Der Bergbau auf Sardinien übt auf das schwarze Schaf eine irre Faszination aus. Geprägt durch ein schönes Ferienerlebnis, einen Ausflug mit sechs Jahren in einer Kupfermine in Schweden, besucht es immer wieder die ein oder andere Mine auf der Insel. Und kann das nur wärmstens empfehlen – vor allem Familien können hier mit Leichtigkeit mehrere Tage verbringen.

Aber auch für Aktivurlauber ist das Sulcis-Iglesiente großartig. Die herrlich un-touristische Region im Südwesten ist wie ein riesiges Bergbau-Freilichtmuseum in traumhafter Landschaft.

Hier erhältst du an jeder Ecke Einblick in einen der spannendsten Abschnitte der modernen Geschichte Sardiniens.

Der intensiven Bergbau begann in der Industrialisierung, im ausgehenden 19. Jahrhundert. Bis 1911 gab es auf Sardinien es etwa 120 aktive Bergwerke mit rund 13.000 Arbeitern. Die beiden Weltkriege beflügelten die Förderung. Nachgefragte Bodenschätze waren vor allem Blei, Zink, Kohle, Silber und Silizium. Die Hochburgen: Montevecchio, Ingurtosu, Masua, Buggeru, Carloforte, Carbonia … allesamt bis heute tolle Ausflugsziele.

Der Bergbau ist ein ziemlich spannender Teil der sardischen Geschichte

Der Bergbau ist ein ziemlich spannender Teil der sardischen Geschichte (hier: Kohle aus Carbonia)

Doch die Ausbeutung hatte ein natürliches Ende, und so schlossen fast alle Minen in den 60er bis 80er Jahren. Aber: Fast alle Minen sind noch irgendwie da – das Wort „Rückbau“ hat scheinbar wenig Bedeutung.

Wer hier Wander- und Kletterurlaub macht, trifft unweigerlich auf die ein oder andere verlassene Mine. Der Bergbau ist präsent, mitten in der Landschaft. Zum Beispiel auf dem Weg zur Kletterwand Gutturu Cardaxius, oder im Arbeiterdorf Ingurtosu und bei den Mineralien-Waschanlagen hinunter bis Piscinas

Vieles kannst du auf eigene Faust und Gefahr ansehen, die Zugänge unter die Erde sind aber in den allermeisten Fällen verschlossen. Den Charme verlassener Plätze haben diese Minen aber ohne Zweifel.

Andere besichtigst du mit einer Führung, wie zum Beispiel in Carbonia.

Die Stadt beherbergt eine der damals produktivsten Kohleminen Sardiniens und das schwarze Schaf steuert geradewegs darauf zu.

Das Ziel: Die Mine in Carbonia

Das Ziel: Die Mine in Carbonia

Es ist ein heißer, gewittriger Sommertag. Das Schaf und sein kleiner Panda ächzen beide auf den Serpentinen auf der Landstraße SS 126. Als ausgesprochener Schattenparker (im sardischen Hochsommer ist alles andere idiotisch) hält es im Tal bei der Grotte Su Mannau und schaut sie sich an, trinkt dann noch ne Cola und überlegt also, was es mit dem Rest des Tages macht …

Die Hitze des Tages ist irre: 40 Grad sind fast erreicht. Was tun? Im Meer abkühlen? Angesichts des aufziehenden Gewitters keine gute Idee. Baden mit Blitz? Och nö, heute lieber nicht.

Grande Miniera di Serbariu

Ein Gewitter rückt an: Macht nix, wir sind ja unter Tage!

Die Idee: Auf nach Carbonia! Denn die Stadt hat eine Welt unter Tage:

Die Grande Miniera di Serbariu in Carbonia

Die Grande Miniera di Serbariu war eine der am längsten produktiven und erfolgreichsten Minen der Insel. Die Schließung erfolgte 1967, die letzten Arbeiter gingen 1971.

In den dreißiger Jahren, in einer Zeit immensen Energiebedarfs in ganz Italien und Europa, entstand die Idee für Carbonia. Carbone heißt Kohle – und davon gab es im hiesigen Gestein mehr als genug.

Carbonia hat übrigens sinnigerweise eine Städtepartnerschaft mit Oberhausen. Und nur für den Fall, dass du in die Versuchung kommen solltest, das mit anderen Minenbesuchen zu vergleichen: Serbariu ist zwar groß und Teil des UNESCO Global Geoparks Network und der italienische „anchor point“ auf der European Route of Industrial Heritage – aber zum Beispiel wäre ein Vergleich mit der Zeche Zollverein sehr unfair. Deutschland hat eine ganz andere Kultur rund um die Kohle als Sardinien.

Lass dich auf ihren ganz eigenen Charme ein. Wie überall auf Sardinien ist auch hier nicht alles perfekt, aber mit viel Leidenschaft gemacht.

Zurück zu Carbonia. Die Stadt entwarf man 1937 komplett auf dem Reißbrett. Vorher gab es dort nichts. Rund um das Areal, das fortan Grande Miniera di Serbariu / die große Mine von Serbariu genannt wurde, errichtete man zweckmäßige Arbeiterhäuser. Mussolini kam 1938 persönlich vorbei, um die Stadt einzuweihen.

Carbonia: eine typische Arbeiterstadt

Carbonia: eine typische Arbeiterstadt

Viele Sarden der Region fanden im Bergbau Arbeit. Doch den enormen Bedarf an Arbeitskräften konnte man nicht nur mit Einheimischen decken. Das Sulcis-Iglesiente war eine zwar sehr hübsche, aber doch karg besiedelte Gegend. Und so zogen Arbeiter aus ganz Italien mit ihren Familien nach Carbonia.

Dieser Arbeiter hatte eine lange Nase ...

Lazzaro Bruscolini stammte aus Urbino (südlich von Rimini), hatte kastanienfarbene Augen und eine lange Nase …

Es lief, wie das immer so läuft: Man geht tagein, tagaus zur Arbeit. Findet das gut, weil es das Leben finanziert, aber lamentiert, weil es eben doch nicht der Traumjob ist. Das Leben drehte sich um Arbeit. Um harte, schwere und dreckige Arbeit, die wenig Raum für anderes ließ.

Junge und alte Männer, aus ganz Sardinien und Italien arbeiteten hier

Junge und alte Männer, aus ganz Sardinien und Italien, arbeiteten hier

Aber wie ist das denn nun wirklich, so unter Tage? Das werden wir gleich erfahren. Das schwarze Schaf kauft ein Ticket und geht als erstes ins …

Museo del Carbone

Das Museo del Carbone / Kohlemuseum (mit einem tollen schwarzen Schaf als Maskottchen und Logotier!!!) ist direkt auf dem Areal der Mine mit sehr viel Gestaltungstalent und Sachverstand in die Anlage integriert worden.

Noch ein schwarzes Schaf! Das Maskottchen des Museo del Carbone

Noch ein schwarzes Schaf! Das Maskottchen des Museo del Carbone

Bis die Führung beginnt (sehr empfehlenswert, denn du wirst definitiv mehr sehen und verstehen), kann sich jeder frei in dem ersten Gebäude, der Lampisteria, umschauen und schonmal mit dem Thema warm werden.

Die Lampisteria ist eine große Halle und war einst der Ort, wo auch die Arbeiter ankamen und ihre Lampen für die Arbeit unter Tage erhielten.

Einige Fahrräder, mit denen die Arbeiter damals tatsächlich ankamen, wurden gespendet und stehen nun am Eingang.

Einige Fahrräder, mit denen die Arbeiter damals tatsächlich ankamen, wurden gespendet und stehen nun am Eingang.

Dazwischen Erklärungs- und Fotowände mit teils fachlichen, teils prosaisischen Texten in englischer / italienischer Sprache.

Man schnuppert an der Vergangenheit, die dank vielen echten Exponaten wieder lebendig wird.

In den nach der Arbeit genutzten Duschen sind die Abdrücke der von Kohle geschwärzten Hände von Männern, die hier im Bergbau gearbeitet haben.

In den nach der Arbeit genutzten Duschen sind heute die Abdrücke der von Kohle geschwärzten Hände von Männern, die hier gearbeitet haben.

Das schwarze Schaf streift etwa 15 Minuten herum und hat gefühlt bereits einen sehr guten Überblick.

Die Ausgabe der Lampen - in der "Lampisteria"

Die Ausgabe der Lampen – in der „Lampisteria“

Tipp: Du musst nicht durchhetzen, wenn deine Führung in fünf Minuten beginnt. Wenn du nicht gerade die allerletzte Tour erwischst, bleibt dir immer noch Zeit, die Exponate in Ruhe anzuschauen, durch den kleinen Shop zu stöbern oder im Café zu verweilen.

Der Guide begrüßt uns. Wie viele der Arbeiter in der Mine kam auch er ursprünglich vom Festland. Unsere Führung ist eigentlich auf Italienisch, aber unsere Gruppe ist bunt gemischt – Italiener, Franzosen, Deutsche, Russen … Er schafft es irgendwie mit allen persönliche Worte zu wechseln und allen das Wichtigste zu erklären.

Wir erhalten unsere Helme und sehen damit alle irgendwie bescheuert aus. Früher waren sie sehr sinnvoll, denn überall flog Gestein herum. Heute … mit einem Hygienehäubchen drunter und alle zu klein oder zu groß … in einer unproduktiven Mine …

Da könnte man sich auch nen Aluhelm aufsetzen ...

Da könnte man sich auch nen Aluhelm aufsetzen …

Nun, das diskutieren wir einfach nicht, sondern gehen mit dem buntem Plastik auf dem Kopf in ein Nebengebäude.

Unter dem ersten pozzo / Schacht mit einer riesigen Seilwinde beginnt der Ausflug unter die Erde.

Die riesige Seilwinde im ersten Pozzo / Schacht

Die riesige Seilwinde im ersten Pozzo / Schacht

Bergbau auf Sardinien: Arbeit und Leben unter Tage

Eines stellt das Schaf gleich fest: Es ist nur schattiger unter Tage, nicht unbedingt kühler. Die Luftfeuchtigkeit ist ziemlich hoch und die Jacke kann man getrost im Auto lassen.

Hier arbeiten? Das kommt dem Schaf schon am Eingang sehr mühsam vor.

Hier arbeiten? Das kommt dem Schaf schon am Eingang sehr mühsam vor.

Wenn man an den Bergmann denkt, dann neigen aber viele in der Retrospektive dazu, die Arbeit zu romantisieren. Man denkt an Kumpel, an Freundschaften fürs Leben, an das Wirtschaftswunder …

In Wirklichkeit wurden viele der Bergleute durch die Arbeit zu verschlossenen und wortkargen Menschen.

Männer, die über Tage nicht mal mit ihren Frauen über die Arbeit redeten.

Frauen, die Jahre nach dem Tod ihrer Männer die Mine und seinen ehemaligen Arbeitsplatz besichtigen und mit Tränen in den Augen wieder hinausgehen: „Ich hatte ja keine Ahnung …“

Den Bohrhammer nannte man "la sposa / die Braut" - weil man mehr Zeit mit ihr verbrachte als mit der Frau daheim

Den Bohrhammer nannte man „la sposa / die Braut“ – weil man mehr Zeit mit ihr verbrachte als mit der Frau daheim

Sicher ist, dass nahezu keiner von uns heute imstande wäre, im Bergbau zu arbeiten: Harte körperliche Arbeit, acht Stunden am Stück, mit nur einer kurzen Pause. Manchmal auch zwei Schichten hintereinander, also 16 Stunden.

In gebückter Haltung, in staubiger Luft, in drückender Hitze, bei ohrenbetäubendem Lärm und nur mit dem Licht der Funzel.

Von wegen Stehhöhe: Ein typischer Arbeitsplatz war etwa 1,20 m hoch ...

Von wegen Stehhöhe: Ein typischer Arbeitsplatz war etwa 1,20 m hoch …

Lassen wir noch ein paar Bilder die Geschichte erzählen:

Förderanlage für den Transport der Kohle zu den Loren

Förderanlage für den Transport des unbrauchbaren Gesteins

Loren für den Abtransport der Kohle

Loren für den Abtransport der Kohle

Ein Steinbrecher, wie er bis zuletzt im Einsatz war (in aktiven Minen bis heute)

Ein Steinbrecher, wie er bis zuletzt im Einsatz war (in aktiven Minen bis heute)

Moderner Bergbau in Carbonia

Moderner Bergbau in Carbonia

Förderband für die Kohle

Förderband für die Kohle

Gute alte Zeiten?

Bergbau ist Romantik? Zauber der guten alten Zeiten? Stolze Arbeiter? Eigentlich nicht. Ja, Arbeit gab’s ne Menge. Das reicht vielen als Argument, um sie sich zurück zu wünschen. Früher war ja immer alles besser. Das Gehirn betrügt uns da.

Ein Leben in Dunkelheit, an die Arbeit gekettet ... wie romantisch ist das?

Ein ganzes Arbeitsleben unter Tage, an den Bergbau gekettet … Wie romantisch ist das wirklich?

Wie an einen Strohhalm klammern sich die Menschen an den Bergbau. Statt über neue Konzepte und Ideen, vielleicht sogar über Wünsche und Träume im Tageslicht und im Heute nachzudenken, verharren viele im Dunkel von Damals.

Die letzte noch aktive Mine Sardiniens ist Nuraxi Figus, eine Kohlemine. Auch für sie gibt es einen Schließungsplan. Gefördert wird bis Ende 2018, danach wird zurückgebaut und das Areal für Erneuerbare Energien vorbereitet. Immerhin.

Aber der extensive Bergbau hat reihenweise Schäden im Habitat von Mensch und Tier hinterlassen. Viele weithin sichtbar, andere gut versteckt, ignoriert oder unsichtbar zwischen Flora und Fauna – oder eben unter der Erde. Über ein Jahrhundert wurde die Natur auf einer riesigen Fläche ausgebeutet und verletzt. Schwermetalle in den Böden und damit letztlich im Grundwasser der Region sorgen bis heute für Probleme.

Hassliebe Bergbau: Zeit, umzudenken

Hassliebe Bergbau: viel Arbeit, aber auch viele Probleme

Zeit, umzudenken.

Zeit, die umweltschädigenden Minen zurückzubauen und der Natur zu helfen.

Zeit aufzuklären und den verbliebenen Minen eine neue Zukunft zu schenken.

Zeit, dass wir Inselurlauber auch in diese Regionen reisen, solche Museumsprojekte unterstützen und dem Sulcis-Iglesiente dabei helfen, dem Bergbau in der Region etwas Neues und Gutes abzugewinnen.

Zeit, Leben und Licht ins Dunkel zu lassen!

Zeit, Leben und Licht ins Dunkel zu lassen!

Määähr Informationen zum Bergbau und zur Mine Serbariu

 

 

4 Comments

  1. Ronja Oden

    22. Juli 2020 at 12:52

    Gut zu wissen, dass der Bergbau auf Sardinien auf das schwarze Schaf eine irre Faszination ausübt. Unglaublich, dass der intensive Bergbau in der Industrialisierung, im ausgehenden 19. Jahrhundert begann. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Mensch das Graben nach verborgenen Schätzen sehr interessant findet.

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    • pecora nera

      24. Juli 2020 at 11:25

      Ich sehe, dass ihr vom Fach seid und in der Branche arbeitet … 😉 Falls ihr jemals Lust auf eine organisierte Fachreise habt, um das Thema mal aus einer ganz anderen Perspektive zu beleuchten, vielleicht in Kombination mit einem Incentive für eure Mitarbeiter – lasst es mich gern wissen. Ich organisiere gern ein fachliches und spannendes Programm im Südwesten der Insel 🙂

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  2. Kristian Pawle

    5. Februar 2023 at 10:41

    Guten Tag!
    In Carbonia ist eine Gedenktafel an der Wand, die an ein tragisches Massaker an Bergleuten erinnert.
    Was ist damals und wann geschehen?
    „I MINATORI DEL SULCIS A RICORDO DEL TRAGICO ECCIDIO“
    Freundlichen Gruß aus dem Salzkammergut
    Kristian Pawle

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    • pecora nera

      6. Februar 2023 at 17:52

      Hallo!

      Habe auf die Schnelle diesen Artikel gefunden – kann aber nicht mit Sicherheit sagen, ob es das ist, worauf sich der Gedenkstein bezieht (nehme es aber an).

      https://www.laprovinciadelsulcisiglesiente.com/2016/02/il-14-febbraio-di-78-anni-fa-il-tragico-incidente-nel-quale-persero-la-vita-cinque-minatori-a-serbariu/

      Darin heißt es: „Es war am Morgen des 14. Februar 1938, Zielschacht 1, der Stollen bei „minus 150 Meter“ war plötzlich überflutet, die fünf konnten den „Aufstiegskorb“ nicht erreichen, sie flüchteten auf die Spitze eines „Rimonta (Bergstollen)“, aber der Fluss überschwemmte schnell jeden Raum, sie versuchten mit aller Kraft, einen Damm zu bauen, um das Wasser umzuleiten, aber das Element war stärker als sie. Alle fünf starben, ein schreckliches Ende.“

      „Massaker“ wäre in diesem Fall glaube ich eine unpassende Übersetzung.

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