Da gibt es diese Plätze auf der Insel, die sind so großartig, dass man der ganzen Welt davon erzählen möchte. Wenn man aber der ganzen Welt davon erzählt, dann hat es sich schnell was mit der Großartigkeit. Und dann sind diese sogenannten „Geheimtipps“ eben nicht mehr geheim. Das Wort an sich ist ja schon irgendwie falsch.

Auf der anderen Seite sind es ja genau diese besonderen Orte und Erlebnisse, die das wirklich wahre Sardinien ausmachen – und unser Bild von der Insel, die nur aus Stränden besteht, zurechtrücken. Zumindest hätte ich einen echten Märchenwald inklusive Wolf und Gefahr, sich zu verlaufen, nicht wirklich erwartet und es hat mich schlicht umgehauen.

Und warum sollte nur ich das kennenlernen und niemand sonst?

Das Gute: Dieser Ort, von dem ich heute also trotzdem erzählen will, ist ziemlich eigen und will erobert werden. Er macht es uns nicht leicht.

Du kommst also an und siehst erstmal nichts. Ein paar Schilder sind da, aus denen man aber nicht so richtig schlau wird. Da ist ein bisschen Infrastruktur, eine Rezeption, ein ganz gut gepflegtes Wegenetz. Ein Haus könnte sogar ein nettes Bistro-Restaurant-Irgendwas gewesen sein, aber es ist schon seit Jahren geschlossen.

Tja, und dann finde ich tatsächlich irgendwann, nach einigem Wandern und einiger Suche …

Ich sehe, wie wunderschön das alles ist … und denke mir: „Neee, das ist schon goldrichtig, dass man diesen Ort suchen muss!“

ABER … da ist ein Aber.

Denn das, was ich sehe, ist nicht dafür gemacht, nicht gesehen zu werden.

In diesem speziellen Fall (zweiter Hinweis) geht es um Kunst in der Natur. Und Kunst muss zwar keinem Zweck dienen, verlangt aber aus reinem Selbstverständnis nach Betrachtern, will reflektiert werden. Das ist ihre Aufgabe in der heutigen Welt.

Und es tut so gut, ein paar Momente nicht nach dem „Besten“ oder dem „Must-see“ zu streben, sondern mit ganz anderen und elementaren, natürlichen Dingen in Berührung zu kommen.

Speziell hier hat die Kunst auch das Vermögen, uns zurück zur Natur zu bringen, uns (wieder) mit ihr zu verbinden. Mit Glück ruft sie Emotionen hervor, die uns lang fehlten.

Der Tag bekommt einen Sinn.

Und dann kommt noch etwas dazu. Wir befinden uns – mal wieder, typisch schwarzes Schaf – im Hinterland Sardiniens. Und das hätte es absolut verdient, ein kleines bisschen vom Tourismus-Kuchen abzubekommen.

Denn wenn alle nur am Strand bleiben, ist es für die kleinen Dörfer umso mühsamer, ein Auskommen zu finden. Und dann schließen eben auch schön gebaute Willkommenshäuschen und gut gemeinte Restaurants wieder – mangels Gästen.

Also, Geheimtipp hin oder her – ein bisschen Werbung im kleinen Kreis, so unter uns schwarzen Schafen, muss erlaubt sein. Ich werde die Standorte der Kunstwerke nicht in Google eintragen. Und es müssen, sollen und werden sich auch nicht alle Strandlieger vom vorgekauten Urlaub, den alle machen, lösen.

Wer es aber tut, wird mit Sicherheit belohnt. Wird hinterher sagen: Wie gut, dass ich das gemacht habe.

Insofern: Ja, dieser Artikel ist ein bewusster Kompromiss.

  • Einer, der versucht, Menschen für das Sardinien abseits der türkisfarbenen Buchten zu begeistern.
  • Einer, der versucht, einem ganz besonderen Platz auf dieser Welt gerecht zu werden, ihn zu schützen.
  • Einer, der ein „Zuviel“ verhindern möchte.

Letzteres ist glaube ich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten relativ einfach erreicht. Damit kommen wir zum nächsten, konkreten Hinweis, über welchen Ort wir hier eigentlich sprechen.

Der Märchenwald ist schön weit abgelegen von den üblichen Ferienorten:

  • Am nächsten gelegen ist die Westküste mit Luftlinie ca. 40 Kilometern
  • Bis zum nächsten Ferienort im Westen z. B. Putzu Idu oder Funtana Meiga sind es rund 70 Kilometer
  • Wer aus Süden kommt: Von Pula wären es ca. 120 km
  • Aus dem Südosten, z. B. Costa Rei ca. 140 km
  • Von San Teodoro im Norden sind es 180 km und von Palau gar 250 Kilometer! Wobei ich eine Fahrt von Palau nach Pau mal eine echt lustige Idee fand. Und nur, weil es so schön klang, machte ich das vor ein paar Jahren mal in einem Tag. Mega! Hab das Obisidian-Museum besucht und mich ein bisschen in der Region herumgetrieben. Da gab es aber die Kunstwerke noch nicht.

Huch! Und jetzt habe ich schon fast alles ausgeplaudert …!

Egal, bleiben wir noch kurz bei der Anfahrt: Von den obigen Strecken legt man je nach Abfahrtsort mehr oder weniger Kilometer auf der Schnellstraße zurück. Das geht. Aber verlässt man diese, sind etwa 30 Kilometer auf der Landstraße (SS 442) und 20 Kilometer Provinz- und Nebenstraßen (SP 48) zurückzulegen. Natürlich herrlich kurvig und langsam zu fahren.

Sagen wir mal so: Es wird einem nicht unbedingt leicht gemacht.

Einmal auf der Landstraße, ist das Dorf Pau natürlich erstmal nicht ausgeschildert. Warum auch, vorher kommen ja noch ein paar andere Dörfer. Man findet es aber mit dem Navi oder einer guten analogen Straßenkarte.

Hat man es bis in das Dorf geschafft, ist man immer noch nicht im Wald. Und schon gar nicht bei den tollen Kunstwerken.

Das kostet alles tatsächlich Zeit und Muße.

Sowas hat Mensch ja aber gar nicht mehr. Auch nicht im Urlaub.

Man hat ja nur drei Wochen, man kann ja nicht alles sehen, man kann ja gar nicht ständig ins Hinterland gurken, man will ja auch den Strand genießen. Fein! Dann mach das! Ich verstehe total, dass man in den kurzen Ferien nicht unnötig Zeit verlieren möchte.

Gleichwohl möchte ich euch sagen: Du musst auch gar nicht alles sehen und auch nicht jeden Tag los. Du könntest aber einer typischen Touri-Sehenswürdigkeiten die kalte Schnauze zeigen und statt dessen nach Pau fahren.

Außerdem gibt es einen Trick: Am Ende des Artikels findest du Adressen der örtlichen Museen, an die du dich wenden kannst. Selbst wenn du die Sprache nicht sprichst, bekommst du mehr mit als allein, sparst dir die Suche und findest garantiert. Und die Museen freuen sich immer über Gäste. Es wird euer beider Tag bereichern.

Wer hingegegen darunter leidet, wenn nicht alles in direktem Zugriff und selbsterklärend in instagramfähigen Häppchen serviert wird, ist an dem Ort, den ich meine, eh falsch aufgehoben.

Die sind vermutlich auch bei diesem Artikel schon längst ausgestiegen. Lesen mag ja eh keiner mehr. Das ist für mich persönlich als Buchautorin und Bloggerin zwar irgendwie doof – im speziellen Fall aber sogar gut.

Dieser Artikel ist extra so, wie er ist. Und auch nicht suchmaschinenoptimiert.

Allein diese ellenlange Einleitung, ohne irgendein sinniges Keyword oder eine sinnvolle zum Thema passende Struktur, die es dem Suchenden leichter machen könnte, würden SEO-Experten mir direkt um die Ohren hauen. Sollen sie doch. Was interessieren mich Klickraten? Gar nichts. Ich stifte gern ein bisschen technische Verwirrung für Herrn Google.

Der Hinweis in meinem Editor auf die schlechte Suchmaschinen-Qualität dieses Artikels gefällt mir außerordentlich gut.

Last but not least veröffentliche ich ihn pünktlich zum Hochsommer. Wenn sich in der Affenhitze auf Sardinien eh kein Mensch auf weite Fahrt begibt, sondern lieber am Strand ölt. Bitteschön.

Dieser Artikel will nicht gefunden werden. Schon gar nicht von vielen. Nur von denen, die ihn wirklich suchen und ihn finden wollen.

Genauso wie der „Märchenwald“ – „Bosco da Fiaba“ am Monte Arci.

Jetzt ist es raus.

Und jetzt, wo du hier angekommen bist, kann ich endlich anfangen, von diesem neuen Lieblingsort auf Sardinien zu erzählen.

Auch ich habe zunächst eher gesucht, als gefunden. Oder viel eher hat der Ort mich gefunden.

Meine Suche nach dem Märchenwald beginnt …

… durch Zufall, auf Instagram. Das mag nach meinem obigen Sermon über Natur und Sinnhaftigkeit etwas widersprüchlich klingen.

Doch eines Morgens, beim Herumstöbern in meiner „Sardinien-Bubble“ stolperte ich über ein Foto wie dieses in meinem Feed:

Eines der fantastischen Kunstwerke am Monte Arci: Su Boi. ( Foto © Nicole Raukamp )
Eines der Kunstwerke am Monte Arci: Su Boi. ( Foto © Nicole Raukamp )

Ich war sofort gepackt! Das musste ein genialer Ort sein! Da will ich hin!

Also verbrachte ich die folgende Stunde damit, weitere Informationen zu suchen. Schließlich hatte ich eine grobe Idee und machte mich bei nächstbester Gelegenheit auf die Reise. Mit der schwarzschafigen Schnüffelnase krieg ich das sicher vor Ort hin.

Ein fabelhafter Ort

Sachdienliche Hinweis auf das „Wo ist das?“ gab es bereits oben. Der Monte Arci liegt in der westlichen Mitte Sardiniens.

Und er hat nicht nur diese tollen Kunstwerke, um die es hier gehen soll, sondern auch noch eine weitere Besonderheit: ein riesiges Obsidian-Vorkommen. Obsidian ist schwarzes Vulkangestein, das ähnlich wie Glas ist – und in der Bronzezeit ein nachgefragter Exportschlager Sardiniens war. Ich hab einen Artikel darüber schon seit Urzeiten auf der To-do-Liste. Jetzt kann ich ihn endlich schreiben.

Vier Orte sind gute Startpunkte, um sich mit dem Monte Arci zu beschäftigen:

  • Morgongiori
  • Ales
  • Pau
  • Masullas

Der Monte Arci ist relativ groß und ausgedehnt und es gibt ein weites Wegenetz für Wanderer. Alles auch nicht zu schwer – die Wege sind von der örtlichen Forstgesellschaft angelegt und relativ gut gepflegt. Er kann auf eigene Faust erkundet werden.

Nur die Beschilderung lässt ein bisschen zu wünschen übrig. Aber wir haben ja bereits verstanden, dass kein Fehler ist, sondern so gehört 🙂

Da also nicht alles auf der Hand liegt und man als orts-unkundiger Mensch ja oft nicht weiß, wo es genau hingehen soll, ist empfehlenswert, sich zuvor um einen Guide zu bemühen. Das geht am besten in den ortsansässigen Museen – die auch gleich eine schöne Einführung in die Region geben (Adressen siehe am Ende des Artikels).

An einem wunderschönen Tag im März kam ich also in Pau an.

Am Ortseingang ist der Monte Arci ausgeschildert. Ich fuhr hinauf und hinein, stellte das Auto ab und lief dann ein paar Kilometer über die schönen Wege im schattigen, frischen Wald, im Parco dell’Ossidiana.

Neben dem vulkanischen Glas fand ich tolle Felsformationen und Grotten, plätschernde Wasserfällchen und Quellen, hohe Bäume, in denen Vögel zwitschern und hübsche Gelegenheiten, um die Welt einfach zu vergessen.

Die Suche nach den verstreut im Wald befindlichen Kunstwerken gestaltete sich tatsächlich zunächst schwierig.

Zwar trifft man irgendwann auf ein Schild „Bosco da Fiaba“, also „Märchenwald“, aber das ist auch schon alles. Biegt man auf den Pfaden falsch ab oder schaut nicht in die richtige Richtung, verpasst man sie. Ich musste jedenfalls noch ein zweites Mal wiederkommen und habe auch dann nicht alles gesehen und gefunden.

Die Tiere, Skulpturen aus Holz, die ein Kulturverein Associazione Culturale Menabò in den letzten Jahren geschaffen hat, fügen sie sich optisch ganz natürlich in den Wald ein.

Man könnte fast meinen, sie verstecken sich, wie die wilden Tiere. Sicher bewegen sie sich und treten erst heraus, wenn sie uns vertrauen. Wer weiß das schon, immerhin sind wir hier in einem Märchen.

Und in einem Märchenwald verläuft man sich bekanntlich auch mal. Das ist Teil des Konzepts.

Ich werde vom Bosco da Fiaba in meinem nächsten Buch erzählen. Weil ich glaube, dass dieser Ort den Menschen gut tut und ihr Verständnis für die Natur wieder erwecken kann. Und Bücher sind ja auch eine aussterbende Spezies – insofern, Gründe wie oben. Ich habe keine Angst vor Massentourismus.

Ich komme auf jeden Fall nochmal wieder. Vielleicht auch zwei- oder dreimal. Denn einige Kunstwerke habe ich immer noch nicht gefunden.

Hier und jetzt gibt es ein paar wenige Bilder, die euch inspirieren sollen. So wie sie mich inspiriert und auf meine Reise geschickt haben.

Und nun begebt euch gern auf eure ganz eigene Reise und Suche.

Eine Bitte nur, wenn ihr die Kunstwerke findet: Tragt ihre Position nicht in Google ein. Der Eingang zum Wald ist schon drin, und das Kunstwerk Su Boi auch. Das reicht.

Danke schön 🙂

Informationen für deine Suche

Exkursionen am Monte Arci werden von mehreren Institutionen sowie privaten Guides angeboten. Speziell die ortsansässigen Museen sind gute Adressen und veröffentlichen auf ihren Seiten und Social-Media-Accounts auch Events und Ausflüge (vorwiegend am Wochenende), für die man sich anmelden kann.

Direkte Kontaktdaten im Museo Ossidiana in Pau:

  • Anfragen / Reservierungen: +39 0783 939134
  • E-Mail: info@museossidiana.it

Und wenn ihr nicht sofort etwas findet oder man auf eure Mails nicht sofort antwortet, seid ganz beruhigt: Das gehört so.

Denn nur wer will und sucht, der findet.

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