Liebes Capo Caccia,

Capo Caccia - die Sehnsucht beginnt
Capo Caccia – die Sehnsucht beginnt

ich weiß noch, wie ich Dich zum ersten Mal gesehen hab. Du standst ziemlich präsent im Reiseführer und nicht nur der, auch alle anderen sagten, man muss Dich gesehen haben.

Ich hab Dich gesehen und natürlich ging ich hinunter und sah mir die Neptunsgrotte an. Und dachte, ich hab Dich kennengelernt.

Das stimmt nicht wirklich. Denn gestern abend war ich wieder bei Dir und mir ging die Schnauze vor lauter Staunen nicht zu. Ich stand am Belvedere und war überwältigt. Aufs Neue. Ich muss mir und Dir eingestehen: Ich hab vergessen, wie großartig Du bist.

Wellen aus Gestein
Wellen aus Gestein

Du wirst lachen, zwischendurch war ich mal in Irland, stand an den Cliffs of Moher. Und als ich dort ähnlich staunte, hatte ich trotzdem das Gefühl einer Erinnerung, der Gewissheit, sowas ähnliches schonmal gesehen zu haben. Mir fiel damals nicht ein, wo. Gestern abend wusste ich es wieder.

Ich bin nicht auf direktem Wege zu Dir gefahren, sondern wollte eigentlich nur ein bisschen schwarzschafig in der Umgebung von Alghero herumstreifen. Capo Caccia, dachte ich, kenn ich ja schon. Sorry. Ich ließ Alguer also hinter mir und stieg auf den Monte Doglià.

Eine tolle Sicht auf die Rada di Alghero, den Lido di San Giovanni und die katalanische Stadt. Viele behaupten, Alguer blicke nach Westen, nach Katalonien, ihrem Besatzer-Ursprung. Aber in erster Linie schaut sie auf Dich, auf das Capo Caccia. Vorbei am Monte Rudedu, der ein ähnlich schönes Kliff besitzt, nur nicht ganz so berühmt ist.

Escala de Cabirol
Escala de Cabirol

Du stellst sie eben alle in den Schatten. Und ich muss gestehen – auch mit meinem Blick nach Süden über die Küste begann die Sehnsucht nach Dir. Ich musste dieser Straße folgen, der alle folgen. Ich musste zu Dir, Du warst ja nicht weit weg.

Die Küste gen Westen bleibt ursprünglich, wild, uneinnehmbar. Wie Wellen aus Gestein trotzen sie den Wellen des Meeres. Ob sacht, ob tosend, zunächst gewinnt der Stein. So lang, bis das Wasser sich Höhlen gegraben und ihm Brocken abgetrotzt hat.

Und dann stand ich da, mitten auf Dir. Unterhalb des Leuchtturms. Oberhalb der Treppe, über hundert Meter über dem Meer, über sechshundert Stufen, die hinunterführen zu den ‚Grotte di Nettuno‘, die Katalanen sagen ‚Coves de Neptú‘.

Sonnenuntergang mit Wolken
Sonnenuntergang mit Wolken

Escala di Cabirol heißen die in diesem Jahrhundert in den Fels gebauten Stufen, katalanisch ist das, und klingt soviel eleganter als ‚Rehtreppe‘, aber das weißt Du.

Du, Capo Caccia, Kap der Jagd, bist vertraut mit dem Wild, warst schon immer seine Heimat und weißt, die Besatzer jagten sie, bis fast keine mehr da waren. Der sardische Hirsch – lebt hier in einer kleinen Herde und wird in großer Zahl doch schmerzlich vermisst. Rehe sieht der Gast selten, Wildschweine dagegen öfter. Der Parco Porto Conte beschützt sie.

Die Jäger, die hier heute noch sind, jagen wie damals, mit Hunden und von Mann zu Keiler. Sie kennen die Tiere, respektieren, wenn sie sich paaren oder die Frischlinge laufen. Die, die ich traf, schienen, so man das so sagen kann, fair zu jagen.

Friedlicher ist es in jedem Fall geworden an Deinen Flanken. Wenngleich lebendiger.

Isola Foradada
Isola Foradada

Hast Du mich zwischen all den Besuchern bemerkt, als ich mich am Belvedere, dem Aussichtspunkt, hinsetzte und ergriffen war von den Höhen und Weiten und Tiefen, die sich vor mir erstreckten? Als ich über Felsen kletterte um Dich auf Fotos mitnehmen zu können, aus jedem Winkel und in jedem Licht?

Hast du wahrgenommen, wie ich meinen Karabiner in die Via Ferrata del Cabirol einhakte, und mich hoch über dem Meer an deine Flanken schmiegte?

O, und hast Du gehört, wie ich Dich verteidigte gegen einen Besucher, der meinte, wie schön der Sonnenuntergang sei, wenn doch nur die Wolken nicht wären? Weiß er, was er da sagt? Hat er hinunter gesehen zu dem tiefen Blaugrün, hat er Deine Konturen gesehen, hat er gesehen, wie sich das Licht an Deinen Hängen bricht?

Capo Caccia, Schönheit im Westen
Capo Caccia, Schönheit im Westen

Du bist schön! Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In Sonnenschein und Regenwolken, in Nebel und in Schnee. Am Abend und am Morgen. In guten wie in schlechten Zeiten.

Und gestern, da war es herrlich warm. Sensationell, dieser Blick auf die Isola Foradada, die einige Umstehende mit dem Pan di Zucchero weiter im Süden verwechselten (wie auch immer das möglich ist) und über der die hundert kleinen Vögel ihr Abendlied zwitscherten.

Liebstes Capo Caccia, gestern habe ich gemerkt, ich werde immer wieder und ewig zu Dir hinjagen. Werde Dich einzufangen versuchen in Worten und Bildern und mich all Deiner Schönheit wehrlos ergeben und die Läufe strecken.

Du hast mich gefangen. Ich werde zurückkehren an Deine Steilküsten, sehr sehr bald. Versprochen.

Dein schwarzes Schaf

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