Identidades. Das ist sardisch und man könnte es ganz simpel mit »Identität« übersetzen. Wenn es nicht (wie so vieles auf Sardinien) deutlich zu kurz gesprungen wäre. Das werdet ihr weiter unten in den Bildern und Aufnahmen des diesjährigen Festivals „IDENTIDADES 2022“ in Fonni sehen.

Das ist ja alles so viel tiefgründiger, als es zu sein scheint. Glaubte ich am Anfang meiner Reisen als schwarzes Schaf noch, Sardinien ganz gut zu kennen, stelle ich mit jedem weiteren Tauchgang in die sardische Kultur – insbesondere bei solchen Festen wie dem sardischen Karneval und Festivals wie Identidades in Fonni – fest: Tu non hai ancora capito poco e niente. Du hast noch so wenig bis gar nichts verstanden.

Denn oft sind das, was wir für nun für besonders „sardisch“ halten, Stereotype. Da reicht nicht, wenn ein Restaurant oder Weingut auch ein paar Masken und alte Sachen aufhängt oder wenn man im Urlaub einmal maialetto gegessen hat. Sardinien lädt dazu ein, dass wir uns mit dem, was wir vorfinden, auseinandersetzen.

Die Identität dieses Volkes hat ewig viele Ausprägungen und trennt sich auf Sardinien mindestens bis in die einzelnen Dörfer, und letztlich bis ins Individuum. Die verschiedenen Masken und Figuren des sardischen Karnevals sind nur ein Ausdruck dieser tiefen Gründe.

Aber – fragt der geneigte Urlauber – der Buttudo aus Fonni, ähnelt der nicht der Figur aus Teti, oder klingt der Mamuthone aus Mamoiada nicht ganz ähnlich wie der Mamutzone aus Samugheo? Ein klares Jein. Denn genau da wird es kleinteilig.

Maske oder Individuum? Einer der Buttudos aus Fonni.

Letztlich ist Identität wohl das, was untrennbar zu einem Volk gehört. Das kann eine Maske, ein Mensch, ein Rhythmus, ein Tanz sein. Und noch vieles mehr.

Umso schöner finde ich den ersten Abend, den ich beim Festival Identidades in Fonni erlebe. Denn er sucht Gemeinsamkeiten. Verbindungen. Und das auf eine sehr zeitgemäße Weise.

An der Piazza Martiri trete ich durch ein großes Tor und stehe in einem weiten Innenhof, vor mir erhebt sich die Basilica Santa Maria dei Martiri, daneben sind Klostergebäude, das Oratorium von San Michele und die „Cumbessias“, die Behausungen für die Pilger. Hier an dieser religiösen Stätte findet ein musikalisch-poetischer Abend statt, der eine Art Rahmen für das, was noch kommt, bildet. Eine Lesung sardischer Poesie mit Bildern verschiedener Masken und zeitgenössischer, sardischer Musik, die antike Instrumente wie die Launeddas in einem aktuellen Kontext klingen lässt.

Sehr gelungen für meinen Geschmack und ich nehme mir vor, endlich Sergio Atzeni zu lesen. Man sagt, er sei der Dichter, der die Sarden am besten verstanden hätte. Er verbrachte seine Kindheit in Orgosolo und schuf sein Werk in Cagliari. Berühmt ist der geschichtliche Roman Passavamo sulla terra leggeri (in etwa: Wir gingen mit Leichtigkeit über die Erde), aus dem der sardische Schauspieler Giacomo Casti heute abend liest.

Ein »narratives, erzählendes Konzert« will es sein, den Symbolfiguren des traditionellen sardischen Karnevals gewidmet. Worte, Klänge und Bilder bringen uns die mensch- und tierähnlichen, mystischen Gestalten näher. Ich sehe Glocken, Pferde, Masken und höre die mir aus meinen Reisen im tiefsten sardischen Winter vertrauten Töne:

Die Musik ist beeindruckend pur und kräftig.

Gitarre: Andrea Congia. Gesang: Valentyna Ekzarkho. Akkordeon/traditionelle sardische Instrumente: Andrea Cocco. E-Bass: Massi Medde. Schlagzeug/Percussion: Paolo De Liso. Elektronik: Enrico Deiana und Walter Demuru. Videoszenografien: kuratiert von William Lenti und Walter Demuru. Zusammen bilden sie das Orchestra Popolare Next Mediterraneo und finden sich immer wieder unter dem Motto „tra parole e musica“ – zwischen Worten und Musik.

Und tatsächlich ist da sehr viel zwischen den Worten und der Musik, das seinen Raum fordert.

Das Festival Identidades in Fonni gibt dieser Vielfalt Raum, an drei ganzen Tagen. Die muss man sich als Gast in den „freien Zeiten“ ein bisschen selbst einrahmen. Das ist in und um Fonni leicht: Ich war zum Beispiel am Freitag im Museo della Cultura Pastorale und am Samstag vormittag auf dem Bruncu Spina, einem der höchsten Berge der Insel.

Identitades 2022 – Impressionen der »sfilata« mit verschiedenen Masken und Figuren

Zur Sfilata, dem großen Umzug am Samstag nachmittag traten dann nicht nur die eigenen Masken, die Urthos und Buttudos und die Mascheras Limpidas auf, sondern auch die »Identitäten« aus anderen sardischen Dörfern und Regionen. Angereist sind auch Gruppen aus Merano, Venezien und sogar aus der Slowakei und Brasilien (von letzteren habe ich leider keine Fotos – als sie vorbei kamen, musste ich die Batterie der Kamera wechseln). Jedenfalls dürfte das beweisen, dass die Sarden weltoffener sind, als es manchmal auf den ersten Blick scheint.

Aber der erste Blick verrät ja selten alles – schon gar nicht, wenn alle Gesichter mit Masken bedeckt sind.

Das schwarze Schaf erlebt ein wunderbares Fest in Fonni, empfiehlt beim nächsten Sardinien-Urlaub Anfang August die Augen nach diesem Event offen zu halten – und teilt nun gern seine Eindrücke mit euch:

Vor der sfilata …

Es geht los! Mit den Mascheras Limpidas aus Fonni, begleitet von den Tamburini e trombettieri „Città di Oristano“

Maschere Veneziane

Le Maschere Veneziane dei gruppi di MasquAoste e CivitaMask

Folkloristische Gruppe aus Bratislava (Slowakei)

Krampus di Merano

Carrasegare Osincu di Bosa

Cambas de Linnas di Guspini

Su Bundhu di Orani

Ottana, Boes e Merdules

Gruppo Sos Merdules Bezzos

Mamutzones Antigos Samugheo

Is’Arestes e S’Urtzu Pretistu di Sorgono

Mamuthones e Issohadores di Mamoiada

Sennoreddu ‚e s’Iscusorzu di Teti

Sos Tambarinos di Gavoi

Urthos e Buttudos di Fonni

2 Comments

  1. Gregu

    24. August 2022 at 09:54

    Hallo Peco nera
    Besteht ein Programm der Veranstaltungen in Sardegna, Datum, Ort etc?
    Wir sind vom 19.9-29.9 auf der Insel.
    Fründleche Gruess Gregu

    Reply

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