Feenhäuser sind ne feine Sache als Immobilie. Sie halten ewig, die Zimmer sind schon vorgebaut, und der kalkhaltige Fels ist so weich, dass man das Haus leicht erweitern kann.

Sowas ähnliches dachten sich in dem nordsardischen Dorf Sedini in den letzten Jahrtausenden wohl so einige.

Doch doch, ihr habt schon recht, „domus de janas“ (übersetzt: Haus der Seelen, oder eben Haus der Feen) sind eigentlich Grabkammern, also eine Art Friedhof, und damit religiöse und historisch wertvolle Stätten.

Aber das scheint hier in früheren Zeiten nur so mittel wichtig gewesen zu sein.

Sa Rocca, Feenhaus in Sedini
Sa Rocca, Feenhaus in Sedini – erinnert an eine Hai-Nase

Die Feenhäuser in Sedini wurden jedenfalls immer wieder verändert und eher von den Lebenden genutzt.

Der Gedanke ist ja an sich nicht schlecht.

Die bewegte Geschichte von „Sa Rocca“

Zunächst waren die Räume tatsächlich Grabkammern. Als solches ist das Feenhaus in Sedini rein optisch sehr speziell: Der riesige Stein („der Fels“ = „Sa Rocca“) mitten im Ort ist zwei Stockwerke hoch, und hat eine sehr markante Form.

Das schwarze Schaf findet, es sieht aus wie eine die Nase eines Hais, vielleicht ist das so ein Walhai, wie sie auch vor Sardinien schwimmen, der an Land gekommen ist … Aber das mag jeder anders wahrnehmen.

Reste der Grabkammern
Reste der Grabkammern: der ehemalige Eingang zu den Feenhäusern

Jedenfalls hat man in der Region scheinbar Sinn für merkwürdige Formen bei Feenhäusern: der Roccia dell’Elefante bei Castelsardo ist nicht einfach eine vom Wind modellierte Rüsseltier-Skulptur, sondern ebenfalls ein „domus de janas“, die eben aussehen wie ein Elefant.

In früherer Zeit also noch religiöse Stätte, ging der Respekt vor dem heiligen Ort im Mittelalter zurück. Und ein Bewusstsein zur Bewahrung als Kulturerbe war schon gar kein Thema.

Da nutzten arme Leute, die sich kein Haus bauen konnten, die Gräber als Zuflucht und wärmten oder kühlten sich je nach Wetter im Inneren.

Auch Hirten fanden sie irgendwann optimal als Schutzraum und Stallung für ihre Herden bei schlechtem Wetter.

Von spanischen Besatzerzeiten bis ca. 1850 hat man die Kammern sogar als Gefängnis genutzt. Seit etwa Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war es ein Wohnhaus. Ein Geschäft und Sitz einer Partei sollen später auch darin gewesen sein.

Mit dem zunehmenden Tourismus in Nordsardinien dachte sich die Comune irgendwann in unserer Zeit wohl: Bevor als nächstes ein Handyshop in unser Feenhaus einzieht, kaufen wir das Ding mal lieber zurück und machen was draus.

Gesagt, getan – heute ist das Feenhaus im Besitz der Comune di Sedini, die Bewohner mussten ausziehen.

Im Museum: ein antiker Webstuhl
Im Museum: ein antiker Webstuhl

Leider wurde die Wohnung komplett zurückgebaut – generell irgendwie richtig, eine Dusche will wohl keiner besichtigen. Aber leider wich auch ein antiker Fliesenboden einem modernen Laminat. Das wiederum ist noch weniger authentisch und auch nicht richtig schick. Das hätte man anders lösen können. Aber zum Glück tut es der Besonderheit des Ortes keinen Abbruch.

Eine der Grabkammern wurde im Rahmen der Sanierung wieder als solche hergerichtet. Der ursprüngliche Eingang ist heute nur noch ein kleines Fenster.

Wer intakte Feenhäuser sehen will, findet in der Nähe des Friedhofs östlich von Sedini die „Necropoli Conca Mariana“, die aus zwei Höhlen mit mehreren Kammern und einer dritten mit einem großen Raum besteht. Ein deutlich ursprünglicheres Exemplar als das berühmte im Dorf.

Der Norden Sardiniens ist ziemlich übersät mit diesen Bauten, z. B. Puttu Codinu bei Villanova Monteleone oder Sant’Angelo Priu bei Bonorva.

„Sa Rocca“ macht das mit seiner spannenderen Geschichte und dem „Mehrwert“ wett: Die in den über die Jahrhunderte erweiterten Zimmern befindet sich ein volkskundliches Museum mit Ausstellungsstücken vielerlei Art.

Das schwarze Schaf war ja mal wieder in der tiefsten Nebensaison unterwegs und hatte gar nicht damit gerechnet, es sehen zu können. Nur zufällig traf es vor der Tür jemanden, der einen Schlüssel hatte.

Wie die Sarden – und da machen die Sedinesen keine Ausnahme – so sind, wurde es bereitwillig herein gelassen. Im Winter sei es leider schwierig, täglich zu öffnen, erklärte man, da alle, die sich auskennen, etwas anderes zu arbeiten hätten. Aber so oft es geht, sei jemand da. Glück muss Schaf haben!

Ein Blick in frühere Zeiten
Ein Blick in frühere Zeiten

In einer Dauerausstellung werden Gegenstände aus dem Alltag in der Anglona, so der Name der Region, gezeigt.

Alle Exponate sind private Spenden und originale Gegenstände aus dem Besitz von Familien aus Sedini und dem Umland.

Vom Sattel über eine Feuerstelle bis zu einer Art Strohsilo für Getreide aus dem bäuerlichen Leben gezeigt. Aber auch das Zimmer einer wohlhabenden Familie ist nachgebildet – mit einem antiken Webstuhl und großzügiger Sonnenterrasse mit Blick über das hügelige Hinterland.

Kein Wunder, dass man lieber hier drin wohnen und es nicht den Toten überlassen wollte – nach so einem Blick leckt sich jedes profane Reihenmittelhaus die Finger!

Wenn ihr zufällig allein da seid, dann fragt doch mal ganz leise, ob ihr aufs Dach dürft – es gibt einen Zugang, der aber nicht offen ist. Der Rundumblick ist ein Traum.

Die Freiwilligen, die sich um „Sa Rocca“ kümmern, tun jedenfalls ne ganze Menge, um die lokalen Traditionen interessant zu präsentieren und „Sa Rocca“ innen und aussen in Schuss zu halten.

Felsen überall

Das Feenhaus ist aber nicht der einzige Fels, der den Bewohnern im Weg rumstand und sie zum Wohnen inspirierte.

Sedini: an die Felswand gebaut
Toller Blick auf das an die Felswand gebaute Dorf Sedini

Viele Häuser sind ähnlich dem Feenhaus direkt in die Felsen gegraben, oder an die Felswand gebaut. Wer bei der Anfahrt drauf achtet und im Dorf genau hinschaut, bemerkt, dass Sedini in einer Schlucht liegt, die der Rio Silanis gegraben hat.

Die Felswände zu beiden Seiten des Ortes sind also die Rückseite oder Keller von Häusern. Diese wurden nach hinten oder unten weiter in den Berg gehauen, nach vorn und oben baute man zusätzliche Räume.

So wuchs Sedini, aber eben nicht zu sehr, so dass das Dorf immer noch seinem mittelalterlichen Vorbild ähnelt. Die Bauweise ist gerade und schlicht, und so manche Fassade ist nur bedingt schön.

Wer aber hinter selbige in die zum Teil wirklich schönen und rustikalen Innenräume sehen will, muss ziemlich nah an die Bevölkerung. Das schafft der Tourist natürlich nicht, wenn er nur auf dem Weg zum Meer hindurchfährt.

Erste Möglichkeit: Anhalten und durch die hinteren Gassen streifen, um Ecken schauen, ins Gespräch kommen, und dem Zufall überlassen, einen zeigefreudigen Einheimischen zu treffen. Immerhin handelt es sich um Privatwohnungen und eben kein Museum.

Die zweite: Anlässlich der Dorffeste lassen die Bewohner bereitwillig die Leute in ihre Häuser – weil es eben so etwas Besonderes ist. Zuletzt feierten sie am zweiten Weihnachtsfeiertag „feste in cantina“ – „Feste im (Wein-) Keller“. Eine fantastische Gelegenheit, auch die lokalen Spezialitäten und Traditionen kennenzulernen.

Auch im Sommer ist Sedini recht umtriebig, das ein oder andere Fest wird organisiert, um Touristen von den Stränden im Norden in das kleine Dorf zu locken.

Auch Stare fühlen sich in der Anglona wohl
Auch Stare fühlen sich in der Anglona wohl

Anfang Oktober dann ein wichtiger Termin für die Einheimischen: Sie feiern an drei Tagen gleich drei Heilige anlässlich der „Festa dei SS. Patroni Isidoro, Antonio e della Madonna del Rosario„, mit Prozessionen und kulturellen Veranstaltungen.

Reisende sind Willkommen – aber man sieht sie eher selten. Das liegt wohl einerseits an der Jahreszeit und zweitens daran, dass es – der Heiligen wegen – na klar ein religiöses Fest ist.

Aber traut euch ruhig, wenn ihr in der Gegend seid. Mit ein bisschen freundlicher Zurückhaltung kommt ihr auf Sardinien überall hin.

die Sedinesen sind gastfreundlich und außerhalb der Kirchen wird durchaus ganz alltäglich mit gutem Essen sowie Wein und Bier gefeiert. Erwähnenswert ist noch die Kirche „Madonna del Rosario“, sie hat innen schöne Wandfresken, die ihr euch bei der Gelegenheit ansehen könnt.

Zurück zum Thema Felsen: 18 mehr oder weniger gut erhaltene Nuraghen liegen in der Umgebung des Dorfes. Der am besten erhaltene „Lu Padru“ wird auch Nuraghe Bianco – weißer Nuraghe – wegen seiner hellen Steine genannt. Bilder auf megalithic.co.uk).

Da sollte sich für Nuraghen-Liebhaber etwas finden.

Die reiche Anglona

Die Anglona in der Nebensaison: üppige grüne Wiesen
Die Anglona in der Nebensaison: üppige grüne Wiesen

Die Anglona ist nicht reich in dem Sinne, dass hier lauter Millionäre leben – obwohl, wer weiß das schon?

Vielmehr ist die Landschaft um Sedini ist sehr fruchtbar. Statt dichter Macchia und kargem Steinland findet man hier weite, erdige Hügel, die bis vor die Küste gut für die Ackerbau und Viehhaltung nutzbar sind.

Es regnet relativ viel, und der oft in den Morgenstunden zwischen den Hügeln hängende Nebel macht die Region nicht nur verwunschen-schön, sondern sorgt auch für Wachstum bei Flora und Fauna.

Die Wiesen sind in der Nebensaison so grün und üppig, dass man sich eher in Irland wähnt, als auf einer kargen Mittelmeerinsel. Und manchmal so matschig, dass man den Redaktionspanda an einem Hang festzufahren droht. Wer ahnt denn auch sowas …

Wasser spielt in der Umgebung generell eine Rolle: einige kleine Wasserfälle sind im Winter und Frühjahr aktiv – hier sind tolle Naturwanderungen in verwunschener Landschaft möglich, bei denen man an kleinen hübschen Seen sitzen kann und vermutlich keinen anderen Wanderer treffen wird.

Sedini ist umgeben von Landkirchen: San Pancrazio
Sedini ist umgeben von Landkirchen: San Pancrazio

Ach ja, und natürlich sind auch hier überall irgendwelche Kalkfelsen und – berge. In dem Gestein sind einige Grotten zu finden – eine tolle Alternative für Tage, an denen es regnet, oder sehr heiß und schwül ist.

Da gäbe es die „Grotta Mulargia“ – auch „Conca Niedda“, schwarze Höhle genannt, ein über 500 Meter langes unterirdisches System. Oder die Grotte „Fossa di la Lòriga„, die einen etwa zehn Meter hohen Saal mit tollen Stalamiten und Stalagtiten hat.

Ein paar Grotten sind im Ort ausgeschildert und die ein oder andere ist auch auf eigene Faust erkundbar. Für andere müsste ihr genau wissen, wo es lang geht. Wendet euch einfach an die Gruppo Speleologico Sassarese oder fragt im Feenhaus-Museum nach.

Auf den Hügeln liegen einige hübsche Landkirchen. Das Schaf hat die Stille in der warmen, winterlichen Mittagssonne an der Wand der Kirche von San Pancrazio gelehnt genossen. Sie ist im Dorf ausgeschildert, eine schmale geteerte Nebenstraße führt ein paar Kilometer ins Hinterland.

Von diesem schlichten, aber beeindruckenden und meist verschlossenen Bau hat man einen tollen Blick auf die Umgebung, sieht Schafe, Schweine, Pferde …

… und auffällig ist dann beim Wegfahren ein moderner Windpark. Ist schon richtig, Wind hat’s hier eine Menge. Das beweisen die von dem Nordwestwind Maestrale in eine Richtung gedrängten Bäume, die sich vor ihm wegzuducken scheinen.

Dem schwarzen Schaf gefällt’s hier und wünscht sich für Sedini, dass es so bleiben darf wie es ist – und öfter mal Besuch von Reisenden bekommt.

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