Etwa 500 bis 600 Wildpferdchen sollen auf der Hochebene Giara di Gesturì leben. Gesehen hat das schwarze Schaf davon im Laufe einiger Besuche vielleicht so 30 oder 40.
Die meisten von ihnen verstecken sich ziemlich gut und sind sehr scheu. Wildpferde halt. Als das Schaf an diesem Wintertag ein paar Stunden durch die Giara streifte, sah es Unmengen von Ziegen und Kühen. Und Pferdchen nur genau zwei:
Die Tiere halten tatsächlich sowas wie Winterruhe. Die kalte Jahreszeit verlangt ihnen einiges ab, da wird Energie gespart, wo es nur geht. Ist ein gemütlicher Platz mit Futter gefunden, bleibt man dort eben.
Und da die Büsche und Korkeichen durchaus höher werden als die Pferde, hat zumindest ein kleiner Mensch mit Augenhöhe 1,50 einige Mühe, sie zu erspähen. Aber zwei reichen dem Schaf und die Giara hat ja durchaus noch mehr zu bieten.
Pferdchen ist genau richtig formuliert. Denn die Cavallini della Giara (Equus caballus jarae) sind sehr klein, gelten aber nicht als Ponys, sondern als Kleinpferde, trotz der niedrigen Widerristhöhe von 1,25 bis 1,40 m.
Der Mensch greift selten in die natürlichen Abläufe ein. Die Pferde laufen auch nicht weg – warum auch. Die Hochebene ist ein ein weites, in sich geschlossenes Ökosystem, das seit Jahrhunderten alles bereit hält, was die Tiere zum Leben brauchen: eine erstaunliche Pflanzenvielfalt und mehrere saisonale Süßwassertümpel („Pauli“ genannt). Mal finden die Pferdchen mehr Futter und Wasser, mal weniger – und müssen sich das noch mit freilaufenden Kühe und Ziegen teilen.
Die kleinen Tiere sind erstaunlich zäh und anpassungsfähig. In sehr harten Wintern oder sehr trockenen Sommern wird ab und zu mit Heu nachgeholfen. Mehr aber auch nicht.
Als es in einem Jahr kaum regnete und die Tiere kein Wasser fanden, starben auch einige. Die verstorbenen Tiere wurden und werden in solchen Jahren auch in der Landschaft liegen gelassen (von ihnen ernähren sich andere Tiere auf der Giara, Wildschweine, Füchse und auch wieder angesiedelte Geier auf Sardinien sollen gesichtet worden sein). Einige Pferdefreunde (auch Urlauber aus Deutschland) schlugen Alarm und wollten Futter und Wasser organisieren. Doch private Hilfe geht weit über das hinaus, was wilden Tieren langfristig hilft.
Denn eigentlich war die Welt hier gerade mehr als in Ordnung. Das Prinzip der natürlichen Auslese und dass niemand zu Hilfe eilt, wenn im Tierreich mal was quer sitzt, ist in unserer zivilisierten und durchgestylten Welt kaum mehr nachvollziehbar. Aber hier ist das tatsächlich noch so.
»Das sind Wildpferde« sagte ein nach dem Grund befragter Forstmitarbeiter der Giara und schüttelte fast unmerklich mit dem Kopf, als wäre die Frage schon sehr, sehr dumm.
Wild heißt wild. Die Giara di Gesturì ist kein Zoo, sondern Natur pur.
Und das ist auch schon das wichtigste, was der Besucher über diesen Platz wissen muss. Auch, wenn ein Zaun um die Giara ist, und ein paar Hirten sie beweiden, ist die Giara ein wildes Naturschutzgebiet. So, wie sie schon seit Jahrhunderten ist, hat man sie bis heute belassen.
Die Hochebene ist zudem ein begrenzter Platz (4.500 Hektar um genau zu sein). Da ist gut, wenn sich die Zahl der Tiere manchmal auf natürliche Weise dezimiert. So funktioniert das Leben und Sterben auf der Erde (normalerweise). Vielleicht schwer zu verstehen oder unschön, aber der Lauf der Dinge.
Wenn der Mensch eingreift, ist und war das für die Tierchen nicht immer zum Vorteil. In Gesturì findet sich ein Murales, das die gängige Praxis (bis spät in die 60er) zeigt, wie einige Wildpferde eingefangen und für die Feldarbeit domestiziert wurden – oder als Fleischlieferant dienten.
Die Pferde sind ein Wahrzeichen Sardiniens, sind aber primär um ihrer selbst willen da.
Und sie sind keine Touristenattraktion, auch wenn das einige denken mögen. Nein, es gibt keine Ponys auf denen Kinder reiten könnten. Und die Pferde interessiert auch nicht, ob du gerade 50 oder mehr Kilometer gefahren bist, um sie zu sehen – und sie sich dir ja nun bitte auch zeigen müssten. Müssen sie nicht.
Liegt in der Nebensaison morgens und abends deutlich höher als tagsüber. Relativ niedrig ist sie auch im Sommer in der Mittagssonne. An den Wasserstellen sind sie häufig zu finden, ob an den Seen oder den Tränken der Hirten. Je nach Wetter sind sie auch an schattigen und windgeschützten Plätzen zu finden (von denen es weit im Inneren der Giara deutlich mehr gibt).
Und manchmal ist den Pferden Ort und Uhrzeit auch völlig wumpe und es trabt eine kleine Herde vorbei, wo du sie gar nicht erwartest. Das ist das schöne an der Giara. Jedes Pferdchen, das du siehst, ist etwas Besonderes, wie ein kleines Geschenk.
Der Weite der Giara, der Wildheit der Tiere und nicht zuletzt dem zunehmenden Tourismus ist geschuldet, dass du stundenlang laufen kannst und kein Pferdchen siehst. Das passiert. Vor allem, wenn du nur eine halbe Stunde auf den ersten hundert Metern hineinspähst und nur einen Hauch von Giara erschnüffelst.
Einzelne Familienverbände (je ein Hengst und zwei, drei Stuten unterschiedlichen Alters) werden auf der Giara di Gesturì zu Zucht- und Forschungszwecken in Zäunen gehalten und betreut, mit Microchip versehen, etc.
Diesen Abschnitt findest du am nordwestlichen Ende der Giara, das von der regionalen Pferdezuchtvereinigung (Istituto di Incremento Ippico di Ozieri) verwaltet wird. Der Zugang von Gonnosnò ist zwar verschlossen, aber es gibt ein Tor, das du öffnen kannst, und bitte wieder schließen solltest.
Es wird von Sarden gern mal behauptet, die Cavallini della Giara seien die letzten oder einzigen Wildpferde Europas. Das ist so (zum Glück!) nicht richtig: Da gibt es noch die Dülmener Wildpferde in Deutschland, die Carmargue-Pferde in Frankreich, die Exmoorponys in England, die Wildpferde der Suva in Serbien, … und vermutlich noch ein paar mehr, die das Schaf nicht kennt.
Die Garantie zur Tiefenentspannung ist bei der Giara di Gesturì inklusive.
Du brauchst vor allem: Zeit und Ausdauer.
Die Giara ist riesig: zwölf Kilometer lang und bis zu vier Kilometer breit. Sie mit 4 bis 5 km/h Wandergeschwindigkeit an einem Tag durchqueren zu wollen, ist machbar. Im Frühling hast du als Frühaufsteher rund zwölf Stunden Sonnenlicht, die du gut ausfüllen kannst:
Bei Nicht-Pferde-Sichtungen musst du einfach ausdauernder in die Landschaft eintauchen und auch mal ganz still irgendwo sitzen und warten.
Ums kurz zu machen: Eine Pferdeseh-Garantie gibt’s nicht. Und wäre das Schaf ein Cavallino, es würde sich vor der anrückenden Reisegruppe auch ganz weit hinter dem Pauli Maiore verstecken und hoffen, dass keiner es bemerkt …
Ein Pferd fügt sich am besten ein, denn Hufgetrappel gehört dank der hier wild lebenden Pferdchen zum Alltagsgeräusch. Wenn du in der Region wohnst, wird jeder Gastgeber sich mit Freuden darum kümmern, dass du die Giara zu Pferd erkunden kannst. Ansonsten frage bei der Parkverwaltung nach Anbietern.
Das nächste Mittel der Wahl: zu Fuß. Ja, die Giara ist etwas für Spaziergänger und Lauffreudige. Sie ist 12 Kilometer lang und mit einem guten Wegenetz versehen.
Ein Mountainbike ist ebenfalls prima. Du fährst bei den umliegenden Dörfern wie Gonnosnò, Genoni oder Gesturì durch Hügelland, dann eine der Serpentinen hinauf, oben über die Schotterwege der Giara – so kommen einige Kilometer zusammen.
Oder du gehst am Hauptparkplatz (von Gesturì kommend) zu der kleinen Hütte links, in der ein bärtiger, alter Herr alte, ganz stinknormale Fahrräder wieder aufmöbelt. Gegen eine kleine Spende kannst du eins davon nehmen und da die Giara eine Hoch-EBENE ist, also keine Steigungen und zudem gut befestigte Wege hat, kommt man bestens damit klar.
Und mit dem Auto? Nein. Das dürfen nur diejenigen, die im Park zu tun
haben, hinein: die freiwilligen Parkmitarbeiter, die Corpo Forestale, die Ziegen- und Kuhhirten. Wenn du nicht zu denen gehörst, musst du am Eingang parken und eben zu Fuß / per Bike hinein.
Leider ist der Park nicht verschlossen und frei zugänglich, was dazu führt, dass einige (vorwiegend Einheimische) einfach hineinfahren und ein Picknick mit der Großfamilie zu veranstalten. Letzteres ist sogar an festen Plätzen erlaubt und irgendwie muss das Geraffel ja zum Picknickplatz – so dass die Corpo Forestale speziell an Feiertagen sämtliche Hühneraugen mit zudrücken. Wer dann im Park Ruhe sucht, muss auf einen der anderen Eingänge ausweichen, z. B. in Gonnosnò.
Mangels ausreichender Kontrollen übersieht oder ignoriert an diesem ganz normalen Morgen schon wieder einer die Verbotsschilder und fährt mit seinem Auto hinein, dreht eine kleine Runde und nach kurzer Zeit kommt er dem Schaf wieder entgegen. Pferdchen gesehen, Haken im Reiseführer gemacht, wieder abgefahren? Herzlichen Glückwunsch.
Kurz danach folgen fünf Motorradfahrer aus Bergamo. Mit denen ist das schwarze Schaf sofort böse. Sie rattern laut durch die Einfahrt und geben auf der folgenden Gerade sofort Gas. Bitte!!! Wenigstens langsam und leise!!!
Wildsau auf den Schotterstraßen spielen, ist mega fehl am Platz in dieser Oase! Die Giara di Gesturì ist ein Platz zum Verweilen, zum Entspannen, zum Ruhe finden. Wer das nicht respektieren mag, hat Sardinien nicht verstanden und sollte vielleicht lieber irgendwo anders Urlaub machen.
Frühling. Definitiv. Weil dann alles grünt, die flachen Seen Wasser tragen und es an ihren Rändern sogar blüht und die Pferdchen manchmal pittoresk hindurch laufen. Nach dem Winter werden auch die Fohlen geboren und wenn man einen kleinen Familienverband erspäht, ist wundervoll, zu beobachten, wie Rangordnung und Wildleben tatsächlich funktionieren.
Die meisten machen den Fehler, die Giara di Gesturì im Sommer zu bereisen. Dann ist sie zwar nett, aber durchaus anstrengend: heiß, staubig und die Pferde sind weit im Inneren unter den schattigen Korkeichenbäumen und zwischen den Büschen und bewegen sich so wenig wie möglich.
Aber auch im Winter ist die Giara wunderbar. In den Dörfern rund um die Giara findest du ganzjährig Leben vor.
Schwarzschaf-Gastgeber-Tipps:
Mehr Infos über die Giara auf www.parcodellagiara.it
Was es sonst noch in der Region Marmilla gibt erfährst du in diesem Artikel: Marmilla: Wildpferde der Giara, Nuraghen … und ein Sessellift?!
Und last but not least das geologische Highlight, ein riesiges Lavakissen.
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Peter
11. Februar 2019 at 21:06Danke für den Tipp mit der Giara, wir hatten Anfang Februar das Glück dort 3 Tage unter blauem Himmel bei 17° zu verbringen…
felix schramm
14. Februar 2019 at 23:34Hallo
beste zeit auf der giara ist mitte April bis max mitte mai(plus minus) , da blüht auf den paulis der wilde hahnenfuss, da schauen die paulis auf den ersten blick aus wie Schneefelder. und unter den lichtdurchfluteten korckeichenwäldern blüht dann ebenfalls weiss der affodil.
für mich D I E Traumlandschaft der Insel/europas,
extratipp am eingang der giara (von gesturi)einen ausritt buchen,(es geht z.t. quer durch die paulis!) (Die Reitpferde sind keine giara Pferdchen werden aber auf vielen Fotos als solche ausgegeben= 100% ige pferdesichtbarkeit).
die schotterstrassen können von behinderten auch mit dem pkw befahren werden.
Jim Knopf
3. Januar 2021 at 09:07Wir wurden, außerhalb der Saison, nach einer WoMo-Nacht vor dem Eingang, morgens direkt AUFGEFORDERT mit dem WoMo über die Hochebene zu fahren! Außer ein paar Hirten, die eher schnell unterwegs waren, sahen wir Niemanden.
Darin sehe ich auch kein Problem. Von einzelnen, langsam und leise fahrende Autos fühlen sich Tiere in aller Regel viel weniger gestört, als von Wanderen und Radlern, vor allem wenn es sich um lautstarke Italienische handelt…
Wir haben damals über 15 km zurück gelegt, mehrfach gehalten und somit natürlich viele Pferde, Wasserbüffel und halbwilde Schweine gesehen. In den kleinen botanischen Garten, am anderen Ende, sind wir natürlich zu Fuß.