Man nehme: Einen Tag mit Dauerregen im März und einige abgelegene Feenhäuser. Zum Beispiel die Domus de Janas der Nekropole Puttu Codinu in der Region Logudoru, östlich von Alghero.

Diese grauen Tage im Frühling sind wirklich mühsam. Da hofft das schwarze Schaf auf frühlingshafte Temperaturen, und dann machen Inselklima und Großwetterlage ihm einen fetten Strich durch die Rechnung.

Fenster-Puttu-Codinu
Fenster ins Graue – Nekropole Puttu Codinu

Gut, die schlimmste Regenphase hat es im Auto verbracht, eine Dreiviertelstunde etwa fuhr es auf der SS 292 durch das Einheitsgrau von Alghero Richtung Villanova Monteleone.

Auf dem Weg treibt ein Hirte fünf Kühe über die Straße. Das deutsche Nummernschild am Redaktionspanda sieht er ob der Abgeschiedenheit des Ortes und der noch nicht begonnenen Saison ungläubig an. Ansonsten sehen wir vielleicht zwei, drei Autos, und noch zwei (weiße) Schafe, die neugierig über die Leitplanke lugen.

Eine ganz besondere Stimmung liegt über dem Land.

Zwischen Villanova und Rocca Doria kommt der Lago di Monteleone in Sicht. Er sieht aus wie ein idyllischer Bergsee, da ist egal, dass er nicht natürlich, sondern wie fast alle Seen der Insel durch Stauung eines Flusses (hier des Riu Torso) entstanden ist.

Hinter ihm, auf einem Felsen liegt das Dorf Monteleone Rocca Doria, in das eine steile Serpentine hinaufführt. Ein Bild, das unbedingt gemalt werden will. Doch heute würde jedes Papier, jede Leinwand zu nass werden.

Da lockt ein Schild zu Puttu Codinu. Unfassbar: Mitte März, keine Menschenseele unterwegs – und trotzdem sitzt jemand in dem kleinen Kassenhäuschen. Eine dick eingepackte, verschnupfte Studentin erklärt ein bisschen was zur Nekropole.

Das Schaf zahlt gern die drei Euro und findet das fast zuwenig angesichts der Tatsache, dass die Arme hier bei dem ollen Wetter den halben Tag verbringen muss … Eine halbe Stunde später fährt sie weg, muss sich vermutlich aufwärmen.

Exklusive Felswohnung für nach dem Leben
Exklusive Felswohnung für nach dem Leben

Jetzt ist es sehr exklusiv in der Nekropole, die in einen halb unterirdisch liegenden riesigen Felsen gehauen sind. Der Weg dorthin gerät zu einer kleinen Wanderung, bis zu zehn Zentimeter Regenwasser steht in großen Teichen auf der Wiese, um das man weitläufig herum laufen muss. Auf den letzten fünf Metern werden die Füße dann doch so nass, dass es auch egal ist.

Das schöne an Feenhäusern: Sie haben Kammern. Sprich: ein Dach. Und ein Dach schützt vor Regen. Kurz in die einzelnen Räume (bzw. Grabkammern) geblinzelt, die „gemütlichste“ ausgesucht, und auf eine trockene Stelle gesetzt.

Die Steine sind weich, und mit dem Rücken an der Wand sitzt das Schaf im Halbdunkel und schaut hinaus in die graue Landschaft.

Wie friedlich!

Außer dem Selbst erinnert nichts an die Zivilisation. Alles ist schlagartig weit weg. Wer allein in einem großen Feenhaus wie diesem ist, bei dem Räume auch miteinander verbunden und in Muschelform ausgehöhlt sind, kann ausprobieren, wie der Schall sich manchmal durch die Kammern fortsetzt.

Dazu muss es aber ganz still sein. Dann wirkt es wirklich, als würden Feen hier wohnen und flüstern. Hier und heute kann man dem Regen nachlauschen. Auch sehr schön.

Fernab der vollklimatisierten Welt
Fernab der vollklimatisierten Welt

Ein erneuter Wolkenbruch beendet den Frieden, draußen regnet es in einer Tour, drinnen wird es immer dunkler. Fast wird es unheimlich, und die von der Zivilisation verwöhnte Seele wird etwas unruhig.

Immerhin sind einige der Räume ja Grabkammern, und man würd‘ ja auch nicht unbedingt bei Gewitter in einem Sarg hocken.

Natürlich ist das hier irgendwie anders. Fünftausend Jahre ist Puttu Codinu etwa alt, und mehr ein Gedankenanstoß dafür, wie schön es ist, wenn sich manche Dinge einfach nicht verändern.

Puttu Codinu ist nicht nur für Stimmungssammler, sondern auch für Archäologiefreunde interessant.

Wikipedia schreibt: „In Gruft VIII, der perfektesten des Komplexes ist eine schräge Balkendecke nachgebildet und eine mit einem Stiergehörn gekrönte Scheintür in die Mauer der Hauptkammer graviert worden. Unter den in der Nekropole gemachten Funden ragt die „Dea Madre“ (Muttergottheit), eine 18 cm hohe aus Kalkstein geschnitzte Figur, die die weibliche Fruchtbarkeitsgottheit darstellt heraus. In Gruft IX sind auf der Mauer zwei kleine vermutlich magisch-rituelle Schälchen eingraviert. Sie stellen entweder die Brüste der Göttin oder die Augen der „Dea Onniveggente“ (allwissende Göttin) dar.

Kleine Feen
Kleine Feen

Der sardische Göttinnenkult ist einer der interessantesten, den die Insel zu bieten hat – da muss das Schaf an einem anderen verregneten Tag nochmal nachschnüffeln.

Jetzt jedenfalls bricht der Himmel ein wenig auf, es hat aufgehört zu regnen und die Sonne blitzt hier und da hervor. Das ist das Schöne am Inselregen – die sonnigen Abschnitte dazwischen.

Nicht viel, aber es reicht, um mit den regennassen Gänseblumen, die überall auf dem Felsen wachsen, etwas Frühling zu simulieren. Sie sehen aus wie kleine Feen im Regen, so als wären auch sie schon seit Jahrtausenden hier. Wer weiß, vielleicht sind sie das ja.

Wir treten heraus, wandern noch ein wenig herum und lassen irgendwann diesen ganz eigenen Platz zurück, steigen in unser Auto und fahren weiter über Nebenstraßen durchs wunderschöne regennasse Logudoru.

Weitere Informationen: 

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