Dörfer Muravera, San Vito und San Priamo, um die Bevölkerung zu warnen. Und so entstand sein Name: Turm der zehn Pferde, Torre dei Dieci Cavalli. 1774 hatte sich die Lage auf dem Mittelmeer beruhigt, der Turm wurde aufgegeben und die Wächter entlassen.
Der Bau ist etwa quadratisch und mit der ehemals hindurchführenden Straße sowie der links und rechts wegführenden Mauer einzigartig auf Sardinien. Das ehemalige Tor hat auf der einen Seite einen Rund- auf der anderen als Spitzbogen (vermutlich ist die runde Ausführung eine spätere Ausbesserung).
Entlang der Küste Sardiniens findest du rund 100 spanische Türme, die einen Ring um die ganze Insel bilden, häufig auf Anhöhen oder Kaps, um das Meer gut zu überblicken.
Der Zweck der spanischen Türme war eindeutig militärisch: Zwischen einigen bestand eine Sichtverbindung zur Kommunikation und so konnte bei heranrückenden Feinden frühzeitig gewarnt werden. Im Hinterland fanden sich meist Stellungen oder Dörfer. Die Insel war so über mehrere Jahrhunderte einfach, aber effektiv zu schützen.
107 spanische Türme sind es, um genau zu sein. Einige sind bereits über 1.000 Jahre alt, viele äußerst baufällig, ein paar sind bis auf die Grundmauern fast ganz verschwunden, andere wieder sind sehr schön und gut erhalten, wie eben der Zehn-Pferde-Turm.
Die noch erhaltenen Türme findest du auf der Seite www.cammino100torri.com/gallery.html.
Da die Türme mit wenigen Ausnahmen durch alte Wege miteinander verbunden sind, liegt nahe, sie abzuwandern.
Eine Route sowie Übernachtungstipps findest du auf www.cammino100torri.com. Der Weg ist allerdings 1.228 km lang – wenn du ihn stramm mit täglich 40 km gehst, benötigst du gut einem Monat, bis du einmal um Sardinien gelaufen bist. Wenn du Pausen einlegst, natürlich länger.
Zu knapp 90% sind es noch die unmarkierten Schotterwege und Trampelpfade, der Weg an der Küste entlang bis auf den Abschnitt im Supramonte an der Ostküste leicht zu gehen. Manchmal weicht die aber auch asfaltierte Straßen daraus.
Wenn du aber mal ganz viel Zeit und Lust oder Bedarf auf ein alternatives Urlaubsprogramm hast, ist dieser Inselrundgang entlang der 107 Türme sicher eine der besten Empfehlungen.
Die Strecke lässt sich natürlich auch auf einen beliebigen Küstenabschnitt abkürzen, z. B. von Cagliari bis Arbatax oder von Santa Teresa Gallura bis Stintino, von Alghero bis Oristano – und von dort mit dem Bus wieder zum Ausgangspunkt, oder weiter, je nachdem wie deine Reiseplanung ist.
Machst du Ferien in der Gegend um Costa Rei, kannst du hier eine schöne Wanderung zwischen Porto Corallo und Torre Salinas machen.
Nur dann musst du natürlich auch zehn Pferde mitnehmen … 😉
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