Cant. Mazzoniau

Cant. Mazzinaiu

Mist, schon so spät. Das schwarze Schaf hat mal wieder irgendwo auf den Serpentinen der Insel die Zeit verplempert und es wird schon merklich kühler. Dumm, wenn man noch ein paar Stunden wandern mag. Aber was soll’s, es hat ja ein warmes Fell. Also, auf die Hufe, fertig, los!

In der Nähe des Casa Cantoniera Mazzinaiu an der Straße Monti – Alà dei Sardi, kurz bevor diese an einem Punkt den Rio de S’Elème (der weiter oben auch Rio Salomone oder Riu Chessu genannt wird), weist ein einsames Schild in Richtung Badde Suelzu. Das einzige, was man weiß: Es sei ein uraltes Hirtendorf – könnte also ein guter Ort für schwarzschafige Entdeckernasen sein.

(Tipp für Mountainbiker: Startet an der Casa Cantoniera, nehmt die Strecke nach Badde Suelzu, dann hinauf auf den Gipfel und wieder hinunter Richtung San Francesco und Alà dei Sardi, dann wieder zurück zum Ausgangspunkt – eine echt abwechslungsreiche Tagestour.) 

Die wärmende Sonne wird in etwa einer Stunde untergehen, und dummerweise liegt der Hauptteil des Wanderweges auch noch auf der schattigen Talseite. Das Schaf tröstet sich damit, dass es drüben am anderen Flussufer unter den Pinien auch nicht sonniger ist.

Rio S'Eleme im Herbst

Rio S’Eleme im Herbst

Die kleine Nebenstraße folgt dem hügeligen Verlauf des Landes, immer wieder geht es auf und ab. Da eröffnen sich tolle Ausblicke, rechts hinunter zum Rio S’Elème, dessen kleine Wasserfälle erstaunlich viel Lärm machen. Das Schaf zwängt sich an einem Tor im Zaun vorbei, und trabt etwas querfeldein, erst hinunter zum Flusslauf, dann kurz über ein paar Felsen gehüpft.

Steineichen und Pinien, Granitfelsen und roter Sand. Mal eine Eidechse, mal ein Singvogel. Unten am Fluss toben ein paar Libellen herum. Forellen soll es hier in rauen Mengen geben. Hier schwimmen sie heute leider nicht vorbei.

vom Rinnsal zum S'èleme

vom Rinnsal zum S’èleme

Als es vor lauter Fels und Gestrüpp kein Weiterkommen gibt, klettert das Schwarznasige zurück zur Straße, um auf der anderen Seite erneut einem Weg entlang eines kleinen Rinnsals zu folgen. Doch ein Wasserfällchen ist auch hier bald das Ende des Weges, auch hier ist ohne Machete kein Durchkommen durch den dichten Bewuchs.

Langsam ziehen am bislang klaren Himmel abendliche Wolken auf, die Luft wird feuchter und kälter. Da ist Vorsicht angesagt – Licht ist in sardischen Nächten Mangelware, jetzt, Ende November ist es bereits gegen 17 Uhr dunkel. Nur nicht übermütig werden! Schön auf den gut erkennbaren Wegen bleiben!

Auf dem Weg nach Badde Suelzu

Auf dem Weg nach Badde Suelzu

Schnurstracks geradeaus heißt die Devise, und schließlich ist es da: Badde Suelzu. Der kleine Flecken umfasst nicht mehr als zehn alte Häuser, die sich in einem ziemlich baufälligen Zustand befinden und na klar eine kleine baufällige Kirche. Man könnte meinen, der Ort sei ausgestorben, doch tatsächlich ist er noch bewohnt.

Aber von wegen Hirtendorf: Das pecora nera stolpert direkt in eine Jagdgesellschaft. Auf der Straße bestimmt zehn Pickups und mindestens zwanzig Jagdhunde, die meisten von ihnen gefleckt mit Schlappohren und Glocken am Halsband. Sie sehen eigentlich ganz nett aus und sind von der Jagd auch schon ziemlich müde.

Ein alter Herr und zwei Jungs stehen auf der Straße und wundern sich, wer da in der beginnenden Dämmerung heraufsteigt. Natürlich kommt man ins Plaudern. Direkt neben zwei frisch geschossenen Wildschweinen. Dem Schaf wird etwas mulmig.

Einen Kaffee bietet der Alte an, und wenige Sekunden später ist der Plastikbecher mit der dampfenden Pfütze schon da. Die Frage nach dem Hirtendorf beantwortet er schnell. Hier leben nur noch wenige Menschen, „alle so alt wie ich“ – er mag etwa 70 sein – manche aber nur in den warmen Monaten. „Früher waren alle Hirten“, sagt er. Heute hat hier fast niemand mehr Schafe, „zuviel Arbeit“. Und wenn, dann streifen die drüben nur vom Hund bewacht durch das Altopiano di Alà.

Rio S'éleme inmitten Gestrüpps

Rio S’èleme inmitten Gestrüpps

Aber es sei auch so gut zu leben hier, in der absoluten Einsamkeit, zwischen Menschen, die sich alle kennen und fast so etwas wie Freunde geworden sind. Im Frühling gäbe es genug aufzuräumen, im Sommer genieße man das Leben und die Natur und im Herbst eben die Jagd. „I giovani“, die Jungen, leben natürlich in Monti. Aber das sei gut so, die Tochter komme sonntags immer mit den Enkeln hier hoch und man mache schöne Spaziergänge.

Apropos Spaziergänge: Wo es denn hier weiterginge, fragt das pecora nera. Eine Schotterstraße führt durchs Dorf und hinten heraus, weiter hinauf auf den Berg. „Gehen Sie den jetzt nicht“, sagt der Alte. Der Weg sei sehr steil und vom Regen ausgewaschen. Und es wird dunkel. Man will das Schaf offensichtlich nicht retten müssen.

Überhaupt, im Frühling sollten wir noch mal herkommen, da sei hier die Natur am Aufblühen und es sei viel länger hell. Jaja, danke für den Tipp, ich bin nunmal heute da. Aber der Herr hört nicht hin. Am besten im März, sagt er. Da feiern wir hier ein Fest zu Ehren des San Giuseppe. Zack, sind wir eingeladen. Ts, diese gastfreundlichen Sarden, können wohl nicht anders.

Windräder in den Wolken

Windräder in den Wolken

Die Straße weiter hinauf gelangt man in die Berge und die Hochebene von Alà dei Sardi, der höchste Punkt ist der Punta Giommaria Cocco, auf 1.006 Metern über dem Meer. Hier soll man ein wunderbares 360-Grad-Panorama der Gallura haben. Der Blick hinauf zeigt nur eine Wolkendecke, aus der ein Windrad herausragt. Jetzt stünde man eh mitten in der Wolke. Das Schaf ärgert sich ein wenig über seine mittagliche Trödelei.

Abendrot bei Monti

Abendrot bei Monti

Na, egal. Rückweg. Wir verabschieden uns und gehen ein Stück durch den Wald. Allerdings wird es jetzt richtig dämmrig, schnell wird es schaurig. Man ist ja kein Hasenfuß, aber irgendwie hat die Natur hier doch ein ziemlich eindrückliches Wesen, wenn es Nacht wird. Hat was von Rotkäppchen und dem bösen Wolf.

Das Schaf trappelt schneller und ist zum Abendrot wieder auf dem sicheren Heimweg.

Weitere Informationen:

  • Wilde schwarzschafige Wanderrouten gibt es auch im Wald von Bolostiu (der Name stammt von einer Stechpalmenart, die früher hier wuchs). Wer sich früh am Tag und gut ausgerüstet in die Gegend wagt, findet bei Cazza Noa mitten im Wald einen großartigen Wasserfall. Sowohl die Zufahrtstraßen als auch die Waldwege sind zum Teil in sehr schlechtem Zustand und der Ausflug erfordert einige Umsicht. Nichtsdestotrotz: Vielleicht schließt Ihr Euch einfach einer geführten Exkursion an – am besten direkt vor Ort in Alà dei Sardi oder Monti nach einem Guide erkundigen.

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