Man nehme: 1 x sonniger Samstag im März, 1 x unzureichende Straßenkarte und 2 x Radfahrer mit frisch geputzen Mountainbikes. Wichtigste Zutat: 1 x schwarzschafige Neugier.

Dort hinauf! Und weiter!

Wir starten in Loiri, südlich von Olbia. Wir wissen: Hier breitet sich eine traumhafte, oft unberührte Landschaft aus. Wer einen Rundkurs fahren will, nimmt sich viel vor: egal wo lang, 70 km sind locker drin, die Region hat einige Gipfel zwischen 600 und 1.000 Metern. Die Orte Loiri – San Teodoro – Posada – Lodè – Alà dei Sardi – Monti sind die äußeren Grenzen des Gebietes. Mittendrin liegt das kleine Dorf Padru. Ansonsten: Nichts, nur Granitfelsen, Berge, Hügel, Kühe, Schafe, Wildschweine.

Ich hatte zuvor mit Hilfe des Autos und einer Straßenkarte einen schönen, langen Rundkurs ausgetüftelt, doch jetzt finde ich den Einstieg nicht mehr. Also, Spontaneität ist gefragt: Wir fahren Loiri – Padru zum Warmwerden, und von dort aus einfach der Nase nach.

Nach 11 km Fahrt breitet sich das Tal in zwei Richtungen aus: Richtung Westen zum Meer hin. Aber wir wollen Höhenmeter. Wir entscheiden, Richtung Südwesten in die Berge hinein zu fahren. Doch dann lockt wenige hundert Meter weiter, mitten in Padru, ein großes braunes Schild zum „Monte Nieddu“. Und so machen schwarze Schafe das wohl: Die Nase entscheidet über die Richtung und das, was einem spontan gefällt, wird zum Ziel. Wir denken: wo ein Schild, da ein Weg. Der Gipfel ist mit 971 Meter über dem Meer bezeichnet, das klingt doch nach einer schönen Bergziegentour. Auch eine „area pic nic“ ist ausgeschildert – die käme uns für eine kleine Stärkung und als Belohnung oben genau recht. Also, hinauf geht’s!

Ziel am Horizont: Gipfelregion des Monte Nieddu

Ziel am Horizont: Gipfelregion des Monte Nieddu

Der neu entdeckte Weg führt zunächst mehrere Kilometer geradeaus auf das Granitmassiv zu. Wir sehen einen Weg, der in die Bergflanke geschlagen ist. Der scheint es zu sein, den müssen wir hinauf. Vor dem strahlend blauen Himmel zeichnen sich prägnante Granitzacken ab und etwas weiter dahinter ist ein flacher Bergrücken zu erahnen – der Monte Nieddu. Jaaaaa, hinauf zu den Zacken, namens Pala de Sa Conchedda, Punta Marragona und Punta Sos Rizzos.

Die Serpentinenstraße beginnt. Erstaunlich gut zu fahren, in langgezogenen Abschnitten und ein paar steileren Kurven an hohen Granitwänden vorbei. Bereits auf halber Strecke wird man mit einer traumhaften Aussicht belohnt: Die Felsen und die bergige Landschaft fallen in die Ebene bei Padru bis zum Meer hin ab.

Wir fahren und fahren und sind ganz allein. Ein einziges Auto kämpft sich die Serpentinen hinauf und überholt uns. Doch schon ein paar Kilometer weiter holen wir es an einer Quelle ein, der Fahrer füllt mehrere Kanister mit frischem Quellwasser. Überhaupt ist der Monte Nieddu reich an natürlichen Quellen, drei davon sind von der Comune di Padru eingefasst und qualitätsüberwacht.

Nach etwa nach 6 Kilometern bergauf erreichen wir den Pass – wir haben die Zacken, die wir von unten gesehen haben, erreicht und fahren jetzt ganz entspannt einfach geradeaus. Nun sehen wir auch wieder den flachen Gipfel, der über einen sanften Hügel aus Granit leicht ansteigt.

Fels oder Kunstwerk?

Neben uns raschelt es plötzlich: Wir haben ein Wildschwein aufgescheucht. Zum Glück hat das mehr Angst als wir und läuft tiefer in die Vegetation hinein. Rechter Hand sehen wir so etwas wie ein Hünengrab – sind aber gerade schön im Tritt und fahren weiter, ohne es zu erkunden. Die Felsformationen des von Wind und Wetter zerklüfteten Granits sind das Interessanteste an der Landschaft – einige sehen fast wie Kunstwerke aus.

Quelle Sos Settiles

Der Monte Nieddu heißt übrigens so, weil er noch im letzten Jahrhundert von einem dunklen, schaurigen Wald bewachsen war. Heute sehen wir nur niedrige Macchia. Das Granitmassiv ist ein Naturpark, der sich in der Wiederaufforstung befindet. Eine vielseitige Flora soll hier angesiedelt werden – von Ginster über Steineichen bis zu Pinien. Daher sind weite Teile des Staatsforstes an der Nordflanke zum Schutz noch eingezäunt. Die meisten der freigegebenen Wander- und Trekkingpfade breiten sich sternförmig auf dem Berg aus und befinden sich weiter östlich auf etwa vier-, fünfhundert Meter über dem Meer. Von dort aus kann man sowohl mit dem Bike als auch zu Fuß mehrstündige Wanderungen unternehmen. Die Region ist von der SS125 aus Richtung San Teodoro/Buddittogliu aus zu erreichen.

Und dann ist die geteerte Straße plötzlich zuende. Sie beschreibt einen kleinen Kreis, an dessen Scheitelpunkt befindet sich die eingefasste Quelle „Sos Pantamos“ (und ein Schild mit einem Schreibfehler, Sos Pamtamos), davor einige Parkplätze. Eigentlich hatten wir gehofft, noch weiter fahren zu können und vielleicht sogar eine schöne Abfahrt an der anderen Seite zu finden. Aber nein. Wieder einmal erstaunt Sardinien mit einer kilometerlangen Straße, die einfach endet.

Wer sein Rad liebt, der trägt…

Ab hier muss man entweder zurück – oder über Stock und Stein weiter. Wir versuchen unser Glück, denn noch ist die Vegetation im „Wintermodus“ und nicht so hoch gewachsen. Wir sehen einige Möglichkeiten, auf engen Trails weiter zu fahren und entscheiden uns für einen Weg hinter der Quelle. Doch schon bald müssen wir die Räder schieben und tragen. Die Pfade werden immer enger, sind ausgewaschen und vom vielen Regen haben sich tiefe Furchen gebildet. Auch wenn die Büsche noch Platz bieten: Das hier ist höchstens etwas für Wanderer, mit dem Bike sind die Wege kaum befahrbar.

Das kann nur eins bedeuten: Pause! Wir sind zwar noch nicht auf der Punta Maggiore mit 971 Metern und denken noch kurz: „Wo ist eigentlich die Picknick-Area, die unten auf dem Schild angekündigt war?“, aber egal. Es ist ein wunderbarer Samstag und der Anstieg, den wir geschafft haben, ist uns eine Belohnung wert. Unsere private „area pic nic“ ist ein großer, moosbewachsener Stein, auf dem wir es uns gemütlich machen. Was braucht man mehr als Brot, Olivenpaste, Pecorino und Salami – und diese Ruhe.

Allein mit der Natur. Dazu gehört wieder irgendein Tier, das hinter uns raschelt und außerdem ein paar Ameisen, die Brot- und Käsekrümel auf dem Stein abtransportieren. Ganz relaxed schließen wir für ein Weilchen die Augen. Immer noch gibt es hier nur uns, keinen Menschen sonst. Wir begegnen hier oben auf dem Berg niemandem und finden es schön, dass es noch Plätze gibt, an denen man ganz in Ruhe sein kann.

Blick hinunter in die Ebene von Padru

Und dann? Zurück. Hinunter. Das ist das Schöne, wenn man zuvor nur bergauf gefahren ist: eine genial schnelle Abfahrt auf gutem Teer kann ein richtiger Adrenalin-Kick sein. Zuerst geben wir Gas, doch dann passiert wieder etwas typisch Sardisches: Das Panorama hält uns fest. Der Ausblick auf die Landschaft ist einfach traumhaft, von hier oben sehen wir sogar Olbia. Wir können uns kaum lösen und bleiben noch das ein oder andere Mal stehen.

Wieder in Padru wollen wir zurück nach Loiri, aber nicht unbedingt auf direktem Weg, den wir gekommen sind. Wir fragen nach: Zwei Damen, die wir auf der Straße nach einem Weg nach Mamusi fragen (einem Dorf, das auf der Karte Luftlinie ca. 8 km entfernt ist), empfehlen uns einen Feldweg, der hinter der Kirche in Padru beginnen soll. Wir finden ihn, fahren ein Stück – und kehren dann um, als wir sehen, dass er über einen etwa 800 Meter hohen Berg mitten in bewaldetes Gebiet führt. Noch so ein Anstieg muss heute nicht sein, erst recht nicht auf sandigem Waldwegen.

Wir entscheiden, zurückzukehren und den Weg an einem anderen schönen Tag zu fahren. Oder vielleicht dem Monte Nieddu noch eine zweite Chance auf den Wegen abseits des Teers zu geben.

Weitere Exkursionen der Comune Padru (in italienischer Sprache).


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