Der Sardinien-Virus. Weit verbreitet unter Urlaubern und mit einem fast immer chronischen Verlauf. Doch es besteht Hoffnung.

Das berühmte Sardinien-Forschtier Dr. pec. ner. Schwarz-Schaf informiert in seinem heutigen Bericht über den Verlauf der Infektion sowie mögliche Wege zur Heilung.

Februar - Heilmittel gegen den Sardinien-Virus?

Februar – Heilmittel gegen den Sardinien-Virus?

Aktuell wird ein Heilmittel mit dem Namen „Februar“ getestet. Nachdem das schwächere Medikament „Nebensaison“ Patienten noch mehr zu begeistern schien, wurden für „Februar“ nun die Konzentration der Wirkstoffe „Wind“ und „Regen“ erhöht.

In dieser nicht repräsentativen und noch andauernden Studie hat sich der „Februar“ bei den ersten Probanden bereits als wirkungsvoll erwiesen.

Einige Personen wurden so weit geheilt, dass sie wieder einem normalen Leben nachgehen können, ohne beim Anblick von Sardinien in ekstatische
Verzückung zu geraten.

Andere Patienten berichten, dass sie nach kürzester Zeit nicht mehr unter den üblichen „Farbstörungen“ leiden: Sie sehen nicht mehr wie durch eine „rosarote Brille“ und können auf eine Bucht blicken, ohne wegen des türkisfarbenen Wassers die Fassung zu verlieren.

Schauen wir etwas genauer auf den Sardinien-Virus, der eine immer größer werdende Zahl Urlauber befällt, und auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse von Dr. pec. ner. Schwarz-Schaf.

Der Sardinien-Virus

Der Sardinien-Virus befällt vornehmlich durch den Jahresurlaub in einer Art Delirium befindliche, empfängliche Organismen.

Der Verlauf und die Schwere der Sardinien-Infektion ist abhängig von den Umständen im Leben des Wirts und den jahreszeitlichen Wechselbeziehungen zwischen Wirt und Virus. Es kommt zu einer mehr oder weniger dauerhaften Assoziation zwischen Virus und Wirt.

Der Virus provoziert ein suchtähnliches Verhalten und ist nur sehr schwer heilbar. Wer einmal auf der Insel war, kehrt mit einer an 100% grenzenden Sicherheit zurück. Nur wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel.

Die Entwicklung des Virus wird durch die warme Jahreszeit begünstigt, wenn es leicht ist, alles toll zu finden. Intensive Sonneneinstrahlung und die den Geist ermattende Hitze (ähnlich einer Sommergrippe) sind ideale klimatische Bedingungen für den Virus.

Symptome: eingeschränktes Blickfeld und Wahrnehmungsstörungen

Symptome: eingeschränktes Blickfeld und Wahrnehmungsstörungen

Verwechslungsgefahr: Die Sardinien-Virusinfektion ist nicht mit der sehr ernst zu nehmenden Sardinien-Krankheit («Mal di Sardegna») zu verwechseln, die aber ausschließlich Einheimische und auf Sardinien Geborene befällt. Sobald sie ihre Heimat verlassen nimmt ihre Krankheit einen äußerst schweren, körperlichen Verlauf.

Suchtgefahr und irrationales Verhalten

Bei Personen, die trotz Gesundheitswarnung nach Sardinien reisen, entwickelt und vermehrt sich der Virus bereits in den ersten Tagen begünstigt vom Rosmarinduft und dem angenehmen Klima.

Überwältigt von der Echtheit und Schönheit der Insel (die auch Einheimische fühlen) und von der gefühlten Leichtigkeit des Seins (die Sarden nicht generell bestätigen), wird der Patient weiter geschwächt.

Durch Stress und den Alltag ausgelaugte Menschen sind besonders empfänglich. Bereits nach zwei Wochen Sommerurlaub hat der Virus vom Geist des Wirtes vollständig Besitz genommen. Er hat ein eingeschränktes Blickfeld und leidet unter Wahrnehmungsstörungen.

Der Patient ist so dermaßen begeistert, dass er die Insel nicht mehr verlassen möchte. Er entwickelt eine Art Ersatzheimatgefühl, das sich (wieder daheim) in ein ausgeprägtes Fernweh verwandelt. Er will wieder zurück nach Sardinien und kann die Zeit bis zum nächsten Urlaub kaum abwarten.

Er wird ungeduldig und unleidlich, und vergleicht alles im täglichen Leben mit Sardinien (ohne zu wissen, wie der Alltag auf der Insel ist).

Bereits im Urlaub beginnt er, seine echte Heimat plötzlich gering zu schätzen oder gar abzuwerten und schlechter zu finden.

Während die Sarden ihre Heimat, die „terra madre“, das Mutterland bis aufs Blut verteidigen würden, verhält sich der Patient mit Blick auf sein Vaterland oder seine Geburtsstadt deutlich abweisender. Bemüht werden Gründe wie Spießigkeit und Bürgerlichkeit im Kontrast zu Dolce Vita und In-den-Tag-Leben.

90% der Infizierten glorifizieren einen Urlaubsort, den sie kaum kennen.

Besonders diejenigen, die zum ersten Mal nach Sardinien oder wiederholt an den selben Ferienort reisen, verstehen – trotz Reiseführer-Studiums – ihr Reiseziel nicht.

In völliger Unkenntnis über das Ziel der Begierde

Völliges Nicht-Verstehen: unangenehme Begleiterscheinung des Virus

Das ist fatal für den weiteren Verlauf der Infektion.

Die bereits von Dorf zu Dorf unterschiedlichen Lebensauffassungen, Kulturen und Traditionen der Sarden könnten heilend wirken, doch die Patienten verweigern jede Reise ins Hinterland.

Die Unwissenheit setzt sich fort: Vor allem erkennen sie nicht, warum die Sarden sich gar nicht als Teil Italiens fühlen, und dass das laute Abspielen von „Azzurro“ und „Volare“ in keinster Weise den Nerv der Insel trifft.

Sie sagen auch nach zwei Wochen Urlaub hartnäckig «Espresso» und «Gnotschis». Ein Besuch mit dem überfüllten Ausflugsboot in eine Meeresgrotte empfinden sie als einzigartiges Naturerlebnis.

Damit nicht genug: Trotz Unverständnis und Unkenntnis wollen die Patienten auf Sardinien leben. Ohne Wenn und Aber.

Dieses kuriose und irrationale Verhalten ist in der Medizin auch in Verbindung mit Australien, Neuseeland und Kanada bekannt.

Patienten, die niemals oder nur kurz in einem dieser Länder waren, wollen um alles in der Welt dorthin auswandern. Und das, obwohl sie in der Regel über ein geordnetes Zuhause sowie einen intakten Familien- und Freundeskreis verfügen und materiell versorgt sind.

Obwohl es für viele andere Personen der Himmel auf Erden ist, in Ländern wie der Schweiz oder Deutschland oder Österreich leben und arbeiten zu dürfen, ist der Sardinien-Infizierte fortan mit seiner Lage unzufrieden und will sein Heimatland verlassen.

Dieses nicht rational erklärbare Phänomen gibt Forschern bis heute Rätsel auf.

Die „Karibik-Variante“ („virus sardegnus caraibus“)

Eine besonders aggressive Version des Virus, die sogenannte „Karibik-Variante“ („virus sardegnus caraibus“) befällt Reisende bereits vor dem ersten Urlaub. Bei der Aussicht auf eine Art „Karibik in Europa“ wird das „Verklärungszentrum“ im Gehirn des Betroffenen aktiviert.

Farbstörung: rosarote Brille

Farbstörung: rosarote Brille

Üblicherweise geschieht dies bereits beim Anblick eines Fotos vom türkisblauen Meer auf dem Reiseführer.

Die Infektionsphase der Karibik-Variante ist geprägt von übertriebener Recherche und Urlaubsvorbereitung. Besonders nahe Angehörige und Lebenspartner leiden in dieser Phase sehr mit und können oft nur tatenlos zusehen, wie der Urlaub bis ins kleinste Detail geplant wird.

Der Betroffene (besonders gefährdet scheinen weibliche Personen) entwickelt eine Sucht nach Sardinien-Reiseführern und verbringt Stunden in Foren und auf facebook.

Auffälligste Symptome sind Superlative und besitzergreifende Kommentare: Typische Beispiele sind: „Ich liebe Sardinien!“ – „Ein Traum!“ – „Meine Insel!“ – „Die schönste Insel der Welt!“ – „Sardinien ist viel besser als Sizilien!“ – „Sardinien ist das Beste.“ – „Dort ist alles besser, alles ist sonnig, alles ist schön!“ – „Dolce Vita, Vino, Pecorino!“

Schon bald setzen die erwähnten Störungen in der farblichen Wahrnehmung ein, die sich bis in den Urlaub und darüber hinaus fortsetzen:

  • Rosarot wird zur dominanten Farbe (eine mögliche Erklärung für den „spiaggia rosa“ auf Budelli); der Blick durch diese Brille verfälscht die gesamte Wahrnehmung.
  • Türkis oder Azurblau lösen neue Infektionsschübe aus.

Vor Ort sind Karibik-Variante Infizierte grundsätzlich nicht vom Strand wegzubewegen.

Die gesamte Kollektion der Strandverkäufer wird durchprobiert und alle drei Tage ein „soooo niedliches“ Kleid oder Tuch, das sie zuhause nie tragen würden, gekauft.

Nach einer Woche können viele ohne Prosecco oder Ichnusa an der Beach Bar nicht mehr leben. Die Aussicht auf eine zwei- oder gar dreistündige Autofahrt ins Hinterland bringt sie an den Rand der Verzweiflung.

Nach dem Urlaub finden schwerst Infizierte in Internetforen eine Plattform für den typischen Sehnsuchtsgesang: „Oooooh! Es war so schön! Ein Traum! Ich will für immer auf Sardinien leben!“. Der Schlager „Wir kommen garantiert wiiiieeeedeeeeer!“ ist ebenfalls jedes Jahr auf allen Kanälen zu hören.

Infektionsschübe durch Türkis

Infektionsschübe durch Türkis

Patienten der „Karibik-Variante“ müssen unbedingt mit der Nebensaison (vorzugsweise mit „Februar“) und statt mit dem türkisfarbenen mit dem grauen sardischen Meer bei Sturm und Regen konfrontiert werden.

Besonders wirkungsvoll sind Reisen in das neblig-nasse Bergland oder auf die Schneegipfel des Gennargentu.

Unbehandelt ist der weitere Verlauf der Infektion dramatisch.

Der Patient verdrängt, dass sein Sardinien-Bild nicht stimmt. Er reduziert die Insel auf ein Minimum aus Sonne, Strand und Meer, im Höchstfall lässt er den Besuch eines Nuraghen zu.

Patienten mit virus sardegnus caraibus benötigen Unterstützung durch eigene Landsleute und überleben nur in den vollklimatisierten Resorts oder durchstrukturierten Touristenzonen der Insel, wie San Teodoro, Chia oder der Costa Rei.

Heilmittel: Februar und Alltag

Die beiden bislang wirksamsten Medikamente zur Eindämmung des Sardinien-Virus sind „Februar“ und „Alltag“. Februar wird aktuell getestet und erweist sich wie bereits in den Vorjahren als sehr wirksam bei akuten Infektionen.

Die übliche Dosis ist eine Woche „Februar“. Nur ganz leicht Infizierte sind bereits nach dem ersten Regenwochenende geheilt. Andere fangen dann an, zu frieren und über Wetter und Umstände zu meckern, und darüber, dass im Touriort alles geschlossen ist.

Das sind normale Entzugserscheinungen, die es auszuhalten gilt.

„Februar“ kuriert die Karibik-Variante in 95% der Fälle.

Bei den übrigen 5% muss zusätzlich das Mittel „Cherry Picking“ verabreicht werden – regelmäßiger Urlaub in schönen Jahreszeiten. Das trägt nicht unbedingt zum Verständnis der Insel bei (siehe oben), hilft aber dem Patienten.

Bei Fehldiagnosen verschlimmert er den Virus: carnevale sardo

Bei Fehldiagnosen verschlimmert er den Virus: carnevale sardo

Dringender Warnhinweis: Achtung bei Fehldiagnosen. 

Falls der Patient nicht von der Karibik-  sondern von dem normalen Sardinien-Virus befallen ist, verstärkt „Februar“ (insbesondere in hoher Dosierung beim sardischen Karneval) die Aggressivität des Virus und lässt diesen mutieren.

Die Mutation führt dazu, dass der Patient der Insel noch weiter verfällt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der eigentlich harmlose Auswanderungswunsch umgesetzt.

Positiv ist zu vermerken, dass der Patient seine Farb- und Wahrnehmungsstörungen verliert und beginnt, sich Land und Leuten zu öffnen.

Patienten, die nach zwei Wochen „Februar“-Behandlung immer noch gut gelaunt sind, wollen so bald wie möglich auf die Insel auswandern.

Um zu verhindern, dass sie außer Kontrolle geraten, ist eine schnell anschließende Nebensaison-Reise wirksam.

Insbesondere die Flamingo-Therapie auf der Sinis-Halbinsel im Frühling ist äußerst hilfreich, um die Patienten zu beruhigen. Auch ein kurzer Städteurlaub in Cagliari kann richtig sein.

Erfolge mit Flamingo-Therapie auf der Sinis-Halbinsel

Erfolge mit Flamingo-Therapie auf der Sinis-Halbinsel

Doch immer wieder kommt es zu Hals-über-Kopf-Reaktionen.

Da wird zuhause spontan der Job gekündigt (wenn man einen hat) und der hochgradig Infizierte fliegt zu Ostern oder im Mai mit einem oneway-Ticket auf die Insel.

Durch den im Frühling bis Frühsommer weit verbreiteten Blütenstaub (insbesondere der von gelben Blüten) und die folgende lange Wärmephase geraten diese Patienten vollständig in einen Tunnel.

Sie müssen dringend mit „Alltag“ behandelt werden (Wirkungsweise siehe unten), was sich zu dieser Jahreszeit aber als sehr schwierig erweist.

Die Einnahme erfolgt über einen deutlich längeren Zeitraum: je nach Schwere wird zwischen einem halben und einem Jahr empfohlen.

Die richtige und frühzeitige Behandlung mit „Februar“ oder „Alltag“ ist aber insgesamt sehr erfolgversprechend und ein Versuch sollte unbedingt unternommen werden.

Im Optimalfall wird sogar die eigene Heimat wieder lieb gewonnen, Freunde und Familie wert geschätzt und das vertraute Leben deutlich positiver als zuvor betrachtet.

Die Behandlung in einem Insel-Sanatorium (ausgeprägte Ferienregionen mit wenig Kontakt zu Einheimischen und in Gesellschaft anderer Virus-Träger) ist beliebt und sogar ein Wirtschaftsfaktor geworden. Die Wirksamkeit der Therapie ist nicht bewiesen und unter Fachschafen höchst umstritten.

In den letzten Jahren sind zahlreiche Generika und an Versuchspersonen auf Mallorca getestete Mittel (z. B. „Regen im Mai“, „Bürokratie“ und „Karriereknick“) auf den Markt gekommen, die – abhängig von der Vorgeschichte des Infizierten – zwar zu kurzfristigen Erfolgen führen, aber langfristig keine Heilung in Aussicht stellen.

Nicht-europäische Medikamente (z. B. „Karibik“, „Thailand“, „Malediven“) befinden sich noch in der Testphase und sind vielversprechend. Im ersten Untersuchungszeitraum dieser Studie wurde ermittelt, dass der Zeitpunkt der Medikation enorm wichtig ist.

So sind Viruserkrankte am ehesten in der kalten Jahreszeit geneigt, die Insel zu verlassen und zur Linderung ihres Leidens auf andere Kontinente zu reisen. Die Kombination aus Wärme, Horizonterweiterung und fremder Kultur dämmt das Sardinien-Virus in 95% der Fälle stark ein.

Bei ihnen wurden Einzelerfolge mit dem saisonal wirkenden Placebo „Weihnachtsmarkt“ erzielt (erhältlich in den Ausführungen „Lübeck“, „Heidelberg“, „Rothenburg“ „Nürnberg“). Das Mittel sorgt bei vielen Betroffenen für ein wohliges Heimatgefühl, das für temporäre Linderung sorgt.

Befindet sich die Infektion bereits in einem fortgeschrittenen Stadium oder ist der Patient Träger der mutierten Variante, ist er gegen sämtliche Medikamente immun.

Chronischer Verlauf in 90% der Fälle, Höhepunkt Auswandern

Gelbe Blüten begünstigen die Virus-Entwicklung

Gelbe Blüten und kalte Wetterwolken: Hier trennt sich die Spreu vom Weizen

Chronisch Erkrankte verbringen (mit wenigen Ausnahmen) jeden Urlaub ihres Lebens auf der Insel.

Bei Verabreichung der regelmäßigen, oft mehrmals jährlichen, Inseldosis verläuft die Infektion relativ harmlos und der Patient kann in der übrigen Zeit des Jahres sein normales Leben fortführen.

Der Höhepunkt der Infektion ist allerdings die Auswanderung.

Spätestens mit dem Eintritt in das Rentenalter (in schweren Fällen auch früher) ist es soweit. Der Betroffene verkauft sein Reihenmittelhaus, löst letzte Bande zur alten Heimat und begleicht alle Verbindlichkeiten.

Er erwirbt ein Ferienhaus in seiner Lieblings-Urlaubsregion – zunächst ohne Klimaanlage, da ihm in der Regel immer noch die Winter-Erfahrungen fehlen. Das wird allerdings nach dem ersten Jahreswechsel korrigiert und führt nicht zu einer Rückkehr.

Patienten, denen die finanziellen Mittel fehlen, begeben sich in eine höchst unsichere Lebensphase. Glücklicherweise hat der Virus dann keine großen Überlebens- oder Mutationschancen.

Vereinzelt sind wetterfühlige Patienten bekannt, denen es auf Sardinien ganzjährig zu teuer oder zu kalt ist. Sie kehren in den meisten Fällen nicht in die Heimat zurück, sondern wechseln die Insel: Wer sparen muss, geht auf eine griechische Insel. Alle anderen wählen die Kanaren oder Koh Samui.

Der Wunsch, auszuwandern ist vom behandelnden Arzt, Familie und Freunden stets ernst zu nehmen.

Die tatsächliche Unterstützung kann – je nach Patient und Schwere der Virus-Infektion – angepasst werden: „Das machst Du goldrichtig!“ – „Oha, schwierig. Aber Du schaffst das schon!“ – „Und wenn Du Pech hast, kommst Du eben zurück zu uns.“ – „Schatz, Du bist blauäugig bis an die Hühneraugen …“ – „Vergiss es. Ohne mich.“ sind valide Reaktionen.

Dem Patienten sollte klar gemacht werden, dass Träume eigentlich dazu da sind, um aus dem Alltag zu fliehen.

Versetzt nun der Infizierte seinen Traum aufgrund des Virus in den Alltag, muss er wissen, dass das schiefgehen kann. Auswandern ist die beste Möglichkeit, nicht den Virus, sondern die Einzelteile des sardischen Traums nacheinander abzutöten.

Der Patient wird das in der Regel nicht selbst erkennen.

Die Stürme des Alltags meistern

Die Stürme des Alltags meistern

Grundsätzlich sollten Freunde und Angehörige mindestens einmal in Frage zu stellen, ob Auswandern die beste Idee ist. Heiraten ist ja oft auch nicht die ultimative Lösung, nur weil man verliebt ist.

Eine gesunde Skepsis ist angebracht.

Sardinien ist ein Land wie jedes andere, mit einer störenden Sache: dem Alltag. Rechnungen, Verpflichtungen, Erledigungen – das muss der Patient mitnehmen, oder er bekommt es in anderer Form wieder.

Hilft das nicht, und ist der Patient schließlich auf der Insel, besteht dennoch Hoffnung – denn das Inselleben selbst ist durchaus heilsam.

Auf der Insel: alternative Heilmethoden

Da er sich seine vertraute Reisezeit auswählen wird, um nach Sardinien zu kommen, wähnt sich der Patient zunächst im Paradies.

Das hielt bekanntlich schon bei Adam und Eva nicht besonders lang. Der Traum Sardinien zerfasert ziemlich schnell, wenn er sich auf die Nebensaison zu bewegt. Oder das erste Mal wegen eines Einschreibens oder um ein Paket abzuholen, geschlagene zwei Stunden auf der Post verbringt.

Darüber hinaus gibt es auf Sardinien „eingebaute“, alternative Heilmethoden, die die Insel selbstständig in der richtigen Dosis verabreicht.

  • Sprache: Viele, die vom Sardinien-Virus befallen sind, stellen nach ein paar Jahren fest, dass sie immer noch nur deutsche Freunde haben und ihr Italienisch immer noch nur zum Pizza bestellen reicht. Es war so viel einfacher, sich mit Gleichgesinnten und Landsleuten zu treffen, als sich mit Sarden anzufreunden, die in einem komplett anderen Kulturkreis und auf eine andere Art und Weise leben. >>> Was viele Patienten nicht wissen: Die Sprache und die Verbindung zu Einheimischen wären ein idealer Nährboden für ihr Sardinien-Virus. Einmal Freund mit den Einheimischen, wäre der Patient unheilbar.
  • Arbeit: Selten stehen Auswanderer in ihrer alten Heimat direkt vor dem nächsten Karrieresprung. Viele suchten bereits länger nach einem neuen Arbeitsplatz, waren unzufrieden oder ausgebrannt. Das setzt sich auf der Insel in den meisten Fällen fort.  Typische „Karriere- und Stadtjobs“ – vom Werbefritzen bis zum Unternehmensberater, vom Banker bis zum Ingenieur – sind extrem rar gesät. Klassische Berufe wie Bankkaufmann oder Krankenschwester werden von Einheimischen besetzt, was auch richtig so ist. Niemand wartet auf die Bewerbung eines Auswanderers, womöglich noch mit schlechten Sprachkenntnissen. >>> Arbeitslosigkeit führt zur Bildung von Antikörpern aus akutem Geldmangel, die den Sardinien-Virus in relativ kurzer Zeit töten.
Berg oder Meer: integriere dich, finde deinen Platz

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  • Schlechte Pläne: Die Herausforderung ist, auf der Insel eine Einnahmequelle zu finden, die das gesamte Jahr über funktioniert. Damit scheidet der Tourismus in den Ferienorten aus – was viele Patienten aber erst vor Ort merken. Der Plan, ganzjährig als Makler (ohne Kontakte und Ortskenntnis) oder Surflehrer (neben etablierten Schulen) zu arbeiten, scheitert regelmäßig. Wer im Sommer im Tourismus arbeitet und in den Wintermonaten ohne Arbeit zuhause hockt – und vielleicht noch wegen einer gescheiterten Beziehung mit sich allein ist, landet schnell in einer ausgewachsenen Depression. Selbständig Arbeitende, die mit den Insulanern die eh schon knappe Arbeit konkurrieren, sehen sich mit unschönen Feindschaften konfrontiert. Handwerker sollten nicht meinen, alles besser machen zu können, als die Sarden (was oft auch gar nicht wahr ist), sondern versuchen, mit ihnen oder für sie zu arbeiten. >>> Der Sardinien-Virus wird durch fehlende gute Ideen erfolgreich eingedämmt. Allerdings negieren viele Patienten, dass ihr Plan schlecht ist, und die Behandlung scheitert.
  • Arztbesuche: Spätestens, wenn der Patient zwischen zwanzig röchelnden Senioren im Wartezimmer des Dorfarztes sitzt, oder mit fünfzig anderen kranken Gestalten in einer der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen der ASL, oder gar als Notfall zur falschen Zeit im falschen Krankenhaus ist, wird ihm das heimische Gesundheitssystem wie der Himmel auf Erden vorkommen. Gute Ärzte, Notfallmedizin und moderne Krankenhäuser gibt es natürlich auch auf Sardinien. Allerdings muss man dazu oft weit fahren, Geduld oder Glück haben – oder zahlungskräftig sein. >>> Der Virus ist bei manchen nach einem Arztbesuch, bei dem sie nachträglich betrachtet lieber den örtlichen Tierarzt aufgesucht hätte, verschwunden.
  • Bürokratie: Das italienische Bürokratier wiehert durchdringender als der deutsche Amtsschimmel und ist ein ausgezeichnetes Heilmittel. Mit einem Gang zur Gemeinde, z. B. um die residenza zu bekommen, ist es in der Regel nicht getan. Viele Patienten gehen drei- oder viermal hin, fliegen in ihr Heimatland, weil irgendein Schein fehlt, und schätzen plötzlich die Einfachheit des ex-heimischen Systems. Sagt ein Angestellter der Comune dann, die residenza sei für EU-Bürger eigentlich gar nicht notwendig, er wisse gar nicht, ob er die nach dem letzten Erlass überhaupt ausstellen darf, wird der Fall ad acta gelegt. Bei dem Versuch ein Auto zu kaufen, stellt der Patient fest, dass ohne residenza in Sachen Versicherung und Eigentumsübertragung gar nichts geht. Natürlich beginnt das Amtsgewackel dann von vorn, mit viel viel Überredungskunst. >>> Der Patient wird mürbe und der Virus hat weniger Angriffsfläche.
  • Italienische Staatsangehörigkeit: Der Status als „autonome Region“ ist das Höchste, was der italienische Staat Sardinien gewährte – aber das Mindeste, was das Volk erwartete. Den italienischen Pass tragen zu müssen, ist für viele immer noch äußerst unangenehm. Der Auswanderer hingegen will diesen Pass unbedingt haben, und stößt damit sowohl in der Zuneigung der Sarden als auch in Sachen Bürokratie schnell an Grenzen. >>> Der Virus wird dabei allerdings nur leicht beschädigt.
  • Regen: Der Glaube an das bessere Wetter ist die letzte Hoffnung vieler Patienten und auch die wird enttäuscht. Die Durchschnittstemperatur ist höher, aber die Sonne scheint nicht 365 Tage im Jahr. Eigentlich nichtmal 200 Tage. Das, was einen im Urlaub ja schon aufgeregt hat, wenn’s nur mal ein paar Stunden oder gar ein, zwei Tage passierte, kann im sardischen Herbst und Winter so richtig mühsam werden: Regen. Regen, Regen, Regen. Fehlt der Regen, gibt es Wind. Viel Wind. >>> Der Virus in bevorzugt in warmen trockenen Jahreszeiten und stirbt bei diesen Bedingungen ab.

Insbesonders mit sich selbst rechnen die meisten Patienten nicht. Die Begabung, eine lange Zeit mit sich, der Natur oder den paar Menschen in der Umgebung, allein zu sein, fehlt den meisten. Langeweile und Einsamkeit, wenn das Sommerleben weg ist, sind zwei der größten Feinde des Sardinien-Virus.

Besonders kritisch ist der Moment, wenn der Patient aus seinem Traum aufwacht und merkt, dass es gar nicht so ist, wie er es sich vorgestellt hat. Er will unbedingt weiter träumen, und es geht einfach nicht.

Dann sollten Familie und Freunde sowie eine Buchungsmöglichkeit für Flugtickets in greifbarer Nähe sein.

Migranten als Folge des Sardinien-Virus

Die Sardinien-Virusinfektion kennt nur zwei Verläufe: Sie endet entweder mit der Rückkehr in die ehemalige Heimat, oder mit der Integration in den sardischen Alltag. In beiden Fällen wird das tägliche Leben nicht mehr behindert.

Doch für so manchen «Neu-Sarden» oder«Sarden im Geiste» beginnen erst jetzt die Schwierigkeiten. Ihre eigentliche Aufgabe ist das Leben nach dem Virus.

Viele wird erst jetzt bewusst, dass ihnen die Aufgabe bevor steht, sich zu integrieren. Die Sprache zu lernen. Den Alltag zu meistern. Zu lernen, was „für immer“ bedeutet.

Du bist auch ein ein Migrant, kein "besserer" Auswanderer

Du bist auch ein ein Migrant, kein „besserer“ Auswanderer

Wer nur halbwegs ehrlich zu sich selbst ist, sieht sich einem neuen Gefühl gegenüber: Ich bin ein Migrant. Ich bin kein „besserer“ Auswanderer.

Der ehemalige Patient unterscheidet sich vom Senegalesen, der am sardischen Strand Kleider und Tücher verkauft, oder vom Syrer, der in Deutschland in Flüchtlingsunterkünften lebt, nur dadurch, dass er sein altes Leben nicht mehr haben wollte.

Er hatte sich noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und freiwillig mit dem Sardinien-Virus infiziert.

Der Moment der Erkenntnis, nicht mehr Deutscher, Schweizer oder Österreicher zu sein, sondern ein Fremder, ist für viele verstörend.

Wer sich nach mehrjähriger Infektion immer noch nicht eingesteht, dass er nicht gut integriert ist, braucht einen kräftigen Tritt in den Allerwertesten.

Allen – ob frisch infiziert oder schon geheilt – sei an dieser Stelle Mut zu gesprochen. Einen Traum zu leben, ist eine wahnsinnig schwere, aber vielleicht die schönste Aufgabe, die es gibt.

Dr. pec. ner. Schwarz-Schaf wünscht allen vom Sardinien-Virus Betroffenen:

Viel Glück beim Finden Eures Platzes auf der Insel. Viel Freude mit Land und Leuten! Und gute (Nicht-)Besserung! 

6 Comments

  1. Sabine Krüger

    6. Februar 2016 at 19:17

    Liebes Schaf, dieser Artikel ist brilliant geschrieben! ( wie viele andere Deiner Artikel auch 🙂 ) Dafür Glückwunsch und herzlichen Dank! Lebe seid 8 Jahren auf Sardinien und habe mich köstlich über die Beschreibung des “ Sardinienvirus“ amüsiert und habe mich beim ständigen Kopfnicken beim lesen des Artikels ertappt. Er ist so treffend und ehrlich geschrieben. Mach weiter so! Freue mich immer wieder über Deine scharfsinnige Beobachtungsgabe und Insiderwissen. Wünsche Dir leckeres Frühjahrsgrün damit Du auch weiterhin die Kraft hast die Insel zu bereisen und Deinen Blickwinkel zu teilen! Tierischen Gruss!

    Reply
    • nicole

      7. Februar 2016 at 17:55

      Lieben Dank für die Blumen und das frische Grün 🙂
      Gerade machen wir uns wieder auf die Socken zum Karneval … das Schaf wird beeehrichten!

      Reply
  2. Klaas van Haaren

    15. November 2017 at 20:57

    Liebes schwarzes Sch a a a a f
    vielen Dank für diese(n) Geschichte/Gedanken.
    Er tut gut. Auch wenn allgemein gesehen, egal für welche Gegend, die im Herzen brennt, der Virus mit dieser Diagnose gefüttert wird.
    Ich plädiere dafür ihn in JEDEM Forum Auswanderung zur Pflichtlektüre zu machen. Einzig in der Hoffnung die ganzen, sorry, Dummgeister zu verschrecken. Aber leider bestehen diese Foren überwiegend nur aus blablabla zu jeder Fragestellung oder zu jedem Thema. Den Forenmitgliedern fehlt leider überwiegend das Gefühl für Tiefgründiges, speziellen Humor und dem „ZWISCHEN DEN ZEILEN LESEN“. Aber er könnte doch einige Auswanderungswillige verschrecken. Nicht nur die, welche nach Sardinien wollen.
    Für mich wird es ein ganzes Stück Arbeit (im Positiven) diesen Blog zu durchforsten.
    Vielen vielen lieben Dank für den Blog

    Nordische Grüße und ein Moin aus Ostfriesland
    Klaas

    Reply
    • nicole

      20. November 2017 at 12:19

      Vielen Dank für deinen Kommentar und die Blumen 🙂
      Wenn er dabei hilft, ein bisschen „auszusieben“ hätte der Artikel seinen Zweck erfüllt!

      Reply
  3. Jim

    31. Juli 2023 at 16:33

    Praktisch alles 100% richtig geschrieben.

    Die Ansteckungsgefahr, aber auch die Heilerfolge sind heute (2023) nochmals viel größer, weil noch Mehr die eigenen Probleme auf Andere (vor allem Politiker) schieben und glauben, andernorts gäbe es das Alles nicht.

    Manche Heilung erfolgt dann schon nach Wochen, andere benötigen Monate und Termine bei vielen Ämtern, um in die Heilungsphase zu kommen.

    Ich selbst schütze mich, seit 20 Jahren, durch regelmäßige, aber zeitlich begrenzte, Kuren – im halbjährlichen Wechsel.

    Reply

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