Das Vorhaben ist eigentlich einfach: Ich möchte von Palau nach Alghero zum Flughafen Fertilia. Ich habe einen ganzen Tag Zeit.

(Anmerkung: Das Selbstexperiment ist aus dem Jahr 2011, möglich, dass sich seither ein paar Dinge geändert haben, das Prinzip ist aber immer noch gleich 😉 )

Stazione Marittima in Palau
Stazione Marittima in Palau

Früh am Morgen bin ich also im Zentrum von Palau. Genauer: an der Stazione Marittima, am Hafen. Was mancher als erstes Kuriosum empfindet, ist völlig normal: Neben den Fährtickets nach Maddalena erhält man hier eben auch Überland-Bustickets. An der Kasse für Tabakwaren und Zeitschriften. Klar.

Als ich frage, wie man nach Alghero kommt, macht die nette Dame an der Kasse große Augen, als hätte ich gefragt, wie man von hier nach Wladiwostok kommt. Sie knuspert noch kurz wortlos ihr Panino fertig und führt mich zum Busfahrplan: eine irgendwo unmotiviert rumhängende, kopierte A4-Seite. Darauf mehrere Ziele und die Abfahrten von Palau.

Dann die wertvolle Information: Nur mit einem einzigen Bus schafft man es heute überhaupt nach Alghero. Alle anderen fahren vielleicht in die Richtung, haben aber spätestens in Sassari keinen Anschluss.

Meine Verbindung: 15:35 Uhr nach Santa Teresa Gallura, dort umsteigen nach Sassari, dort umsteigen nach Fertilia. Ankunft: Wisse man nicht so genau, vielleicht vier, vielleicht fünf Stunden später. Jetzt ist es 9:50 Uhr.

Ich frage, ob es eine Zugverbindung gäbe – ab Olbia oder Tempio. Kopfschütteln. Nicht mit passenden Anschlüssen. Der Tonfall heißt eindeutig: Die Dame hat fertig und möchte jetzt keine weiteren Auskünfte geben. Irgendwie macht sie das sympathisch…

Also trabe ich zurück in die Wohnung und warte auf den Bus um 15:35 Uhr. In der Zwischenzeit versuche ich, im Internet zu recherchieren, ob es nicht doch eine frühere Alternative gäbe.

Da gleich die nächste Hürde, die man auch als Schaf gar nicht so leicht nimmt: Auf Sardiniens Straßen fahren mehrere Busgesellschaften. Hier im Norden die ARST (arst.sardegna.it), die eigentlich von der FDS übernommen wurde, was sich aber auf den Straßen noch nicht bemerkbar macht) und mehrere private Anbieter.

Bushaltestelle, natürlich ohne Fahrplan
Bushaltestelle, natürlich ohne Fahrplan

Informationen zu Busfahrten auf Sardinien findet man auch auf www.sardinien.com – die Redaktion hat sich sehr viel Mühe gegeben, um dem Reisenden durch den Dschungel zu helfen. Busgesellschaften, Linien und Fahrpläne speziell für die Flughäfen und großen Städte zusammengestellt. Plötzlich macht sich so etwas wie Zuversicht breit.

Ich wühle mich durch die privaten Busgesellschaften und finde sogar eine passende Strecke, direkt von Santa Teresa zum Flughafen Alghero-Fertilia. Bei genauem Hinsehen merke ich: Sommerfahrplan. Endet am 30. September. Heute ist der 15. Oktober. Aus der Traum.

Also, zur „ARST“-Homepage. Gebe ich unter „orari e linee“ (wohl dem der ein bisschen Italienisch kann) „Palau“ als Abfahrtsort ein, erscheinen selbstverständlich nur die Orte, die direkt von Palau erreichbar sind.

Ich bin schonmal nach Tempio mit dem Bus gefahren und von dort nach Alghero. Das geht offensichtlich nicht mehr (oder nicht mit dieser Busgesellschaft oder nicht im Winterfahrplan oder weil der ARST-Cheffahrplanschreiber dort keine Geliebte mehr hat).

Ich weiß von der Lady aus Palau ja aber, dass es vermutlich über Santa Teresa geht. Also wähle ich das aus. Das Suchergebnis sieht wie folgt aus (Uhrzeiten sind anklickbar): 07:45 07:55 09:30 09:40 13:35 14:35 15:35 15:25 19:49 21:25 21:50 S.TERESA G.-PALAU-ARZACHENA-S.PANTALEO-OLBIA I.B.-AEROPORTO Q.601 (R1). Die Uhrzeiten sind dann wohl die Abfahrtzeiten in Palau. Nicht irritieren lassen, dass das Ziel vorn steht. Einfach weiter.

Kurz kombiniert: Mittags fährt einfach kein Bus. Also, nehmen wir 13:35 Uhr. Ankunft 14:15 Uhr in Santa Teresa. Das wäre ja was. Doch weiter, von Santa Teresa nach Sassari. Nächste Verbindung um 16:10 Uhr, Ankunft Sassari 18:42 Uhr. Juhu. Dann kann ich wirklich den späteren Bus nehmen. Ich probiere kurz aus, ob es wirklich einen Bus nach Fertilia gibt: Ja, um: 04:52 05:47 08:50 10:15 11:45 14:15 16:00 18:15 19:50 SASSARI-AEROPORTO FERTILIA. Ich wäre „schon“ um 20:20 Uhr dort! Hammer!

Bus-Sammelstelle in Sassari
Bus-Sammelstelle in Sassari

Ich kann’s nicht glauben und starte Experiment zwei: Olbia, Zug. Das muss doch irgendwie gehen. Also, erste Etappe. Palau – Olbia. Nachste Verbindung: 11:55 bis 13:05 Uhr. Ich versuche der Vollständigkeit halber bei ARST per Bus weiterzukommen: 20:10 und 06:20 am nächsten Morgen. Ich muss lachen.

Ok, Alternative Zug: Auf der Homepage der FDS („ferrovie dello stato“, die staatliche Zuggesellschaft Italiens, www.trenitalia.it) finde ich eine Verbindung: um 14:09 Uhr ab Olbia. Nichts früheres? Nein, keine frühere Verbindung. Oh, doch, man jagt mich allerdings über Ozieri. Mit nochmal Umsteigen in der Pampa. Kürzester Umweg. Neeneenee, nich mit mir!

Also, 14:09. Dieser Zug wäre um 16:02 in Sassari. Klingt nicht soooo schlecht, man wird ja genügsam und Zugfahren wollt ich schon immer mal. Hat nur nie geklappt, weil’s nie ne passende Verbindung gab. Komisch eigentlich…

Das Kuriosum überhaupt: Ich kann bei trenitalia.it eine Fahrkarte online kaufen – und das funktioniert sogar! Ich erhalte eine PDF, drucke sie aus. Ich bin gerührt. Ein schönes Erfolgserlebnis für schmale 7 Euro 35 – das nenne ich billig für 100 Kilometer. Hallo! Deutsche Ba-haaahn! So geht das!

Weiter nach Fertilia geht es dann wieder mit dem Bus. Der fährt um 16:00 ab – aber natürlich nicht vom Bahnhof in Sassari, sondern am Stadtrand, von einer Art „Bus-Sammelstelle“ in der Via Turati oder der Via Padre Zidano. Das muss man auch erstmal ahnen. Der nächste Bus aber fährt „schon“ zwei Stunden später, um 18:15 Uhr und wäre um 18:45 in Fertilia. Zwei Stunden sollten in Sassari für einen Kaffee und die Suche nach der Bushaltestelle reichen. Aber zur Not fahr ich eben mit dem Taxi zum Bus. Wenn ich eins finde.

Das mache ich also gleich, denn ich muss mich jetzt beeilen: Die Recherche hat mich ne gute Stunde gekostet. Bei all dem ist ein richtiges Glück, dass ich am Flughafen nur etwas abholen möchte. Denn alle Flüge nach Deutschland wären längst weg – und das, obwohl man theoretisch früh morgens starten könnte. Bei Ankunft um sieben Uhr abends ist man (heute) nur noch rechtzeitig für den Flug nach Barcelona.

Je nachdem, wie die Busfahrt verläuft, könnte ich da mitfliegen…

Wie das Selbstexperiment ausgeht, und ob das schwarze Schaf in Fertilia angekommen ist, lest Ihr in Teil 2!

2 Comments

  1. Ulrich

    25. Juli 2013 at 18:15

    Ein herrlicher Bericht!
    Was habe ich gelacht! Vor allem, weil ich 10 Tage vorher das ganze von der anderen Seite aus versucht habe (mit ähnlichem Ergebnis) 😀 Wir wollten nämlich von Fertilia nach Palau…

    Zu den Haltestellen ohne Fahrplan kann ich auch noch eine nette Anekdote beisteuern:
    Ich und ein guter Freund hatten zu der Zeit auf dem Campingplatz Calik Blu zwischen Fertilia und Alghero eingecheckt. Nun wollten wir vormittags nach Alghero. Vom freundlichen Personal bekamen wir auf die Frage nach einer Busverbindung nur den Hinweis auf die am Eingang aushängenden Fahrpläne.
    Als wir diese begutachteten, wurde mir klar, warum uns die Angestellten nichts genaues sagen wollten: Vermutlich verstanden sie die Pläne selbst nicht. Nach dem Studium der Fahrpläne nun also nur um die Erkenntnis reicher, dass der Sarde an sich anscheinend eine tief verwurzelte Abneigung gegen Fahrpläne in sich trägt, beschlossen wir, die Strecke zu Fuss zu bewältigen. Schliesslich waren wir sportlich fit und vor allem hochmotiviert. Noch.

    Nachdem wir dann ein gutes Stück unterwegs waren, wurde die Sonne doch zunehmend stechender und so beschlossen wir, an der nächsten Haltestelle auf einen Bus zu warten. Von irgendwo her (kann es nach zwei Jahren nicht genau nachvollziehen) spukte in unseren Köpfen herum, dass die Strecke mindestens stündlich bedient würde. In gutem Glauben und einigen selbstgestrickten Mutmach-Parolen („solange wirds schon nicht dauern, schlimmstenfalls fährt der stündlich, und auf der Strecke hierher ist ja auch keiner an uns vorbei gefahren, muss also bald kommen…“) setzten wir uns also auf eine kleine Steinmauer (glücklicherweise im Schatten) und begannen zu warten.

    Nach ca. 10 Minuten setzte sich eine ältere Dame zu uns. Dies deuteten wir westeuropäischen Naivlinge als gutes Zeichen. Dumm nur, dass vermutlich auch die ältere Dame UNS als gutes Zeichen dafür deutete, der Bus würde gleich kommen. Schliesslich stand sie nach ungefähren 15 Minuten auf und ging wortlos die Strasse Richtung Alghero hinunter. Was mal wieder beweist, wie wichtig es ist, dass die Menschen miteinander reden! Aber weiter:
    Nach diesem doch ein wenig demotivierenden Zwischenfall beratschlagten wir, was nun am besten zu tun sei. In unserer Eigenschaft als westfälische Sturköpfe kam ein Aufgeben natürlich nicht in Frage und so beschlossen wir , die Sache tapfer auszusitzen. Uns gleich am ersten Tag einer sardischen Busgesellschaft geschlagen zu geben kam einfach nicht in Frage.

    Nun hatte die ganze Situation noch einen besonderen Reiz:
    Etwa 80m weiter befand sich eine Eisdiele. Nun mag man sich vorstellen, dass ein herrliches Eis mal ganz genau das Richtige für uns schwitzende Reisende gewesen wäre. Da wir aber mittlerweile schon fast 40 Minuten warteten, mussten wir befürchten, dass, wenn wir oder einer von uns zur Eisdiele ginge, just auch der Bus auftauchen würde… Zudem stellte sich uns die Frage, wie der sardische Busfahrer auf zwei Touris mit dicken Eistüten reagieren würde. In unserer erzkatholischen ostwestfälischen Heimat kommt „mit-Eis-in-den-Bus-einsteigen“ nämlich direkt hinter den sieben Todsünden! Also lieber nichts riskieren…

    Warum man die Haltestelle nicht näher an die Eisdiele gesetzt hat: keine Ahnung. Vielleicht hatte man dies zur Belustigung der einheimischen Bevölkerung getan, die sich so immer mal wieder an stümperhaft vorbereiteten Touris erfreuen konnte. Vielleicht gibt es auf Sardinien aber auch ein Gesetz, das Bushaltestellen gegenüber von Eisdielen verbietet. Man weiss es nicht…

    Schlussendlich sollten wir aber den Triumph der westfälischen Sturheit über die launenhafte Natur des öffentlichen sardischen Nahverkehrs feiern können:
    Nach weiteren 20 Minuten kam, unglaublich aber wahr, der Bus. Besser gesagt: ein Bus. Schliesslich warteten wir in Ermangelung eines Fahrplans an der Haltestelle ja nicht auf einen bestimmten Bus sondern waren einfach dankbar für jegliche Art des Transports. Auch einen Eselskarren hätten wir nicht abgelehnt 🙂

    Es bleibt als Fazit: Busfahren auf Sardinien ist definitiv ein Abenteuer. Vor allem ab Oktober!

    Ulrich
    (der den Sardinien-Urlaub trotzdem kein bisschen bereut)

    Nachtrag:
    Wir Westeuropäer haben mit einem solchen Transportsystem so unsere Schwierigkeiten. Zu sehr sind wir gewohnt, dass alles bis ins kleinste durchgeplant ist.
    Man kann aber auf Sardinien sehr gut zurechtkommen. Allerdings sollte man wirklich ein wenig Vorbereitungszeit in die Sprache stecken. Es ist ganz erstaunlich, wieviel Hilfe man bekommt wenn man sich mit Menschen verständigen kann.
    Wer aber glaubt, dafür gäbe es ja diesen so superpraktischen Reiseführer, in dem ja die wichtigsten Fragen auf italienisch stehen (so z.B. „Wann fährt der Bus nach…“ oder „Wo kann ich Fahrkarten kaufen?“) wird sehr schnell feststellen, dass er/sie die Antworten auch auf italienisch bekommt! Und mal ehrlich: stellen Sie sich mal vor, Sie sind (ohne mehr als zwei, drei Sätze Deutsch zu können) in einer recht dünn besiedelten Gegend im Osten Deutschlands unterwegs. Da würden Sie ja auch nicht erwarten, dass eine 48jährige Hausfrau Ihnen an der Bushaltestelle in Englisch erklärt, wie sie nach Berlin kommen 😉

    In diesem Sinne wünsche ich jedem Leser, der nach Sardinien reist, viel Spass!
    Und wenn Sie mal versuchen mit dem Bus zu fahren: Nicht ärgern, Sie sind ja jetzt vorgewarnt… 😀

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  2. nicole

    25. Juli 2013 at 18:53

    Vielen Dank für die Geschichte! Da musste ich auch lachen 🙂

    Hier übrigens der zweite Teil: http://pecora-nera.eu/mit-bus-und-zug-auf-sardinien-ein-selbstexperiment-teil-2/ … und es gibt eigentlich noch einen dritten Teil, in dem ein Busfahrer erstmal mitten auf der Strecke anhält, um in einer Bar einen Kaffee zu trinken … und irgendwie war das sogar im Fahrplan einkalkuliert. Und dann die Haltestelle auf freier Strecke, bei der nur noch der Balken des Haltestellenschildes stand – das „fermata“ lag verrostet darunter. Aber: Jeder wusste, dass der Bus dort abfährt 🙂

    Ach, ich fahre mittlerweile richtig gern Bus auf der Insel. Denn am Ende funktioniert es einfach. Man braucht nur Geduld, Gelassenheit und Vertrauen! Und man hat auf jeden Fall einen Sack voll Geschichten zu erzählen!

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