Das schwarze Schaf war zu Besuch im albergo diffuso „Omuaxiu“ (www.omuaxiu.it). Danke für Eure Gastfreundschaft und Freundlichkeit! La pecora nera in visità dell’Omuaxiu ad Orroli. Grazie per la vostra ospitalità e gentilezza!

Der Begriff „albergo diffuso“ bedeutet „verstreut“ oder auch „im weiteren Sinne“. In den meisten Fällen beherbergt ein albergo diffuso weit ab von ausgetretenen Tourismuspfaden seine Gäste in einem Haus mit hotelähnlichen Strukturen, nah bei der Familie und versucht, sie mit Land und Leuten und der Kultur des Ortes in Kontakt zu bringen.

Genau das passiert auch im „Omuaxiu“ in Orroli, einem kleinen Dorf im Sarcidano, im Südosten Sardiniens gelegen auf einer Hochebene zwischen zwei Stauseen und einer traumhaften Landschaft vulkanischen Ursprungs.

Der Name „Omuaxiu“ bedeutet „Domus de Vargiu“, übersetzt „Haus der Familie Vargiu“ (wobei das i in Axiu ein Fehler sein soll, aber das nur am Rande).

Omuaxiu - "Haus der Familie Vargiu" in Orroli
Omuaxiu – „Haus der Familie Vargiu“ in Orroli

Seit dem 16. Jahrhundert ist das Gemäuer im Familienbesitz. Mit Mann und Maus oder Schaf lebte man hier, der alte Olivenbaum in der Mitte des weitläufigen Innenhofes hat sie alle gekannt und beobachtet, von der Familienmitgliedern bis zu den Arbeitern und Freunden. Ein grosser rostiger Grill in der Mitte des Platzes lässt keinen Zweifel daran, welch wunderbaren Feste man hier feiern kann.

Das Gemäuer ist offen, einladend, weitläufig und gemütlich zugleich. Das Haupthaus beherbergt ein Museum, das Einblick in das Leben einer sardischen Familie vor etwa 200 Jahren gibt. Von der antiken Bauweise mit Lehm und Stroh, über Webkunst und Stickereien bis zu Viehhaltung und Landwirtschaft kann man hier einiges über die alten Handwerkskünste erfahren.

Bis vor wenigen Jahren hat sich noch die heute weit über achtzigjährige Padrona des Hauses, Antonia Vargiu, um Hof und Küche gekümmert. Heute führt der überaus freundliche Sohn, Agostino Vargiu, die Geschäfte.

Auf direktem Weg in den Entspannungsmodus

Das schwarze Schaf will bewusst in die alte Zeit eintauchen und ein wenig „back to the roots“.

Es entflieht nämlich gerade – wie in jedem August – der Hauptsaison an der Küste. In dem dortigen Irrsinn stapeln sich die Touristen, stehen in der Hitze im Autostau, zahlen horrende Preise und versuchen neben Animations- und Freizeitprogramm ein Stück Entspannung zu erhaschen.

Super entspannt nach ein paar Minuten
Super entspannt nach ein paar Minuten

Wenn die wüssten, wie schön einfach das hier geht …

Das Schaf ist ein Stündchen früher da als angekündigt, und als es durch den Torbogen am Eingang tritt, strahlt die Ruhe des Ortes direkt ab.

Eine freundliche Dame tritt aus dem Haus und begrüsst mich freundlich. Es sei noch niemand da, der das Zimmer zeigen kann (man schläft sehr grosszügig und hübsch in einem Nebengebäude ca. 50 Meter entfernt), aber das stört überhaupt nicht. Das Schaf ist ja zu früh.

Also setzt es sich mit einem Glas Wein in den Hof und blinzle in die Sonne.

Superentspannt schon nach ein paar Minuten. So kann das bleiben.

Manchmal möchte das Schaf die erste Reihe Touris am Strand einfach einpacken und an so einen Ort verschleppen. Nur damit jeder mindestens einmal merkt, was er eigentlich verpasst und wie Sardinien sonst so ist. Und damit der Tourismus auch endlich auf der ganzen Insel seine positiven Effekte entfaltet.

Überraschenderweise ist es heute (wohlgemerkt, mitten im August, eigentlich Hauptsaison auf Sardinien) der einzige Übernachtungsgast. Zum Mittagessen kam noch eine Reisegruppe, aber das war es für den Tag.

Persönlicher Service also. Nicht übel.

Gastfreundschaft und Qualität vom Feinsten

Reden wir erstmal von der Freundlichkeit der Leute. Die Gastfreundschaft liegt den Sarden ja bekanntlich in den Genen – und da mcht das Omuaxiu keine Ausnahme. Das Willkommen ist äusserst herzlich, und das ändert sich die ganze Zeit auch nicht, egal wen wir treffen oder sprechen.

Verträumte Gemäuer: Omuaxiu in Orroli
Verträumte Gemäuer

Die grundsätzliche Ruhe, mit der sie die ganze Arbeit tun, lässt sie unheimlich entspannt erscheinen. Und das überträgt sich auf den Gast. Obwohl man natürlich ahnt, wieviel Arbeit hinter all dem hier steckt.

Dann ist da die Qualität der regionalen Produkte, die man so – wir werden nicht müde, es zu behaupten – in anderen, eher touristischen Regionen der Insel nicht bekommt. Ist so. Punkt.

Hier und da gibt es Restaurants oder Agriturismi, die die Ausnahme machen und damit die Regel bestätigen.

Nein, das ist alles nicht schlecht, aber irgendwie ist es im Hinterland, oder vielmehr da, wo es erfunden wurde und seit Ewigkeiten zubereitet wird immer den entscheidenden Batzen besser.

Warum, ist sogar einigermassen einfach erklärt.

Beispiel Culurgiones: Man bekommt sie natürlich auch in Restaurants in Cagliari, Alghero, Palau und San Teodoro. Manchmal sogar fatto a casa.

Hier, und an der Ostküste ist es die regionale Spezialität. Aus irgendeinem Grund sind die von einer Nonna aus der Ogliastra – oder eben die aus dem Omuaxiu – besser. Da beisst die Maus keinen Faden ab. Die Latte hängt einfach deutlich höher. Ein Koch an der Küste, der versucht, eben dieses Niveau zu erreichen, wird so aussehen, als trete ein Schaf gegen ein Springpferd im Hindernisrennen an.

Der Teig für die Culurgiones, die auf dem Teller des schwarzen Schafs liegen, wurde natürlich frisch aus Semola, dem Griessmehl, geknetet. Die intensiv nach Kartoffel (!) schmeckenden Kartoffeln werden gestampft, gesalzen und mit der aromatischen Minze, die im Gemüsegarten hinter dem Haus wächst, vermischt. Dazu ein bisschen Käse – gerade so viel, dass es die Minze nicht überdeckt aber den erdigen Geschmack der Kartoffel betont.

Lustigerweise sind es nicht nur die Zutaten – auch das persönliche Rezept macht’s. Die eine Nonna schwört auf mehr Minze, die andere stampft die kleinen Kartoffeln eher grob, die nächste macht ein weiches Pürree draus, wieder andere nehmen ausgereiften Pecorino, während die Nachbarin nur Ziegen hat, und eben Ziegenkäse nimmt. Da hat jeder sein Geheimnis. Und dann, ja dann, müssen die Dinger mit Hingabe, Zeit und Liebe gerollt und gedreht werden.

Auch in der „Originalregion“ schmecken sie darum nie absolut gleich – aber immer wahnsinnig gut!

Alles hausgemacht, hier: Fregola
Alles hausgemacht, hier: Fregola

Bei jedem einzelnen Produkt achtet man im Omuaxiu auf Qualität – die „roba industriale“, also Supermarktware, die so manch anderes findet man hier nicht.

Man kann kochen, also kocht man auch selbst. Man weiss, wie man seit Jahrhunderten in der Region Lebensmittel anbaut und herstellt – also macht man das auch genau so.

Das gilt wie für jede Art von Pasta genauso für Ricotta, Marmelade, Honig, Pecorino, Ziegenkäse, Früchte, Schinken, Lardo, Salami, Fleisch … Alles, aber auch wirklich alles, ist selbst zubereitet und stammt aus eigenem Anbau oder von Produzenten direkt aus dem Ort, die nach der gleichen Philosophie arbeiten.

Das Abendessen ist entsprechend gut und „abbondante“: eine üppige Vorspeisenvariation mit einigen Überraschungen (eine Art Marmelade aus „mela cotogna“, extrem gut!), drei verschiedene Arten Pasta, darunter die oben schon beweihräucherten Culurgiones, zwei Secondi (Wildschwein in Cannonau bekommt man auch nicht sooo oft). Das Dessert besteht auf Wunsch nur aus Früchten.

… und das schwarze Schaf platzt fast!

Gemütliches, einladendes Restaurant
Gemütliches, einladendes Restaurant

Es ist sehr froh, als man sich entschuldigt, dass das Restaurant am zweiten Tag leider nicht geöffnet hat.

Alltag und diffuse Perfektion

Leider ist es nicht so, als wäre ein Haus wie das Omuaxiu in einer tourismusarmen Region ein Selbstläufer. Was extrem schade ist, denn am Konzept stimmt nahezu alles.

Der Vorwurf ist da – sorry – eher dem Touristen zu machen, der es nicht schafft, die Schnellstrasse 131 oder den Strand in Villasimius oder an der Costa Rei zu verlassen und nur eine oder zwei Stunden ins Hinterland nach Orroli zu fahren. Selbst von weiter weg (das Schaf reiste aus der Gallura an!) ist es im Gondelmodus überhaupt kein Problem.

So kommt es auch, dass fast jeder im Dorf noch irgendeinen anderen Job hat. Auch Paola, die uns morgen das Frühstück machen soll (natürlich wieder alles in Handarbeit).

Ganz entzückend fragt sie das langsam zum Ausgang rollende schwarze Schaf, ob es nicht vielleicht sowieso etwas früher aufstehen wollte … Ja, wollte es, zum Trekking. Und so einigen wir uns auf 8 Uhr morgens, damit die liebe Paola noch zu ihrer nächsten Arbeit fahren kann.

Der sardische Alltag ist so – und das geht auch am Gast nicht vorbei. Was wir komplett richtig finden, auch das gehört zu einem „albergo diffuso“.

Über die seen- und nuraghenreiche Region (www.laghienuraghi.it) gibt es soviel zu sagen, dass wir das an anderer Stelle tun werden.

Grosszügige Zimmer, ruhig gelegen zum privatem Innenhof
Grosszügige Zimmer, ruhig gelegen zum privatem Innenhof

Was das Omuaxiu betrifft, fehlt vielleicht die Perfektion eines „echten“ Hotels. Es hakt eben hier und da, wenn man wirklich alles selbst organisiert. Nicht jeder kann das Kreditkartengerät bedienen, man hat keine 24-Stunden Rezeption, nicht alle sind mehrsprachig, das Restaurant ist nicht immer offen.

Nein, das Zimmer ist leider nicht in dem alten Gemäuer (vielleicht auch gut so) und die Zimmertür lässt sich nur nach viel Überreden abschliessen – was in Orroli aber eh nicht sein muss. Dafür ist es sehr gross, sehr sauber, geschmackvoll im schlichten sardischen Stil eingerichtet und auch im Innenhof vor dem Fenster kann man prima lesen und warten, dass die Sonne untergeht.

Wir nennen es „diffuse Perfektion“, denn das tut der entspannten Atmosphäre und dem Wohlfühlfaktor überhaupt keinen Abbruch.

Über die einwandfreie Qualität der Speisen und des Service haben wir schon geschrieben.

Wer als Gast an das Omuaxiu (und überhaupt an ein albergo diffuso) nicht mit dem Anspruch an ein Fünf-Sterne-Hotel herangeht, sondern wie an ein antikes sardisches Gasthaus, der wird mit Sicherheit zufrieden sein.

Nach unserem Aufenthalt sind wir geneigt, das „albergo diffuso“ ein „schwarzschafiges Hotelkonzept“ zu nennen. Es ist exakt unsere Kragenweite, und wir werden sicher die anderen Häuser auf der Insel noch austesten (Suche nach „Sardegna“ auf www.alberghidiffusi.it).

Jedenfalls dürften ein, zwei Tage im Omuaxiu in Orroli verbracht, jeden Urlaub bereichern. Schwarzschafig versprochen!

1 Comment

  1. Hajo

    15. Oktober 2015 at 11:00

    Hallo Nicole,

    danke für deinen informativen und spannenden Artikel! 🙂 Ich begebe mich im nächsten März beruflich für einige Wochen nach Sardinien und bin schon sehr gespannt darauf, was mich dort erwarten wird. Am meisten freue ich mich auf die herrliche Landschaft und das gute Essen! Schön auch zu hören, dass die Menschen dort so gastfreundlich sind und viele Lebenfsmittel noch traditionell hergestellt werden. Du hast in jedem Fall meine Vorfreude noch weiter gesteigert. 🙂

    Vielen Dank und viele Grüße
    Hajo

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