Klingt bekloppt irgendwie. Also, Roadtrip jetzt nicht. Aber von Kiel nach Sardinien irgendwie schon. Die meisten Urlauber aus nördlichen Gefilden wählen den Flieger in den Süden – oder fahren gleich nach Dänemark.
Aber mit dem Auto (noch dazu mit einem Fiat Panda!) nach Sardinien? So weit? Ist das nicht furchtbar stressig und anstrengend? Ich sag mal so: Man braucht schon ein ruhiges Gemüt und – wenn überhaupt – angenehme Reisebegleiter.
Gerade auf Reisen geht es mir immer darum, zur Ruhe zu kommen. Bewusst langsam reisen – Slow Travel – ist das Zauberwort. Damit ist wahnsinnig viel gewonnen. Und das kann auch ein Panda.
Slow Travel: auf dem Roadtrip öfter mal den Moment genießen, hier in den südlichen Alpen der Provence (dazu unten mehr)
Manchmal ist dafür der Zug sogar die bessere Wahl. Aber diesmal musste es „aus Gründen“ per Auto sein.
Die Aussicht, auf deutschen Autobahnen mit ständiger Überfüllung, ewigen Baustellen, penetranten Mittelspurfahrern, lebensmüden Rasern, hektischen Berufspendlern und kilometerlangen Staus zu fahren, sorgte spontan nicht für Glücksgefühle.
Deutsche Autobahnen: nicht unbedingt das Highlight der Reise
Doch die schwarzschafige Trickkiste gibt ja einiges her, um heil durch zu kommen:
Wer jetzt einwendet, dass dann ja viel zu viel Zeit vom Sardinienurlaub weg fällt – dem sei versichert, dass ein solcher „slow-getravellter“ Roadtrip ja selbst schon Urlaub ist.
Und die Vorfreude auf die Insel steigt dabei fast bis ins Grenzenlose! Du erlebst die Zeit vor Ort auch viel intensiver.
#roadtriptosardinia auf Instagram
Stress kann das schwarze Schaf wie gesagt so gar nicht haben – es mag die Welt ruhig und friedlich erleben. Auch – nein, gerade – auf Reisen! Also nahm ich mir vor – ganz wie in meinem sardischen Leben – ganz langsam auf die Insel zu fahren.
Die Route, die es dann wurde, ist folgende: Prolog von Mannheim ans Ijsselmeer und nach Kiel. Die Hauptroute dann eine Woche später:
Kiel – Kassel – Pfälzer Weinstraße – Schaffhausen – Genf – Grenoble – Route Napoleon – Nizza.
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Los geht’s!
Wie die Route oben verrät, ist Kiel – Sardinien gar nicht die ganze Wahrheit. Wie das schwarze Schaf nach Kiel kam – nämlich über die Niederlande – ist aber eine andere Geschichte, die hier nicht herpasst.
Ich starte in …
Wer sie nicht kennt, findet die Stadt pottenhässlich. Wer allerdings in der Nähe von Kiel geboren und aufgewachsen ist, lernt sie schnell lieben. Sie ist heute nichts anderes als der Nabel der deutschen Segelwelt, das Tor nach Skandinavien und ein entspannter Ort, an dem es sich gut leben lässt.
Kiel – vielleicht bunter als du denkst
Pflichtstopp für das schwarze Schaf ist die »Fischbar« an der Kiellinie, hier gibt es die genialsten Fischbrötchen des Landes.
Die heutige Wahl fiel auf den Bismarckhering, eingelegt in Essig und Rotwein, mit Pfeffer und Zwiebeln – der Hit!
Best Fischbrötchen ever – in Kiel
Überhaupt ist die Kiellinie, die aus der Innenstadt immer am Wasser (dem der Kieler Förde) entlang in Richtung Ostsee führt, der beste Startpunkt, um mit Kiel warm zu werden (was bei miesem Wetter nicht ganz einfach ist).
Highlights: Kunsthalle, GEOMAR-Meeresaquarium, besagte Fischbar, das Seebad Düsternbrook und – wenn man die Kiellinie verlässt – weiter innen in einem Park hinterm Wohngebiet eine Institution in Kiel: der Biergarten »Forstbaumschule«.
Übernachtungs- und Futtertipp: Das »Lüneburghaus« in der Dänischen Straße ist quasi die einzig verbliebene hübsche Straße der Altstadt Kiels. Die Stadt wurde leider im 2. Weltkrieg als Marinestützpunkt quasi komplett ausgebombt und hat sich davon architektonisch nie so richtig erholt. Dieser Ruhepunkt ist vielleicht ein Gramm teurer, aber jeden Cent wert.
Initialzündung! Ab nach Süden!
Aber das hier wäre keine slow travel tour, wenn das Schaf sich jetzt auf die Autobahn setzte… Nein!
Gewitterfront bei Schönberg, über einem Getreidefeld
Konsequent gondelig fahre ich über einen herrlichen Umweg über Landstraßen durch die traumhaften Landschaften des östlichen Schleswig-Holstein: Laboe, Schönberg, Lütjenburg, Plön … ein kräftiges Gewitter begleitet mich und sorgt für fantastische Farben.
Traurig stimmt mich, dass ich fast das gesamte Bundesland durchqueren muss, um ein paar Kühe zu sehen.
Weit und breit keine Tiere mehr (das war mal anders!) – auf den traumhaft weiten Feldern werden gefühlt nur noch Futtermittel und Biogaszutaten angebaut. Statt die Kühe drauf weiden zu lassen, optimieren wir die Landwirtschaft.
Armes Schleswig-Holstein. Du hast ein paar wichtige Dinge verloren.
Holsteiner Schwarzbunte – leider viel zu selten auf den Wiesen …
Bei Neumünster ging es dann doch auf die A7.
… wurde an diesem Wochenende von G20-Teilnehmern und -Demonstranten heimgesucht. Da das voll beladene, schwarzschafige Auto nach Möglichkeit heil bleiben und nicht brennen sollte, blieb nichts weiter, als diesmal nur schnell durchzuheizen.
Hamburg auf der Durchreise: Containerhafen / Eurokai
Ein Astra mit Freunden am nördlichen Stadtrand, ein flott erhaschter Blick auf die bereits polizeilich bewachte Elbphilharmonie in der Hafencity, eine Fahrt über die (vielleicht bald abgerissene) Köhlbrandbrücke und ein Abendessen bei Freunden in der Ruhe der südlich gelegenen Dörfer. Das war’s. Leider.
Elbphilharmonie, einfach ein schönes Bauwerk
Sorry, Hamburg, nächstes Mal wieder intensiver, versprochen!
Die documenta 14 läuft noch bis September 2017 – DER Pflichttermin in diesem Jahr für Kunsthungrige. Juhu!
Hirnfutter vom Feinsten: documenta in Kassel
Natürlich ist die documenta etwas, um länger in und um Kassel zu bleiben und sich ein paar der Aktionen und Installationen genauer anzutun.
Aber auch bei einem Tag auf der Durchreise bist du in Kassel bestens aufgehoben. Du musst nicht mal zwingend ein Ticket kaufen – die Außeninstallationen sind (zumindest teilweise) frei zugänglich und der Spaziergang durch die Stadt füllt einen ganzen Nachmittag.
Auch wenn die documenta vorbei ist, bleibt vieles stehen und Museen freuen sich über deinen Besuch.
Um ca. 17 Uhr schnappte sich das Schaf noch die günstige Abendkarte und holte sich noch eine Extradosis Hirnfutter ab.
Beeindruckend das »Fridericianum« mit dem Parlament der Körper und den visuell sehr beeindruckenen filmischen Aufnahmen in den superdunklen Katakomben zum Thema menschlicher Ausbeutung in Gruben und Minen dieser Welt – zum Wohl der Industriegesellschaft.
Halte den Blick des Minenarbeiters aus. Eine Minute lang. Dann geh zurück in deine Welt.
Nichts, aber auch gar nichts kann mich davon abhalten, an einem sonnigen Tag einen Abstecher in die Pfalz zu machen.
Die vielleicht beste Erfindung Deutschlands (nach dem Fischbrötchen) erwartet mich: die Halbliterschorle! ⅔ Wein, ⅓ Sprudelwasser.
Und natürlich nicht geizig sein: Ein halber Liter passt ins Dubbeglas. Perfekt.
Weinschorle im Halbliterglas: die beste Erfindung der Pfalz (hier: Herxheim am Berg)
Auf dem Weg gen Süden dann noch der Wildpark Silz – der toll sein sollte, aber irgendwie waren die Tiere faul und scheu.
Fehlanzeige bei den meisten Tieren, die versteckten sich. Immerhin, ein paar Rothirsche und Mufflons zeigten sich: ein erster Vorgeschmack auf Sardinien!
Ich hab mein Buch dabei und erzähle dem Pärchen neben mir und einem weiteren, das noch kommt, von Sardinien.
Tut uns auch leid, aber ohne dieses Wortspiel geht es nicht …
Der Rheinfall ist zugegeben ein beeindruckendes Naturphänomen … aber leider kommerzialisiert und touristisch bis zum Umfallen.
Zudem bist du jetzt in der Schweiz – du kannst also getrost alles an Preisen spontan verdoppeln. Der Parkplatz für 5 Franken die Stunde ist da erst der Anfang.
Zum Glück war das schwarze Schaf sehr spät da (ca. 20 Uhr) und der Parkautomat wollte kein Geld mehr und ließ es einfach so wieder hinausfahren.
Rheinfall bei Mondaufgang
Tagsüber wirst du hier einen guten Batzen deines Urlaubsbudgets los. Auch und gerade, wenn du etwas essen möchtest.
Die Vorstellung, mit einem Freund dort ein Glas Wein in rauschiger Wasserfall-Atmosphäre zu trinken erfüllte sich nur so halb. Wir waren irgendwie auf der falschen Seite – drüben am Schloss Laufen (Infokarte/Lageplan) ist man dem Wasser deutlich näher und der Grad des Beeindrucktseins um einiges höher.
Dennoch: Als der Mond über dem Rheinfall aufging, war es schon schön.
Von den Socken hauen geht anders, aber der Ort hat die Sehnsucht nach Sardinien spontan wieder aufflammen lassen! Das schwarze Schaf muss weiter!
Der Junge und das Pferd, Statue am Lac Leman
Ich wollte ein paar Kilometer fressen und schon am nächsten Tag in Frankreich sein. Und so nächtigte ich kurz vor Genf auf einem Autobahnrastplatz und wählte für den morgendlichen Aufwach-Walk das Ufer des Genfer Sees / Lac Leman.
Weinanbau in den französischen Alpen, zwischen Genf und Grenoble
Hier könnte man (hätte man denn Lust und Zeit) rund um den See (der eine Schweizer und eine französische Seite hat) einen ganzen Urlaub verbringen. Evian soll sehr schön sein.
Ich fahre aber weiter Richtung Süden.
… ist für das schwarze Schaf seit jeher nicht so einfach. Ich spreche und mag die Sprache nicht gern – und viele Franzosen sind einfach furchtbar unfreundliche Menschen. Die meisten Städte – so auch Grenoble – sind nur so mittel heimelig.
Entspannte Leute in den Straßen von Grenoble
Das Hotel war auch nur so mittel, aber immerhin zentral gelegen und billig. Das Essen allerdings: Allerbest. Wenn Frankreich etwas kann, dann kochen. Eine wahre Freude, die lokalen Spezialitäten der Alpenregion.
Zudem hat Grenoble eine wache Street-Art-Szene. Die tobt sich zwar nicht in der Innenstadt aus (was ihr durchaus hier und da gut tun würde), aber einige riesige Kunstwerke sind in der ganzen Stadt entstanden.
Wenn du also kreative und intelligente Bilder sehen willst, musst du schon ein bisschen raus aus der Komfortzone.
Street Art Künstler schaffen tolle große Kunstwerke
Ein abendlicher, lauer Streifzug durch die Altstadt (zufällig mit cooler Live-Musik in einem alternativen Kulturzentraum) endete in einem hübschen kleinen Restaurant, La Voisine, in einer ruhigen Seitenstraße.
Die Ente ist hervorragend, der Martini genau richtig und der Tag endet superentspannt.
Ente gut, alles gut – im La Voisine
Am nächsten Tag ging es relativ schnell weiter, denn das Highlight der Fahrt kam ja erst noch!
Auf der Nationalstraße N98 soll der alte Nappo damals mit seinem Gefolge aus seinem Exil via Grasse Richtung Paris gezogen sein. Er kam also vom Meer – ich reise heute in der anderen Richtung.
Pause muss sein: zwischendurch die Reisefüße im Bergbach kühlen
Und stehe mitten auf der Landstraße erstmal im Stau. Und zwar gar nicht so knapp – fast zwei Stunden lang.
Schäfer demonstrieren gegen die Wiederansiedelung von Wölfen und blockieren mit ihren Traktoren ein Dorf so, dass jeweils nur ein paar einzelne Autos hindurch können. Die Polizei macht, was sie kann, um den Verkehr in Fluss zu halten, aber es dauert einfach.
Türkisfarben: Der Lac du Castillon
Ich hab zum Glück ordentlich Puffer bis zur Fähre Nizza eingebaut – einen ganzen Tag. Da kann der Bauer sich hier meinetwegen auch quer hinlegen und noch ne Runde pennen.
Vertigo! Hier musst du Nerven haben!
Fluss mit Türkiswasser, einfach schön
Anfahrt zur Schlucht
Erinnert tatsächlich etwas an die Goroppu auf Sardinien
Mein Ziel ist die Gorges du Verdon / Verdonschlucht, die Napoleon zwar nicht durchschritten hat, die aber rasend schön ist. Als ich dort bin, genieße ich das Gefühl zwischen Beeindrucktsein und freiem Fall am Rand der Schlucht.
Sie erinnert tatsächlich an die Gola Su Goroppu auf Sardinien.
In ihrer ganzen Pracht: die Schlucht Gorges du Verdon
Aber wenn jemand behauptet, letztere sei die tiefste Schlucht Europas, ist das schlicht nicht wahr, sorry, Goroppu, aber diese Schlucht hier ist um einiges tiefer und beeindruckender.
Trotzdem. Südfrankreich und Sardinien hingen ja vor Urzeiten mal aneinander und irgendwie sieht man das. Die Welt ähnelt sich. Ein schönes Stück Erdgeschichte.
Als allererstes vergesse ich alle bilder, die in meinem Kopf aus dem Roman Das Parfum von Patrick Süskind entstanden sind, plus die aus dem film. Denn Grasse ist heute meilenweit davon entfernt. Ein Luxusort mit unbezahlbaren Hotels und durchgestyltem Zentrum, ich finde keinen Parkplatz, kein entspanntes Café, kein gar nichts. Mittelalterliches Flair? Nö.
Dazu fahre ich etwas weiter nach Le-Bar-sur-Loupe – und auf der Landstraße Richtung Westen schließen sich noch ein paar nette Orte an, die ich Grasse jederzeit vorziehen würde.
Le-Bar-sur-Loupe bei einem nächtlichen Spaziergang
In jenem kleinen Ort Le-Bar-sur-Loupe aber bleibe ich, nächtige und esse ein gutes Steak. Man merkt die Nähe zum Touristenmagneten Cote d’Azur: der Durchschnitt wird teurer und gleichzeitig einen Tick schlechter. Aber immer noch gut.
Morgens will ich den Wasserfall an der Loupe sehen – aber der ist gut versteckt, die dazugehörige Bar und der bezahlte Eintritt sind noch nicht verfügbar. Also nehme ich mit einem kleinen Wasserfall am Straßenrand vorlieb.
Ist schon schön hier, die Gegend, ich bin zufrieden.
Kleiner Wasserfall zum Aufwachen
Beeehgeisternd, dieses Schild! Hier laufen schwarze Schafe im Kreis 🙂
Heute abend geht die Fähre, bis dahin fahre ich noch an die azurblaue Küste …
An der Küste schlängelt sich eine kleine Straße, wunderschön, wie solche Straßen halt sind. Künstlich die Dörfer, die kleinen Buchten voll mit Sonnenschirmen und -liegen. Einen Kaffee gönne ich mir noch, aber dann suche ich die Natur.
Die meiste Wartezeit zur Fähre verbringe ich auf einem Trekkingpfad, der mich an einem diesigen Tag in ein Waldstück und auf eine Erhebung führt, zum Schluss geht es ein Stück an der Küste entlang. Diese Auszeit, so kurz vor Sardinien ist hundertmal besser als der gleiche feuchtwarme Tag in der Stadthitze Nizzas.
Abends (die Fähre verlässt Nizza um 21 Uhr) sitze ich in einer kleinen Bar am malerisch gelegenen Hafen. Kaum zu glauben. Hier soll demnächst eine riesige Fähre einlaufen. Genau genommen sogar zwei, Moby und Corsicaferries. Dass der kleine Hafenbecken das packt … ja nun, wir werden sehen!
Nizza, kurz hinterm Fährhafen
Und tatsächlich ist es so. Die Fähre aus Sardinien und eine aus Korsika kommen an und manövrieren zentimetergenau. Schönes Schauspiel.
Das Einschiffen gelingt mittelprächtig, ist desorganisiert. Das Schiff fährt zwar nach Golfo Aranci, aber hält unterwegs in Korsika, in Porto Vecchio. Wer nach Sardinien will, soll die Warnblinker einschalten, alle, die nach Porto Vecchio wollen, lassen sie aus. Dann wird man einsortiert. Von einer Spur (direkt aus dem Zentrum, was für elende Staus sorgt) auf zwei, dann auf drei, dann wieder zurück auf zwei und auf eine.
Der malerische Hafen von Nizza.
Da das Ganze aber auf französisch passiert und die Hälfte das mit dem Warnblinker nicht schnallt und den wieder ausschaltet, ist das Chaos vorprogrammiert – und es wird wieder jeder einzelne Fahrer gefragt, wo er denn hin möchte und am Ende doch anhand des Tickets sortiert.
Endlich: Auf der Fähre nach Sardinien!
Letztlich dauert es zwei Stunden, dann sitze ich auf der Fähre, trinke einen Wein und reise – gaaaaaanz langsam übers Meer nach Sardinien, genauer: nach Golfo Aranci.
Und gehe dort erstmal nicht wieder weg 🙂
Das Tolle aber, was von diesem Roadtrip hängen bleibt, sind die Vielfalt und der Frieden Europas. Wir haben es ganz schön gut. Und können gern mal daran denken, dass das auch dran liegt, dass wir so verschieden und so eigen sind.
Beschützen wir das, und verstehen wir, wenn andere sich nach diesem Glück sehnen.
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