Beeehditorial Oktober 2011 ~ Sardinien ist in diesem Jahr mit einem wahrhaft sommerlichen Herbst gesegnet. Die Sonne scheint, man kann noch im Mittelmeer schwimmen, und die Temperaturen sind für alle Outdoor-Aktivitäten von Biken über Trekking bis Canyoning wunderbar angenehm.

Die Nebensaison zeigt sich von ihrer besten Seite. Auch wenn die Tage kürzer und die Nächte kühler werden, liegt ein Frieden über der Insel, den es zu erleben lohnt.

Die Touristenströme sind versiegt und jetzt gehört die Insel denjenigen, die sich in sie verliebt haben und verlieben werden. Denen, die schon einmal da waren und es einfach nicht schaffen, diesem wundervollen Ort fernzubleiben.

Verantwortungsvolles Reisen

Diese Haltung ist der erste Schritt zu einem verantwortungsbewussten und respektvollem Reisen. Die Nebensaison gibt uns dafür Gelegenheit, wenn wir nicht von der drückend heißen Sonne unter dem Schirm am Strand festgehalten oder dem Vergnügungsprogramm in der Beachbar abgelenkt werden. Der Herbst ist unser „Helfer“, wenn wir vom Touristen zum Reisenden werden.

Sorgen wir dafür, dass es so schön bleibt!

Sorgen wir dafür, dass es so schön bleibt!

Das heißt nicht, dass die Region in der Hauptsaison ruhig „benutzt“ und ausgelaugt werden darf: Der Sommer-Sonne-Strand-Urlauber ist aufgerufen, „seine“ Jahreszeit und „seine“ bevorzugten Plätze am Meer und in den Touristen-Hotspots mit dem gleichen Respekt zu begegnen. Und die fragile Natur zu schützen – damit im nächsten Jahr oder für den nächsten Gast alles genauso schön ist.

Schon richtig, dass Herr Spielberg eine Strafe zahlen muss, weil er mit seiner Motoryacht zu nah an das Ufer im Nationalpark Maddalena gefahren ist und damit das fragile Habitat von Flora und Fauna unter Wasser gestört hat. Unwissenheit oder Gleichgültigkeit sind keine Zutaten eines verantwortungsvollen Tourismus.

Tourismus vs. Reisen und Entdecken

Überhaupt gefällt dem schwarzen Schaf das Wort „Tourismus“ gar nicht so gut. Reisende oder Entdecker sind ihm sympathisch, weil sie interessiert und neugierig durch das Land streifen. Leute, die den Menschen, die hier leben, nicht aus dem Weg gehen, sondern ihn und sein Zuhause kennenlernen wollen.

Verantwortungsvolles Reisen ist also eine wichtige Sache und ein wesentliches Anliegen des schwarzen Schafes. Wir möchten sogar ergänzen: liebevolles Interesse. Denn mit dieser Haltung schaffen die Sarden gemeinsam mit den Gästen, die auf die Insel kommen, einen besseren Ort: um hier zu leben und um ihn zu besuchen.

Dauerhafter Nutzen

... auch mal woanders hinfahren

... auch mal woanders hinfahren

Das Reisen kann positive wirtschaftliche Effekte haben und den Einheimischen zugute kommen (und nicht unbedingt den zugereisten Milliardären, die die Upper Class abschöpfen und das Geld außer Landes tragen).

Damit die Gesellschaft profitiert – auch diejenigen, deren Leben nicht direkt vom Tourismus abhängt – müssen die Einheimischen einbezogen werden. Es hilft ja niemandem, wenn wir ihre Kultur und ihr Leben so sehr stören und sie nerven, dass sie am Ende der Saison froh sind, wenn alle Gäste wieder weg sind.

Wir können unseren Teil dazu beitragen, dass die Bewohner Sardiniens wie selbstverständlich zu freundlichen Repräsentanten ihres Landes werden und gern weiterhin dafür sorgen, dass wir uns wohlfühlen. Dann ist der Gommista, der eigentlich mit Tourismus nix am Hut hat und nur den geplatzten Reifen am Mietwagen erneuert, derjenige, der erzählt, wo es die beste Pizza im Dorf gibt und dafür sorgt, dass der Touri in Kontakt mit den Einheimischen kommt. Empfehlungen sind nicht nur Aufgabe des Tourismusbüros – im Gegenteil.

Einer denkt an den anderen und am Ende ist an alle gedacht. Und dem Reisenden zu einem geschmeidig verlaufenden Urlaub verholfen, selbst wenn mal was schief geht oder nicht läuft, wie geplant.

Gegenseitiger Respekt und aufrichtiges Interesse

Die Hauptaufgabe – ernsthaft aneinander interessiert zu sein – scheint gleichwohl bei dem Gast zu liegen. „Zu Gast in einem Land sein“ heißt, den ersten Schritt zu machen. Gastfreundschaft hängt dem Sarden nun sprichwörtlich an – viele Orte im Hinterland laden ein, zu bleiben, zu genießen und umsorgt zu werden. Ja, manche Bewohner in den Bergdörfer können noch ein bisschen ihrer Schrulligkeit ablegen, aber auch das ist ja Teil der Kultur und keinen Aufreger wert.

Erst fragen, dann fotografieren.

Erst fragen, dann fotografieren.

So ist der alte Mann vor der Kirchenbank selten wirklich begeistert, wenn ein Tourist vorbeistiefelt und ihn nur als „Motiv“ wahrnimmt und fotografiert. Vorher hingehen und um Erlaubnis fragen hilft. Und im Zweifel hat man – aus Respekt vor dem Alten – eben kein Bild. Darüber hinaus sind der Junge, der den Mietwagen des Reisenden in die Parklücke einwinkt oder die Dame im Obstladen, bei der man mit Hilfe von Händen und Füßen ein paar Birnen kauft, vielleicht kein so schönes Fotomotiv, sorgen aber dafür, dass man sich wohlfühlt.

Da kommt es vor, dass der Gast von Einheimischen in manches Museum hineinkomplimentiert wird, für das er sich nicht wirklich interessiert. Aber der Stolz der auf die eigene Kultur wirkt durchaus überzeugend und attraktiv. Das schwarze Schaf hat noch nie bereut, einer Einladung oder einem solchen „Bequatschen“ nachzugeben.

Reisende und neugierige Entdecker erleben die Region intensiver und genießen das, was sie bietet. Wir bekommen eine stärkere Verbindung zu den Menschen, die hier leben. Und dadurch ein größeres Verständnis für Sardinien und seine Vielfalt. Wir wissen irgendwann nicht nur, dass es wichtig ist, die Natur zu schützen und zu bewahren – nein, wir WOLLEN es sogar.

Wir verhalten uns respektvoll und lernen die Region kennen und lieben. Wir sind motiviert, die Wildtiere, Pflanzen und Lebensräume zu schützen. Und wollen immer mehr von ihr kennenlernen.

Weiterempfehlung und „Freundestourismus“

Manchmal kann man im eigenen Freundeskreis zugucken, wie eine Kettenreaktion entsteht. Und zwar nicht, weil ein Tourismusbüro uns lockt, sondern weil wir begeistert sind und erzählen. Unsere interessierte, respektvolle Haltung als Touristen sorgt dafür dass weitere Leute auf die Insel kommen. Manche von ihnen sind weniger begeistert als wir, andere hingegen kommen wieder oder empfehlen die Insel ihrerseits weiter. Und plötzlich, gibt es ein Jahr, in dem sich der alte Freundeskreis fast wie zufällig auf Sardinien trifft.

Eigene Geschichten werden erzählt und sorgen dafür, dass sich Kreis stetig ausweitet. Viele merken, dass sie in einem Urlaub nur einen Bruchteil der Insel gesehen haben und es noch so viel zu entdecken gibt. Die Vielfalt wirkt anziehend, die Insel wirkt lebens- und liebenswert. Wir sagen unseren Familien und Freunden, dass sie sich diesen Schatz im Mittelmeer unbedingt ansehen müssen.

Aufrichtiges, liebevolles Interesse

Aufrichtiges, liebevolles Interesse

Durch unser kleines, aber aufrichtiges Interesse entstehen neue, dauerhafte und nicht nur auf vier Wochen im Jahr beschränkte Ströme von Reisenden – und langfristig sicher ohne dass die Insel Schaden in den Besucherzahlen nehmen muss.

Die eh schon schöne Insel kann zu einem noch besseren Ort für ihre Bewohner und ihre Gäste werden. Das ist auch notwendig, denn wir bezweifeln stark, dass das schnelle Abschöpfen der Sommerbudgets und die Touristennepps alle auf Dauer glücklich macht. Große Anzeichen sind da, dass der intensive Schickimickitourismus der Costa Smeralda seine besten Zeiten hinter sich hat.

Die gesamte Insel braucht „Qualitätstourismus“. Die Reisenden müssen Dinge erleben, die sie näher an das echte, das wirklich wahre Leben heranbringen und ihnen die Lebensart, die Natur und die Kultur schmackhaft machen.

Das schwarze Schaf wünscht sich jedenfalls weniger „Massentouristen“ und mehr Entdecker und Reisende! Die Zeit jetzt ist perfekt – kommt ruhig alle her 🙂

Nicole Raukamp ist Buchautorin, Beraterin und Bloggerin (aka "pecora nera"). Sie organisiert und begleitet fundierte Fachreisen und entwirft erlebnisreiche Events und höchst individuelle Reiserouten - authentisch, nachhaltig, an Land und zu Wasser auf Sardinien im ganzen Jahr. Außerdem unterstützt sie Unternehmen/r bei geschäftlichen Aktivitäten und Vorhaben auf Sardinien, hilft sardischen Unternehmen und Anbietern bei ihrem Eintritt in den deutschsprachigen Markt.

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