Mitten im Sommer, in der Nacht des 22. Juli 1922, fegte ein heißer Wind über das Meer. Die alte Küste lag den Elementen ausgeliefert im Dunkel, die Schafherden versteckten sich zwischen Granitfelsen und ließen den heftigen Wind über die Wolle hinwegblasen.

Il Relitto 2012

Il Relitto im Jahr 2012

Aus Süden kommend erreichte der Motorsegler „Trebbo“ die Nordostküste Sardiniens. An der Isola delle Bisce, einer schmalen Durchfahrt in Richtung Westen, ging eine hohe Welle, wie sie bei Ostwinden häufig entsteht.

Sie trieb den mit Kohle beladenen  direkt auf die Klippen zu.

Der Kapitän dachte nicht mehr viel nach. Weder über sein Ziel Palau, das noch etwa zwei Stunden entfernt lag, noch über seine Zukunft, sondern nur, wie er den scharfen Klippen der Küste entkommen konnte.

Sie mussten sie aushalten, doch der Wind drückte ungewohnt heftig. Das Schiff ächzte und musste kreuzen. Der Kapitän wollte die kleine Insel außerhalb passieren und die Meerenge, den Passo delle Bisce, unter allen Umständen meiden.

Die Sicht war schlecht, die Mannschaft nach vielen Tagen, die sie bis hierher gesegelt waren, müde. Sie maulten über den kleinen Umweg, der ihnen nicht viel sicherer erschien. Aber in ein, zwei Stunden würden sie es geschafft haben.

Die Maschine ächzte und alles wurde daran gesetzt, das Schiff schneller zu  machen. Da brach an Bord ein Feuer aus.

Das Schiff war manövrierunfähig. Panik machte sich breit, und die Entscheidung, die Insel zu umfahren, erwies sich als fatal – schroffe Klippen nördlich der Isola delle Bisce wurden der „Trebbo“ zum Verhängnis: Der Steuermann schaffte es nicht, das Schiff von ihnen fern zu halten.

Mit einem gewaltigen Krach ging es auf Grund und schlug Leck.

Hilflos war es der aufgewühlten See ausgesetzt, keine Rettung weit und breit. Die Schiffbrüchigen sind vermutlich alle, Mann und Maus, in dieser Nacht ertrunken.

Il Relitto 2012

Il Relitto 2012

Wind und Welle trugen das Schiff vorbei an der Isola Pecora auf seine heutige Position, an eine kleine Bucht oberhalb der Cala Andreani: Latitude 41° 10’ 51,30’’ / Longitude 9° 28’ 32,30’’.

Am Strand liegt nun „Il Relitto“ – das etwa zehn Meter lange Skelett des ehemals kräftigen Holzschiffs, das fast wie ein übergroßes menschliches Rückgrat wirkt.

Die Geschichte und die Reste der Trebbo machen die ansonsten ruhige Bucht zu einem wahrhaft „beeehsonderen Platz“.

Was verwundert: weder Schutz, noch Absperrung schützen die Reste – der heutige Besucher ist auf sich selbst gestellt, Vorsicht und Respekt walten zu lassen.

Il Relitto, Caprera

Il Relitto, 2015 © René Hanck/WebComArt

Das klappt nicht immer, und die Spuren der Zeit nagen am Relitto.

An dieser historisch wertvollen Stelle sind zwar laut Parkverordnung Baden, Tauchen und Fischen verboten – aber wer weiß das schon, wenn er im Sommer sein Handtuch zwischen die vielen anderen in den weißen Sand legt?

Diesen Ort zu bewahren und seine Bewunderer vor den Gefahren zu schützen, ist Aufgabe der Capitaneria von Caprera.

Das schwarze Schaf, das von der Düne hinunter auf den Strand schaut, wäre dafür, hier etwas mehr Liebe zum Wrack zu zeigen.

Wer dort im Frühling oder Herbst schwarzschafig vorbeikommt, hat die Stimmung dieses besonderen Stückes Welt inklusive dieser vom Schaf etwas ausgeschmückten Geschichte ganz für sich allein.

Bitte seid vorsichtig.

Wegbeschreibung: Von Maddalena geht es über eine kleine Brücke hinüber nach Caprera. An der Kreuzung im Pinienwald fahrt Ihr nach rechts und dort Richtung Süden der Insel, vorbei an Stagnali. Irgendwann wird die geteerte Straße zum Schotterweg. Zunächst ist die Cala Andreani ausgeschildert. Die Schotterstraße geht weiter bis zu einer verlassenen alten Kaserne. Vorher über die Dünen klettern, ein kleinerer Spaziergang, auf dem Weg ist Relitto ausgeschildert und auf der anderen Seite der Insel ist der Strand.

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Copyright Text und Fotos 2012: Nicole Raukamp, pecora nera

Copyright Fotos 2015: René Hanck, WebComArt

 

 

1 Comment

  1. Christina

    2. Oktober 2017 at 23:11

    Danke für die schöne Geschichte, worüber waren heute dort und ich habe mich danach beim nachlesen sehr über die „Historie“ gefreut😊 es sieht schonwieder ganz anders dort aus, als auf den Bildern. Verrückt. Liebe Grüße

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