Wir schreiben das Jahr 2011. Ferragosto, der 15. August und die ihm folgenden beiden Wochen, in denen ganz Italien Urlaub macht und ans Meer fährt, war in diesem Jahr auf Sardinien etwas weniger verrückt ausgefallen.

Dem schwarzen Schaf mochte das sogar ein bisschen gefallen – auch wenn es die paar Wochen Heckmeck im Jahr durchaus spaßig findet.

Cala Coticcio, Caprera
Cala Coticcio, Caprera

Der rückläufige Touristenansturm wundert dabei niemanden, denn schon vor der Ankunft auf der Insel merkten viele, dass für die Überfahrt mit der Fähre zwischen 800 und 1.000 Euro latzen sollten (Genua/Olbia und zurück, ein mittleres Auto, zwei Erwachsene, zwei Kinder, eine 4er-Kabine).

Nicht mit mir! sagten sich viele Italiener und beschlossen kurzerhand, dass man auch ohne Sardinien an den italienischen Festlandküsten glücklich werden konnte. Ein Urlaub in Ligurien, Apulien, an der Adria- oder Amalfiküste mit allem Pipapo war ja schließlich auch was. Und hatte man da nicht auch noch siebenunddrölfzig Verwandte, die man besuchen konnte?

Auch der Deutsche (eh abgeschreckt von den hohen Hauptsaison-Preisen) flog lieber in die Türkei oder nach Ägypten, die Briten blieben gleich an ihrer Südküste, an der es ungewöhnlich warm war, die Franzosen entdeckten ihr Nachbarland Spanien. Der Kontinent hatte gewonnen. Man hatte fertig mit Sardinien.

So war denn im schönen Smaragdstreifen der sardischen Küste (die ja immerhin noch ca. 1.800 km länger und auch dort fast überall sehr, sehr schön ist) auch lautes Murren zu hören. Die Gastronomen, die wie immer mit 100% Auslastung gerechnet hatten, merkten, dass diesmal was schief hing in ihrer „Wir finanzieren uns in zwei Monaten das ganze Jahr“-Kalkulation.

Der Reisende, der es zum Beispiel per Billigflieger trotzdem auf die Insel schaffte – und so schlau war, sich nur ein wenig von der Costa zu entfernen – wurde belohnt: Manche Zimmer wurden zum Preis der Nebensaison vermietet, Last-Minute-Schnäppchen auf dem Agriturismo kosteten bald weniger als der Mietwagen und man wurde durch die Sehenswürdigkeiten nicht bloß durchgeschleust. In den Restaurants hatten die Gastgeber Zeit für ein Pläuschchen und erzählten (nach kurzem Jammern über die miese Saison) von ihrer geliebten Insel. Das Glück lag im Hinterland und nicht wenige haben es aufgesammelt.

Schönes, bergiges Hinterland
Schönes, bergiges Hinterland

Schöner, ruhiger, entspannter war es irgendwie. Weniger Autos auf den Straßen, weniger Menschen, die sich um die verfügbaren Plätze kloppten, mehr Ruhe für Ausflüge, mehr Muße für Land und Leute. Der sanfte Tourismus auf Sardinien auch im Sommer – für uns ein Modell mit Zukunft.

Der Rückgang der Fährüberfahrten änderte nichts dran, dass sich an den bekannten Hotspots vielfach das übliche Bild bot. Nämlich von allem doch wieder zuviel: überfüllte Strände, teure Gedecke aus Schirm und Liege, Parkplätze zwischen 2 und 5 Euro die Stunde, viele Strafzettel, Touristenmenüs mit mäßiger Qualität, Restaurants mit einer extra teuren Karte für die Sommermonate, Beach Partys mit 50 Euro Eintritt … Der Heckmeck ist ja manchmal spaßig zu beobachten, aber irgendwann stellt sich einem doch die Wolle auf.

Quelle: La Nuova Sardegna
Costa troppo – es kostet zuviel. Quelle: La Nuova Sardegna

By the way: Wir glauben, manche Kosten sind nicht ganz unberechtigt. Denn was die einfallenden Touristenhorden kaputt machen und verdrecken ist ja auch keine Freude. Die Bewahrung oder Wiederherstellung des natürlichen Niveaus kostet.

Strafzettel für Wildparken? Ja, bitte! Zu oft werden Feuer entzündet, wo der heiße Motor auf das trockene Gestrüpp trifft. Nuraghen kosten Eintritt? Ja (und sowieso längst nicht alle) – man sieht es den Monumenten leider an, wenn im Laufe der Zeit eine Million Füße drüber gelatscht sind.

Dennoch kein Wunder, dass einige irgendwann an „Abzocke“ glauben. Wie die, die ihrem Unmut auf dem Granitfelsen am Eingang der Smaragdküste Ausdruck verleihen – und das „Costa Smeralda“ kurzerhand in „costa troppo“ (= „kostet zuviel“) ändern. Sachbeschädigung löst das Problem aber irgendwie auch nicht…

Das schwarze Schaf blökt gern in Endlosschleife: Die Alternativen sind ja da! Manchmal sogar gleich um die Ecke. Nuraghen die keinen Eintritt kosten, Wanderungen vom Berg ans Meer – komplett für umme! Tolles Essen zu moderaten Preisen in den sardischen Städtchen und Dörfern – einfach hinfahren und in der ersten Bar nach der besten Pizza im Ort oder dem besten Agriturismo in der Nähe fragen!

Und dann war da ja noch die Sache mit den vollen Stränden. Auch hier gibt es Alternativen:

Hauptsaison - La Pelosa (Stintino)
Hauptsaison – La Pelosa (Stintino)
  • In Stintino zum Beispiel haben wir uns den berühmten Sandstrand „La Pelosa“ mit dem schönen türkisblauen Wasser (schön, ja, wenn man was davon sähe vor lauter Menschen) nur von weitem angeguckt. Sind dann ein kleines Stück weiter Richtung Capo Falcone gefahren (auf der Rückseite der vollgeparkten Straße übrigens kostenfreie Parkplätze, 3-4 Minuten Spaziergang entfernt) – und haben die felsige „La Pelosetta“ entdeckt – das Wasser genauso schön und der Torre ist auch da. Bester Blick aus der Beachbar direkt im Fels.
  • Zweite Alternative in Stintino: Der Strand Ezzi Mannu ein paar Kilometer vorher (wer sein Auto liebt, fährt die kleine Teerstraße langsam, Schlaglöcher!). Das Meer landet hier etwas heftiger an (ich schwimme seit meiner Kindheit an der Ostsee aber gern in hohen Wellen) und duftet frisch nach Freiheit. Wenn man genau guckt, kommt hinten rechts das nicht sooo schicke Porto Torres ins Blickfeld – aber daran lässt sich geradeaus trefflich vorbei in die weite Ferne gucken. Überhaupt, die Leute wirken deutlich entspannter, man hat Platz, der Sand ist weich und warm. Und auch hier gibt’s eine Strandbar… Übrigens auch eine gute Alternative zu Platamona, im Sommer auch gern das „Rimini Sardiniens“ genannt, weil es so voll ist.
Mehr Meer bei Ezzi Mannu
Mehr Meer bei Ezzi Mannu
  • Die Strände an der Costa Smeralda zwischen Porto Cervo und Porto Rotondo sind schön – schön voll und schön teuer. An der Straße zwischen Cannigione und Palau finden sich schwarzschafige Alternativen. Das, was der Strand „Costa Ruja“ kann, kann „L’Ulticeddu/Li Piscini“ auch: windstille Bucht, weißer Sand, karibisches Wasser. Weniger Leute und keine Sonnenschirm-Liegestuhl-Batterien. Eng wird es hier auch manchmal, aber da der Strand selbst sehr schmal ist, hat man nur links und rechts ein paar Leute – die eh vor lauter Entspannung eingeschlafen sind.
  • Besonders mögen wir kurz vor Palau auch „Le Saline“. Der Strand ist etwas für Naturfreunde, denn direkt dahinter ist ein kleiner See, an dem sich mehrere Vogelarten angesiedelt haben und beobachten lassen. Hier weht immer etwas mehr Wind, je nach Stärke und Richtung ist das Meer also etwas aufgewühlter und manchmal weniger klar. Aber schön, salzig und sauber.
Versteckte Bucht am Capo Spartivento
Versteckte Bucht am Capo Spartivento
  • Im Süden kennt man Chia. In dem reinen Touristenort gibt es den stets überfüllten Hauptstrand und ganze Küstenabschnitte, die nur von Menschen besucht werden können, die sich in Resorts und Gated Communities verbarrikadiert haben. Da hilft nur: Weiterfahren zum Capo Spartivento, dort hoffen, dass die Lagune am großen Parkplatz nicht auch schon voll ist. Oder ein bisschen Fußmarsch in Kauf nehmen: auf dem Weg zum Capo gibt es noch eine kleine Bucht, die kaum jemand findet. Ein Tagesausflug auf die Insel Sant’Antioco verspricht auch, den Horden zu entkommen.
  • An der südlichen Westküste drängen sich die Touristen bei Portixeddu und liegen wie die Sardinen einer direkt neben dem anderen. Einige Kilometer weiter endet die Landstraße in einer Sackgasse am „Capo Pecora“. Hier warten felsige Abschnitte (für Schnorchelfreunde und Seeigeljäger) aber auch sandige Abschnitte. Direkt am Kap durchaus einsam, und der Blick den Fels hinab ins tief abfallende türkisfarbene Meer ist so schön wie sonst nirgendwo.
  • Party am Strand? Dafür muss man nicht zu Briatores Privatstrand oder beim Phi Beach teuer reservieren und mit 30 Euro pro Cocktail rechnen: Im Norden lockt Rupi’s Chillin‘ Out an der Isola dei Gabbiani / Porto Pollo, dem Kite- und Windsurf-Spot. Im kleinen, etwas höher gelegenen Village vor der Isola gibt’s eine nette Bar, optimal für den Sundowner. Im Süden feiert das Stadtvolk von Cagliari bis spät in die Nacht am Poetto.
  • … ach, wir könnten endlos weitermachen!
Cala Spinosa (Capo Testa)
Cala Spinosa (Capo Testa)

Seht Euch um, seid flexibel, sucht Euch neue Küsten, geht ins Landesinnere und entdeckt die anderen wunderschönen Ecken der Insel! Die kleine Bucht ein bisschen abseits, das eigene Handtuch, ein selbst gekaufter Sonnenschirm, ein Picknickkorb mit Brot, Pecorino und einer Flasche Wein…

Und das gilt alles nicht nur für die Hauptsaison.

Reist doch einfach etwas früher oder etwas später im Jahr. Selbst wenn du an die Ferien gebunden bist: Oster- und Herbstferien sind auch prima!

Wir begrüßen fröhlich den September und mit ihm den Beginn unserer geliebten Nebensaison!

Willkommen, bassa stagione! Das schwarze Schaf hat dich vermisst!

Nicole Raukamp ist Buchautorin, Beraterin und Bloggerin (aka "pecora nera"). Sie organisiert und begleitet fundierte Fachreisen und entwirft erlebnisreiche Events und höchst individuelle Reiserouten - authentisch, nachhaltig, an Land und zu Wasser auf Sardinien im ganzen Jahr. Außerdem unterstützt sie Unternehmen/r bei geschäftlichen Aktivitäten und Vorhaben auf Sardinien, hilft sardischen Unternehmen und Anbietern bei ihrem Eintritt in den deutschsprachigen Markt.

1 Comment

  1. Wohnungen Verkauf in Caorle

    3. April 2015 at 11:58

    Dies ist ein wirklich interessanter Artikel, vielen Dank für die Präsentation von uns wirklich gute Orte, um einen erholsamen Urlaub zu verbringen.

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