Sommer-Segelurlaub auf Sardinien! Das vielleicht Merkwürdigste tun wir gleich am ersten Tag der vier vor uns liegenden Wochen: Nachdem unsere kleine Segelyacht urlaubsfertig ist, fahren wir direkt hinaus aus dem vielleicht schönsten Segelrevier des Mittelmeeres.

Bucht vor der Isola Santa Maria - toll aber voll
Bucht vor der Isola Santa Maria – toll aber voll

Das Naturschutzgebiet des Arcipelago di La Maddalena mit fünf Inseln, eine grandioser als die andere, und diesen traumhaften kleinen Buchten, das kristallklare Türkiswasser der Costa Smeralda, die die Bocche di Bonifacio mit ihrer stets guten Brise Wind, die vielen Häfen mit Sommerprogramm zu Wasser und an Land …

Klingt eigentlich perfekt.

Doch all dem zeigen wir das Heck unseres Schiffes.

Denn der Feind aller Schönheit ist die Hauptsaison. Im Juli und August platzt die Region aus allen Nähten, auf dem Wasser ist irrer Verkehr, der Wellengang durch schnelle Motorboote stört jedes ruhige Schippern und Ankern.

Vom Naturschutzgebiet ist dann in den kleinen Buchten kaum noch was zu sehen, ja zuweilen trübt sich vom vielen Verkehr sogar das Wasser, das sonst so glänzt und leuchtet. Da schwimmt Müll auf der türkisen Oberfläche und so manches wird direkt im Meer entsorgt.

Cala di Volpe: toll aber voll
Cala di Volpe: Verkehr wie auf der Autobahn

Die Häfen bis zur Costa Smeralda sind hemmungslos überfüllt, so dass nur mit Müh und Not ein Liegeplatz zu bekommen ist. Und wenn, dann ist er jetzt teuer. So richtig teuer. 88 Euro für unsere kleine 9-Meter-Yacht in Porto Rotondo. ADAC-Rabatt schon inklusive.

In den Buchten kloppt man sich – wie an den Stränden – um die freien Ankerplätze. Notgedrungen zerrupft jeder die Posidoniafelder (in denen man eigentlich gar nicht ankern darf, aber im Sommer ist das allen irgendwie egal).

Die Meere sind voll von Motorboot-Potenzschleudern, die enorme Wellen produzieren und damit jeden Segler in einem plötzlichen heftigen Seegang durchschaukeln. Last but not least unzählige Ausflugsdampfer mit Touristenhorden, die morgens und abends für einen unerhörten Schwell und Lärm in der ach so idyllischen Bucht sorgen.

Diesen Terror auf dem Wasser tun wir uns nicht an.

Wir wollen so schnell wie möglich in den Süden. Unser Fahrtziel: Der Golfo di Orosei – ebenfalls Naturschutzgebiet – an der sardischen Ostküste.

Aber was heisst schnell – mit einer kleinen 30-Fuss-Yacht (ca. 9 Meter), deren Langkiel satt im Wasser liegt, sind mehr als 5 Knoten (ca. 8 km/h) nicht drin.

Das bedeutet: Entschleunigung. Macht Ihr doch da oben alle, was ihr wollt – wir machen entspannt Sommerurlaub auf dem Meer 🙂

Wir fahren mit einem leichten Wind in Cala Gavetta los, passieren Palau und den Capo d’Orso (der Bärenfelsen, der vom Meer aus tatsächlich ein bisschen wie ein Sohlentreter aussieht).

Vorbei geht es an Santo Stefano, der Südspitze von Caprera hinaus aus der Bocche di Bonifacio, nach dem Passo delle Bisce mit Kurs Südsüdost, Richtung …

Capo Figari / Isola di Figarolo (40°58’47.7″N 9°38’22.7″E)

Capo Figari - heute ganz zahm
Capo Figari – heute ganz zahm

Rechter Hand lassen wir noch Porto Cervo, Grande Pevero, die Isole Li Nibari und Mortorio, die Cala di Volpe mit ihren Superyachten und Porto Rotondo. Schön, aber mit Verkehr wie auf der Autobahn – aber ohne uns!

Das knapp  350 Meter hohe Capo Figari ist unser Lieblingskap. Die Landschaft ist bereits ein bisschen beeindruckender als die flache Nordostküste. Die steil aufragende Ostseite sieht wunderschön aus.

Vor dem Kap ist die See eingangs des Golfo di Olbia immer etwas kabbelig, aber der Wind weht nicht so „bissig“ wie an anderen Kaps (an solchen „Landecken“ nimmt der sonst gern nochmal richtig Fahrt auf).

Gleich südlich liegt die hübsche Cala Moresca – die allerdings so klein ist, dass sie mit fünf Booten auch direkt voll ist.

Türkiswasser vor dem Isolotto Figarolo
Türkiswasser vor dem Isolotto Figarolo

Aber es lohnt sich, einen der wenigen Plätze zu jagen – ein hübscher Trekkingpfad führt von hier aus hinauf zum alten Leuchtturm (Semaforo). Ein kürzerer Pfad führt zu einem Friedhof (cimitero inglese) auf dem 13 englische Schiffbrüchige begraben sind – ihr Segler geriet im Jahr 1891 vor Capo Figari in einen Sturm und zerschellte an der felsigen Cala Greca.

Wir legen uns für die Nacht zu ein paar anderen Booten vor die Insel Figarolo, auf der sogar ein paar Mufflons leben.

Schon am Abend und am nächsten Morgen sind wir fast allein, und uns umgibt wunderschönes Wasser, das sich vor dem weiter nördlich überhaupt nicht verstecken muss.

Olbia, Circolo Nautico (40°55’21.6″N 9°30’31.7″E)

Die erste Ankernacht ist prima und am nächsten Tag fahren wir ins fünf Meilen entfernte Olbia. Vor Golfo Aranci trifft man übrigens oft nahe der Fischfarm auf Delfine. Heute lässt sich keiner blicken.

Linker und rechter Hand des Fahrwassers im Golfo di Olbia liegen die Muschelbänke, und am Ende ist schon der Fähranleger Isola Bianca zu sehen. Mit der Grossschiffahrt ist hier schon früh morgens, am frühen Nachmittag und abends zu rechnen. Aber es ist gar nicht wild, alles entspannt. Eine Moby-Fähre legt gerade ab und fährt nah an uns vorbei, man grüsst freundlich. Eine Tirrenia-Fähre und ein Kreuzfahrtschiff liegen noch am Kai.

Der Circolo Nautico Olbia (circolonauticoolbia.it, +39 0789 26187), ein etwas versteckt liegender kleiner Hafen hinter dem Fähranleger, hat ein paar Transitplätze, saubere Toiletten und ein hübsches Clubhaus. Wir fühlen uns sehr wohl.

Golfo di Olbia: mit Fährverkehr rechnen
Golfo di Olbia: mit Fährverkehr rechnen

Eine Alternative für Kurzlieger ist die Molo Brin (40°55’21.1″N 9°30’28.2″E), ein alter Transitkai direkt im Stadtzentrum. Er wurde kürzlich ausgebaut – aber nur für große Yachten. Sprich: Man brauch laaaange Leinen. Die linke Kaimauer hat noch uralte Poller und Ringe, aber auch hier ist schlecht festzumachen, und es gibt weder Wasser noch Strom – aber dafür kostet es auch nichts. Aber ein Supermarkt, eine Weinbar, perfekt zum Apero oder zum Auffüllen der Weinvorräte und ein Geschäft für Bootsbedarf (Nautico Olivieri) sind in nächster Nähe. Achtung, im Sommer landen an den beiden Kais hin und wieder Großsegler, Maxiyachten oder Marineschiffe an. Dann werden kleine Boote von der Capitaneria del Porto verjagt.

Übrigens, bei der Einfahrt nach Olbia sind rechts hinter den Muschelbänken in der Cala Saccaia einige Bootswerften. Unsere Vindö mit viel Holz geben wir gern zur Cantiere Fois (www.cantierenavaleolbia.net) – ein Familienbetrieb mit extrem netten Leuten, die sich gut mit klassischen Booten auskennen.

Der neue Hafen am südlichen Ende von Olbia ist zwar schick, aber uns zu unpersönlich und zu weit ab vom Schuss.

Olbia ist eine unterschätzte kleine Stadt, viele fahren einfach hindurch oder vorbei. Aber sie hat viele kleine Perlen – ein Stück die Einkaufsstrasse hinauf und dann links in einer Seitengasse ist ein Spezialitätengeschäft, das ebenfalls Wein anbietet und eine fantastische Antipastoplatte macht. Traditionell olbiesisch essen kann man zum Beispiel im „Il Gambero“ im Zentrum oder der „Trattoria Sperrittu“ am noch weiter innen gelegenen Hafen der Fischer.

Kultur gibt’s in Olbia auch: An der Isola Bianca ist ein sehenswertes Museum zur bewegten Geschichte der Stadt, und die Basilica di San Simplicio, am Rand des Stadtzentrums ist eine der ältesten und wichtigsten Kirchen auf der ganzen Insel.

Wir bleiben zwei Tage und fahren dann gegen mittag los und landen am frühen Nachmittag in einer wunderbaren Stimmung bei der …

Isola Tavolara (40°53’30.2″N 9°40’49.3″E)

Hier weht es eigentlich immer – was ja für Segler nicht so unangenehm ist. So auch heute. Unser Boot schneidet mit konstant fünf, sechs Knoten durch das Wasser.

Ein kleiner Traum, den wir ein paar Stunden lang mit fröhlichem Wenden, Halsen, Kreuzen, hin und zurück und frei nach Schnauze segeln ausleben.

Feinstes Segelwetter vor Tavolara
Feinstes Segelwetter vor Tavolara

Die Fallwinde nah an der Insel allerdings haben es in sich. Wir kennen sie schon vom letzten Urlaub, rund um die Insel muss immer mit einem unerwarteten Schubs Wind gerechnet werden.

Erst als wir zum Ankerplatz fahren, merken wir, wie eindringlich es auch heute hier herunter weht. Die Böen gehen quasi von null auf hundert.

Wir ankern vor dem Strand direkt südwestlich vor der Insel, an ihrem landzugewandten kurzen Ende, in flachen 4 Metern, der Anker hält prima im Sandboden.

Es gäbe auch einen Steg, am Porto di Tavolara, bei dem man etwas bequemer liegt und zu den Restaurants auf der Insel gelangt (hier ist es in der Hauptsaison wegen der Insellage zwar hochpreisig, aber man bekommt frisch in den lokalen Wassern gefangenen Fisch, der sehr gut ist).

Isola Tavolara - kitschig-schön
Isola Tavolara – kitschig-schön

Die Insel ist super zum Trekking (Achtung, nicht auf das Militärgebiet am nordöstlichen Ende gehen), und es gibt gleich an dem Strand einen kleinen Friedhof, auf dem der „Re di Tavolara“ begraben ist, Herrscher des kleinsten Königreiches der Welt.

Aber vor allem ist Tavolara eins: richtig schön und sieht von weitem aus wie ein riesiger Drachen, der im Meer liegt und schläft.

Am nächsten Tag nehmen wir Kurs Richtung Süden. Das Wetter hält, weiter südlich sind zwar Gewitter vorhergesagt, aber die sollen über Land bleiben. Wir werden uns das ansehen.

Cala Brandinchi / Lu Impostu (40°50’04.7″N 9°41’19.1″E)

Wir passieren das Capo Coda Cavallo, in dem für unseren Geschmack noch zuviele Boote liegen. Wir zählen 18 Masten, dazu sicher nochmal so viele Motorboote. Damit ist die Bucht mehr als voll.

Uns locken zwei wunderschöne Ankerbuchten südlich des Kaps – und siehe da, auf die Idee kamen nur noch zwei andere Schiffe.

Die Cala Brandinchi kann in Sachen „glasklar“ absolut mithalten.

Besuch auf dem Schlauchboot
Besuch auf dem Schlauchboot

Wir holen die Segel rein, tuckern noch kurz in die Nebenbucht, Lu Impostu, aber lassen (der Posidonia wegen, die dort flächendeckend wächst) unseren Anker dann doch in Brandinchi fallen.

Wir haben eine wunderbar ruhige Ankernacht mit einem traumhaften Sonnenuntergang, der die Isola Tavolara leicht rosa schimmern lässt. Schon ein bisschen Postkartenkitsch, aber deswegen sind wir ja hier.

Am nächsten Tag bleiben wir noch ein wenig in der Bucht, schwimmen, lesen und schlafen. Dolce far niente. Wir sind tiefenentspannt. Das Aufregendste was heute noch passiert, ist freundlicher Möwenbesuch auf dem Schlauchboot.

Gegen Abend fällt uns auf, dass wir mal wieder ein kleines „rifornimento“, also ein Auffüllen der Vorräte brauchen könnten.

Nachdem wir vor drei Jahren in der etwas versnobbten Marina di Puntaldia mal 85 Euro für einen (schlechten) Liegeplatz zahlen mussten, fahren wir an dem Hafen gezielt vorbei und machen fest in dem etwas weiter südlich gelegenen …

Porto Ottiolu (40°44’22.0″N 9°42’34.6″E)

Der Liegeplatz scheint uns im ersten Moment zwar auch nicht der Hit, aber dafür kostet er nur etwas mehr als die Hälfte von Puntaldia. Das Hafenbecken ist riesig gross, und die Duschen, Toiletten und das Hafengebäude genau auf der anderen Seite. Wir brauchen gut zehn Minuten auf unseren Rollern bis wir da sind.

Dafür ist alles sauber, gut in Schuss und das innere Hafenbecken aucht recht hübsch angelegt. Und

Zurück an unserem Liegeplatz merken wir, dass wir zum Strand und der nächsten Beachbar einfach nur über eine kleine Mauer hüpfen müssen. Am nächsten Morgen wird genau das getan und wir verbringen den gesamten Tag faul am Strand (als hätten wir vorher so viel getan …).

Daily life auf dem Boot
Daily life auf dem Boot

Porto Ottiolu ist ein reiner Touristenort (im Winter ist hier alles tot), aber wir treffen uns am Abend mit Freunden, die gerade in der Nähe Urlaub machen.

Wir müssen etwas länger nach einem nicht allzu touristischen Restaurant suchen, und landen schliesslich im „Il Colle“, auf einem Hügel mit Meerblick am Ortsrand gelegen (sehr zu empfehlen: die Antipasti di mare, 7 verschiedene Teller mit richtig gutem Meeresgetier).

Guten Fisch, aber auch Pizza und hemdsärmelige Küche bekommt man etwas weiter ausserhalb, an der Strasse Richtung Agrustos im Ristorante „Il Bacio“.

Am nächsten Morgen sind wir eigentlich froh, aus der Touriburg rauszukommen – aber der Motor streikt. Wir hatten bereits vor der Abfahrt leichte Probleme mit der Elektrik, und wieder sieht es so aus, als bekäme die Starterbatterie nicht genug Saft.

Den Rest des Tages verbringen wir mit Ursachenforschung, der Suche nach einem Elektroladen und mit dem Versuch, das Problem zu beheben.

Irgendwann springt der Motor an, aber da ist es uns zu spät, loszufahren. Also lassen wir ihn ein halbes Stündchen laufen (Sorry, Liegeplatznachbarn!) und bleiben noch eine Nacht. Der Abwasch war gerade erledigt, und wir wollten uns belohnen. Also hiess es erneut: Futter jagen.

Wie aus dem Bilderbuch: Posada - Cala Orvile
Wie aus dem Bilderbuch: Posada – Cala Orvile

Das Abendessen wird ein echter Hit. Denn wir finden das Restaurant „5sensi“ – ruhige Atmosphäre, richtig nette junge sardische Betreiber, kleine Küche, traditionell sardisches Essen (die Pasta mit Minze war super, ebenso das Steak und die Seadas), guter Wein, alles Produkte aus dem Inselinneren. Wir hatten Glück, denn es gibt nur wenige Tische im Garten und verbrachten einen tollen Abend.

Am nächsten Morgen tuckern wir gemütlich los und landen in der

Cala Orvile, Posada (40°38’54.1″N 9°44’48.8″E)

Vor der auf einem Hügel gelegenen Stadt ankern wir in einer traumhaften langen Bucht in etwa drei Meter Wassertiefe in einem türkisfarbenen Traum. Pittoresk ist gar kein Ausdruck. Wir sind leicht geflasht und freuen uns ein Loch in den Bauch.

Denn … Wir sind allein! Ganz allein! Auch am Strand liegen relativ wenig Leute, das verteilt sich hier gut. Nach etwa zwei Stunden gesellt sich ein (!) Motorboot in respektablem Abstand zu uns.

Sehr pittoresk: Posada
Sehr pittoresk: Posada

Wenn man bedenkt, dass sich in nur 10, 20, 50 Kilometer Luftlinie nördlich die Leute nach freien Plätzen suchen müssen und am Strand alle auf Armeslänge liegen, fragt man sich schon, warum die das machen. Beachbars, tolle Strände und tolles Wasser gibt’s hier auch. Plus Privatsphäre! Da ist hier ein kleines Paradies, und keiner fährt hin.

Uns soll’s recht sein.

Im Hinterland regen sich tatsächlich ein paar Wärmegewitter, man sieht die dunklen Wolken über dem Monte Albo immer höher steigen. Der Blick in die Wetterprognosen verrät, dass sie sich wirklich stationär über Land bilden und dort hängen bleiben.

Also beobachten wir von unserem Logenplatz das Naturschauspiel, alles geht gut. Wir sind ein wenig neidisch auf den Regen, der da hinten runterkommt, denn auf dem Meer ist es in diesem Sommer unheimlich warm und die Sonne brutzelt aufs Hirn.

Am nächsten Morgen dann nur ein kleiner Fünf-Meilen-Hüpfer nach …

La Caletta (40°36′35″N, 9°44′58″E)

Der Ort heisst auf sardisch „Sa Marina“, was sinnigerweise „der Hafen“ bedeutet. Passt, wir steuern auf den Transitkai direkt am Eingang des grosszügigen Hafenbeckens zu. Wer keinen Strom und Wasser braucht, oder nur kurz bleiben will, kann hier direkt anlegen.

Hemdsärmeliger Hafen mit viel Platz: La Caletta
Hemdsärmeliger Hafen mit viel Platz: La Caletta

Ein Ormeggiatore, einer der Hafenjungs, steht am Kai bereit, um beim Anlegen zu helfen. Wir rufen ihm zu, dass wir gern etwas länger bleiben möchten, und er gibt uns einen ganz tollen, geschützten Platz an einem Steg weiter innen im Hafen.

Wir richten uns darauf ein, ein paar Tage an Land zu verbringen.

Denn der Blick ins Wetter gestern hat auch verraten, dass mindestens in den nächsten zwei Tagen bis zu 30 Knoten Wind erwartet werden. Das ist uns zu ungemütlich, denn südlich von La Caletta nimmt sowohl die Hafendichte als auch die Zahl der geschützten Ankerbuchten schlagartig ab.

In La Caletta liegt man sicher. Ausserdem ist es – im Gegensatz zu Ottiolu oder anderen Orten an der Nordostküste – ein gewachsener, traditioneller Fischerort.

Natürlich ist im Juli / August auch hier mit erhöhtem Touristenaufkommen zu rechnen, abends verwandelt sich das Städtchen in einen Jahrmarkt. Aber die Zahl der „echten“ Geschäfte und Restaurants sowie die Chance gute, regionale Produkte zu bekommen und fair behandelt zu werden, ist recht hoch.

Wer die traditionelle sardische Küche mag, ist im „Su Fuffuraju“ bestens aufgehoben. Es ist vom Hafen ein gutes Stück entfernt, wir laufen erstmal in die Hauptstrasse, biegen dann irgendwann rechts ab (ist ausgeschildert), laufen wieder ein bisschen weiter und dann sind wir da, in dem kleinen gemütlichen Restaurant, in dem man sich gleich heimisch fühlt und richtig gut essen kann.

Gutes und sehr günstiges Essen findet man aber auch in der Pizzeria-Ristorante unter den Pinien direkt am Hafen Richtung Strand (Namen vergessen). Unser tägliches Ichnusa in der Hafenbar direkt am Ende des zentralen Stegs wird ein kleines Ritual.

La Caletta - buntes Leben an der Kaimauer
La Caletta – buntes Leben an der Kaimauer

Am dritten Tag öffnet sich ein kleines Fenster von zwei Tagen mit etwas weniger Wind. Das könnte reichen, um ein wenig weiter südlich kommen. Der nächste „echte“ Hafen ist Santa Maria Navarrese. Wir satteln unser Schiffchen und fahren los.

An der Küste vor Capo Comino ist es ein ewiges Gekreuze bei sogar zu wenig Wind. Weiter draussen sieht es vielversprechender aus, also holen wir weiter aus und finden uns in einem ziemlich welligen Gebiet wieder.

Hier beginnt der …

nördliche Golfo di Orosei (40°21’58.8″N 9°48’13.5″E)

Wir sind da, in unserem Sommer-Sonne-Traum-Reiseziel!

Doch erstmal heisst es: Weitersegeln!

Der Golfo di Orosei ist etwas unberechenbar in Sachen Wind, da die weite Bucht und die hohen Berge des Supramonte ziemlich viel verwirbeln. Im Inneren eher windarm, an den Kaps wie üblich heftiger.

Segeln ist heute Arbeit
Segeln ist heute Arbeit

So einige gibt es, die ihn weit umfahren. Wer hier noch nie war, sollte das allerdings nicht tun, denn die kleinen verwinkelten Buchten und das Feeling an einer Bergwand zu ankern, sind einmalig. Wer das schon kennt, der darf gern weit raus fahren, ins tiefe Wasser – denn ein paar Meilen vor der Küste leben Delfine, Mondfische, Meeresschildkröten und sogar Wale.

Unser Wetter heute ist traumhaft sonnig und warm.

Wir segeln durch Wind und Wellen, steuern und wenden und steuern und wenden … schön und spaßig!

Nach über 30 Wenden nehmen die Wellen zu, bis zu zwei Meter sind es nun wohl. Und wir – dank des Umwegs nach draussen – befinden uns nur wenige Meilen hinter der Cala Liberotto. Sie ist eigentlich eine traumhaft ruhige Ankerbucht, aber heute ein schäumendes Etwas. Das sieht ungemütlich aus. Wir finden, keine Option für die Nacht. Also weiter.

Hinter'm Capo Comino wird's langsam aber sicher wellig ...
Hinter’m Capo Comino wird’s langsam aber sicher wellig …

Drei andere Boote sind mit uns unterwegs und eingangs des Golfs trennen sich unsere Wege. Zwei nehmen unter Motor direkt Kurs nach Süd, sie kämpfen gegen die Wellen an und wollen wohl heute auf jeden Fall in Santa Maria Navarrese oder Arbatax ankommen.

Ein kleines Boot aus England segelt wie wir durch die Wellen. Das sieht schön aus, und wir grüssen uns fröhlich. Aber dann irgendwann dreht er ab und nimmt Kurs zurück. Weiss der etwas, was wir nicht wissen?

Wir sehen im Inneren des langgezogenen Golfs eine Motoryacht an der Marina di Orosei ankern (kein Hafen, nur eine alte Brandungsmole). Eigentlich ist die Küste ein Wellengarant, aber auf die Entfernung sieht es machbar aus, und immerhin dreht der Wind auf West, also ablandig. Vielleicht geht’s ja. Vor Capo Comino waren die Wellen sanft – vielleicht ist es südlich auch so.

Aber: Pech gehabt. Ein Wellenparadies … die Liberotto wäre wohl doch besser gewesen … Aber egal, wir sind recht müde, und wollen das Ganze in Ruhe durchdenken. Also stellen wir die kleine Yacht trotzdem erstmal hin. Cala Osalla ein Stück weiter (ist bei Wind aus West eigentlich super schön und geschützt) wäre noch eine Alternative, aber die Topografie ist ähnlich, die benimmt sich sicher genau so.

Das Boot nickt extrem, dass zum ersten Mal das Super-Pep-Kaugummi gegen Übelkeit an einem Ankerplatz zum Einsatz kommt … das hatten wir auch noch nicht.

Gegen 17 Uhr dreht der Wind auf Ost und kommt direkt auflandig. Die Motoryacht ist riesig, die juckt das nicht. Uns schon. So wollen wir die Nacht nicht verbringen.

Nützt nix, wir müssen noch ein paar Seemeilen auf uns nehmen.

Wir essen schnell noch etwas, kochen Kaffee, legen die Haribotüte als Nervennahrung hin, lichten den Anker und fahren weiter nach …

Cala Gonone (40°16’26.1″N 9°38’00.7″E)

Es ist bereits 20 Uhr als wir die Marina erreichen, wie gesagt, unser Boot reist mit 4-5 Knoten im Durchschnitt. Wir wussten, der Hafen ist winzig und Transitplätze gibt’s auch nicht. Trotzdem hatten wir die leise Hoffnung, irgendwo festmachen zu können, vielleicht im Päckchen.

Es wird Zeit für die Ankerbucht
Es wird Zeit für die Ankerbucht

Aber nichts geht, alles voll. Auf unseren Funkspruch reagiert vorsichtshalber auch niemand.

Der Wind legt zu und weht über die hohen Berge herunter. Abends. Das ist ungewöhnlich und nicht schön.

Welche Alternativen haben wir? Entweder direkt vor dem Hafen bleiben, oder zur Cala Luna fahren, in der Hoffnung, dass es dort ruhiger ist. Ein Blick auf die Karte verrät, dass die Wellen auch dort direkt in die Bucht stehen werden. Und bei den hohen Bergen weiss niemand so genau, was in Sachen Wind passiert. Die erste halbwegs geschützt aussehende Bucht ist Cala Sisine in 11 Meilen Entfernung.

Also, Spatz in der Hand: Wir stellen wir uns ein Stück weiter an der Küste vor Cala Gonone zu zwei anderen Booten. Aber der Platz ist auf jeden Fall weniger wellig und damit besser als die Marina di Orosei.

Wir besprechen die Strategie: Ankerwache, Nacht aushalten, tagsüber in der nächsten Bucht ausschlafen, am nächsten Abend mit Autohelm (unser Autopilot) die 20 Meilen in den nächsten Hafen motoren.

Damit das Boot am nächsten Tag für alle Fälle einen wachen Menschen hat, darf einer schlafen – und einer hält Ankerwache.

Die Rollenverteilung ist klar: Ich kann eh nicht pennen bei solchen Umständen und würde alle Nase lang raus rennen und gucken. Der Skipper hingegen schläft ganz gut, wenn er weiss, dass jemand aufpasst. Also, wickel ich mich in den Schlafsack und setze mich unter die Sprayhood ins Cockpit.

Auch am Morgen ist es immer noch stürmisch ...
Auch am Morgen nach der Ankerwache ist es immer noch stürmisch …

Der Wind kommt lt. Wetter-App für Cala Gonone mit 6-8 Knoten aus West. Das was wir hier lokal messen, sind 20 Knoten. Ernsthaft jetzt?! Kann man sich so irren? Und es sieht nicht so aus als ob es weniger würde.

Das soll sich bewahrheiten.

Gegen zwei Uhr morgens ist der Höhepunkt erreicht. Im Mittel Windstärke fünf, aber etwa alle zwei, drei Minuten gibt es Böen mit acht Beaufort. Die sausen mit einem Affenzahn die Bergwände hinab und ziehen heftig an der Kette. Nach einer halben Stunde hab ich mich daran gewöhnt.

Zum Glück weht es heute ablandig, der Anker hält bombe und die Klampen auch. Ich erinnere mich an einen Sturm vor Golfo Aranci und Böen mit 50 Knoten – das hat das Boot auch gut geschafft. Schwedische Wertarbeit eben.

Dem Nachbarboot geht derweil ein Fender flöten, und unser tapferes Boot kommt mit dem gleichmässig starken Wind direkt auf die Nase gut klar. Sie macht das echt gut. Ein tolles Boot.

Die Wellen halten sich in Grenzen – auch wenn wir uns wieder einmal wundern, wie hoch der Wind sie auf dem kurzen Stück ab dem Strand da vorne trotzdem aufschaukeln kann.

Cala Luna - hier ist Urlaub!
Cala Luna – hier ist Urlaub!

Am nächsten Morgen beruhigt sich die Lage etwas. Die Böen nehmen ab, der Seewind baut sich auf und hält dagegen.

Der Skipper hat in der Bugkabine auch nicht wirklich ruhig geschlafen – das erzählen seine Augenringe.

Der Urlaub ist also in seiner struppigen Phase, aber das soll uns egal sein. Segel setzen lassen wir heute, denn wir fahren nur ein paar Seemeilen weiter, in die …

Cala Luna (40°13’34.1″N 9°37’37.3″E)

… und suchen uns ein ruhiges Plätzchen. Hier ist es wirklich schön. Zwar auch ein wenig Schwell, aber von Wind keine Spur mehr. Hätten wir in der Nacht doch weiter fahren sollen? Aber sowas ahnt ja auch keiner. Ich nehme mir vor, für Ankeraktionen mehr „Topografie“ lesen lernen zu wollen.

Aber egal!

Hier ist Urlaub!

Die Cala Luna ist ja einer DER Hotspots auf der Insel. Und man muss sagen: zu Recht.

Die aufragende Felsküste, der helle steinige Strand, das klare Wasser, die bizarre Landschaft, die Grotten …

Zwei der Strandhöhlen an der Cala Luna
Zwei der Strandhöhlen an der Cala Luna

Wir schwimmen zum Frühstück hinüber. Ein paar Camper sind am anderen Ende des Strands. Wild Campen ist nicht erlaubt, aber heute früh sind keine Kontrolleure in Sicht, und wir verraten sie sicher nicht. Ansonsten sind wir bis auf zwei andere Segelboote, die schon da waren, allein in der Bucht.

Ein echter, sardischer Traum, das ist einfach so.

Die charakteristischen Höhlen, die dort im Fels sind und sich zum Strand hin öffnen, haben es uns angetan. Geht man hinein, dann ist man nicht mehr allein – Schwalben haben sie ebenfalls für sich entdeckt und nisten dort.

Sie sind etwa zehn Meter breit und geschätzt vielleicht so bis zu 40 Meter tief. Sie sehen aus wie Garagen aus einem Bond-Film – am Ende trifft man auf flache Wände aus rotem Stein. Wer ist da hinter? Blofeld? Le Chiffre? Die Russen? Irgendjemand hat mal behauptet, sie seien künstlich erschaffen, also gesprengt worden. Wahrscheinlich, weil sie nicht glauben konnten, dass die Natur mit Wind und Wasser so etwas Grandioses selbst erschaffen kann. Aber doch, sie kann.

Auch Unterwasser gibt es einige Höhlen, die man in einem kleinen Tauchgang erreichen kann – wenn man denn Tauchausrüstung an Bord hat.

Spazierfahrt an der fantastischen Küste des Supramonte
Spazierfahrt an der fantastischen Küste des Supramonte

Für Cineasten: In der Cala Luna wurde übrigens 1974 der Kinofilm „Travolti da un insolito destino“ und auch das Remake „Swept Away“ mit Madonna gedreht.

Wir schwimmen, schlafen, essen, schlafen … beobachten ein paar missglückte Ankermanöver. Es gibt tatsächlich Bootsleute, die ihren Anker fallen lassen und dann vorwärtsfahren, so dass er sich garantiert nicht eingraben kann und wundern sich, wenn sie nicht auf der Stelle bleiben. Anyway, solang sie nicht unser schönes Schiff rammen.

Am späten Nachmittag die nächste Wetterschau. Ab morgen nachmittag sind wieder Wellen und Wind angesagt, und wir entscheiden wir uns, jetzt unsere „Landpartie“ einzustreuen.

Wir wollten im Supramonte etwas umherstreifen und uns mal wieder richtig bewegen. Also richten wir uns auf einen mehrtägigen Landgang ein.

Capo Monte Santu - windig und kabblig
Capo Monte Santu – windig und kabblig

Wind ist heute keiner, also werfen wir den Motor an (der brav mitspielt) und machen eine kleine Spazierfahrt dicht entlang der Steilküste des Supramonte.

Wir gucken Cala Sisine, Goloritzè und wie sie alle heissen erstmal an, ohne zu halten – man sieht sich ja noch! Auf dem Rückweg, vesprrochen!

Am Capo Monte Santo wird es etwas kabblig und windig, aber gleich danach ist alles wieder still.

Wir lassen den 40. Breitengrad hinter uns und landen am frühen Abend in …

Santa Maria Navarrese – Marina di Baunei (39°59’29.4″N 9°41’34.9″E)

Der porto turistico ist unser Lieblingshafen auf Sardinien. Hier hat das Boot mal überwintert und wir würden sogar sagen: Der Hafen ist der beste der ganzen Insel.

Pedra Longa vom Meer aus gesehen
Pedra Longa vom Meer aus gesehen

Geschützt, ausreichend Transitplätze, nicht zu teuer (weder Tages- noch Jahresgebühr), ordentliche sanitäre Einrichtungen, 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr ist jemand da und ansprechbar.

Dazu sind die Leute auch noch extrem sympathisch, der ein oder andere spricht sogar Deutsch, die Werft hat kompetente Arbeiter und man darf dort auch „selbst basteln“.

Zwei  Tipps, einer für Sportler, einer für Bootseigner:

  • In der hinteren Hafenecke bei der Werft und dem Wäschehaus ist für Kletterfreunde eine steile Kletterwand mit Haken und eingerichtet – von der man einen tollen Blick auf sein Boot und das Meer bis Arbatax hat. Die wird auf jeden Fall in den  nächsten Tagen ausprobiert!
  • Kurz vorm Strand von Tancau gibt es das Geschäft „oltre mare“ mit allerlei marinem Zubehör, bei dem wir am nächsten Tag fix ein paar „Zutaten“ holen, mit dem wir die ein oder andere Kleinigkeit am Boot reparieren. Irgendwas gibt es ja immer zu tun. Für die Elektrik müssen wir nach Tortolì – dorthin fährt mehrmals täglich ein Bus.

Und – nicht zu unterschätzen – der Hafen hat eine gemütliche Hafenbar, die ganzjährig geöffnet ist, und in die wir quasi sofort nach dem Anlegen und Salz vom Boot waschen einfallen und ein Ichnusa trinken.

Porto Santa Maria Navarrese - Marina di Baunei
Porto Santa Maria Navarrese – Marina di Baunei

Duschen, Boot richtig putzen, dann  nochmal zum Apéro in die Bar und zum Abendessen ins über dem Hafen thronende Restaurant „tomé“. Abschliessend gemütlich durchs Dorf wackeln und später nach einem Rum an Bord in die Koje fallen.

Ein gelungener erster Hafentag!

Von dem am nächsten Tag einsetzenden Wind und Wellen kommt am Liegeplatz nichts an. Es ist wie erwartet ruhig.

Wir und das Boot geniessen die Ruhe. Morgen und übermorgen wollen wir nach Baunei, zum Trekking in den Supramonte, einen Ausgleich zum Leben auf dem Wasser schaffen.

Die Weiter- und Rückfahrt sowie Teil 2 unseres Reiseberichts findest Du hier!

5 Comments

  1. Klaus

    4. Oktober 2015 at 14:07

    Schöner informativer Bericht, ab 05.10. sind wir auch eine Woche in Marinella

    Habe nicht gefunden, was Ihr für ein Schiff habt ?

    Reply
    • nicole

      4. Oktober 2015 at 20:05

      Das ist eine Vindö 32, ein feines kleines Schiffchen! Viel Spass, in der Nebensaison ist es an der Costa ganz wunderbar!

      Reply
  2. Klaus

    13. Oktober 2015 at 16:42

    Eine Vindö verträgt schon was …
    Super wäre, wenn es dazu noch eine kleine Karte / Route gäbe zur Vorbereitung unseres nächsten Segeltörns.
    Gehört auch die Vindö oder gechartert ?

    Reply
    • nicole

      13. Oktober 2015 at 17:24

      Eine Vindö als Charterschiff wäre echt zu schade … 😉

      Aber eine Karte für die Buchten im Golfo di Orosei ist für den zweiten Teil in Arbeit – ein bisschen Geduld noch. Schätze, so in 1-2 Wochen nochmal reingucken könnte passen.

      Reply
    • nicole

      29. Januar 2016 at 14:36

      Der zweite Teil ist fertig, inkl. Koordinaten: http://pecora-nera.eu/sardinien-sommer-segelurlaub-teil-2/

      Reply

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