Ein stillgelegtes Bergwerk, ein verlassenes, einst reiches Dorf. Eine lange Serpentine, zuletzt bergab führend, der Handyempfang tendiert gen Null. Und dann Argentiera. Eine Bucht. Eine alte Silbermine. Alte Holzhäuser, Schächte, denen das Edelmetall entnommen wurden. Eine einst lebendige Struktur, die heute unberührt ist.
Die tosende See direkt neben der ehemals belebten Mine ist eindrückliches Gegenstück der Szenerie, in der doch nichts geschieht. Die Ruhe für die Augen und das Getöse für die Ohren liefern sich ein Duell, das niemand zu gewinnen scheint.
Silbererz und Eisen wurde hier abgebaut, von den Römern, den Phöniziern, den Karthagern. Aber auch die Genuesen holten noch Gestein aus dem Berg. Die gesamte Westküste Sardiniens ist ein Quell von Mineralien.
Seine wohlhabendste Zeit erlebte das Städtchen Argentiera (stammt übrigens vom Wort „argento“ = „Silber“) in den vierziger Jahren, aber auch die Zeit, in der für den Krieg enorme Mengen Rohstoffe benötigt wurden – und die Lebensgrundlage ausgebeutet wurde. Da lebten hier über 2.000 Menschen, auch die kleine Kirche des Ortes stammt aus dieser Zeit. Unvorstellbar angesichts der zerfallenen Gebäude heute.
Geschlossen wurde die Mine erst 1963 und heute finden sich hier, 40 km von Sassari, eine kleine Bar und wenige bewohnte Häuser.Kein Supermarkt, keine Bank, keine Tankstelle. Nur zehn, zwanzig Menschen, die mit aller Kraft – und womöglich nostalgischer Landverbundenheit oder weil sie einfach schon immer hier wohnen – die Geisterstadt mehr oder auch weniger lebendig halten.
Der französisches Schriftsteller Honoré de Balzac besuchte das Städtchen 1838 eher zufällig. Auch, wenn hier noch Leben war, ließ er sich dennoch zu wenig Freudensprüngen hinreißen. Seine Briefe an die Geliebte berichteten von der „tiefen und unheilbaren Misere“ Sardiniens, wenngleich er auch von dem Reichtum der Insel, berichtete. Ein Dilemma, das sich durch die Jahrhunderte der Geschichte zieht.
Was hätte er geschrieben, wenn er sie genauso verfallen gesehen hätte, wie wir sie heute erleben? Der Charme des Gewesenen regt die Fantasie an und gibt dem Besucher die Chance, sich seine eigene Geschichte auszudenken. Eine Mine der Inspiration für Künstler.
Uns kommt in den Sinn, dass die „Künstler“ heute womöglich lieber an der Costa Smeralda feiern und Ablenkung in Champagner, Beach Partys und Yachten suchen. Weniger als nichts erinnert hier an das schicke Treiben in Porto Cervo. Und wir grübeln, ob wohl auch unter ihnen ein einziges schwarzes Schaf ist, das den Weg hierher findet.
Argentiera liegt in einem schönen Tal direkt am Meer, die alten Aufbereitungsanlagen und den Halden reichen fast bis zum Wasser, am Porto Palmas. Das Meer ist hier stets aufgewühlt, der Wind, die Elemente knabbern an den alten Strukturen.
Die Mine Argentiera wird heute geschützt und gehört zum „Parco Geominerario Storico e Ambientale della Sardegna„, man betrachtet man das Gebiet von Argentiera bis zum Capo Caccia bei Alghero als Gesamtheit – auch ihre nähere Umgebung mit dem Lago Baratz und den Grotten in den Felsen gehören dazu. Die südlich von Alghero gelegene „Miniera di Calabonia“ ist deutlich kleiner als der Komplex in Argentiera, hier wurden hauptsächlich Zink und Kupfer abgebaut. Die Statue der Wölfin, die als Symbol für und in Rom steht, soll aus dem Kupfer jener Mine geschaffen worden sein.
Der Park fordert alle Sardinienbesucher auf „Metti una miniera nelle tue vacanze“, was in etwa soviel heißt wie: „Besuchen Sie eine Mine während Ihrer Ferien“. Sardiniens Westküste hat davon eine ganze Menge, zum Beispiel im Iglesiente, aber auch im Landesinneren (z. B. in der Nähe von Lula) finden sich kleinere Minen. Sie werden den Urlaub auf jeden Fall – obwohl zumeist ausgebeutet – bereichern. Hier eine Übersichtskarte der Minen in Sardinien.
Der Parco Geominerario empfiehlt eine Reihe von Wanderwegen, ideal für die schwarzen Schafe, die dem Tourismuseinerlei entfliehen wollen. Noch eine Idee: Frühling und Herbst sind perfekt für einen Ausritt nach Argentiera. Eine großartige Möglichkeit, die Natur und die Historie gleichermaßen zu erleben.
Ein leuchtend blaues Teilchen wird angespült. Also, genauer: viele Teilchen wurden angespült. Quibelig-quabbelig und riecht nach… Meer. Und was für eine wunderschöne Farbe! Ob wir unsere Wolle damit einfärben können? Aber… Was ist es? Eine kleine Quallenart? Algen? Muschelreste?
Es sind Segelquallen!
Wolligen Dank und viel Spaß bei einem schwarzschafigen Besuch in einer der schönen Minen Sardiniens!
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Klaus Sam
23. Juli 2016 at 23:49Ich bin gerade dabei für Facebook meine Sardinienreise zu bebildern und zu beschreiben. Dabei bin ich auch auf Ihre Seite gestossen. Ich war erst vor kurzem drei Wochen auf Sardinien und eben auch in Argentiera. Und auch wenn ich den Ort nicht ganz so verlassen vorfand, wie Sie es beschreiben, fand ich ihren Text treffend und zitiere daraus.
nicole
25. Juli 2016 at 08:29Das ist ja schön, wenn ein bisschen Leben in den Ort zurückkehrt! Es ist auch schon ein Weilchen her, dass wir da waren, wäre eigentlich mal wieder angesagt 😉 Ja zitieren sie gern, sie können auch gern zu unserem Blog linken – ganz wie sie mögen.