Wir schreiben das Jahr 1899*. Der italienische König, Umberto der I., bereiste Sardinien – zusammen mit seiner Gemahlin Margarethe von Genua (ja, das ist die nach der die Pizza Margherita benannt ist).

Wie das so ist als König: Man ist ja nicht im Urlaub oder zum Spass hier, sondern nimmt diverse Termine wahr.

So war man nach der Anreise mit dem Dampfschiff von Civitavecchia zunächst in Cagliari zur Grundsteinlegung des Palazzo Civico zugegen. Weiters besuchte man die Blei- und Silbermine Mineria di Monteponi bei Iglesias, fuhr dann in den Norden und besuchte die militärischen Einrichtungen in Golfo Aranci und La Maddalena und nicht zuletzt das Grab Garibaldis auf Caprera. Königliches Pflichtprogramm.

Cavalcata Sarda: Das Fest zeigt die ganze Vielfalt der Insel, Reiter/-innen, Traditionen und Trachten
Cavalcata Sarda: Das Fest zeigt die ganze Vielfalt der Insel, Reiter/-innen, Traditionen und Trachten (Foto: M. Zanda)

Auch Sassari stand auf der Besuchsliste: Seinem Vater, Vittorio Emanuele II, zu Ehren wurde eine Statue auf der Piazza d’Italia eingeweiht. Die steht übrigens bis heute dort. Wenn’s um den alten Herrn geht, war natürlich keine Reise zu weit.

Ganz nebenher musste man allerdings auch noch das sardische Volk bei Laune halten. Das ausklingende Jahrhundert war geprägt von einer anhaltenenden landwirtschaftlichen Krise, die das Banditentum in Sardinien begünstigte – was für den Landesfrieden wiederum zu einem echten Problem wurde.

Ausgerechnet in Sassari hatte sich die anti-monarchische Bewegung formiert, denn Schuld sind ja meistens oder immer „die da oben“. Das ist bis heute so, nicht nur in Italien.

Als die Verwalter in der Stadt also ein Fest zu Ehren des Königs ausrichteten, war man nicht so ganz sicher, ob das Spektakel friedlich bleiben würde. So ganz unbegründet war die Furcht wohl nicht, denn der gute Umberto wurde ein Jahr später in Monza ermordet.

Aber, erstaunlicherweise war der Herr König bei der Mehrheit der Insulaner gar nicht so unbeliebt! Und siehe da – das Volk folgte dem Aufruf, selbst das Fest zu gestalten.

Aus allen Teilen Sardiniens reisten sie an – die meisten kamen zu Pferd, und auch die waren geschmückt und herausgeputzt. Sassari, kleiner als heute, war also voll von Pferden.

Und weil „cavalcare“ nichts anders als „reiten“ heisst, hatte man auch gleich einen Namen: Geboren war die „Cavalcata Sarda“.

Cavalcata Sarda - jedes Jahr Ende Mai in Sassari
Cavalcata Sarda – jedes Jahr Ende Mai in Sassari

C’è qualcosa di più profondo del nostro mare

Den Slogan könnte man übersetzen mit „Da ist etwas Tieferes als unser Meer.“

Die Idee der heutigen Cavalcata Sarda ist, die ganze Vielfalt der Insel zu zeigen.

Sie ist eines der grössten und buntesten Volksfeste der Insel. Reiter, Pferde, Folklore-Gruppen in traditionellen Gewändern aus der ganzen Insel. Seit den fünfziger Jahren wird sie am vorletzten Sonntag im Mai ausgerichtet. Farbenfrohe Trachten, stolze Reiter und geschmückte Pferde, bis zu 600 Pferde sind in der Stadt – und Menschen noch viel viel mehr!

  • Folkloristische Gruppen aus den Provinzen der Insel: die meisten aus Sassari, aber auch aus Oristano, Nuoro,  Cagliari, der Gallura, der Ogliastra,  dem Medio-Campidano und last but not least dem Sulcis Iglesiente reisen an.
  • über 20 Reitergruppen in verschiedenen Kostümen mit insgesamt rund 300 Reitern werden jährlich erwartet
  • dazu um die 50 Reiterpaare, von denen einige die akrobatischen Pariglie im Ippodromo Pinna reiten

Am Sonntag, gleich morgens, um 9 Uhr beginnt der Umzug, die „sfilata“ durch die Hauptstraßen der Stadt: Los geht es im Corso Regina Margherita di Savoia, durch die Via Asproni, Via Roma zur Piazza d’Italia, dann zur Via Cagliari, Via Brigata Sassari, Viale Italia, zum Viale Mancini und endet an de Via Manno.

Plan für den Umzug durch Sassari
Plan für den Umzug durch Sassari An bestimmten Punkten gibt es Tribünen, für die Karten gekauft werden können. Dort finden sich auch Sprecher, die die verschiedenen Gruppen und Darbietungen erklären (auch in Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch).

Alle anderen drängen sich an den Straßenrändern und auf Gehwegen. Seid Euch sicher: Die Stadt wird voll!

Spektakuläre Akrobatik auf dem Pferd

Die Pferde dürfen bei den „Pariglie“ am Nachmittag, so etwa ab 16 Uhr im „Ippodromo Pinna“, einer Rennbahn am Stadtrand, so richtig Vollgas geben.

Ihre Reiter zeigen zu dritt, viert oder fünft auf den Rücken der Tiere akrobatische Figuren – im gestreckten Galopp!

Der Weg hinaus zu den Pferden lohnt sich. Und sei dir sicher: Auch hier wird anschließend noch miteinander gefeiert, oder du bewegst dich wieder zurück in die City.

In Sassari findet man rund um das Fest (auch bereits an den Tagen zuvor) ein Programm in teilnehmenden Museen und Sehenswürdigkeiten.

Mehrere Infopoints sind eingerichtet und an den Abenden wird auf der Piazza d’Italia eigentlich immer getanzt, gesungen und gefeiert.

Wer im Mai auf der Insel ist, darf sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen!**

Weitere Informationen zur Cavalcata Sarda:

* Einige Quellen datieren die Ursprünge Cavalcata noch weiter zurück, auf das Jahr 1711 als der spanische König Philipp der V. (und damals Herrscher über Sardinien) Sassari besuchte und auch da ein Reiterfest ausgerichtet wurde. Aber so richtig beliebt waren die spanischen Besatzer auch nicht, also war auch das Fest eher Pflicht als Vergnügen und setzte sich nicht durch.

** Ähnliche und große Festumzüge kannst du auch noch an diesen Orten erleben: Zitrusfrüchtefest / Sagra degli Agrumi  (in Muravera, Anfang April),  Stadtfest Sant’Efisio (in Cagliari, am 1. Mai ), Sagra del Redentore (in Nuoro, im August).

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